》20《

Harter, rauer Holzboden trifft auf mein Kreuz und ich schreie unterdrückt auf, dabei rudere ich wild mit den Armen und versuche verzweifelt, mich irgendwo festzuklammern. Alles scheint sich im Kreis zu drehen, mein Sichfeld rotiert wie das kleine Fenster einer Waschmaschine und bringt mich zum Würgen. Dumpfe Töne dringen zu meinem Bewusstsein durch, Rufe und panisches Gezeter, Schritte donnern über den Boden. Mein Schädel brummt bei jeder Vibration des Untergrundes und ich gebe ein leises Stöhnen von mir, dabei halte ich die Augen fest geschlossen. Wären meine Sinne zusätzlich noch mit den optischen Reizen konfrontiert, würde ich vermutlich komplett abdrehen oder den Verstand verlieren. Es genügt der seltsam verzerrte Mix aus vielen undefinierbaren Geräuschen, auch mein Tastsinn muss sich nun auf ein ganz anderes Klima umstellen. Es ist ähnlich wie auf der Lichtung, nicht stickig heiß, dennoch herrscht eine angenehm sommerliche Temperatur, sodass man nicht friert. Prickelnde Wärme streicht über meine Haut wie warme Sonnenstrahlen, doch nach wenigen Momenten muss ich erkennen, dass es sich dabei um Blut handelt, dass meinen Rücken hinunterrinnt, stammend von den Schürfwunden des Sturzes.
Nun, da der erste Schock etwas verraucht, spüre ich auch das unangenehme Brennen auf der Haut, und der metallische Geruch meines eigenen Bluts steigt mir in die Nase, vermischt mit dem Duft von Erde, Wald und Torf. Auch dies erinnert mich wage an die Lichtung, jedoch sind diese natürlichen Ausdünstungen der Umwelt hier viel intensiver als im Labyrinth.

Mehrere Hände rütteln mich grobe und einige Personen reden gleichzeitig auf mich ein, dennoch ist es eine einzige Stimme, die ich aus dem Gewirr heraushöre.
"Wer zur Hölle ist d... Alby?!"
Trotz meines pochenden Hinterkopfs öffne ich blinzelnd die Augen und drehe das Gesicht Richtung der Person, welche gesprochen hat. Mit offener Klappe und weit aufgerissenen Augen steht niemand anderes als Thomas im Türrahmen und lässt seinen Blick über die kleine Gruppe schweifen, welche es durch den Flattrans geschafft hatte. Erst jetzt fällt mir auf, dass wir weniger sind als auf der anderen Seite; vermutlich hatte Lux' Vater recht und einige starben bei dem Übertritt zu diesem Standpunkt hier.
Lux.
Der Name explodiert in meinem Kopf wie ein Feuerwerk. Nein: Cornelia, ermahne ich mich. Und doch wird es immer Lux für mich bleiben, Lux wie Luchs. Lux wie Licht. Das Licht, dass mir meine dunklen Tage erhellt.
Jenes Mädchen, welches mir und all meinen Freunden das Leben wiedergeschenkt hat. Ein bitterer Geschmack breitet sich auf meinem Gaumen aus bei dem Gedanken, ich könnte sie nie wieder sehen, wo sie doch nun so weit entfernt ist wie noch nie zuvor. Detailgetreu schwebt ihr Gesicht vor mir, ihre blitzgrünen Augen mit den langen Wimpern und ihrem schiefen Lächeln, ihre undefinierbar braunen Haare. Und dennoch kann ich sie nicht fassen, wie ein Traum, der verfliegt; nicht greifbar, viel zu groß ist die Entfernung zwischen uns.
Erst jetzt bemerke ich, das Thomas' Blick an mir hängen geblieben war, absoluter Unglaube spiegelt sich in seinen Augen wieder. Die Erinnerung an die Wut, welche mich an jenem einen Tag packte und mich dazu brachte, abscheuliche Dinge zu ihm zu sagen, kriechen wieder aus der hintersten Ecke meines Gedächtnises hervor, das Geräusch des Schusses, als er abdrückt; alles ist noch so lebendig, und doch so surreal, als wäre es nur in einem Fieberwahn erträumt worden.
Ich zwinge mich zu einem leichten Lächeln und hebe die Hand wie zu einem freundlichen Gruß.
"Hallo Tommy",
sage ich rau und Thomas wird bleich um die Nasenspitze. Er wankt, klammert sich am Türrahmen fest.
"Newt... d-du... du bist nicht..."
"Mir geht es gut",
unterbreche ich ihn, und ziehe mich an Albys Hand hoch, wobei jener dabei kurz aus dem Gleichgewicht kommt, weil ich nicht auf ein hilfsbereites Angebot einer Stütze gewartet habe. Obwohl heißer Schmerz mir den Rücken hinunterläuft und bei jeder Bewegung ein glühendes Eisen sich an meine Haut zu schmiegen scheint, kreise ich demonstrativ mit den Schultern um meine Fitness zur Schau zu stellen, und lass die Knöchel knacken. Immer noch starrt Thomas mich an, als käme ich vom Mars.

"Wie... wie ist das möglich..."
flüstert er mehr zu sich selbst als zu mir, dann wendet er sich plötzlich um und eilt ins Freie. Dabei hebt er knapp die Hand - eine Geste, die ich als Aufforderung auffasse, und ich setze ihm nach. Die Anderen kommen mir hinterher, der kleine Trupp versammelt sich auf eine kleine Lichtung, umringt von provisorisch aufgestellte Zelte und Hütten. Beim näheren Betrachten kann man erkennen, dass jene Gebilde an stabile Holzhäuser drangebaut wurden, als hätte man zu wenig Platz gehabt und muss nun Übernachtungsmöglichkeiten schaffen.
Einige der Bewohner dieses seltsamen kleinen Dorfs sehen überrascht auf, als sie uns bemerken, Misstrauen und auch eine kleine Spur Angst liegt auf ihren Gesichtern. Einige Erwachsene ziehen ihre Kinder heran und schlingen ihre Arme um sie, als müssten sie sie vor uns beschützen. Als wären wir gefährlich...

"Newt, du Strunk! Lässt dich auch mal wieder blicken!"
Das ist unverkennbar Minhos Stimme, den sarkastischen Unterton hätte ich überall wiedererkannt. Bevor ich ihn überhaupt richtig ansehen kann, werde ich auch schon in eine Umarmung gezogen - etwas, was ich bei dem Asiaten gar nicht gewöhnt bin. Dieser schwächt die sentimentale Geste jedoch gleich mit grobem Ruckenklopfen ab - wobei ich schmerzerfüllt aufzische - und löst sich wieder. Er tritt einige Schritte zurück, mustert mich kurz von oben bis unten und umarmt dann auch Alby auf eine brüderliche Art wie eben bei mir. Thomas währenddessen steht teilnahmslos daneben, sein Blick ist strikt gen Boden gerichtet. Ich weiß, dass ihm der Mord durch den Kopf geht, und beschließe, ihn nachher direkt darauf anzusprechen. Nicht, dass er sich weiter Vorwürfe macht, wo ich doch wieder lebe.

Die Stimmung lockert sich mit Minhos Dasein, der ehemalige Läufer erklärt so verständlich wie möglich die derzeitige Situation, im Gegenzug erzählt Alby das Geschehene. Als er mit seinem Bericht geendet hat, wendet sich Minho an mich.
"Und dir wurde dieses grüne Blut auch eingepflanzt oder was?"
"Genau, zwei mal, wenn mans genau nimmt."
"Wow."
Der Schwarzhaarige kratzt sich unschlüssig am Nacken, als überlege er, was er noch dazu kommentieren könnte.
"Das ist bestimmt nicht angenehm, so 'ne Wiederbelebung."
"Nein, wirklich nicht."
"Und schaut auch sicher genauso schön aus wie die Verwandlung, schätze ich mal."
"Genau."
Kurz ist es still, dann setze ich noch ein
"ich durfte bei einem Prozess zusehen." nach. Minhos Augenbrauen schnellen in die Höhe, wie zu einer stillen Frage. Bei der Erinnerung an den zuckenden, verkrusteten Kinderkörper muss ich schlucken, zwinge mich aber dennoch weiterzusprechen.
"Bei Ellie. Sie wurde von einem Crank getötet und dann..."
"Wer ist Ellie? Wie viele Frauen hattest du denn bitte in letzter Zeit Newt?"
Minhos Augenbrauenwackeln ignorierend, drehe ich mich nach der Kleinen um; als ich es realisiere.

Ich drehe mich im Kreis, wie ein Ringelspiel, doch so oft ich auch hinschaue, ich finde keine blonden Zöpfe, keine blauen, unschuldigen Augen. Ein Eisendraht wickelt sich hauchdünn um meinen Brustkorb, zieht sich immer weiter zu, bis mein Atem nur noch stoßweise kommt und schwarze Punkte vor meinem Sichtfeld herumtanzen. Die Erkenntnis, so felsenfest und unverrückbar, trifft mich wie ein Faustschlag mitten ins Gesicht. Eine behandschuhte Faust. Mit Stachelnieten. Mit Stachelnieten mit Widerhaken.

Ellie ist nicht mehr da.
Sie hat den Übertritt nicht geschafft.

Ich wollte eigentlich mit dem 20sten das letzte Kapitel updaten, aber da ein paar gemeint haben die Story geht leider ihrem Ende zu, habe ich beschlossen noch ein Zwischenchapter einzuschieben :D

Mal ne ganz andere Frage:
War jemand von euch gestern auf der TubeCon? Ich wäre so gerne dort gewesen, aber ich Opfer wohne ja in Österreich...

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