Cup der Traditionen

Machst mit 'nem Doppelpass jeden Gegner nass,
Du und dein VFL!

(Bochum- Herbert Grönemeyer)

17.07.2021

Zwei Tage waren seit Romans Attacke vergangen. Den gestrigen Trainingstag hatte ich dank einer Schmerztablette relativ gut überstanden. Den Restschmerz konnte ich zum Glück einigermaßen gut überspielen. So war ich nur ein bisschen steif gelaufen. Roman reichte dies anscheinend aus, um keine neue Attacke zu starten. Ich war froh, dass ich ihm heute nicht begegnen würde. Denn heute stand der Cup der Traditionen an. Mein erstes Spiel für den BVB. Ich freute mich drauf, auch wenn ich nach wie vor ein wenig gehandicapt war.

Vorfreudig stieg ich aus dem Bett. Gleichzeitig machte sich aber auch die Aufregung in meinem Körper breit. Durch die Jalousien sah ich bereits die Sonne hindurch scheinen. Perfektes Fußballwetter. Und mein persönliches Highlight war, dass wieder Fans im Stadion erlaubt waren. Zwar spielten wir in Duisburg und die Arena würde auch bei weitem nicht gefüllt sein, aber es war wieder ein Schritt in Richtung Normalität. Ich genoss meinen allmorgendlichen Kaffee auf dem Balkon, dann ging ich duschen. Vor dem Spiegel betrachtete ich meine linke Seite. Das rot war inzwischen zu einem Gemisch aus blau, lila und grün geworden. Ich rieb mich vorsichtig mit einem kühlenden Gel ein. Dann zog ich mich an und nahm eine Schmerztablette ein.

Ich fuhr zum Bäcker um die Ecke. Dort holte ich mir ein belegtes Brötchen und einen weiteren Kaffee. Dies aß ich schließlich, als ich nach dem Coronatest am Trainingszentrum wieder zuhause war. Dann legte ich mich in meine Hängematte und genoss noch ein bisschen die Sonne vor dem Spiel. Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche. Meine Mutter hatte mir geschrieben. ,,Hey mein Schatz. Ich wünsche dir ganz viel Glück für heute Nachmittag. Kuss, Mama." Ich konnte mir ein genervtes aufstöhnen nicht verkneifen. Früher hatte es mich gefreut, dass meine Eltern sich quasi jedes meiner Spiele angeschaut hatten. Irgendwann hatten sie sich aber angewöhnt, mich nach jedem meiner Spiele zu bewerten. Naja, kritisieren traf es besser. Ich konnte noch so gut spielen, mein Vater hatte immer etwas auszusetzen. Da konnte ich mich schon auf das Telefongespräch heute Abend freuen.

Mir gelang es zum Glück während der Fahrt zum Trainingsgelände die Gedanken an meine Eltern abzuschütteln. Bei strahlendem Sonnenschein parkte ich mein Auto und suchte die Cafeteria auf. Es war gerade zwölf Uhr und ich hatte noch kein Mittag gehabt. Mit leerem Magen könnte das gute Spielen allerdings schwierig. Dasselbe dachten sich wohl auch Marco und Jule. Die beiden saßen an einem Tisch mit Ausblick auf einen der Trainingsplätze und schienen eine amüsante Unterhaltung zu führen. Ich nahm mir einen Teller Spaghetti vom Buffet, als ich ein Pfeifen hörte. Ich drehte mich um. Marco wedelte wie verrückt mit den Armen, während Julian sich kaputt lachte. Ich begann ebenfalls zu lachen, ging dann der Aufforderung nach und kam zu den beiden.

Marco machte mir neben sich Platz und ich setzte mich. ,,Na, schon aufgeregt?", fragte Marco mich neugierig. Ich gab mir Mühe einigermaßen entspannt zu wirken. ,,Sollte ich?" Marco zuckt mit den Schultern. ,,Also ich war es vor meinem ersten Spiel hier." Ich war nicht unbedingt motiviert das Thema Aufregung zu vertiefen. ,,Wisst ihr wo der Raum ist, zu dem wir gleich müssen?", fragte ich stattdessen und schob mir eine Gabel mit Nudeln in den Mund. ,,Ja, wir zeigen dir gleich den Weg.", murmelte Julian. Wir verfielen während des Essens in eine angenehme Stille.

Wieder einmal war ich der festen Überzeugung den Weg nie wieder finden zu können, als wir mit unseren Sachen quer durch das Gebäude hetzten. Nur ganz vielleicht waren wir eventuell ein bisschen zu spät dran. Deswegen ernteten wir auch eine Ermahnung, als wir ein paar Minuten nach 1 Uhr den Raum betraten. Ich hoffte, dass man es meinem Kopf nicht ansah, wie unangenehm mir die Situation war. Wir suchten nach ein paar im Raum verstreuten freien Plätzen. Ich landete schließlich neben ein paar mir noch nicht bekannten Jungs und schaute mich unauffällig im Raum um. Ich kannte nicht mal die Hälfte der Leute im Raum. Viele von ihnen mussten aus der U23 kommen. ,,Greg, wir haben beschlossen, dass du heute erstmal nur die erste Halbzeit spielen wirst und Luca die zweite Hälfte übernehmen wird." Ich zuckte zusammen, als ich meinen Namen hörte. Marco Rose deutete auf einen jungen Mann in meinem Alter, welcher ein paar Plätze entfernt von mir saß. Ich nickte ihm kurz zu. Enttäuschung und Erleichterung stiegen in einer komischen Kombination gleichzeitig in mir auf. Enttäuschung, weil mir das niemand auch nur ansatzweise vorher gesagt hatte. Erleichterung, weil ich so nur die Hälfte der Zeit der Verantwortliche für Gegentore war.

Erst jetzt fiel mir auf, dass weder Marwin noch Roman hier waren. Das hielt ich für ein gutes Vorzeichen. Allerdings eher was Roman betrifft, Marwin hatte mir eigentlich nichts getan. Ich merkte erst, dass die Besprechung beendet war, als alle aufstanden. Schnell nahm ich meine Tasche und folgte ihnen. Marco und Jule warteten vor einem der Busse auf mich. Ich konnte mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen, als wir zu dritt den Bus betraten. Die beiden gehörten definitiv zu den guten. Die 50 Minuten Fahrt nach Duisburg vergingen erstaunlich schnell. Ich bewies Marco und Jule, dass ich eine absolute Niete in Mario Kart war. ,,Gut, dass wir die nächsten Monate viel Zeit zum Trainieren haben.", kommentierte Julian meine erbärmlichen Fähigkeiten, als wir aus dem Bus ausstiegen.

Schon die Fans, die noch an einem der Einlässe standen, ließen meinen Adrenalinpegel höher steigen.Sie gehörten einfach dazu, und es war nicht mal ansatzweise so schön zu spielen, wenn sie nicht da waren. Sie pushten dich, sie machten Stimmung. Ohne die Fans war es in den Stadien verdammt still. Auch die anderen schienen beim Gang in die Kabine nicht reden, sondern einfach nur die Stimmen und Gesänge genießen zu wollen. Nun schienen alle noch ein bisschen mehr motiviert zu sein. Einzig die Nachricht, dass der MSV Duisburg wegen drei Coronafällen nicht antreten konnte, schmälerte die Freude ein bisschen. Besonders die Jungs der U23 wären gerne gegen ihren zukünftigen Ligarivalen angetreten. Mich jedoch störte dieser Ausfall nur wenig.

Ich konzentrierte mich nun lieber auf das Duell gegen den VfL Bochum. Denen würde ich ja noch zweimal während der Saison begegnen. Da war es vielleicht gar nicht schlecht, sich schon mal auf sie einstellen zu können. Ich bekam eine Gänsehaut, als wir den Rasen zum Aufwärmen betraten. Die Fans waren bester Laune und machten schon ordentlich Stimmung. Bei ihnen war die Freude wieder ins Stadion zu können wohl genau so groß, wie unsere darüber, dass sie wieder da waren. Dennoch war es ein ungewohntes Bild, alle auf Abstand sitzen zu sehen. Davon jedoch wollte ich mich nicht stören lassen. Ich genoss einfach die Geräuschkulisse, während die Sonne auf meiner Haut kribbelte.

Zurück in der Kabine ging ich noch kurz zur Toilette, bevor ich einen kontrollierenden Blick auf mein Handy warf. Ich sah, dass Gonzo mir ein Bild geschickt hatte. Ich erkannte den Stream, den der BVB heute Nachmittag veranstaltete. Dazu hatte er ein vierblättriges Kleeblatt geschickt. Sofort hatte ich meine Oma im Ohr. Sie hatte mich einmal gefragt, ob ich wusste, woran man erkannte, dass man jemandem wirklich wichtig ist. Ich hatte mit dem Kopf geschüttelt. Sie meinte, es wären nicht die großen Geschenke zu Weihnachten oder dem Geburtstag. Es waren die kleinen Gesten im Alltag.

Schnell schüttelte ich die melancholischen Gedanken an meine Oma ab. Dann machte ich mich wie alle anderen auch auf den Weg zum Platz. Doch quasi sofort waren die Erinnerungen an den Abschied von meiner Oma wieder da. Es gab eine Schweigeminute für die Opfer der Hochwasserkatastrophe. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie es sich anfühlte, wenn einem eine geliebte Person einfach vom Schicksal entrissen wurde. Bei meiner Oma war es schließlich schon lange absehbar gewesen. Trotzdem war es dann noch schwer zu akzeptieren.

https://youtu.be/iDgcwWuDQ-Y

Zum Glück holte mich die zurückkommende Lautstärke wieder ins Hier und Jetzt. Meine Oma würde mit Sicherheit stolz auf mich sein, wenn sie mich jetzt sehen könnte. Ich versuchte dann aber, diese Gedanken so schnell wie möglich abzuschütteln und den Fokus aufs Spiel zurück zu gewinnen. Der Anpfiff klang wie Musik in meinen Ohren. Wirklich anstrengend wurde das Spiel für mich nicht. 11 Minuten durfte ich auf meinen ersten Ballkontakt warten. Ich war bis dahin ganz zufrieden mit dem Job, den die Jungs vor mir machten. Nur noch ein weiteres Mal landete der Ball bei mir, allerdings war auch die Situation nicht wirklich gefährlich gewesen. Zufrieden mit meiner weißen Weste verließ ich nach der ersten Hälfte den Platz.

Hey Leute,

Es ist einfach mal schon wieder Dienstag. Findet ihr auch, dass die Zeit schon wieder fliegt? Es war doch gerade erst Silvester. Jedenfalls nimmt die Geschichte hier jetzt langsam aber sicher fahrt auf. Zwar ist dieses Kapitel jetzt nicht wirklich spektakulär gewesen, aber wir nähern uns langsam aber sicher den interessanten Parts. Dankeschön übrigens für 100 Reads. Das ist zwar noch nicht die Macht, aber mich freut es trotzdem:-)

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