077

Robin fuhr auf den kleinen mit Kieselsteinen bedeckten Parkplatz vor dem Hotel und schlug vor, dass er allein reingehen könnte, um zu fragen, aber ich schüttelte den Kopf.

Es gab mehrere Gründe, warum ich das nicht zulassen wollte. Erstens wollte ich das Zimmer bezahlen. Er hate schon viel zu viel für mich getan, dann konnte ich immerhin die Kosten übernehmen. Zweitens wollte ich nicht allein im Auto bleiben. Wenn ich allein mit meinen Gedanken dasitzen würde, würde ich wahrscheinlich zusammenbrechen. Drittens wusste ich, dass wenn ich es schon nicht schaffte hier aus dem Auto zu steigen und etwas zu tun, dann würde ich erst recht nicht in der Lage sein den Rest zu bewältigen. Doch genau dafür war ich schließlich hergekommen.

Ich musste mich meinen Ängsten stellen. Ich musste mich Hofond stellen. Ich musste mich meinem zuhause stellen.

Also traten Robin und ich gemeinsam durch die Tür. Eine ältere Dame saß auf einem Sessel auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes und las ein Buch, blickte aber auf, als sie uns hörten.

Mit einer überraschend geschmeidigen Bewegung stand sie auf und lief, uns zulächelnd, hinter die Rezeption. „Hallo, ihr Lieben. Was kann ich für Sie tun?"

„Ähm..." Ich räusperte mich und trat einen Schritt näher. „Haben Sie noch etwas Platz für uns?"

„Suchen Sie etwas getrenntes oder gemeinsames?", wollte sie wissen und blätterte in ihrem großen Notizbuch. „Und für wie lang?"

Wie lang... Das war eine ausgezeichnete Frage. Wie lang hatte ich vor hier zu bleiben? Ein Teil von mir, wollte jetzt schon weg. Ein anderer sagte, dass wenn ich wirklich schaffen wollte, ich wohl die gesamten zwei Wochen hierbleiben musste. Aber wollte ich mich für so lange festlegen? Wenn ich es tat, dann zwang ich mich vielleicht wirklich so lange hierzubleiben... Aber vielleicht sollte ich mich nicht zu sehr darauf versteifen, dass ich es schaffen musste. Ich machte mir schon genug Druck deswegen. Es wäre wohl gesünder einfach zu schauen, wie weit ich kam.

Es dauerte eine Weile bis ich den forschenden Blick der Frau bemerkte. Sie schien nicht genervt zu sein, aber vielleicht etwas verwirrt. Ich blickte zu Robin. „Was denkst du?"

„Was? Ich? Ähm... Wir bleiben solange, wie du möchtest."

„Erstmal... Zwei Nächte?", gab ich an. „Gäbe es denn die Möglichkeit im Nachhinein noch zu verlängern?"

„Natürlich." Die Frau lächelte uns an. „Ein oder zwei Zimmer?"

„Oh..."

„Du willst wahrscheinlich dein eigenes Zimmer?", fragte Robin leise an mich gewandt. „Ganz wie du willst."

„Ein Zimmer.", entschied ich.

Die Frau notierte es, noch immer lächelnd. Auch Robin lächelte, wenn auch seine Augen vor Überraschung geweitet waren.

„Das ist okay für dich?"

„Mehr als okay.", versicherte er mir und legte seinen Arm um mich.

„Dann folgt mir bitte, ich zeige euch das Zimmer." Die Frau trat nach Vorne und erzählte, während wir ihr die Treppen nach oben folgten, etwas über die Pension. Robin antwortete ihr oder stellte ein paar Nachfragen, doch ich spürte, wie seine Aufmerksamkeit trotzdem auf mir lag. Sein Arm lag noch immer auch meine Schulter und wie zuvor, musste ich feststellen, dass es sich mittlerweile gut anfühlte. Vermutlich war es sein Halt, der es mir überhaupt ermöglichte, die Stufen zu erklimmen. Um der Frau aufmerksam zuhören zu können, fehlte noch etwas.

Zu meiner Erleichterung ließ sie uns sofort allein, als wir, oder besser gesagt Robin sich einmal im Zimmer umgeguckt hatte und der Frau unsere Zufriedenheit mitteilte. Er schloss die Tür und führte mich schweigend auf das Sofa.

Langsam ließ ich meinen Kopf auf seine Schulte sinken und genoss die Wärme seines Körpers, während ich versuchte meine Gedanken zu beruhigen. In meinem Kopf herrschte ein Chaos. Die Bilder schossen unkontrolliert durch meinen Kopf bis sie zu einer undurchdringlichen Masse von Schmerz, Trauer und Tod wurde.

Ich wusste, dass mich die Gedanken mitreißen würden, wenn Robins Halt mir nicht als Anker dienen würde. Er war nur da. Er hielt mich nur fest, doch genau das war es, was ich in diesem Moment brauchte. Es gab nichts, was er sonst hätte sagen oder tun können, um mir zu helfen. Vielleicht wusste er das, vielleicht war es ihm aber auch nicht bewusst und es fiel ihm nur nichts anderes ein, doch im Endeffekt war es egal. Er tat genau das Richtige.

Lange blieben wir so sitzen. Erst als die Nacht schon angebrochen war und unser Zimmer so dunkel wurde, dass ich alles nur schemenhaft wahrnahm, rührte ich mich und schaute ihn an. Meine Stimme klang rau, als hätte ich tagelang nicht mehr gesprochen, obwohl es nur Stunden gewesen waren: „Hast du Hunger?"

Mit einer sanften Berührung strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Ein wenig. Soll ich losfahren und etwas besorgen? Oder willst du in ein Restaurant gehen?"

„Ich dachte... Ich dachte, wir könnten etwas bestellen...", schlug ich vor, ohne zu wissen, ob ich mich mehr davor fürchtete, dass er mich allein ließ oder selbst raus zu gehen.

„Das geht natürlich auch." Er zog sein Handy aus der Tasche. „Worauf hast du Lust?"

„Mir ganz egal. Such du es dir aus. Ich bezahl."

„Du musst nicht be-"

„Ich weiß.", unterbrach ich ihn. „Aber ich will."

„Das ist wirklich nicht nötig."

„Doch ist es und wenn du ehrlich bist, dann weißt du das auch." Ich entsperrte mein Handy und tauschte seins mit meinem aus. „Und jetzt such dir aus, was du essen willst."

Selbst im dämmrigen Licht, konnte ich sehen, wie er mit sich kämpfte. Er wollte es nicht zulassen, aber gleichzeitig wollte er auch keine Diskussion beginnen. Das kam mir ganz gelegen, denn er seufzte und begann auf meinem Handy zu tippen. „Magst du indisch?"

„Klar. Ich nehme ein Gemüse Curry. Oh und Naan!"

Er nickte, suchte sich selbst etwas aus und bestellte.

Zu meiner Überraschung war es sogar sehr schnell da, obwohl wir auf einem kleinen Dorf waren. 

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