19.

Es ist Donnerstagabend, als David sich endlich wieder meldet.

„Ich brauch Geld", begrüßt er mich kühl, während ich mit dem Handy in der einen Hand und einem Joint in der anderen auf dem versifften Flachdach des Plattenbaus liege.

Die Sterne über mir funkeln um die Wette und täuschen eine sorglose Welt vor. Aber die Sterne lügen.

Diese Welt ist alles, aber nicht sorglos.

„Und woher soll ich bitte des Geld nehmen?", frag ich, „Ich lebe seit 'ner  Woche von trockenem Müsli. Wenn ich welches hätte, hätte ich mir schon lange was gescheites gekauft."

„Verkauf halt ein bisschen Stoff."

„Ich hab kaum noch Stoff", gebe ich zerknirscht zu und nehme einen weiteren Zug von meinem vorletzten Joint.

Wenn David nicht bald zurückkommt und Nachschub holt, wird es hier kritisch.

„Fuck", höre ich David am anderen Ende fluchen. Dann folgt eine Stille.

Schweigend starre ich in die trügerischen Sterne, die mir Frieden und Glück vorlügen.

Auf dieser Welt existiert kein Frieden und auch kein Glück.

Zerknirscht denke ich an Jace, wie er Melly auf dem Parkplatz zum Abschied küsst und keine fünf Minuten später mit mir hinter den abgedunkelten Scheiben seines Autos knutscht.

Das ist weder sorglos, noch friedlich, noch glücklich.

„Morgen hab ich ein Treffen mit meinem Lieferant, aber ohne Geld komm ich nicht raus. Du musst es holen."

Ich seufze. Verdammt David, was musst du dich auch von den Bullen erwischen lassen?

„Wo und wann?", frage ich, schließe die Augen und der kühle Stein unter mir verbreitet die Kälte durch meinen Körper.

Dabei war ich schon zuvor kalt.

Es war nicht Jace, der mich so werden lassen hat.

Auch nicht David, die Drogen, meine Mutter oder mein nicht vorhandene Vater.

Ich war schon immer kalt, weil die grauen Wolken in jedem Knochen meines dünnen Körpers sitzen und ihn auskühlen.

„An der Ecke Bauernplatz und Königsstraße", sagt David und meint damit eigentlich den Kingsly-Puff neben dem Bauernmarkt.

„Verstanden", murmle ich.

„Zur üblichen Zeit", sagt er dann noch mit gedämpfter Stimme und diesmal befürchtet er offensichtlich, belauscht zu werden.

Er würde niemals über solche Dinge am Telefon reden, wenn es nicht ernst wäre.

Vermutlich haben sie Bob gefeuert. Das wäre eine Katastrophe.

Bob ist Davids Kontakt bei den Bullen. Er haut ihn immer raus, selbst wenn dafür mal ein Beweis auf geheimnisvolle Weise verschwinden muss.

Allerdings ist Bob auch drogenabhängig und unzuverlässig as fuck.

Kein Wunder, wenn er inzwischen in einer Entzugsklinik vergammelt.

„Was ist mit dem Geld?", frage ich und am anderen Ende ertönt ohrenbetäubendes Schweigen.

Verdammt.

„Ich zahl zum ersten, sag das", behauptet David, weil auch er pleite ist.

Und weil er weiß, dass der Dealer ohne Geld eigentlich gar nichts macht.

„Wenn du meinst", murmle ich.

„Ja ich meine. Ich brauch das Geld schnell."

Dann ein Klicken. Er hat aufgelegt.

Verzweifelt öffne ich wieder die Augen. Graue Wolken schieben sich über die glitzernden Sterne.

Es bricht alles ein, was wir aufgebaut haben. Ich spüre es, auch wenn David es nicht sagt.

Er würde es mir nie sagen, ich bin nur sein kleiner Bruder.

Aber ohne Geld Drogen zu kaufen ist das Gleiche, wie freiwillig das Tor zur Hölle zu durchschreiten.

Wofür hat er verdammt nochmal all sein Geld ausgegeben?

Wieso legt er keinen Notvorrat an?

Die grauen Wolken bedecken den gesamten Himmel und in der Ferne donnert es.

Ein Herbstgewitter zieht herauf. Weil auf schönes Wetter immer schlechtes folgt.

Auf jeden noch so hellen Tag, folgt eben eine düstere Nacht.

Und ich habe schon genügend dieser Nächte erlebt, um zu wissen, dass diese Nacht eine der dunkelsten wird.

18.03.2019

Meinung zum neuen Cover? Besser, schlechter, gleich?(:

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top