5.
„Wo gehen wir hin?", fragt Jace, der mit den Händen in den Taschen seiner braunen Jacke neben mir durch den Park schlendert.
Die Sonne strahlt auf uns hinab und obwohl ich heute noch nichts geraucht habe und Müdigkeit an meinen Augenlidern zerrt, geht es mir gut. Er gibt mir diesen Kick, den ich brauche und ein Blick in sein perfektes Gesicht und meine Seele lacht.
„Arbeiten", erkläre ich und klopfe auf die Bauchtasche, die unter meinem alten Mantel begraben ist, den ich letzten Frühling auf einem Trip einem Obdachlosen geklaut habe. Inzwischen riecht er auch kaum noch nach Pisse.
„Was arbeitest du denn?", fragt der Blonde weiter und schaut mich naiv lächelnd an.
Ich muss amüsiert den Kopf schütteln. „Professioneller Jäger gegen graue Wolken jeder Art."
Er lacht und das Geräusch ist so ansteckend, dass es auch meine Mundwinkel hochzieht.
„Ich hatte mal 'nen Nebenjob, nur um Claudia nicht mehr ständig sehen zu müssen", erzählt er dann und sein Blick schwebt währenddessen durch den Park an den bettelnden Obdachlosen vorbei bis zu den alten Paaren, die Hand in Hand spazieren gehen.
Dieser Ort vereint Glück mit Unglück.
Während im Gestrüpp die schwulen Stricher auf ein bisschen Geld warten, spielen auf den Wiesen unbesorgte Kinder.
An jeder Ecken puffen Jugendliche untermalt von lautem Rap aus ihren Boxen und dazwischen laufen fröhliche Großfamilien mit Kinderwagen durch das frische Grün.
„Verdienst du gut mit der Jagd auf graue Wolken?", fragt Jace weiter. Er redet gerne, viel lieber als ich.
Geht dich nichts an, will ich ihn erst abwimmeln, aber überlege es mir anders.
Es ist Jace; ich will, dass es ihn was angeht.
„Nicht wirklich. Ich jobbe nebenher im Supermarkt, aber es reicht kaum für die Miete."
Jace betroffener Blick ist echt, dabei hätte er sich das auch denken können. „Aber ist okay", setze ich hinterher, damit er kein schlechtes Gewissen hat, weil er einer dieser reichen Schnösel ist.
„Ich kann dir 'nen Job bei meinem Vater besorgen, wenn du einen brauchst. Er zahlt gut", sagt er dann, denn offensichtlich ist es ihm jetzt doch unangenehm.
„Alles okay. So wie es ist, ist es gut", meine ich und die Sonne blendet mich von dem wolkenlosen Himmel aus.
„Er sucht eh momentan jemanden für seinen Catering-Firma."
Ich bleibe stehen und lasse mich auf die Lehne einer der grünen Parkbänke fallen. Die Farbe bröckelt bereits ab und Bierflaschen quellen aus dem Mülleimer neben mir.
„Dein Vater hat eine Catering-Firm?", frage ich und nicke Emma zu, die bereits in der Nähe herumlungert und alibimäßig ihr Handy in der Hand hält.
„Unteranderem", meint Jace lächelnd und setzt sich neben mich. Er kramt die Zigarettenschachtel aus seiner Tasche, die nach gestern Nacht fast leer ist und bietet mir ebenfalls eine an. Während er die Kippe mit einem Klicken des roten Feuerzeugs anzündet, sagt er: „Außerdem wäre es gut, sagen zu können, dich von dort zu kennen."
Irritiert hebe ich die Augenbrauen, aber schaue zu Emma, die sich gemächlich der Bank nähert.
„Wem willst du sagen, dass wir uns kennen?" Der Gedanke gefällt mir, dass er mich seinen Freunden vorstellen will.
„Na ich mein, du bringst mir meinen Stoff und ich will nicht, dass andere wissen, dass ich was nehme. Mein Image und so, weißt du?"
Ich weiß nicht. Trotzdem nicke ich, während ich mit Emma einklatsche und ich ihr dabei unauffällig die kleine Dose mit den Pillen gebe. Damit sie Tag und Nacht für ihr Studium lernen kann, hat sie gesagt.
Müdigkeit sind ihre grauen Wolken und ich besiege sie schon seit Mitte des Sommers für sie.
Sie gibt mir dafür die Scheine, die ich David geben werde, damit er sich davon weiteren Stoff zum Experimentieren kaufen kann. Er sagt, er stellt die meisten Pillen selbst her, aber ich weiß, dass er die meisten von einem fremden Mann kauft.
„Ich mein, ich find dich cool. Wenn wir in der Schule einen auf Freunde machen, die sich über den Job kennengelernt haben, würde niemand dahinter kommen, wieso wir uns wirklich kennen", fährt Jace fort und fährt sich lächelnd durch die Haare.
Ich ziehe an der Zigarette und atme den Rauch in Form von kleinen, grauen Wolken hinaus in die Welt.
Der Ruf meiner, beziehungsweise Davids Kunden ist mir egal. Aber er ist nicht irgendein Kunde.
Er ist Jace, der ohne es zu wissen meine grauen Wolken vertreibt.
Und so nicke ich.
Allein das Lächeln, welches er mir danach schenkt, macht diese Entscheidung definitiv richtig.
17.03.2019
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