Gefühlschaos

Gib mir 'n kleines bisschen Sicherheit
In einer Welt, in der nichts sicher scheint
Gib mir in dieser schnellen Zeit
Irgendwas das bleibt

(Irgendwas bleibt- Silbermond)

18.08.2021

Irgendwie hörte sich der Wecker heute komisch an. Es war kein Klingeln sondern ein Klopfen, das leise durch meine noch verschwommenen Gedanken hindurch drang. Und es verschwand auch erstaunlich schnell und ohne dass ich etwas dagegen tun musste. Dafür strömte nun der Duft von Kaffee in meine Nase. Sofort schlug ich die Augen auf. Ich lag nicht in meinem Bett. Ich hatte das Zimmer in dem ich lag noch nie zuvor gesehen. Mats stand in der geöffneten Tür. Er sah noch so aus als wäre er selbst gerade erst aufgestanden. In seinen Händen hielt er zwei dampfende Tassen. ,,Guten Morgen,", murmelte er und nahm auf der Bettkante Platz. Dann reichte er mir eine der Tassen. Dankbar nahm ich sie und genehmigte mir einen großen Schluck. Langsam klärten sich meine Gedanken etwas. Doch Mats ließ mir zum Glück gar keine Chance zum Nachdenken. ,,Sollen wir zusammen zum Auslaufen fahren und ich bringe dich danach nach Hause?" Panisch checkte ich die Uhrzeit. Kurz nach 9 Uhr. Also noch genügend Zeit. ,,Ja, können wir so machen."

Erst als wir im Auto saßen, kam ich dazu einen Blick auf mein Handy zu werfen. Und das hätte ich lieber lassen sollen. Erneut stiegen mir Tränen in die Augen, als ich die Nachrichten meiner Mutter las. ,,Es tut mir so leid Schatz,", ,,Wir hätten es dir längst sagen müssen,", und ,,Du hättest es ganz anders erfahren sollen,", waren nur einige von unzähligen Nachrichten ihrerseits. Jede einzelne versetzte mir einen erneuten Stich ins Herz. Ich wusste zwar, dass meine Eltern nie eine wirklich harmonische Ehe geführt hatten, aber der kleine Junge in mir wollte das noch immer nicht so richtig wahrhaben. ,,Hey, was ist passiert Kumpel?" Mats besorgter Tonfall riss mich aus meinen Gedanken. Schnell zog ich die Nase hoch und wischte mir die Tränen von den Wangen. Doch Mats hatte sie eh längst gesehen.

Er lenkte den Wagen nach rechts auf einen Parkstreifen. ,,Wir kommen zu spät" Meinen Protest ignorierte er einfach. ,,Das ist mir gerade so was von egal." Dann beugte er sich über die Mittelkonsole und zog mich in seine Arme. Das brachte den Damm zum Brechen. Minutenlang hielt er mich einfach nur in seinen Armen. Ich brauchte lange um mich wieder zu beruhigen, doch irgendwann lockerten sich seine Arme dann doch noch. ,,Was ist passiert? Du fängst ja nicht grundlos an zu weinen." Zustimmend nickte ich. Ich entsperrte mein Handy und reichte es ihm an. Während er las, sah ich ihn ebenfalls ein paar Mal heftig schlucken. Dann sah er mich ernst an. ,,So schwer wie das auch werden wird, aber ich glaube mit ignorieren machst du es dir selbst nur noch schwerer." Ich schluckte hart. Das war mir selbst ja auch schon bewusst, jedoch schwieg ich. ,,Sie fliegen doch erst heute Abend zurück, oder?" Stumm nickte ich, brachte immer noch kein Wort heraus. ,,Dann treff dich heute noch mit ihnen. Das könnt ihr auch gerne bei mir zuhause machen, wenn dir das hilft." Das konnte ich jedoch einfach nicht annehmen. Er musste da nicht noch mehr reingezogen werden, als ich es jetzt eh schon getan hatte.

,,Um 13 Uhr vor der Insel am Phönixsee. Zum Flugzeug bringe ich euch nicht." Ich hatte die Nachricht gerade abgesendet, als wir auf das Trainingsgelände einbogen. Ich zeigte sie kurz Mats. Dieser lächelte mich aufmunternd und zufrieden an. ,,Das wird schon alles werden." Hoffentlich hatte er damit Recht. Aber jetzt musste ich eh erstmal das Auslaufen überleben. Ich wollte nicht darüber nachdenken, was die Jungs gestern Abend alles mit angehört und angesehen hatten. Und doch tat ich es. Selbst wenn die meisten wahrscheinlich ihre Klappen halten würden. Roman hatte jetzt auf jeden Fall eine ordentliche Menge an neuem Kanonenfutter. Zum Glück würde ich ihm heute nicht begegnen. Ich hatte bereits begonnen unter den wachsamen Augen des Trainerteams meine Runden zu drehen. Nach und nach füllte sich der Platz. Ich hing weiter meinen Gedanken nach. ,,Über was grübelst du jetzt schon wieder nach?" Beinahe wäre ich gestolpert. Mats griff mir blitzschnell ins Trainingsshirt.

,,Was denken die anderen über gestern Abend?" Mats schien nicht zu verstehen, worauf ich hinaus wollte. ,,Also über meine Eltern?" Wow, seit wann vertraute ich ihm eigentlich so? Diesen Gedanken schob ich schnell wieder zur Seite. Mats schien kurz zu überlegen wie viel er mir erzählen konnte. ,,Ich habe gestern Abend noch mit Marco telefoniert. Die Jungs haben nach dem deine Eltern die Loge verlassen hatten noch lange zusammen gesessen. Keiner hat auch nur ein schlechtes Wort verloren." Ungläubig sah ich ihn an. ,, Gott Gregor, die Jungs sind keine blutrünstigen Monster. Auch Roman nicht, auch wenn sich das für dich wahrscheinlich total unglaubwürdig anhört."

Mit leerem Kopf betrat ich die Kabine. Ich war heute mehr Runden gelaufen, als ich eigentlich hätte müssen. Und das nur in der Hoffnung, die Kabine möglichst für mich zu haben. Ich musste allerdings feststellen, dass dieser Plan grandios gescheitert war. Marco stand in der Mitte der Kabine und zog mich gleich zu sich, als ich diese betrat. Die anderen saßen stumm auf ihren Plätzen und schauten uns an. Marco ließ mir aber gar keine Zeit mehr zur Flucht. ,,Flüchten kannst du gleich vergessen." Konnte der Typ Gedanken lesen? ,,Ich will eh nur kurz sagen: Du kannst immer auf uns zählen." Marco lächelte und schaute mir dabei in die ernst in die Augen. Aus allen Ecken kam geschlossen Zustimmung. Wieder schossen mir Tränen in die Augen. Dieses Mal jedoch aus einem ganz anderen Grund als sonst. Marco widmete sich schnell anderen Themen. Ich ließ mich auf meinem Platz nieder und wischte mir kurz über die Augen. Dann sah ich zu Mats. Er zwinkerte mir zu.

,,Melde dich nachher mal. Viel Glück.", rief Mats mir zu, als ich aus seinem Auto stieg. Ich nickte. ,,Mach ich." Ich blickte ihm kurz hinterher, dann ging ich in meine Wohnung. Ich verräumte kurz meine Sachen, dann warf ich einen Blick auf die Uhr. 20 nach 12. Also hatte ich zumindest noch eine kurze Pause um meine Gedanken zu ordnen. Ich setzte mich auf die Couch und schaltete den Fernseher ein. Das war eindeutig ein Fehler, denn alles in mir sträubte sich dagegen wieder aufzustehen. Aber ich wusste, wenn ich zu spät kam, würde ich alles damit nur noch unangenehmer machen. Draußen hatte es sich zugezogen. Als wenn sich das Wetter meiner Laune angepasst hätte. Dennoch tat der kleine Spaziergang mir gut. Ich sah bereits von weitem, dass viele der Lokale gut besucht waren. Wir würden uns also wohl ein bisschen entfernen müssen, wenn wir ungestört reden wollten. Meine Eltern waren schon da. Erst jetzt fiel mir auf, wie viel Abstand sie eigentlich mittlerweile zueinander hielten. Sie standen mit dem Rücken zu mir und so hatte ich noch Zeit sie einen Moment zu beobachten. Sie schienen sich gar nicht mehr wirklich für einander zu interessieren.

Hey Leute,

Willkommen zu diesem neuen Kapitel. Was denkt ihr, wie wird es für Gregor laufen. Habt noch ein schönes Wochenende.

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