Missgeschick

When you walk through a storm
Hold your head up high
And don't be afraid of the dark

....

(You'll never walk alone- Gerry and the pacemakers)

22.07.2021

Müde schlug ich die Augen auf. Durch die Jalousien konnte ich bereits erahnen, dass draußen herrliches Wetter war. Ich stand auf und ging in die Küche, um mir meinen Kaffee zu machen. Sobald ich mit ihm in der Hand den Balkon betrat, umfing mich eine angenehme Wärme. Es wäre perfektes Trainingswetter. Normalerweise würde ich um diese Uhrzeit auch längst auf dem Platz stehen. Doch heute musste ich erst gegen 11 Uhr am Trainingsgelände sein. Es stand eine letzte Mannschaftssitzung an, bevor es morgen in das Trainingslager gehen würde. Der Knoten in meinem Magen war bei diesem Gedanken in den letzten Tagen tatsächlich kleiner geworden. Hauptsächlich lag es wahrscheinlich daran, dass Roman in den letzten Tagen nicht zum Training erschienen war. Das hieß zwar nicht, dass er nicht mit ins Trainingslager fahren würde, aber die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt.

Meine Hoffnung starb, als Marwin Roman hinter sich her in den Konferenzraum zog. Ich saß bereits mit Jule und Erling im hinteren Teil des Raumes. Marco ließ noch auf sich warten. Marwin zog Roman zu zwei Plätzen in der zweiten Reihe. Dieser sah aus, als wäre er am liebsten rückwärts wieder rausgegangen. Schließlich setzte er sich jedoch trotzdem. Marco betrat gehetzt den Raum. Er blieb kurz in der Tür stehen und warf einen verwunderten Blick auf Roman. Dieser bekam es glücklicherweise nicht mit. Marco fing sich wieder und ließ sich auf den freien Platz neben mir sinken. ,,Wieso ist er wieder hier? Also nicht das es schlimm wäre..." Ich zuckte mit den Schultern. Und ob das schlimm ist Marco.

Das Trainerteam betrat den Raum. Sofort wurden die Gespräche leiser. Dann räusperte sich Marco Rose und die Gespräche verstummten ganz. ,,Erstmal guten Morgen" Aus allen Ecken kam leises brummen zurück. ,,Mich freut es, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid." Bei diesem Satz starrte er Roman gerade zu an. Zu gerne hätte ich dessen Reaktion jetzt gesehen. ,,Bevor wir zu den organisatorischen Dingen kommen, würde ich gerne noch eine Sache klarstellen. Wer ohne Ankündigung mehrere Tage dem Training fern bleibt, auf den wartet pro Tag eine Geldstrafe von gut 10000 Euro. Und diesen Wert habe ich mir nicht ausgedacht, der steht so im Strafenkatalog." Das hieß, dass Roman 20000 Euro Strafe zahlen musste. Ich wusste zwar nicht genau, wie viel Roman verdiente, aber ich wusste, dass ich dann fast mein komplettes Gehalt der zwei Tage zahlen müsste.

,,Kommen wir nun zu den wirklich wichtigen Sachen.", erklärte Rose und startete eine Powerpoint Präsentation. ,,Wir treffen uns morgen früh um acht hier am Trainingsgelände. Dann geht es mit den Bussen zum Flughafen und von dort aus mit dem Mannschaftsairbus Richtung Bad Ragaz. Am Nachmittag machen wir dann die erste Einheit. So viel zum ersten Tag. Den Rest der Tage werden wir dann immer beim Abendessen planen. Ansonsten sei noch gesagt, dass wir natürlich während des Trainingslagers zwei Testspiele absolvieren werden. Am 24.07 geht es in St. Gallen gegen Athletic Bilbao und am 30.07 geht es in Altach gegen den FC Bologna." Den Rest der Informationen blendete ich irgendwann aus.

Ich kam erst wieder ins hier und jetzt, als alle anderen sich um mich herum erhoben und die Gespräche wieder anfingen. ,,Hey Greg,", sprach Jule mich an ,, Wir gehen noch in die Cafeteria was Essen. Willst du mit?" Ich nickte und wir machten uns zu viert auf zur Cafeteria. Eigentlich waren wir nicht nur zu viert. Fast die ganze Mannschaft folgte uns und verteilte sich letztendlich im Raum.

Ich hatte mich für Curry, Hühnchen und Reis entschieden. Gerade drehte ich mich um und wollte zurück zum Tisch gehen. Da passierte es. Zu spät bemerkte ich, dass Roman neben mir stand. Während ich mich drehte, reichte ein kleines Stupsen unter das Tablett aus, um eine riesige heißdampfende Sauerei zu produzieren. Das Curry ergoss sich heiß über meinem T-Shirt. Dann hörte ich erst das Platschen des Essens, dann das zerspringen des Tellers. Roman war innerhalb von ein paar Sekunden verschwunden. Er saß an seinem Platz und tat, als wäre nichts gewesen. Verdammtes Arschloch. Es schien tatsächlich niemand von diesem ,,Missgeschick" Notiz zu nehmen. Ich merkte, dass mir Tränen hochkamen. Ich drehte mich um. Im Augenwinkel sah ich eine Angestellte, die mit einem Lappen auf mich zueilte. Wenigstens eine Person, die es interessierte. Ich murmelte eine leise Entschuldigung. Dann verließ ich die Cafeteria.

Sobald ich durch die Tür gekommen war, kam ich wieder ein bisschen zu mir. Schmerz drang durch die Verklärung in meinem Kopf. Auf meinem Tshirt befand sich ein riesiger dampfender Fleck. Ich spürte Tränen über meine Wangen laufen. Ich wusste nicht warum ich weinte. Ich wusste nur, dass es nicht allein der Schmerz war, der mich weinen ließ. Mein Drang hier weg zu kommen, wurde nun von dem das Shirt ausziehen zu können überlagert. Schnell machte ich mich auf die Suche nach der nächsten Toilette. In dieser verschanzte ich mich. Hoffentlich hatte mich niemand weinen gesehen.

All die Last des Geschehens fiel in diesem Moment von mir ab. Die Tränen bahnten sich unaufhörlich ihre Wege über meine Wangen. Ich versuchte gar nicht mehr sie aufzuhalten. Der Schmerz ließ zum Glück ziemlich schnell nach, als ich mir das Shirt über den Kopf zog. Darunter kam gerötete zum Glück nur gerötete Haut zum Vorschein. Aber in Kombination mit den verblassenden blauen Flecken auf meiner linken Seite und meinen tränenüberströmten Gesicht war es trotzdem kein besonders erfreulicher Anblick. Und diese Tatsache brachte mich noch mehr zum Weinen.

Ich wusste nicht, wie lange ich jetzt schon auf diesem Klo hockte. Die Tränen waren zwar noch nicht versiegt, aber deutlich weniger geworden. Das hieß allerdings nicht, dass ich besser aussah. Noch niemand hatte angefangen nach mir zu suchen. Diese Tatsache schmerzte mich momentan noch viel mehr, als Romans Attacke. Offensichtlich ging ich hier allen am Arsch vorbei. Geschweige denn, dass ich einen Plan hatte, wie ich hier ohne Hilfe wieder raus kommen sollte. Das Shirt wieder anzuziehen oder oberkörperfrei zu gehen waren beides keine wirklichen Optionen. . Plötzlich hörte ich Schritte und Stimmen die sich näherten. Dann wurde die Türklinke herunter gedrückt. Erfolglos, denn ich hatte ja abgeschlossen.

Es klopfte. Dann sprach Marco: ,,Greg, bist du da drin?" Ich antwortete nicht. Er versuchte noch einmal die Tür zu öffnen. Dann schien Jule an der Tür zu übernehmen. ,,Greg, bitte mach auf. Wir machen uns Sorgen." Ich wusste nicht, warum ich mich dann doch dazu entschied zu öffnen. Vielleicht war es das Gefühl doch nicht ganz alleine zu sein. Ich wusste es nicht. Ich erhob mich schwerfällig von einer der Toiletten, auf der ich mich nieder gelassen hatte. Dann zog ich einmal die Nase hoch, bevor ich den Schlüssel im Schloss drehte. Ich hielt den dreien die Tür auf und schloss hinter ihnen ab, als sie eingetreten waren. Dann nahm ich mir mein T-Shirt und versuchte daran zu retten was noch zu retten war.

Ich spürte die besorgten aber auch irgendwie überforderten Blicke in meinem Rücken. Erling fand als erster seine Sprache wieder. ,,What happened Bro?" ,,Roman", antwortete ich schlicht, während ich das Shirt versuchte sauber zu schrubben. Es war nicht besonders erfolgreich, aber irgendwie heilsam meine Gefühle an irgendetwas rauslassen zu können. Ich sah im Spiegel, dass sich die Sorge der Jungs nicht wirklich gebessert hatte. ,,Was hat er getan?", traute Julian sich irgendwann zaghaft zu fragen. ,,Sich einen Spaß daraus gemacht, mir mein heißes Essen übers Shirt zu kippen." ,,And that's why you're crying?" Ich konnte das Unverständnis in Erls Stimme so deutlich hören, dass es mir einen weiteren Stich versetzte.

Marco übernahm die Strafe für diese Aussage. So gleich hörte ich eine Entschuldigung. Ich murmelte ,,Schon okay". ,,Also was genau hat er getan?" fragte Marco so ruhig, wie ich es ihm eigentlich niemals zugetraut hätte. Er und Jule hockten sich jeweils auf eine der Toiletten, während Erling sich an einer der Wände heruntergleiten ließ. Und dann begann ich zu erzählen. Und zwar von allem, was Roman bisher getan hatte. Und von meiner Angst vor dem Trainingslager.

Hey Leute,

Willkommen zu diesem neuen Kapitel. Ich hoffe ihr habt ein schönes Wochenende. Wie findet ihr Romans Aktion? Ich liebe es irgendwie, dass es jedes Mal aufs neue eskaliert, wenn er irgendwo auftaucht. Aber trotzdem bin ich jedes Mal kurz vorm heulen, wenn ich diese Szenen schreibe. Das ist irgendwie echt eine komische Mischung ;-) 

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