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„Elle, hörst du mich?", hörte ich Klara durch das Telefon fragen, nachdem anfangs nur Rauschen durchgedrungen war.

„Ja, jetzt, was gibt's?"

„Habt ihr heute was vor? Also etwas, was man unter keinen Umständen verschieben kann? Alles andere akzeptieren wir nicht."

„Wer ist wir? Und was habt ihr vor?"

„Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.", gab sie zu bedenken. „Davor antworte ich auch nicht."

Seufzend sah ich zu Robin, der auf dem Sofa lag und mich lächelnd beobachtete. „Wir haben keine festen Pläne, aber ich werde sicher nicht blind zusagen. Das kannst du vergessen. Vor allem hat Robin da auch noch ein Wörtchen mitzureden."

„Der folgt dir doch blind überall hin!" Ich hörte sie kichern. „Der ist dir völlig verfallen!"

Mein Blick sank zu Boden. Hatte sie recht? Tat er das alles nur, weil er etwas für mich empfand? Nutzte ich seine Gefühle schamlos aus, damit er mir half? Aber wenn das wirklich der einzige Grund wäre, dann hätte er mich nicht aufgehalten in dieser Nacht, oder?

„Aber seien wir mal nicht so. Mach den Lautsprecher an, damit er mithören kann."

Ich drückte die Taste mit dem Lautsprecher-Symbol und legte das Handy zwischen uns auf den Tisch.

Robin richtete sich auf und blickte auf das Display. „Hi Klara, was gibt's?"

„Hey, du und Elle ihr macht euch gleich auf den Weg zu mir."

„Tun wir das?", fragte ich und verschränkte die Arme vor der Brust, auch wenn sie mich nicht sehen konnte.

„Ja, tut ihr. Es tut mir leid, falls das falsch rübergekommen ist, aber ich dulde keine Widerworte. Naja, eigentlich tut es mir nicht leid. Ihr müsst einfach kommen!"

„Es klingt nicht so als könnten wir etwas dagegen tun, aber vielleicht wollen wir das ja auch gar nicht, wenn du uns erklärst, was du mit uns vorhast.", forderte Robin sie auf.

Vor meinem inneren Auge konnte ich sehen, wie Klara ihre Augen verdrehte, aber breit grinsend auf ihr Handy schaute. „Es macht aber so viel Spaß euch im Dunkel tappen zu lassen."

„Klara!"

„Ist ja schon gut! Also heute findet das Eat & Beat Festival statt. Wir hatten euch schon vorher was sagen wollen, aber die Karten waren ausverkauft. Das Gute ist, dass wir doch noch zwei auftreiben konnten und wir haben auch schon angerufen und wir bekommen einen gemeinsamen Platz. Ist alles schon geklärt!"

„Eat & Beat Festival? Was soll das sein?"

„DJs, Bands, Live Musik eben und dabei sitzt man im Schlosspark auf dem Boden und oder Liegen und picknickt."

„Hier im Schlosspark?", fragte ich.

„Ja, genau! Das haben sie schon die letzten Jahre gemacht. Müsste jetzt glaub ich das dritte Mal sein, wo das stattfindet oder Isa?"

Wir hörten Isas Antwort nicht, aber da Klara sich auch nicht verbesserte, schien die Aussage zu stimmen.

„Seid ihr dabei?", fragte Klara. „Sicher seid ihr das. Ganz vergessen, es war ja kein Vorschlag, sondern einfach eine Tatsache. Ihr kommt."

Amüsiert schaute ich zu Robin, der meinen Blick grinsend auffing und nickte.

„Also schön.", gab ich mich geschlagen.

Durch das Telefon drang ein jubilierender Ruf zu uns. „Yes! Also dann kommt einfach zu uns, sobald ihr könnt."

„Wann geht das denn los?"

„Das hat schon angefangen, aber es geht den ganzen Tag mit Open End und die ersten Gruppen sind jetzt eh nicht so toll, von daher ist es nicht weiter wild, dass wir später kommen."

„Und was zieht man da an?", erkundigte ich mich.

„Oh das überlasst ihr mal schön uns. Wir haben alles da, um euch anzukleiden."

„Uns anzukleiden?", wiederholte ich skeptisch.

„Keine Widerrede! Kommt einfach her!" Mit diesen Worten legte sie auf.

„Worauf haben wir uns gerade eingelassen?", fragte ich mit stirnrunzelndem Blick auf das Handy.

„Das weiß ich auch nicht so genau, aber wir machen einfach das Beste raus." Robin sprang auf und hielt mir die Hand hin, um mich vom Sofa zu ziehen. „Was hast du gestern gesagt: Was man heute kann besorgen, das verschiebe nicht auf Morgen. Lass und einfach los gehen. Es bringt nichts es aufzuschieben. So wie ich Klara einschätze, steht sie gleich vor der Tür, wenn wir ihr zu lange dauern."

Lachend zuckte ich mit den Schultern. „Tatsächlich würde mich das nicht überraschen."

„Sie hat nicht gesagt, dass wir irgendwas brauchen, oder?"

Ich schüttelte den Kopf.

„Dann würde ich sagen, gehen wir einfach." Er klopfte seine Taschen ab. „Handy, Geldbeutel, alles da."

„Mein Geldbeutel liegt glaub ich noch in der Küche."

„Ich zahl, alles gut."

Augenverdrehend stand ich auf und lief zur Küche. „Ganz sicher nicht. Wenn dann zahl ich, beziehungsweise streich das wenn. Ich zahle. Punkt."

„Nein, tust du nicht. Du hast dich schon beim Hostel durchgesetzt. Dieses Mal bin ich dran."

Ich verschränkte die Arme vor der Brust und musterte ihn kopfschüttelnd. „Du hast vielleicht nicht mit Geld bezahlt, naja, obwohl, du hast den Tank bezahlt. Da gebe ich dir noch was."

„Nein, tust du nicht."

„Doch tue ich.", widersprach ich. „Auf jeden Fall hast du mit deinen Taten mehr bezahlt als ich wieder zurückgeben kann. Also lässt du mich bezahlen, und zwar ohne Widerworte. Das ist nur fair."

„Wie oft denn noch?" Er nahm meine Hand in seine und strich mir mit der anderen die widerspenstige Strähne hinters Ohr. „Ich mach das gerne. Du schuldest mir rein gar nichts hierfür. Ich bin hier, weil ich das will und nicht, weil ich im Gegenzug etwas erwarte."

Ich senkte meinen Blick nach unten. Klaras Worte hallten in meinem Kopf wieder. Robin sagte zwar er würde nichts im Gegenzug erwarten und das glaubte ich ihn auch, aber das hieß nicht, dass er sich nichts daraus erhoffte. Wenn er mir blind verfallen war, dann glaubte er vielleicht, dass er das machen wollte, aber in Wahrheit würde ich ihn trotzdem ausnutzen.

Mit einem Finger, hob er mein Kinn an, sodass ich ihn wieder ansehen musste. In seinen schwarzen Augen lag Wärme und Zuneigung, doch daneben, konnte ich auch meine Augen spiegeln sehen.

„Worüber machst du dir Sorgen?", fragte er leise.

War ich für ihn tatsächlich so ein offenes Buch? Konnte er meinen Blick mittlerweile so leicht deuten? Ich schluckte den Klos in meinem Hals hinunter. Ich wollte ihn nicht anlügen, aber die Wahrheit wollte ich auch nicht sagen. Wie erklärte man die Befürchtung, dass man sein Gegenüber schamlos ausnutzte? Es fiel mir nichts Besseres ein, als es einfach zu sagen: „Ich mach mir Sorgen, dass Klara recht hat. Dass du mir komplett verfallen bist, mir blind folgst und dabei aufhörst darüber nachzudenken, was für dich am besten ist. Ich will dich nicht ausnutzen, aber ich habe Angst, dass ich genau das tue."

Seine Augen weiteten sich und er blinzelte mehrmals. Dann schüttelte er den Kopf. „Hör mir jetzt bitte genau zu. Ich bin dir verfallen, ja. Sehr sogar, aber ich bin nicht blind. Ich vergesse mich nicht. Ich weiß, was ich tue und ich mache nichts, was ich nicht will, nur weil ich dir verfallen bin. Ich mag dich sehr und ich will dir helfen, aber ich wäre nicht hier, wenn ich nicht wollte."

„Aber-"

Er schüttelte den Kopf. „Kein aber. Glaub mir. Ich verspreche dir, dass ich auf mich selbst aufpasse, in Ordnung?"

„Aber-"

„Kein aber." Er lächelte mich an. „Ich verspreche dir, dass ich weiß, was ich tue. Ich werde aufhören, wenn es mir nicht gut tut oder ich genug habe oder keine Lust mehr habe oder was immer dir noch einfällt. Ich bleibe, weil ich es will. Ich verspreche dir, dass ich gehe, wenn es mir nicht gut tut. Aber bitte, ich will nicht, dass du dir darüber Sorgen machst. Es gibt keinen Grund sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich bin hier, weil ich es will. Verstehst du mich?"

Ich suchte in seinen Augen nach einer Lüge, aber ich konnte sie nicht entdecken. Er schien es ernst zu meinen. So absurd die Vorstellung auch war.  

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