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Wir waren noch recht lange am Becken geblieben und als wir uns dann auf dem Weg zu einem Italiener machten, den Adrian empfohlen bekommen hatte, ging es mir fast gut dort. Es war nicht angenehm. Eigentlich sogar weit entfernt von angenehm, aber ich war bereit eine nächste Stufe zu erklimmen.

Am nächsten Tag würden wir also die Eingangshalle betreten. Er hatte mir angeboten, dass wir uns vor Öffnungszeit trafen, um erstmal allein zu sein. Ich fühlte mich schlecht dabei, aber nach seiner Versicherung, dass es für ihn in Ordnung war und er sowieso ein Frühaufsteher war, nahm ich sein Angebot dankend an.

Also war ich früh aufgestanden und während ich auf den Kaffee wartete, schrieb ich Kim:

Hey, ich hab dir das glaub ich noch gar nicht erzählt, aber ich habe vor ein paar Tagen hier jemanden kennengelernt. Mit ihm verbringe ich momentan echt viel Zeit. Du würdest dich sicher auch gut mit ihm verstehen. Er ist auch Schwimmer, genau wie du! Irgendwie scheine ich solche Leute anzuziehen haha! Trotzdem freue ich mich darauf dich bald wieder zu sehen <3 Was hast du heute vor? Jetzt schläfst du wohl noch für ein paar Stunden, aber er ist ein Frühaufstehen und jetzt muss ich schon gleich los, wenn ich pünktlich sein will. Vielleicht würdet ihr doch nicht so gut auskommen. Naja, ihr dürfet euch halt nur abends treffen, aber wer weiß? Falls er und ich in Kontakt bleiben, lernst du ihn bestimmt mal kennen und kannst das selbst beurteilen :) <3"

„So, meine Liebe. Bist du bereit?", fragte Adrian, nachdem er die Tür aufgeschlossen hatte und lächelte mich aufmunternd an.

Auch wenn mein Kopf sagte, dass ich alles andere als bereit war, nickte ich. „Los geht's."

Er öffnete die Tür.

Das Chlor stieg mir augenblicklich in die Nase und mein Körper verkrampfte. Doch nach einem Atemzug, nickte ich und trat ein.

Ich versuchte nicht darüber nachzudenken. Einfach einen Fuß vor dem anderen setzen. Ich war nicht allein. Adrian war direkt hinter mir. Was konnte schon schief gehen?

Der Geruch war intensiver als Draußen, aber vor allem machte mir doch auch die Wärme zu schaffen und die Luftfeuchtigkeit. Sehr auf meine Atmung konzentriert, öffnete ich den Reißverschluss und zog die Jacke aus. Der Schal folgte ebenfalls.

Meine Haut brannte und ich widerstand dem Bedürfnis zu kratzen. Meine Kehle war trocken und mein Hals fühlte sich an als hätte ich Stacheldraht drum rumgewickelt, welches sich immer weiter zuzog.

Das mein gesamter Körper zitterte sah ich, aber spürte ich nicht.

Von dort, wo ich stand, konnte ich das Becken sehen. Das Endziel. Der Endboss.

Ich schloss die Augen, die sich paradoxerweise mit Tränen gesammelt hatten, obwohl sie brannten.

Das Ticken der Uhr an der Wand schallte unnatürlich laut in meinem Kopf. So laut, dass es selbst das Rauschen meines Blutes und das Pochen meines Herzens übertönte, wodurch ich das Gefühl hatte mein Gehirn würde gleich explodieren, aber das war nicht das Schlimmste.

Der größte Schmerz steckte in meiner Brust oder in meinem Bauch. Ich konnte nicht einmal genau sagen, was davon am schlimmsten war. Das spitze Stechen in meinem Herz, als würde ein Messer immer wieder aufs Neue darin versenkt werden? Oder war es die Hand, die in meinen Innereien herumwühlte.

Ich wollte schreien, aber kein Ton verließ meine Lippen. Irgendwann hatte ich aufgehört mich vorwärtszubewegen. Drei Meter lagen noch zwischen mir und den wenigen Treppenstufen, die mich auf die abgesenkte Ebene, in welcher das Becken eingelassen war, bringen würden.

Ein normaler Mensch würde nur wenige Sekunden brauchen, um ins Wasser springen zu können.

Am späten Nachmittag saß ich in der Nähe des Durchganges auf den Boden, den Rücken gegen die Wand gelehnt, die Beine angewinkelt. Das Zittern hatte schon vor Stunden aufgehört, genau wie jede andere Bewegung. Ich saß einfach da. Den Blick stur geradeaus.

Mein Körper war taub. Ich spürte nichts. Keinen Schmerz, aber auch sonst nichts. Nicht einmal meinen Körper selbst. Es war als hätte ich keinen Körper mehr. Ich wusste, dass ich dasaß und die Wand spüren sollte, genau wie den Boden und auch Adrians Arm, der meinen berührte, weil er sich neben mich auf den Boden gesetzt hatte. Doch nichts davon spürte ich.

Seit ich hier saß, hate ich mich nicht bewegt und nichts gefühlt. Adrian war irgendwann aufgestanden und war mit Essen zurückgekehrt. Er hatte mich gefragt, ob ich auch was Essen wollte, aber ich hatte keine Reaktion gezeigt, sodass er die Pommes, die er für mich geholt hatte, neben uns abgestellt hatte.

Irgendwann hatte er angefangen sie auch noch zu verputzen, was ich ihm nicht übelnahm. Wie könnte ich auch. Abgesehen davon, dass er sie geholt hatte, hatte er sowieso mehr für mcih getan als ich ihm je zurückgeben können würde. Außerdem hätte ich es ohnehin nicht gegessen.

Es waren kaum Gäste dagewesen, doch die, die an uns vorbeigelaufen waren, hatten uns gemustert. Angesprochen hatte uns aber zum Glück keiner. 

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