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"First the delusions start, then animal instincts begin to overpower the human ones. Finally it consumes them, destroys their humanity."

- James Dashner,
The Maze Runner.
Page 364

× × ×

"Bitte, Tommy. Bitte."

Jedes mal das gleiche mit den Cranks, wirklich. Wenn sie nicht schon vorher erschossen oder überfahren werden, fordern sie immer einen ihnen Nahestehenden zum Mord auf, so lange, bis die armen Schweine schließlich nachgeben. Und dann machen die sich ein Leben lang Vorwürfe. Ich checke dieses System echt nicht.

Peng macht es, dann kippt der Blonde um, Blut spritzt aus seiner Stirn und diesem Tommy ins Gesicht. Der dunkelhaarige Junge rappelt sich hastig hoch, stolpert gehetzt über den Hof, bis hin zu einem verbeulten, alten Lastwagen. Kaum ist er durch die offene Tür geklettert, wird diese auch schon zugeschlagen und mit einem stotternden Schnurren erwacht der Motor zum Leben. Der Wagen macht einen Satz nach vorne, dreht die Reifen um 90° ein und braust dann mit enormer Geschwindigkeit davon.

Einen Moment lang sehe ich dem vermeidlichen Fluchtfahrzeug nach, dann schlurfe ich gemächlich auf den Leichnam des Blonden zu. Wie hat Tommy ihn genannt? Newt? Was ist denn das bitte für ein komischer Name? Aber gut, das ist nicht mein Problem.

Vorsichtig knie mich neben den Toten und betrachte ihn genauer. Er scheint um die 16, 17 Jahre zu sein, wie ich, und sich etwa im mittleren bis vorletzten Stadium zu befinden. Was eigentlich komisch ist, normaler Weise sehen Cranks auf diesem Level viel schlimmer aus, der hier hat aber vergleichsweise kaum Verletzungen und Geschwüre.

Was mir wiederum zeigt, dass der Kerl ziemlich schlau sein musste; bei intelligenten Leuten breitet sich Der Brand aufgrund des höheren Denkverfahren schneller aus als bei Dummen. Folglich hat der Körper weniger Zeit, sich in der Zwischenzeit zu verletzen und verunstaltet zu werden. Ist doch logisch, oder?

Ich mache mir nicht die Mühe, seinen Puls zu fühlen; auch wenn ich unerfahren wäre und nicht auf seinen bewegungslosen Brustkorb und die starr in den Himmel gerichteten, toten Augen geachtet hätte, so würde doch jedes Lebewesen erkennen, dass dieser Typ hier nicht mehr lebt. Es war ein sauberer Kopfschuss, das kreisrunde, wie ein Wasserfall blutende Loch auf seiner Stirn zeugt davon.

Meine Hände wandern unter seine mageren Schultern und ich hebe seinen Oberkörper ein Stück an. Dann zerre ich ihn einige Meter über den Boden, muss ihn danach aber wieder schwer atmend ablegen. Wie's aussieht, hat dieses Bürsch'chen hier einiges an Muskelmasse am Leib, trotz seiner abgemagerten Gestalt lässt er sich kaum bewegen. Schnaufend packe ich ihn nach einer Weile wieder unter den Achseln und ziehe ihn weiter durch den Dreck, bin aber nach einer kurzen Distanz gezwungen wieder zu stoppen und durchzuatmen. Na das kann ja heiter werden...

Schwer atmend sitze ich schließlich auf dem Parkettboden eines fremden, leerstehenden Hauses, Newt habe ich vorerst auf ein zerkratztes Sofa verfrachtet. Die Türen sind so weit verriegelt und verbarrikadiert, sicherheitshalber habe ich meine Pistolen in Reichweite gelegt, um mich notfalls verteidigen zu können. Man weiß ja nie, wann die Cranks hungrig werden...

Kopfschütteld greife ich nach meinem Rucksack und kippe den Inhalt unvorsichtig auf einen niedrigen Wohnzimmertisch. Einige Blutspritzer kleben auf der Glasplatte, hier und da ist ein Kratzer; wie's aussieht, wurden die Hauseigentümer von der Crankwelle überrascht, genau hier, in diesem Raum.

Ein kleines, rotes Metallkästchen purtzelt auf den Boden, ich bücke mich danach und schiebe den Riegel zurück. Die Box springt auf unf eine leere Spritze mit einer langen, dünnen Nadel kommt zum Vorschein.

Während ich mit den Ärmel hochkrempel, frage ich mich sicher zum 100sten Mal in dieser Woche, warum ich das hier eigentlich mache.

Ich bin immun, ich könnte auf Nimmerwiedersehen abhauen und mein Leben in einigermaßen friedlicher Weise leben, wenn man von dem einen oder anderen Kampf mit irgendwelchen Cranks absieht.

Aber dann würde ich mir wieder Vorwürfe machen, dass ich es nicht wenigstens versucht hätte; dass ich nicht probiert hätte, ein paar Leben zu retten, auch wenn bisher niemand den Prozess überlebt hat. Jeder, dem ich bisher geholfen habe, hat sich umgebracht, in der vollsten Überzeugung, noch infiziert zu sein, bevor ich ihm irgendetwas erklären hätte können. Undankbares Pack...

Vorsichtig versenke ich die Nadel in der Vene an meiner linken Armbeuge und ziehe den Kolben bis zur Hälfte hoch. Normaler Weise braucht man nicht so viel, doch bei Verletzungen in Hirn- und Herzbereich ist der Heilungsprozess schwieriger, deshalb nehme ich sicherheitshalber das Doppelte als normal.

Zähneknirschend nehme ich die Spritze wieder heraus - ich hasse dieses Gefühl, wenn einem das Blut aus dem Körper gezogen wird - und betrachte die dickflüssige, giftgrüne Substanz darin. Wie schon so oft frage ich mich, warum ich solch ein merkwürdiges Blut habe. Vielleicht ein genetischer Defekt? Oder habe ich irgendeine Krankheit? Eigentlich ist es mir egal, denn was immer auch der Grund sein mag, es hat bisher keine negativen Nebeneffekte gezeigt. Ganz im Gegenteil.

Ich fasse nach dem Handgelenk des Toten und drehe des so, dass ich gut zu seinen blau schimmernden Adern herankomme. Dann versenke ich die Nadel auch in seiner Haut und spritze in langsamen, gleichmäßigem Tempo die grüne Flüssigkeit in seine Blutbahn. Dort, wo sich rot und grün vermischt, wird es dunkel, fast schon schwarz, und zieht sich als schwarze Linien den Arm hinauf, breitet sich wie ein dünnfädriges Spinnennetz auf seinem Körper aus. Ich weiche einige Schritte zurück und beobachte stumm die Prozedur.

× × ×

Newt
P.O.V.

Es ist dunkel.
Dunkel und still.

Bin ich jetzt tot?
denke ich.
Soll das hier der Himmel sein?

Wenn ja, dann ist Gott ja ziemlich unkreativ, was das Paradies betrifft. Ich sehe nichts, höre nichts, spüre nichts; als wäre ich eingefroren. Als wäre ich... tot. Badum tsss.

Vielleicht habe ich ja nicht verdient, in den Himmel zu kommen, werde nun mit grenzenloser Langeweile bestraft und muss ewig in diesem Nichts schweben. Wer weiß wie viel Zeit schon vergangen ist, eine Stunde, eine Woche? Monate, Jahre? Keine Ahnung, möglich ist alles.

Dann, von einem Moment auf den anderen, ändert sich das Szenario. Zwar ist es immer noch dunkel, doch ich höre und spüre wieder etwas; aber darauf hätte ich guten Gewissens verzichten können.

Der Schmerz, der mir in den Kopf schießt und sich wie ein glühendes Eisen in mein verseuchtes Hirn bohrt, hätte mich wahrscheinlich in die Knie gezwungen, wäre ich aufrecht gestanden. Aber so winde ich mich bloß, versuche krampfhaft die unsichtbare Macht abzuschütteln, doch sie bleibt und rührt weiter in meinem Kopf herum. In Ohnmacht falle ich zu meinem Leid auch nicht, viel eher noch scheint diese Folter mich um meinen Verstand treiben zu wollen und absichtlich zu quälen. So sehr ich meine Hände auch gegen meine Stirn presse, es bringt nicht die geringste Linderung, der Schmerz steigert sich sogar noch mehr. Wie Gift fließt er durch meine Venen und verteilt sich in meinem ganzen Körper, Schreie hallen durch die Dunkelheit. Meine Schreie.

Unendlich lange scheint dies anzuhalten, eine Tortur aus Höllenschmerzen und ein seltsames Ziehen unter der Haut, als würden dicke Fäden durch meine Adern gezogen werden. Ich schreie weiter, versuche mich an irgendetwas zu klammern, aber da ist nichts; nur Leere.

Ich bin nicht im Himmel,
denke ich verbittert.
Ich bin in der Hölle!

Dann, genauso schlagartig, wie sie gekommen waren, hören die Schmerzen auf wieder auf. Keuchend ringe ich nach Luft, das Atmen fällt mir schwer, als hätte ich es verlernt gehabt. Meine Lungen schmerzen, meine Muskeln sind verkrampft und taub und zittern vor Anstrengung, Schweiß rinnt mir über die Schläfe.

Dann höre ich etwas; eine Stimme. Eine weibliche, junge Stimme, hell und klar und doch auf merkwürdige Art und Weise heiser.

"Herzlichen Glückwunsch, du hast die Rekordzeit geknackt. 4 Minuten 46 Sekunden. Respekt."

Vorsichtig öffne ich die Augen und sehe wenige Meter von mir entfernt ein Mädchen stehen, dass mich neugierig mustert. Ihre grasgrünen Augen funkeln wie zwei Smaragde, scannen mich von oben bis unten ab wie ein Laserstrahl, der die Daten abließt. Ihr Haar trägt sie zu einem lockeren Zopf zusammengebunden, einige Strähnen haben sich jedoch gelöst und hängen ihr verwuschelt ins Gesicht. Die Farbe ist faszinierend: Brau, aber kein normaler Kastanienton, sondern viel heller. Wie der Sand der Brandwüste, mit einem Stich ins rötliche.

Anscheinend habe ich sie zu lange angestarrt, denn sie räuspert sich vernehmlich und verschränkt die Arme vor der Brust.

"Bevor du dich noch umbringst, lass mir dir einige Dinge erklären, okay?",
sagt sie zynisch und setzt sich an Ort und Stelle auf den Boden. In ihrer einen Hand hält sie eine Spritze, das Plastikröhrchen ist von innen mit einer grünlichen Flüssigkeit verschmiert und wirkt alt und zerkratzt. Hoffentlich benutzt die dieses Ding nicht mehr, allein vom Einstich bekommt man wahrscheinlich eine Blutvergiftung.

Stumm sehe ich sie an, dann, ganz langsam, dringen ihre Worte zu mir durch.

"Ich...",
setze ich an, doch meine Stimme verliert sich. Sie klingt rau und brüchig, als wären meine Stimmbänder total ausgetrocknet gewesen und müssten nun langsam wieder lernen, richtig zu schwingen.

"Du...?",
hackt sie nach und sieht mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

Irgendwie wirkt sie auf mich wie eine Kombination aus Thomas und Minho: Einerseits sarkastisch und prüde, andererseits wirkt sie neugierig und aufmerksam und beobachtet mich wie eine neu entdeckte Tierart. Ich räuspere mich umständlich, um etwas Zeit zu schinden.

"Ich bin... tot."

Das klingt eher wie eine Feststellung als eine Vermutung.

Und es ist doch auch so, oder?

Tommy hat mich erschossen. Er hat es wirklich getan, und dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Aber warum... warum fühle ich mich dann nicht tot?

"Du warst tot, ja. Jetzt nicht mehr."

Sie lehnt sich ein Stück zurück, stützt die Ellbogen gegen einen niedrigen Glastisch, der ziemlich mitgenommen aussieht. Irritiert sehe ich sie an.

"Aber..."
setze ich an und greife mir an die Stirn. Meine Finger streifen über glatte Haut, keine Anzeichen von einer Wunde, geschweige denn eines Kopfschusses. Entsetzt taste ich weiter, finde aber weiterhin nur heile Oberfläche. Nein... nein. Nein nein nein!

Verzweifelt fahre ich mir durchs Haar, über die Arme und Beine, versuche irgendwelche tödlichen Wunden an mir zu finden; nichts. Ich bin total unversehrt, auch die Kratzer und Aufschürfungen der letzten Tage sind spurlos verschwunden.

"Heyeyey, ganz ruhig!",
höre ich das Mädchen sagen, aber ich höre ihr nicht zu. Panik erfasst mich, packt mein wieder schlagendes Herz mit eisigen Klauen und bohrt seine Krallen ins Fleisch.

Ich will kein Crank werden.

Ich will nicht so wie die werden!

Nein! Ich will nicht! NEIN!

Mein Blick fällt auf etwas Glänzendes, dass vor den Füßen der Unbekannten liegt, eine Waffe. Eine Pistole. Ich muss es tun. Ich muss es verhindern, und zwar sofort!

Hastig greife ich nach dem Mordinstrument, aber sie scheint mein Vorhaben vorausgeahnt zu haben und schnappt sich das Teil, bevor ich es erreichen kann. In meiner Verzweiflung packe ich sie am Handgelenk und versuche nach der Waffe zu fassen.

"Nein! Hör auf!",
schreit sie mir ins Gesicht und klemmt sich die Pistole mit aller Kraft zwischen ihren Körper und ihre Beinen, die sie fest anzieht. Ihre Stimme klingt fast ein wenig verärgert, als wäre das hier ein Test und ich würde den komplett falschen Weg einschlagen.

"Du verstehst das nicht! Ich muss das tun!",
brülle ich zurück und klappe langsam, aber sicher ihre Igelstellung auseinander. Sie knurrt leise auf.

"Hör mir zu, ja? Hör mir einfach zu!"

Ich halte ruckartig inne. Erstaunt blickt sie auf, sie scheint nicht damit gerechnet zu haben, dass ich ihr folge. Ihre Smaragdaugen mustern mich misstrauisch, sie bleibt weiterhin verkrümmt.

"Hör mir zu, und wenn du danach meinst, dich immer noch umbringen zu müssen, dann tu es. Aber zuerst hör mir zu."

Ihre Stimme wird immer ruhiger und fester, sie scheint mit jedem Wort mehr Mut zu schöpfen. Ich lasse mir ihre Worte durch den Kopf gehen, dann krabbel ich ein Stück nach hinten und setze mich im Schneidersitz ihr gegenüber.

"Okay. Sprich."

Zögernd richtet sie sich wieder auf, die Pistole immer noch fest umklammert wie einen lebensrettenden Anker. Sie mustert mich mit argwöhnischem Blick, dann beginnt sie zu sprechen.

"Newt..."

"Woher kennst du meinen Namen?",
fahre ich sofort dazwischen und ernte dafür einen bitterbösen Blick.

"Ich habe das nette Gespräch zwischen dir und diesem Tommy mitgehört. Aber das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist jetzt, dass du geheilt und von nun an immun bist."

Mein Blick scheint mehr als tausend Worte zu sprechen. Seufzend hält sie sich den Kopf.

"Ich weiß dass das dumm klingt, aber es ist so."

"Und warum sollte es so sein?",
frage ich und sehe sie weiterhin mit ungläubiger Miene an. Das ist doch kompletter Schwachsinn! Warum sollte ich plötzlich immun werden? Das ist total unrealistisch!

"Das weiß ich - ehrlich gesagt - auch nicht so genau. Es ist einfach so."

Ich ziehe eine Augenbraue hoch. Sie seufzt wieder.

"Schau mal...",
setzt sie an und spekuliert ein wenig mit den Händen herum. Ich weiß nicht wie gerade jetzt ich auf diesen Gedanken komme, aber irgendwie gefällt mir die Art, wie sie redet. Wie sie sich bewegt, wie sie die Augen kurz zusammenkneift, ehe sie eine lange Rede ansetzt. Zusammen mit ihren grünen Katzenaugen und den undefinierbar braunen Haaren wirkt sie wie ein elegantes Raubtier auf mich, wie ein... Luchs. Oder ein Puma.

Ganz in Gedanken versunken fasse ich den Sinn ihrer Worte nicht mehr, bis sie plötzlich stoppt.

"Hörst du mir überhaupt zu?",
zischt sie verärgert und ich schüttel leicht beschämt den Kopf. Sie verdreht die Augen und zieht plötzlich ein langes, scharfes Messer aus ihrer Jacke. Etwas erschrocken sehe ich sie an, worauf sie mich schelmisch angrinst.

"Was denn, hast du Angst? Ich dachte du willst sterben",
spottet sie mich aus und setzt die Klinge an ihrer Handfläche an. Dann zieht sie sie mir einem Ruck durch; und hervor quillt Blut.

Dickes, hellgrünes... Blut.

Das ist das erste Kapitel von meiner neuen FF. Es ist anfangs noch ziemlich verwirrend, aber die meisten Fragen werden sich im Laufe der nächsten paar Kapitel beantworten (die ich so schnell es geht schreiben werde, damit sich hier jeder auskennt).

Mal eine etwas andere Story, hoffe es gefällt euch :D

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