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Ich lag schon einige Zeit im Dunkeln und trotzdem hellwach in seinen Armen. Es war ein seltsames Gefühl hier zu sein. In diesem Bett zu liegen und dann auch noch mit Robin an meiner Seite. Zu behaupten es fühle sich falsch an, wäre gelogen, aber richtig fühlte es sich auch nicht an. Es war eine dieser seltsamen Mischungen, ein ständiges hin und her, das einem nicht erlaubte zu begreifen, was man wirklich darüber dachte.

Seltsam war es aber in alle Mal. Das konnte man beim besten Willen nicht leugnen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals wieder hier schlafen würde... Genau genommen wissen wir auch noch nicht, ob ich es tun werde. Gerade sieht es eher nicht danach aus..."

„Die Müdigkeit wird schon noch kommen." Er strich mir über den Rücken.

„Danke.", murmelte ich und zog die Decke bis nur noch mein Gesicht herausragte.

Ich spürte, wie er sich bewegte, aber was genau er tat, konnte ich nicht erkennen. Das es möglich war mein Kinderzimmer komplett abzudunkeln war eines jener Sachen, die ich sehr geliebt hatte. Andere Kinder brauchten ein Nachtlicht, um zu schlafen. Ich hatte Dunkelheit gebraucht. Sobald nur etwas Licht im Zimmer gewesen war, schlief ich Ewigkeiten nicht ein und dann auch nur sehr unruhig. Es hatte sich gebessert, aber trotzdem versuche ich meinen Schlafplatz so gut es ging abzudunkeln.

„Gibt es noch weitere Orte, die du aufsuchen willst, hier in Hofond?"

„Nein." Ich strich mit meinem Daumen Kreise über seine Brust. „Aber wenn du die Fragen umformulierst, dann lautet die Antwort: Ja, es gibt noch Orte auf meiner imaginären Liste, die zu besuchen ich für eine gute Idee hielt."

Seine Brust vibrierte unter meinem Gesicht. „Wo werden wir als nächstes hingehen?"

Ich richtete mich ein wenig auf und schaute auf die Stelle, an der sich sein Gesicht befinden sollte. „Du musst mich nicht begleiten. Ich weiß das wirklich zu schätzen, aber bitte fühl dich nicht dazu gezwungen. Du kannst gehen. Jederzeit. Dir steht es frei zu gehen und deine Ferien mit etwas Schönem zu verbringen. Das weißt du, oder?"

Er legte seine Hand in mein Gesicht, als würde er mich sehen können. „Das hast du schon mehrmals gesagt, aber ich habe dir doch erklärt, dass ich das hier gerne mache. Ich bleibe. Wir werden das hier gemeinsam zuende bringen. Ich lass dich damit nicht allein. Außerdem gefällt es mir."

„Wie kann dir das denn gefallen?!"

„Mir gefällt es bei dir zu sein.", antwortete er ruhig, als wäre das die logischste Antwort der Welt.

„Oh.", murmelte ich und senkte mein Kopf wieder auf seine Brust. „Der Punkt auf der Liste, der als nächstes ansteht und ich trotzdem keinen Schimmer habe, wie ich das schaffen soll, ist die Party..."

„Du kannst das.", versicherte er mir. „Du hast dich auch mit Lisa getroffen und mit Klara, was beides viel besser lief als du dachtest. Das hast du selbst gesagt. Du hattest sogar Spaß dabei."

„Ja, aber das war immer nur eine Person. Das hier sind... Es werden alle da sein."

„Ich werde auch da sein. Ich bin an deiner Seite, schon vergessen? Und wenn es dir zu viel ist, dann wird uns keiner daran hindern sofort wieder zu gehen. Und falls es doch jemand probiert, dann werde ich uns den Weg freikämpfen, wenn es nötig ist."

Ich lachte kurz auf und nickte, auch wenn er mich nicht sehen konnte. „Dann kann ja nichts mehr schief gehen."

„Ganz genau.", bestätigte er. „Es wird auch nichts schief gehen."

„Wir gehen da einfach hin und alles wird gut?"

„Alles wird gut.", wiederholte er.

„Und wenn es nicht gut wird?", fragte ich so leise, dass ich unsicher war, ob er mich gehört hatte.

Trotzdem strich er mir über die Wange. „Ich möchte nicht, dass du so etwas sagst. Du sollst es nicht einmal in Erwägung ziehen. Es wird alles gut. Das ist kein möglicher Ausgang. Es ist der einzige Ausgang. Ich weiß, dass du es schaffen kannst und ich möchte, dass du das auch begreifst."

„Das klingt wie diese dummen Motivationssprüche auf Postkarten und Tassen. So was wie: Wenn es nicht gut ist, ist es auch nicht das Ende."

Wieder bebte seine Brust als er lachte. „Wie können es auch gerne so ausdrücken, denn es ist die Wahrheit."

„Es ist nur ein dummer Spruch!"

„Ja, sicher ist das ein dummer Spruch.", stimmte er mir zu. „Aber trotzdem ist er wahr. Denn auch, wenn man das meinen könnte, widerspricht sich das nicht."

„Meine Güte, also wenn du deinen Traumberuf noch nicht gefunden hast, dann werde Life Coach."

„Autor." Das Wort war so leise, dass ich mich fragte, ob ich es mir nur eingebildet hatte.

„Was hast du gesagt?"

„Ich? Äh... Gar nichts."

„Ganz sicher?", fragte ich mit gerunzelter Stirn. „Ich dachte ich hätte gehört, dass du-"

„Ja, kann sein..."

„Du willst Autor werden?"

Er seufzte. „Nein, nicht wirklich... Als Autor kann man nicht leben. Also klar, es gibt ein paar wenige, die es können, aber dafür brauchst du echt eine Menge Glück. Ich will Architekt werden, aber trotzdem war es schon immer ein Traum von mir einen Roman zu schreiben... Naja, genaugenommen einen Roman zu veröffentlichen. Geschrieben habe ich schon."

„Du hast einen Roman geschrieben?" Ich richtete mich auf und tastete nach der Nachttischlampe, um ihn ansehen zu können.

Er blinzelte mehrmals, um sich an das Licht zu gewöhnen und zuckte dann mit den Schultern.

„Mehrere... Also naja, jetzt nicht viele ... beziehungsweise nicht viele Romane."

Jetzt setzte ich mich richtig auf und blicke im Schneidersitz auf ihn herab. „Ich will alles wissen!"

„Ich habe mir mit Lyca Geschichten ausgedacht, aber was sie immer am liebsten mochte waren die Anfänge. Sie liebte es, wenn es noch Unmengen an unbeantwortete Fragen gab, wenn der Protagonist gerade erst erfuhr in was für ein Abenteuer er oder sie steckte. Also begannen wir jedes Mal eine neue. Ich wollte mehr. Ich wollte auch das Ende erfahren und so kam es, dass ich die Geschichten für mich weiterspann. Naja, und irgendwann begann ich dann damit sie aufzuschreiben. Das waren die ersten Geschichten. Es ist nicht so als hätte ich wirklich alle beendet, aber schon einige. So lang waren sie auch nicht, aber naja, es waren die ersten Geschichten, die ich geschrieben habe. Dann gab es eine Phase in denen ich Fan Fictions geschrieben habe..."

„Was, wirklich?"

Augenverdrehend zuckte er mit den Schultern. „Ja, ich weiß, das klingt echt dumm, aber-"

„Das klingt nicht dumm!", widersprach ich.

„Ach nein?"

„Nein, natürlich nicht! Fan Fictions sind eine Möglichkeit die eigenen Ideen, Wünsche und Vorstellungen niederzuschreiben. Ein Buch, ein Film, eine Serie kann noch so gut sein, aber es wird immer etwas geben, was man sich selbst anders gewünscht hätte. Wieso sollte man nicht noch einmal in eine Welt versinken, die man liebt. Zu den Charakteren, die man zu schätzen gelernt hat. Wieso sollte man die Geschichte nicht weitererzählen, wieso sollte man sie nicht verändern, wieso sollte nicht jeder seiner Kreativität freien Raum lassen dürfen?" Ich zuckte mit den Schultern. „Ich rede nicht davon mit Fan Fictions Geld zu verdienen. Das ist was ganz anderes, schließlich ist es nicht die eigene Idee, also schon: vieles stammt aus dem eigenen Kopf, aber die Rechte für die Geschichte liegen bei jemanden anderen und sich damit finanziell zu bereichern, wäre mies, aber für sich selbst zu schreiben? Oder sie anderen Fans kostenlos zur Verfügung zu stellen? Wo ist das Problem?"

„Ich könnte dich gerade echt-" Er unterbrach sich selbst. „Jedenfalls habe ich dann Fan Fictions geschrieben und davon auch ein paar längere. Also auch wirklich lange. Es gibt so eine Faustformel, um zu erfahren wie viele Wörter einer Buchseite entsprechen und anhand derer sind einige dieser FFs über 500 Buchseiten lang gewesen."

Meine Augen weiteten sich. „Krass!"

Er zuckte mit den Schultern. „Und dann habe ich mittlerweile zwei Romane geschrieben. Also eigene Geschichten."

„Darf ich sie lesen?"

Er kratzte sich am Hinterkopf. „Hmm... Ich weiß nicht so recht... Das hat nichts mit dir zu tun! Im Gegenteil! Es ist nur... Ich habe noch nie jemanden etwas davon gezeigt..."

„Hast du nicht? Warum? Nicht mal Kim?"

„Nicht mal Kimmi.", bestätigte er. „Niemanden. Ich habe nicht einmal jemanden davon erzählt. Keiner weiß davon. Ich... Keiner weiß von diesem Traum, obwohl er mich schon so viele Jahre lang begleitet... Keiner, bis auf dir... Jetzt weiß du es..."

„Ich sage es keiner Menschenseele, wenn es das ist, was du willst." Ich nahm sein Gesicht in meine Hände und zwang ihn mir in die Augen zu sehen. „Aber bitte, bitte, schäme dich nicht dafür. Denn es gibt keinen Grund dafür. Ich möchte nicht, dass du das Gefühl hast dich dafür schämen zu müssen. Allein, dass ich das Gefühl habe, dass du genau das tust, fühlt sich falsch an! Selbst wenn deine Geschichten grauenhaft sein sollten, was ich nicht glaube, dann ist es immernoch wahrlich beeindruckend, dass du sie überhaupt geschrieben hast. Allein schon eine Geschichte in dieser Länge zu beenden ist eine Leistung. Eine Leistung, die bewundernswert ist."

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