》16《
Lux P.O.V.
Gleichzeitig wie Newt die Treppe heruntergestürmt kommt, laufe ich hinauf. So kommt es zum Frontalcrash, wir fallen beide die Stiegen abwärts und landen letztendlich am Boden, wobei Newt so freundlich ist und sich dreht, sodass ich auf ihm lande, anstatt umgekehrt. Die Schwerkraft und der zusätzliche Schwung drückt mich komplett gegen seinen Körper und raubt mir für einen Moment den Atem; sowohl wegen der brutalen Quetschung meiner Lungenflügel, als auch durch die plötzliche Nähe zu dem Blonden. Erschrocken aufkeuchend sehen wir uns in die Augen, dann stütze ich mich mit beiden Händen links und rechts von seinem Kopf ab und krabble ungeschickt von ihm herunter. Dabei kann ich es nicht vermeiden, dass mir das Blut in die Wangen schießt und diese zum erröten bringt.
"Alles okay?",
wispert Newt tonlos, seine Augen haften die ganze Zeit an meinen, als gäbe es dort irgendetwas interessantes zu sehen. Dabei sind es doch nur meine Augen, einfache, grüne Dinger, nichts besonderes.
"Jaja."
Schnell wende ich den Blick ab und klopfe mir gegen die Schenkel, als wolle ich Schutz loswerden, obwohl der Boden mittlerweile ziemlich sauber ist. Der Blonde legt fragend den Kopf schief, dann räuspert er sich leise und dreht den Oberkörper komplett zu mir, sodass sein Shirt um den Bauch herum verrutscht und leicht hochrutscht. Die Haut darunter ist vernarbt und fleckig, trotzdem sehe ich die Muskeln deutlich unter seiner nicht vorhandenen Speckschicht hervortreten. Schnell reiße ich meinen Blick davon los und sehe Newt stattdessen in seine dunklen Augen, welche leicht belustigt glitzern. Er scheint mein Starren bemerkt zu haben, doch zum Glück lässt er dies unangesprochen.
"Es tut mir leid",
murmelt er undeutlich und kratzt sich verlegen den Nacken, dabei lächelt er leicht und für mich scheint die Sonne wieder aufzugehen. Nicht die heiße, brennende Sonne wie draußen im Freien, sondern mit einem warmen Licht, eines, worunter man sich wohl und geborgen fühlt. Unbewusst schlucke ich, nachdenklich mustere ich sein markantes Profil. Er hat ein schönes Gesicht, wie mir auffällt, weder hat er eine zu große Nase, noch einen zu schmalen Mund oder unsymmetrische Augenbrauen. Alles - einfach jedes Detail - scheint perfekt aufeinander abgestimmt worden zu sein, wie von einem Bildhauer geschaffen. Sollte ich jemals seine Eltern treffen, werde ich ihnen auf jeden Fall zu diesem großartigen Sohn gratulieren. Unschlüssig kaue ich auf meinen Lippen herum, überlege, was ich nun antworten soll. Kann ich ihm einfach so verzeihen? Tun würde ich es ja gerne. Andererseits hat es mich schon gekränkt, dass er mich so zu Unrecht verurteilt hat.
Doch in dieser Welt gibt es keine Zeit, um zu Trauern, zu Misstrauen oder andere Gefühle zuzulassen, welche einen schwächen. In diesen Zeiten hilft es nur, wenn man über seinen eigenen dunklen Schatten springt und sich zu seinem Umfeld durchringt; oder ganz verschließt, je nachdem, welche Art von Überlebenstaktik man wählen will. Alleine und unabhängig, oder mit Rückendeckung? Ich habe meinen Beschluss bereits gefasst, schon als ich ihn damals wiederbelebte, wenn man es genau ausdrücken will.
"Es ist okay",
sage ich leise und zwinge mich, Newt dabei ins Gesicht zu sehen. Auch, als ich den nächsten Satz ausspreche, obwohl er mir wie Galle in der Kehle brennt und mir schreckliches Magendrücken beschert.
"Ich werde dich bis zu ANGST begleiten. Doch danach gehen wir getrennte Wege."
xXx
Der Wind reisst mir grobe an den Haaren und ich versuche verzweifelt, die verknotete Mähne zurückzubinden. Immer wieder löst sich eine Strähne aus dem provisorischen Gummiband, das aus einem einfachen Stofffetzen besteht, welches seine Arbeit mehr schlecht als recht zu verrichten weiß. Hier oben in den Bergen ist das Wetter rauer als im Tal, obwohl die Luft heiß und trocken ist, laufen mir ständig Schauer über den Rücken. Fröstelnd reibe ich mit den Handflächen über die gänsehautüberzogen Arme und senke den Kopf gen Boden, damit meine Augen von dem umherwirbelnden Staubpartikeln nicht so tränen. An meiner Rechten kann ich Ellies Hand spüren, wie sie ihre dünnen Finger in meine Jacke gräbt und so Halt zu finden versucht. Immer wieder gleiten ihre kurzen Beine auf dem Geröll aus und sie stolpert, wetzt sich Knie und Ellbogen auf; und das alles nur, weil ich darauf bestehe, Newt zu begleiten. Dieser geht voran, testet die Wurzeln und Steine auf sicheren Stand und zieht mich dann hoch, zusammen mit Ellie. Wiederum an der Spitze der Kette schwirrt die Drohne. Der Bildschirm ist schwarz, doch ich bin mir sicher, dass wir beobachtet werden. Deshalb werden wir sie wohl, sobald das Lager in Sichtweite kommt, unabsichtlich
zerstören müssen, wenn wir uns nicht verraten wollen. Ellie und ich werden planmäßig nach Norden laufen, ich kenne dort einige Städte, die mehr oder weniger crankfrei sind. Und was wir dort machen werden... steht noch in den Sternen.
Newt wird bei ANGST bleiben. Was er dort genau bewirken will, weiß ich nicht, doch die Entschlossenheit, die in seinem Blick kocht wie so manch brandbefallenes Hirn in der heißen Wüstensonne, lässt keinerlei Widerspruch zu. Ich habe es aufgegeben, ihn doch noch umzustimmen zu versuchen; er will sie retten, um jeden Preis. Seine Freunde. Obwohl er hochmotiviert und optimistisch gestimmt ist, so weiß er sicher insgeheim, dass es sein Todesurteil ist. Jeder weiß es. Selbst Ellie.
Ein roter, blinkender Punkt erscheint auf der Bildfläche wie aus dem nichts, und ich folge seiner ungefähren Richtungsangabe. Wir wandern einen Berghang schräg nach oben, die Makierung wiederum liegt noch etwa hunder Höhenmeter über uns, einige Meilen weit weg.
Mein Blick gleitet zu Newt, der ebenfalls auf die Drohne starrt, er wirkt gedankenverloren, nachdenklich. Dann, ohne Vorwarnung, schnappt er sich plötzlich einen Stein vom Boden und lässt in auf die fliegende Maschine niedersausen, der Motor beginnt zu stottern und das elektronische Instekt mach einen luftigen Satz, knallt mit voller Wucht gegen die Steinwand. Die Kleinstteile zerbersten und zusammengesteckte Kabel fallen auseinander, es piept noch einmal, dann verebbt das Knurren und die Drohne wird still. Als wäre sie eben gestorben.
Mit weit aufgerissenen Augen sehe ich zu dem Blonden, welcher sein Werk mit eisiger Genugtuung betrachtet. Natürlich haben wir ausgemacht, das leblose - ich betone leblose - Ding zu eliminieren, doch für mich ist die Gerätschaft kein Verlust. Was viel mehr schmerzt ist die Symbolik dahinter. Hier trennen sich unsere Wege. Auch Newt realisiert endlich die Situation, er presst seine Lippen zusammen und sieht auf. Verzweiflung tritt in seinen Blick, und ich winke schnell ab, damit meine Hormone nicgt hyperventilieren. Ellie neben mir quickt leise auf.
"Gehst du schon?",
schluchzt sie bitterlich, eine saure Tränen rollt ihr über die Wange. Newt nickt knapp, dann geht er in die Hocke und nimmt das kleine Mädchen in den Arm. In meinem Hals bildet sich ein widerlicher Knoten, der sich nicht lösen will, so sehr ich auch schlucke.
Dann komme ich an die Reihe mit der Verabschiedung. Auch ich werde umarmt, aber ich nehme es kaum wahr. Vor kurzem waren wir doch noch bei mir zu Hause, oder? Vor kurzem schien alles noch gut zu werden. Vor kurzem war ich noch alleine, habe keine Sorgen wie diese hier gehabt. Vor kurzem...
Newt löst sich von mir, seine Hände liegen immer noch an meinen Schulterblättern. Seine dunklen Augen bohren sich in meine, als wollten sie meine Gedanken lesen; doch das darf ich nicht zulassen. Sie sind viel zu emotional dazu.
"Es tut mir leid Lux",
wispert er mir zu, so weit man bei diesem Wind halt wispern kann, und ich nicke, unfähig, etwas zu sagen. Wie kann dieser Idiot nur in die sichere Hölle laufen, geradewegs in die Fänge des Feinds? Warum ist er nur so dumm? Trotz all dieser bitteren Gedanken zwinge ich mich dazu, zu lächeln, auch wenn es wahrscheinlich eher einer Grimasse ähnelt. Auch Newt zieht die Mundwinkel krampfhaft hoch, sein Blick senkt sich ab, auf meine Lippen. Wie damals, im Büro meiner Mutter, beginnen meine Finger unruhig zu zucken und zu kribbeln, also wären sie nicht zufrieden mit ihrer Position. Viel lieber doch wären sie in blondes, unordentliches Haar vergraben, oder um einen warmen Hals gelegt, wo sie den heftigen Puls des anderen spüren.
Ich habe nichts mehr zu verlieren.
Mein Atem verlangsamt sich, und ich kann Newts Anspannung fühlen, als ich mich auf die Zehenspitzen stelle und meine Lippen gegen seine drücke. Doch dieser Moment des Zögerns dauert nicht lange, schon sind da auch schon seine Hände, sie sich um meine Hüfte schlingen und mich näher heranziehen. Der Kuss ist kurz und intensiv; das beste kommt immer zum Schluss, so sagt man doch. Und genau so, genau diesen Moment will ich immer in Erinnerung haben, wenn mich jemand nach Newt fragt, und kein trauriges Hinterherwinken, keine langen Blicke. Nein, nur dieser eine Kuss soll es sein, für immer.
Deshalb drehe ich mich um und gehe, mit Ellie an der Hand, ohne mich noch einmal nach Newt umzudrehen.
Tut mir leid für dieses langweilige, furchtbar kitschig-emotionale Kapitel, das nächste wird spannender... hoffe ich D:
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top