V. i. s. i. o. n. I.
Marissa sah zum Sternenhimmel hinauf. Es war als wirklich geschehen. Die Raumschiffe, die Flotte von Amistra kam mit jeder Stunde näher. Sie sah sie schon vor sich. Blass, unnatürlich leuchtende Augen, spitz zulaufende Ohren, wunderschön und gefährlich. Sie strich sich über ihre Hand. Drei tiefe Narben zogen sich gezackt darüber und krochen bis zu ihrer Schulter hinauf. Sie hatte gelitten, geschrien, gebettelt und trotzdem hatten sie sie weiter gefoltert. Oh ja, sie wusste wie gefährlich und grausam die Amistraner waren. Mit einem Schlag wurde ihr bewusst, dass sich das alles wiederholen würde. Tränen rannen über ihr entstelltes Gesicht. Marissa wusste es. Jetzt hatte der Krieg begonnen. Der grüne Stern Amistra hatte Krieg begonnen. Gegen die Erde, gegen die Bewohner und gegen Marissa. Hinter ihr hörte sie Schritte. Ihre Freundin Mirá trat hinter sie. „Hey Trauergesicht. Kommen die Raumschiffe näher?" Marissa nickte und ignorierte gekonnt ihre andere Bemerkung. Lässig legte sie einen Arm um ihre Schulter und grinste frech. Ihre grünen Lederstiefel starrten vor Dreck und auch sonst sah sie schmutzig aus. Dennoch hatte sie eine Würde und Ausstrahlung, die Marissa schon lange verloren hatte. Sie starrte zu den kleinen grünen Punkten, die immer näher kamen. Ihre hellbraunen Haare flogen ihr sanft um den Kopf, als Wind aufkam. Hätte sie der Heirat zugestimmt wäre jetzt alles anders gekommen. Sie wäre Königin des grünen Sterns und ihr Mann wäre der tyrannische König von Amistra. Mirá sah sie von der Seite an und klopfte ihr ermunternd auf die Schulter. „Es wird alles wieder gut. Darauf vertraue ich.", sagte sie leise. Der Optimismus ihrer Freundin half ihr jeden Tag aufs Neue zu hoffen. Jeden Tag daran zu glauben, dass alles gut werden würde. Marissa lächelte leicht. „Du hast Recht... Alles wird gut.", murmelte sie. Dabei versuchte sie die Narben zu vergessen. Die fünf, die sich quer durch ihr Gesicht zogen und die drei, die ihren Arm herunterliefen. Die Freundinnen schwiegen und Marissa vergrub ihre Zehen im Gras des Gartens. Hinter ihr stand das weiße Haus von Washington in seiner vollen Pracht. Zitternd atmete sie die kalte Nachtluft ein. Ihr war kalt, jedoch ignorierte sie die Kälte und schloss die Augen. Sie war die Tochter des Präsidenten und sie hatte sich geweigert den König von Amistra zu heiraten. Nicht etwa aus Eitelkeit, nein sie wollte nicht mit einem Tyrann zusammen sein. Einem Tyrann der schon mehrere tausend Opfer gebracht hatte. Marissa seufzte. Sie selbst würde ihr Leben nicht gerade als einfach bezeichnen, jedoch musste sie mit den Konsequenzen die sie aus der ganzen Geschichte getragen hatte leben und überleben. Es war nur noch ein einziger Kampf für sie. Leben, überleben oder Sterben. Wenn sie leben wollte müsste sie den König heiraten. Aber wenn sie überleben wollte müsste sie rebellisch sein und den ganzen Strapazen entgegenstehen wie eine echte Heldin. Sterben bedeutet Tod und der Tod bedeutete ihr Versagen ihr Versagen gegenüber dem König, Amistra, ihrem Vater und der Erde. Während ihre Freundin ebenfalls müde wurde versank Marissa wieder in Gedanken. Nichts hätte so kommen sollen wie es gekommen war. Aber es war so gekommen und nichts konnte mehr aufgehalten werden. Nur mit einer Hochzeit konnte das Böse abgewendet werden. Aber Marissa weigerte sich mit mit jeder ihrer Fasern dagegen . Nie, aber auch wirklich nie würde sie das wollen. Marissa schüttelte ihr Unbehagen ab. Sie war sicher auf der Erde bei ihrer Familie ihren Freunden umgeben von einer Armee gut ausgebildeter Krieger. Doch lohnte es sich wirklich so viele Krieger in einem Krieg zu schicken der aussichtslos war um zu gewinnen? Aussichtslos gegenüber den Fähigkeiten der Amistraner. Gedankenlesen, Hypnose und Telekinese? Gaben, die sich ein Mensch nicht mal im geringsten vorstellen könnte, die jedoch gefährlich waren und schmerzhaft wenn die Amistraner die Geduld verloren. Mirá sah Marissa etwas besorgt an. „Marissa, ich bin für dich da. Immer. Das weißt du hoffentlich." Marissa sah ihre Freundin an und lächelte ehrlich. „Danke.", sagte sie leise und entspannte ihre Muskeln. Sie hatte nicht gemerkt, wie sie sich angespannt hatten und ihr Kiefer geknirscht hatte. Dieser tat nun weh, doch Marissa sah dem Schmerz nicht mehr direkt in die Augen. Er war nur noch ein kleines Stechen in ihren Wangenknochen. Sie versuchte sich wieder auf das Jetzt zu konzentrieren. Der Krieg stand bevor und jeden Tag wurden immer neue Soldaten aufgestellt. Jeder von ihnen kämpfte für ein eigenes Ziel. Marissas und Mirás bester Freund, Jason würde auch an der Front kämpfen. Doch niemand wusste ob er bald sterben würde oder weiterleben durfte. Nichts war gewiss und niemand würde wissen ob sie jemals die Chance haben würde gegen Amistra zu gewinnen. Marissa wusste, das man vom Nortwestall und Amistra mindestens fünf Tage in einem Spaceshuttle brauchte. Vor drei Tagen hatten sie ihnen den Krieg erklärt. Und jetzt sah man ihre Raumschiffe schon. Die grünen Shuttels der Amistraner strahlten selbst wie Sterne. Nur noch zwei Tage. Dann sind sie da... Mirá erschien ihre Gedanken zu erraten. „Wir sind gut vorbereitet. Mach dir keine Sorgen." Marissa nickte schweigend. „Es ist nur einfach alles zu viel... Ich habe erst vor fünf Wochen "Nein" gesagt... Ich wollte doch einfach nicht, dass dieser Tyrann mich heiratet und zu seiner Sklavin macht!" „König Kaleyth hatte es doch nur auf die Rohstoffe und Reichtümer der Erde abgesehen. Du wärst doch nur dafür da gewesen um ihm seinen lang ersehnten Sohn zu bringen.", antwortete Mirá. Marissa verzog das Gesicht. Sie sah immer noch die verrückten, grau blitzenden Augen des Königs vor sich, wenn sie die Augen schloss. Als sie vor dem Altar die entscheidenden Worte gesagt hatte, hatte sie der König sofort wegsperren lassen. Noch am selben Tag hatte man ihr die Narben zugefügt, die nun ihre Arme und ihr Gesicht zierten. Mit den Fingerspitzen berührte sie eine der fünf Narben in ihrem Gesicht. Sie taten nicht mehr weh, jedoch würde man sie immer sehen können. Marissa musste stark sein. Ihre Narben müsste sie mit Würde tragen und sie als Zeichen ihres Mutes und dem gewonnenen Kampf gegen den König sehen. Sie ging ein paar Schritte auf den Rosengarten des weißen Hauses zu und löste dabei aus versehen die Alarmanlage aus, als sie den Laser überschritt. Marissa fluchte laut auf, denn eigentlich dürfte sie gar nicht mehr draußen sein und, wie ihr Vater es ausdrückte, sich in neue Gefahr begeben. Innerhalb einer Minute hatten sich mindestens sechzig schwer bewaffnete Soldaten um Mirá und Marissa gestellt. Marissa erkannte Jason in der Menge der Soldaten und musste auf einmal lachen. Unter ihr Lachen mischten sich Tränen und sie wusste nicht mehr Recht was sie tat. Lachen, weinen oder beides. Alles schien so aussichtslos. Das letzte was sie spürte, war eine Beruhigungsspritze, die sich tief in ihren Arm bohrte und ihre dunklen Gedanken in einen traumlosen Schaltzustand versetzte und sie mit einem warmen schwarz umhüllte.
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