Ajax Amsterdam
19.10.2021
Es waren wieder ein paar Tage vergangen. Heute war Dienstag der 19.10.2021. Seit Tagen wachte ich jeden Morgen mit einem dicken Grinsen im Gesicht auf. Ich konnte einfach nicht anders. Ich hatte die letzten paar Tage dafür schon viele komische Blicke geerntet. Nur einer grinste bei meinem Anblick genauso zurück. Mats. Und mit genau diesem teilte ich mir gerade auch wieder ein Zimmer. Die Champions League stand wieder an. Wir waren schon gestern Abend nach Amsterdam gereist. Wirklich eine hübsche Stadt. Nur leider mit winzigen Hotelzimmern. Aber immerhin war es gut eingerichtet und damit für eine Nacht vollkommen okay.
Der Tag verging schnell und war nicht besonders interessant. Vor dem Spiel warf ich noch einmal einen Blick auf mein Handy. Und ich freute mich, als ich eine neue Nachricht von Lu sah. Wir hatten in den letzten Tagen viel geschrieben. Mehr als ich je gedacht hätte. Wir hatten einen wirklich großen Schritt gemacht. Das war mir in den letzten Tagen immer wieder bewusst geworden. Ihre jetzige Nachricht war ein einfaches ,,Viel Glück J". Ich musste schmunzeln.
Das Glück wünschen hatte mir für das Spiel nicht viel gebracht. Gelinde gesagt gar nichts. Das Spiel ist von Anfang an wild. Die Ajax Fans hatten nur wenige Minuten gebraucht um das gesamte Stadion in dichten Rauch zu hüllen. Man konnte nicht behaupten, dass wir von Anfang an gepennt hatten. Leider ganz und gar nicht. In der neunten Minute hatte ich gerade noch mein Bein zwischen den Ball und das Tor hinter mir bekommen. Eine Minute später war uns dieses Glück leider nicht mehr vergönnt. Marco hatte den Ball zum Eigentor verlängert. Und das war erst der Anfang. Letztendlich verließen wir nach einem 0:4 enttäuscht den Platz.
Es war meine Schuld. Nein, war es nicht. Doch. Nein. Doch. Nein. Diesen Streit mit mir selbst hätte ich noch eine Weile so weiter führen können. Aber ich wusste, dass ich trotzdem noch einen guten Tag erwischt hatte. Es hätte noch schlimmer enden können, wenn ich nicht ein paar Mal gut reagiert hätte. Aber es fühlte sich scheiße an. Enttäuschend. Wir hatten alle enttäuscht.
Irgendwann schaffte ich es mich aufzuraffen und mit den anderen Jungs zu unseren mitgereisten Fans zu gehen. Sie hatten ein Dankeschön verdient. Und es tat auch irgendwie verdammt gut. Sie standen hinter uns. Auch wenn wir versagt hatten. Die nächsten Minuten liefen wie in einem Film an mir vorbei. Wie in einem verdammt beschissenen Film. Oder als hätte jemand einen Schleier vor mein Gehirn gehängt. Irgendwann fand ich mich auf meinem Platz in der Kabine wieder. Es war still. Man hörte nur das Rauschen der Dusche. Die meisten hockten wie ich einfach traurig auf ihren Plätzen. Nur der Platz neben mir war frei. Mats hatte sich schon vor Minuten zum Telefonieren verzogen. Gerade als ich es geschafft hatte mich zum Umziehen aufzuraffen, begann auch mein eigenes Handy zu klingeln. Verwundert suchte ich es in meiner Tasche. Und es bildete sich tatsächlich ein Lächeln auf meinen Lippen.
Schnell ging ich zur Toilette. Das war wahrscheinlich der einzige Ort hier an dem mir nicht alle zuhören würden. Ich verriegelte die Tür hinter mir und nahm dann auf dem Toilettendeckel platz. Dann nahm ich den Anruf an. ,,Hey." Ein leises ,,Hey" kam aus der Leitung zurück. ,,Wo bist du gerade?" ,,Ich war gerade in der Kabine am Umziehen, bin dann aber gerade zum Klo gegangen als du angerufen hast." Kurz war es still, dann hörte ich Lu zögerlich fragen: ,,Wie geht es dir?" Ich überlegte kurz wie ehrlich ich darauf antworten sollte. Und ich entschied mich für Schönfärberei. ,,Naja, ist schon okay. Zwar unangenehm, aber man muss auch verlieren können." Ich gab mir größte Mühe möglichst positiv zu klingen. Doch es gelang mir nicht ganz.
,,Hör auf zu versuchen irgendwas zu verstecken. Ich bin nicht dämlich Greg." Lu klang ungewohnt klar und bestimmend. Ich musste schlucken. Sie hatte einen verdammt wunden Punkt getroffen. Gefühlt brauchte ich eine Ewigkeit um mir eine Antwort zurecht zu legen. Lu war die gesamte Zeit über still. Und ich hielt mich so überhaupt nicht mehr an das, was ich mir gerade noch im Kopf zurecht gelegt hatte. ,,Es fühlt sich so an als hätten wir alle versagt. Weißt du wie scheiße dieses Gefühl ist?" Lu schwieg einen kurzen Moment, nur um dann die richtigen Worte zu finden. ,,Hey, ich weiß es ist hart, aber ihr habt nicht versagt. Denkst du sonst wären die Fans geblieben? Wenn sie nicht gesehen hätten wie sehr ihr gekämpft habt? Ich kenne mich zwar nicht besonders gut mit Fußball aus, aber ich glaube nicht, dass ihr wirklich enttäuscht habt." Mir fehlten mal wieder die Worte.
,,Greg?!?!", hörte ich ein dumpfes Rufen von draußen. Direkt danach folgten ein paar Schläge gegen die Toilettentür. Es war Marco, der da wie ein Bekloppter gegen die Tür hämmerte. ,,Ja?!" ,,Wir wollen gleich zurück zum Hotel und dann nach Hause. Beeil dich also." Ich nickte, dann fasste ich mir an den Kopf, bevor ich ,,Ich komme gleich.", antwortete. ,,Was ist los?", kam es kurz darauf aus meinem Handy. ,,Sorry, ich muss auflegen, die anderen wollen zurück zum Hotel." ,,Schon gut, wir schreiben einfach. Und du kannst jederzeit anrufen, wenn du nochmal wen zum Reden brauchst." ,,Danke fürs zuhören. Gute Nacht." Ich wartete noch kurz, bis ich Lu ,,Gute Nacht.", flüstern hörte. Dann legte ich auf.
Ich schloss die Tür auf und verließ die Toilette. Nur um den Herzinfarkt meines Lebens zu bekommen. Marco lehnte grinsend am Türrahmen. Er zwinkerte mir wissend zu. Ich ignorierte ihn einfach. Das letzte was ich jetzt brauchte war einen neugierigen Marco, der mehr über meinen Beziehungsstatus wissen wollte. Zu meiner Verwunderung ließ er sich tatsächlich abwimmeln. Im Bus war so eine himmlische Ruhe, dass mir schon auf den ersten Metern die Augen zufielen. Das Schlafen eine sehr gute Idee war, wurde mir spätestens bewusst, als der Bus auf den Parkplatz des Trainingsgeländes einbog. Es war inzwischen kurz vor 4 Uhr am Morgen und mein Bett schrie geradezu nach mir. Dementsprechend kurz war auch mein Tagebucheintrag.
Wir haben verloren. Danke Lu.
Hey Leute,
Herzlich Willkommen zu diesem neuen Kapitel. Sorry, dass es heute so spät geworden ist.
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