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Dafür, dass ich eigentlich absolut kein Fan von Partys war, musste ich gestehen, dass ich sehr viel Spaß gehabt hatte.
In mir hatte der Kampf gewütet. Ich wollte Robin so nah wie irgend möglich sein, aber zur gleichen Zeit wollte ich mich von ihm entfernen, um zu verhindern, dass ich etwas tat, dass ich anschließend bereuen würde.
Es war nichts passiert. Doch mindestens einmal waren wir kurz davor. Beim Tanzen waren wir uns immer nähergekommen. Sein Gesicht war direkt vor meinen. Ich konnte seinen Atem spüren. Es fehlte nicht viel bis sich unsere Lippen berührt hätten. Wir hatten aufgehört uns zu bewegen. Alles um uns herum schien zu verblassen. Die Musik und die Stimmen der anderen drangen nur noch wie durch Watte zu mir durch. Es war als wären sie ganz weit entfernt. Nur noch Robin und ich schienen da zu sein. Aber dann wurden wir angerempelt und das durchbrach die Starre, die uns gefangen gehalten hatte.
Dennoch lag ich jetzt in seinen Armen im Bett. Er schlief noch und ich streckte meinen Arm aus, um an mein Handy zu kommen, ohne mich zu sehr zu bewegen, um ihn nicht zu wecken.
Ich hatte einige ungelesene Nachrichten. Die erste, die ich öffnete war eine von Christoph. Er fragte, wie es mir ginge und ob alles in Ordnung sei. Ich bedankte mich bei hm für die Nachricht und versicherte, dass alles gut war. Erstaunt war ich von der Tatsache, dass es der Wahrheit entsprach. Es war alles gut. Mir ging es gut.
Auch Kim und Oli hatten mir geschrieben und ich antwortete ihnen in unserer Gruppe, dass alles gut war, aber dass wir uns freuten sie übermorgen wiederzusehen. Außerdem schickte ich ihnen ein Foto, das Robin und mich mit leuchtender Neonfarbe zeigte. Ich hatte erst zuhause gemerkt, dass auf meiner Brust nicht einfach nur Striche waren, sondern dass er eine Art große Blume, wie aus einem Mandala gezeichnet hatte.
Was mich aber noch mehr überrascht hatte war die Tatsache gewesen, dass ich mir keinerlei Gedanken darüber gemacht hatte, dass es schwer sein könnte die Farbe abzukriegen. Vor allem, wenn man das Duschen normalerweise so schnell und mit so wenig Wasser wie möglich hinter sich zu bringen versuchte und man über die Jahre ziemlich gut darin geworden war. Früher hätte ich daran gedacht. Niemals hätte ich etwas getan, was mich dazu bringen würde länger mit Wasser in Kontakt zu kommen. Doch genau das war nun geschehen. Sogar noch verblüffter war ich dann aber als ich unter der Dusche stand und mir auffiel, dass meine Haut dabei nicht mehr brannte. Das hatte wohl schon vorher nachgelassen, aber ich hatte dem Gefühl davor keine so große Beachtung mehr geschenkt. Es war normal gewesen. Ich war daran gewöhnt gewesen, aber es war weg. Es war noch immer nicht so, dass ich das Wasser angenehm fand, aber der höllische Schmerz fehlte.
Die letzte Nachricht kam von Adrian. Ihm antwortete ich mit der längsten Nachricht. Ich schrieb ihm was während der letzten Tage geschehen war. Wie ich festgestellt hatte, dass ich viel mehr Fortschritte gemacht hatte als ich je erwartet hätte. Ich erzählte ihm von der Party und, nach etwas zögern, schrieb ich ihm auch über meine Zweifel und Gefühle in Bezug auf Robin. Es tat gut, dass loszuwerden. Obwohl die Person, mit der ich das eigentlich am liebsten geteilt hätte, Kim gewesen wäre. Sie war die Person, mit der ich über Jungs reden sollte und doch hatte ich das Gefühl genau das nicht zu können. Erstens, weil Robin ihr Bruder war. Sie hätte nichts dagegen. Das wusste ich, aber es fühlte sich trotzdem komisch an. Der zweite Grund war allerdings, dass ich ihr nicht erklären konnte, wie wir uns näher gekommen waren, weil sie nicht von meiner Vergangenheit wusste. Erst wenn ich bereit war ihr zu erzählen, was damals geschehen war, konnte ihr auch erklären, wie ich erkannt hatte, dass Robin doch ganz anders war als wie ich überzeugt gewesen war.
Die Frage war nur, wann war ich bereit ihr davon zu erzählen? War ich es vielleicht sogar schon jetzt?
Ein Teil von mir sagte ganz klar: nein. Ich war nicht bereit. Doch ein anderer Teil von mir, erinnerte mich an den vorherigen Gedanken, dass ich zu sehr viel mehr in der Lage war als ich mir zutraute und dass ich Sachen einfach musste, wenn ich dem Ziel näherkommen wollte. Ich war zu mehr in der Lage, als ich mir zugestand und wenn ich es wirklich wollte, dann musste ich es einfach tun.
Und ich wollte. Ich wollte es ihr erzählen. Ihr und auch Oli. Ich wollte mich nicht mehr vor der Wahrheit verstecken. Ich wollte meine Freunde nicht belügen und sie auch nicht im Dunkeln lassen. Ich wollte ehrlich mit ihnen sein. Wollte ihnen Vertrauen schenken. Ich wollte, dass sie mich kennenlernten. Mich wirklich kennen lernten. Dazu gehörte nun eben auch das. Es war ein großer Teil meines Selbst. Der Unfall hatte mich verändert. Ich hatte überlebt, aber ein Teil von mir, mein altes Ich war an dem Tag auch gestorben. Ich war keine völlig andere Person, aber ich war ganz sicher auch nicht mehr dieselbe.
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