Der Supercup
Mein Herz schlägt schneller als deins
Sie schlagen nicht mehr wie eins
Wir leuchten heller allein
Vielleicht muss es so sein
(Auf anderen Wegen- Andreas Bourani)
17.08.2021
Ich schreckte aus dem Schlaf hoch, als es an der Tür klingelte. Schnell rollte ich zur Seite. Zu schnell. Meine Seite machte Bekanntschaft mit dem harten Wohnzimmerboden. Moment? Wohnzimmer? Verwirrt starrte ich auf die Couch. Nur langsam kamen die Erinnerungen an den gestrigen Abend zurück. Ich war einfach auf der Couch eingepennt. Wie zur Hölle war das denn bitte passiert? Die Klingel riss mich aus meinen Gedanken. Schnell sprang ich auf und rannte auf meinen Socken schlitternd zur Tür. Ich drückte den Summer. Dann fuhr ich mir kurz durch die Haare und strich meine Klamotten glatt, während ich den Schritten im Flur lauschte.
,,Das kann nicht dein Ernst sein, Gregor!", wetterte mein Vater los, als er mich sah. Meine Mutter musterte mich zwar, sagte aber nichts zu meinem Outfit. Ich ignorierte meinen Vater einfach und ging unter die Dusche. Zwanzig Minuten später saß ich auf dem Beifahrersitz des Leihwagens, den meine Eltern sich wohl heute Morgen besorgt hatten. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass ich irgendwas vergessen hatte. Meine Mutter musterte mich die ganze Zeit über erwartungsvoll. Im Wagen herrschte Stille. ,,Und was habt ihr für heute geplant?" Ich hätte mich am liebsten selbst geohrfeigt, nachdem ich diese Frage gestellt hatte. ,,Wir wollten uns ein bisschen die Stadt angucken und dann nachher mit dem Wagen zum Stadion fahren." Den Enthusiasmus hätte ich gerne von meiner Mutter geerbt. ,,Sollen wir uns eigentlich nach dem Spiel noch treffen?" Ich sollte echt meine Klappe halten. ,,Ja.", bellte mein Vater und ließ damit wie immer keinen Widerspruch zu. Und erloschen alle meine Hoffnungen.
Ich war froh, als meine Eltern mich nach dem Frühstück wieder nach Hause fuhren. Erleichtert sog ich die frische Luft ein, die in meine Nase strömte. Mit schnellen Schritten ging ich in meine Wohnung. Ich streifte meine Schuhe ab und ließ mich ächzend auf die Couch fallen. Erst jetzt wurde mir bewusst, was mir heute Abend bevor stand. Wir konnten den ersten Titel der Saison gewinnen. Erstaunlich was meine Eltern geschafft hatten mich vergessen zu lassen. Das würde definitiv kein leichtes Spiel werden. Ich wäre dämlich, wenn ich auch nur versuchen würde mir das einzureden. Ich überlegte, was ich jetzt noch mit dem angefangenen Tag anstellen sollte. Wenn ich jetzt in Gedanken versank, würde ich nur unnötig aufgeregt werden. Und darauf konnte ich gut verzichten. Also zog ich meine Schuhe wieder an und schloss die Wohnungstür ab. Ich sah bereits von weitem, dass die Restaurants am See heute gut besucht waren. Ich hielt mich also lieber von der Promenade fern und blieb beim ruhigeren Teil des Sees. Hier kamen für gewöhnlich nur Spaziergänger und Anlieger vorbei.
Gegen halb 5 bestellte ich mir ein Taxi, welches mich dann zum Mannschaftshotel brachte. Wenn ich nachher noch zu meinen Eltern musste, dann wollte ich wenigstens nicht noch mein Auto holen müssen. Ich würde schon irgendwie nach Hause kommen, im Zweifel rief ich mir halt nochmal ein Taxi. Mit meinen Eltern fahren würde ich nicht nochmal. Ich würde sie ja eh morgen wieder fahren müssen. Ich war pünktlich um halb 6 am Hotel. Dort fand ich dieselbe Situation vor wie am Samstag. Fokus, und das jeder auf seine eigene Art. Mein erster Weg führte mich wieder zum Buffett.
Gerade als ich mir ein Stück Butterkuchen auftat, tauchte Mats rechts neben mir auf. ,,Na, wie läufts mit deinen Eltern?", fragte er mich flüsternd, während er sich ebenfalls am Kuchen bediente. ,,Wie erwartet.", antwortete ich schlicht. Mats atmete einmal tief, dann sah ich ihn im Augenwinkel verstehend nicken. Er prüfte mit einem kurzen Blick unsere Umgebung. Es war niemand in unserer Nähe, der das Gespräch hätte mithören können. ,,Ich weiß, dass es verdammt beschissen sein kann, solche Probleme mit der eigenen Familie zu haben. Aber ich weiß, dass du einer bist, der damit klar kommen kann. Allerdings glaube ich, dass das nur geht, wenn du die Kraft findest, die Auseinandersetzung vor allem mit deinem zu suchen." Ergeben nickte ich. ,,Allerdings ist das natürlich nur meine Meinung. Das wollte ich dir nur nochmal gesagt haben." Ich rang mir ein tapferes Lächeln ab. ,,Ich werde es versuchen. Aber jetzt steht erstmal das Spiel an."
Die Situation war an Surrealität nicht zu übertreffen. Ich spielte für Dortmund. In Dortmund. Gegen die Bayern. Im Supercup. Und meine Eltern saßen friedlich und zumindest teilweise stolz auf ihren Logenplätzen (die hatte ich ihnen vor ein paar Tagen noch besorgt) und schauten mir zu. Ich hatte es tatsächlich geschafft. Glücksgefühle durchströmten meinen Körper. Sie hielten jedoch nicht lange. Schon in der 4. Minute landete der Ball in meinen Armen. Schnell wurde uns allen klar, dass es ein anstrengendes Spiel werden würde. Viel zu oft musste ich letztendlich hinter mich greifen. Wir hatten 3:1 verloren. Ich sah meinen Vater zwar gerade nicht, aber ich konnte ihn vor meinem inneren Auge toben sehen. Ich ließ mich auf einen der schwarzen Sitze auf der Trainerbank fallen und streifte mir die Handschuhe von den Fingern. Stillschweigend er trug ich mit meinen Kumpels von der Bank aus die Siegerehrung.
In der Kabine herrschte eine niedergeschlagene Stille. Leise hörte man die Party, die vom anderen Ende der Mixed Zone aus der Auswärtskabine herüber drang. Nicht ein Wort wurde bei uns gesprochen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Ich verließ als einer der letzten die Kabine. Die meisten anderen waren schon nach oben zur Loge gegangen oder hatten sich auf den Heimweg gemacht. Mein innerstes sträubte sich vehement dagegen, meinen Eltern heute noch einmal zu begegnen. Dennoch nahm ich meine Tasche und erhob mich schwerfällig. Im Stadion war es ungewohnt ruhig geworden. In Kombination mit der Dunkelheit draußen fast schon bedrückend still. Erst als ich mich den VIP Logen näherte, wurde es wieder belebter. Musik drang durch die Gänge.
Zu der Musik kam jedoch bald noch etwas anderes, was ich anfangs nicht richtig definieren konnte. Erst als ich die Loge schon fast betreten hatte verstand ich es. ,,Du bist so ein Arschloch geworden! Unglaublich, dass ich es all die Jahre mit dir ausgehalten habe." Meine Mutter hatte so laut geschrien, dass man sie wohl noch drei Straßen weiter gehört hatte. Nun hörte man sie durch die Musik durch schluchzen. Mit jedem ihrer Schluchzer machte sie es mir schwerer nicht auch noch die Fassung zu verlieren. ,,Wir müssen es ihm sagen."
Mein Vater klang emotionslos wie eh und je. ,,Mir was sagen?" Ohne es zu wollen betrat ich die Loge. Meine Eltern erstarrten. ,,MIR WAS SAGEN!?!?" Erst als meine Eltern mir noch immer nicht antworten, spürte ich langsam die bohrenden Blicke. Manche auf meinem Gesicht, andere starrten meine Eltern ungläubig. Viele meiner Mannschaftskollegen hatten sich hier versammelt. Selbst Roman sah mich mitleidig an. Sie hatten alle ihre Frauen und Familien dabei. Neben Roman sah ich Marlen belustigt mit ihrer Freundin tuscheln. Und sonst waren quasi alle wichtigen Leute des Vereins da. Ich musste hier raus.
Als sich eine Hand auf meine Schulter legte wurde ich langsamer. Sie war das erste was ich wirklich von meiner Umgebung wahrnahm. Kälte legte sich auf meine Haut. Erschrocken wirbelte ich zu der Person herum, und konnte sie doch durch meine tränenverklärten Augen nicht sehen. Ich spürte wie sich Arme tröstend um meinen Körper legten. Nur dumpf nahm ich war, dass Mats mit jemandem sprach. Dann rollte ein Auto heran. Mit meinem Kopf an das Glas gelehnt fielen mir schließlich die Augen zu.
Hey Leute,
Herzlich Willkommen zu diesem neuen Kapitel. Dieses Kapitel finde ich für Greg besonders schlimm. Und ich hatte struggles mit seiner Reaktion, weil ich halt überhaupt nicht einschätzen konnte, wie man bei sowas reagiert.
Habt noch ein schönes Wochenende
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