V. i. s. i. o. n. II

Als Marissa die Augen öffnete strahlte ein helles Licht in ihr Gesicht. Sie schreckte auf und riss sich dabei eine Ampulle aus dem Arm. Ihr Atem ging stockend und sie sah sich hastig um. Wie viel Zeit war vergangen? Wieder hörte sie Alarmzeichen und sie sah auf den Bildschirm neben sich. Ihre Herzfrequenz ging unregelmäßig und viel zu schnell und darunter stand in Endlosschleife das Wort Error. Sie versuchte ihren Atem zu beruhigen und wischte sich müde ein paar Schweißtropfen aus der Stirn. Sie sah sich in dem Raum um. Weiß und steril. Den einzigen Bruch in dem Zimmer bildete die Wache, welche am Ende des Raumes stand. Sie erkannte Jason wieder und atmete erleichtert auf. Ohne nachzudenken, ob ihre Beine sie überhaupt tragen würden, stand sie auf und stolperte auf ihn zu. Sie sah Jason leicht den Kopf schütteln und sie gerade rechtzeitig auffangen, bevor ihre Beine wegknickten. „Der Arzt hat dir Bettruhe verordnet. Leg dich wieder hin.", murmelte er leise. „Jason. Ich kann nicht mehr...", schluchzte Marissa. Er seufzte und strich ihr eine Strähne aus ihrer Stirn. „Ich bin zwar nicht der Seelenklempner hier, aber vielleicht beruhigt es dich, dass sie noch nicht da sind. Ihre geplante Landung ist in zweiundzwanzig Stunden. Dass ist auch ihre Deadline für dich. Der König gibt dir noch genau eine Chance...", murmelte Jason. Marissa sah ihn an. Ihre Wangen glühten rot und ihre Augen waren mittlerweile hässlich geschwollen vom Weinen und den vielen Medikamenten. Jason seufzte schwer. „Wenn du jetzt aufgibst zu kämpfen haben die Amistraner schon gewonnen. Und ich denke nicht, dass das dein Ziel ist." Marissa nickte und wurde von einem Schluchzen erschüttert. „Hör' zu Kleines, du musst stark sein. Du musst gegen den Willen des Königs ankämpfen. Dir immer denken, dass deine Narben keine Zeichen der Schwäche sind. Sie sind ein Zeichen deines Widerstands." Marissa sah Jason an. Sie wusste, dass sie stark sein musste und sie wusste, dass es alles andere als leicht werden würde. Noch knapp einen Tag, welcher alles entscheiden würde, aber ein Gefühl sagte Marissa, dass sie es nicht schaffen würde. Zitternd atmete die ein und stolperte in ihr Bett zurück. Die Ampulle, welche sie sich gerade aus dem Arm gerissen hatte, baumelte immer noch wild hin und her. Mit einem Griff schnappte sie sich die Nadel und drückte sie in ihren Arm zurück. Sofort spürte sie, wie das Mittel, was auch immer es war, kalt durch ihre Adern floss. Als die Tür mit einem scheppern auffiel erkannte sie ihren Vater. Er hatte die Augen wütend zusammengekniffen und starrte Marissa an. „Hi Dad.", sagte Marissa schlicht, als wäre nichts geschehen. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Jason das Zimmer verließ und die Tür leise hinter sich schloss. Ihr Vater atmete einmal tief ein, wahrscheinlich um sich selbst zu beruhigen. Auf seiner karamellbraunen Haut schimmerten viele kleine Schweißtropfen. „Marissa Jean Christophs." Als er das aussprach wusste Marissa, dass es Ärger geben würde. „Warum, in Gottes Namen, warum?!" Er hörte sich eher verzweifelt an, als wütend. „Weißt du eigentlich, wie verdammt gefährlich es draußen ist?! Hättest du nicht wenigstens Jason mitnehmen können?! Marissa, es... Ich könnte es nicht nochmal ertragen dich an diese Bestien zu verlieren!" Betroffen schwieg Marissa und schaute auf die weiße Bettdecke. „Sorry.", murmelte sie. Der Präsident fuhr sich aufgebracht durch die Haare. „Ich will dich ja nicht anbrüllen, aber wir hatten so oft über dieses Thema gesprochen." Ihren Blick stur auf ihre knochigen Finger gerichtet zog sie die Schultern hoch. „Ist ja nichts passiert..." „Noch nicht, Marissa! Noch nicht!" Es fühlte sich so an, als wäre die Temperatur in dem sterilen um mehrere Grad gesunken. Kalter Schweiß bildete sich auf Marissas Stirn. „Ich sagte doch, dass es mir leid tut! Es wird nicht wieder passieren!" Trotz der dicken Bettdecke fror sie. Ihr Vater seufzte und ließ sich neben ihr auf dem Bett nieder. Sie wusste, was ihr Vater alles durchgemacht hatte. Erst hatte der zweite Krieg gegen Amistra ihm seine Frau und Marissas Mutter genommen und zu ihrem achtzehnten Geburtstag wurde wurde Marissa von ihnen entführt und zu der Heirat gezwungen. „Ich muss auch kämpfen. Ich kann das Volk nicht allein kämpfen lassen.", sagte Marissa mutiger als sie sich fühlte. Bevor ihr Vater etwas erwidern konnte, wurde die Tür erneut aufgerissen. Mirá stand an der Türschwelle und überblickte die Situation hektisch. Hinter ihr kam einer der Wachen gelaufen und Mirá machte einen großen Satz nach vorne. Die Wache hinter ihr verlor bei dem Versuch sie zu schnappen das Gleichgewicht und fiel hin. „Auf Befehl der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika Befehle ich ihnen stehen zu bleiben!", krächzt die Wache und versuchte sich aufzurappeln. „Das ist nur Mirá... Lass sie.", seufzte Marissa. Der Präsident schüttelte den Kopf und gab der Wache ein Zeichen zum gehen. Marissa wusste, dass ihr Vater Mirá nicht wirklich leiden konnte. „Marissa!" Glücklich viel sie ihr um den Hals. Marissa lachte leise. „Wie bist du reingekommen?", fragte Marissa leise. Mit einem Blick auf Mirás grünen Lederstiefel, welche vor Schmutz starrten, hob sie die Augenbrauen. „Das Fenster zum Hintereingang stand offen.", sagte Dad Mädchen schlicht. Der Blick des Präsidenten verdüsterte sich. „Welcher Idiot hat vergessen das Fenster zuzumachen?!" Halb brüllend, halb verzweifelt stürmte er aus dem Raum. „Er ist noch verrückter als das letzte Mal." „Lass ihn... Ich kann es ja irgendwie verstehen." Mirá grummelte. „Na wenn du meinst. Ich bin ja immer noch der Meinung, dass du abhauen solltest." „Das kann ich ihm doch nicht antun!", sagte Marissa empört. „Und ob du das kannst. Du bist hier wie in einem Gefängnis. Zeig doch mal etwas Selbstbewusstsein oder Stärke. Unabhängigkeit!" Marissa lächelte wehmütig. „Wenn das alles vorbei ist, ja?" Mirá seufzte frustriert auf. „Du bist echt kompliziert." „Gar nicht!", protestierte Marissa. Mirá setzte sich zu ihr ans Bett. Wo sie entlang gegangen war, könnte man eine Schlammspur sehen. „Mirá, ich glaube, mein Problem ist es, dass du einfach noch so unabhängig und stark bist und du genau das von mir auch erwartest. Aber die Zeit dort hat mich verändert. Mehr als ich zugeben würde. Seh mich mal an! Sieht dieses Gesicht für dich aus, wie das einer Kämpferin?" Mit einer Handbewegung zeigte sie auf ihre Narben. „Ja, allerdings. Diese Narben sind ein Beweis deiner Stärke. Eine Stärke, die die Amistraner nie haben werden. Menschlichkeit!"

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