.:48:. Happy End - oder so ähnlich
Es stellte sich als ungemein nützlich heraus, im Palast zu leben. Der soeben vorgelegte Bericht über die täglich eintreffenden Gratulationen und Audienzgesuche seines Hausverwalters führte es ihm nur allzu deutlich vor Augen. Der Mann fuhr sich erschöpft durch die Haare. „Hoheit, Ihr solltet noch einige Zeit hier verweilen. Es ist ein riesiger Ansturm auf Euer Haus. Ich konnte kaum abreisen."
Eleasars Blick hing an seiner Tochter, die neben ihm auf dem Sofa schlief. Er musste auch an Ria denken, die noch vollkommen fertig war und einiges an Erholungszeit brauchen würde. „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich melden, sobald ich mein Haus wieder ohne Belästigungen betreten kann."
Der Verwalter verneigte sich tief und versicherte ihm, sich zu melden. Da er nichts mehr zu sagen hatte, verabschiedete er sich respektvoll und ging.
Vom Geräusch der sich schließenden Tür wachte Eilean auf. Sofort bildeten sich kleine Fältchen auf ihrer Stirn und sie begann zu weinen. Sie hatte Hunger. Es erstaunte ihn immer wieder von Neuem, wie klar er ihre Bedürfnisse wahrnehmen konnte. Vermutlich nutzte er damit Rias Fähigkeiten, aber das war ihm egal. Es zählte nur, dass es seinem kleinen Engel gut ging. Vorsichtig streckte er die Hand nach ihr aus, um sie aus ihrem kleinen Bettchen zu heben. Dabei bekam sie seinen Zeigefinger zu fassen. Mit ihren leicht geöffneten dunkelblauen Augen schielte sie ihn verschlafen an. Noch immer konnte er nicht fassen, wie groß sein Glück war, sie zu haben. Sie war erst zwei Tage alt und doch schien es ihm, als wäre bereits eine Ewigkeit vergangen.
Sacht nahm er sie auf seine Arme und brachte sie ins Schlafzimmer. Ria, die ein wenig gedöst hatte, schreckte verschlafen auf, als er sich vorsichtig neben sie setzte. „Guten Morgen, meine Hübsche."
Müde lächelte sie ihn an. „Hunger?" Auf sein Nicken hin, setzte sie sich auf.
So gut es ging, half er ihr, sich gescheit hinzusetzen, damit sie die Kleine stillen konnte. Ria war noch ziemlich erschöpft. Und das, obwohl er des Nachts immerzu aufstand, um sich um die Belange ihrer Tochter zu kümmern. „Du musst nicht, wenn du noch zu schwach bist", erinnerte er seine Frau sanft. Dabei strich er ihr ein paar lose Strähnen hinters Ohr.
Stur reckte sie ihr Kinn in die Luft. „Ich will aber." Zärtlich fuhr sie über den dunkelbraunen Haarflaum ihrer Kleinen. „Es ist ein Wunder, dass es ihr so gut geht."
Liebevoll hauchte er ihr einen Kuss auf die Stirn. „Ihr beide seid Wunder." Dann stand er auf, um die Tür zu öffnen. Er konnte das zweite Klopfen nicht ignorieren. Ansonsten würde Eilean wieder anfangen zu weinen.
„Morgen, Eleasar." Nathan lehnte grinsend an der Wand gegenüber. Neben ihm stand seine betreten dreinblickende Freundin. „Wir wollten mal nach deiner Frau sehen."
„Sie hat keine Zeit." Es war nicht einmal gelogen.
„Ich bin gekränkt." Anklagend verschränkte der andere die Arme vor der Brust. „Deine Eltern durften die beiden direkt nach der Geburt sehen, der Kaiser und die Kaiserin gestern Abend. Ich finde, jetzt kannst du auch uns zu ihr lassen." Dabei legte er einen Arm um Joleen, die verlegen den Boden musterte.
Eleasar lehnte es rundweg ab, sie in die Wohnung zu lassen. „Warte, bis sie wieder auf den Beinen ist, dann wirst du sie sehen."
Adele kam um die Ecke und blieb überrascht stehen. „Oh, Besuch? Dann komm ich später wieder."
„Du kannst rein." Eleasar trat einen Schritt beiseite. „Auf dich hört sie mehr als auf mich."
Adele musste angesichts seines Missfallens kichern. „Sie ist nachwievor Ria. Äußerst eigensinnig."
„Im Schlafzimmer", informierte er sie schulterzuckend. Er wollte den Charakter seiner Frau nicht jetzt ausdiskutieren.
Schüchtern huschte sie an ihm vorbei. „Danke. Aram kommt nach. Der wollte noch irgendwas besorgen." Sie hielt ihm eine kleine Schachtel hin. „Ria wollte, dass ich dir welche besorge. Sie meinte, du würdest sie vermutlich mögen."
„Steht sie nicht eher auf Süßigkeiten?"
„Es hat niemand behauptet, die würden süß schmecken. Probier sie aus. Wir haben sie bei einem Stadtbummel entdeckt."
Abschätzend musterte er die Schachtel. „Sei so gut und stell sie ins Wohnzimmer."
Die blonde Frau nickte und verschwand aus dem Eingangsbereich. Er konnte hören, wie die Freundinnen sich herzlich begrüßten und musste ein Lächeln unterdrücken. Dass Adele seit der Geburt wieder besser gelaunt war, schien auch Ria gut zu tun.
„Warum darf sie rein? Sie ist eine Außenstehende", versuchte Nathan zu feilschen.
„Weil Ria sie zu sehen wünscht." Klipp und klar. „Du solltest gehen, Nate. Deine Freundin will auch nicht hier sein." Zu Eleasars Erleichterung ließ Nathan sich von seiner Freundin dazu überreden, ein anderes Mal vorbeizukommen.
Nathan war bei weitem nicht der einzige, der zu Besuch vorbei kam. Viele Adlige aus der Stadt versuchten einen Blick auf die Kleine zu erhaschen. Eleasar war Raphael dafür dankbar, dass er Namen und Geschlecht des Kindes bislang nicht verraten hatte. Gegen Ende der Feier hatte er lediglich verkündet, dass die kaiserliche Familie Nachwuchs zu begrüßen hatte. Allerdings schien das den Eifer der anderen nur geweckt zu haben, als erste zum Kreis der Auserwählten zu gehören, die das Kind sehen durften. Daraufhin wurde die Aufsicht über den Privatbereich verschärft. Niemand durfte ohne kaiserliche Erlaubnis hinein. Raphael verlegte seine privaten Treffen sogar in den öffentlichen Palastteil, damit niemand auch nur ansatzweise in Versuchung kam, Mutter und Kind zu stören.
Zwei Wochen nach der Geburt war Ria so weit genesen, dass sie kleine Ausflüge unternehmen konnte. Ihre körperlichen Wunden waren zwar weitestgehend verheilt, doch hielten die schlaflosen Nächte ihren Erschöpfungspegel auf einem gewissen Stand. Ihr erstes Erscheinen außerhalb ihrer eigenen vier Wände löste einen regelrechten Ansturm unter Bediensteten und Bewohnern gleichermaßen aus. Es war nur ein kleiner Spaziergang durch den Palastpark, doch der Andrang erweckte den Eindruck, als wäre es ein Jahrtausendereignis. Eleasar trug die Kleine, während Ria sich an seinem Arm festhielt.
Für sie beide war es eine ganz neue, erfüllende Erfahrung die Emotionen und Bedürfnisse ihrer Tochter klar spüren zu können - ein unerwartetes Geschenk, das gleichermaßen zufriedenstellend und verwirrend war. Als es seinen Frauen zu viel wurde, führte der glückliche Vater sie wieder in den abgeschiedenen Privatbereich.
Ein halbes Jahr später, nachdem sie Eilean der Gesellschaft vorgestellt hatten, zogen sie wieder in Eleasars Haus. Ria hatte es ebenso vermisst, wie die Ruhe vor den anderen. Von ihrer kleinen Katze Cora wurde sie begrüßt als wäre sie eine Fremde. Sie konnte es ihr nicht verübeln, schließlich hatte sie sie im vergangenen Jahr ziemlich vernachlässigt. Ohne die Angestellten, die sich um das kleine Wesen kümmerten, hätte sie sich ihre Mahlzeiten wohl selbst besorgen müssen.
Mittlerweile hatte sich auch der Trubel um sie gelegt. Von Zeit zu Zeit verbrachten sie ihre freien Tage im Haus am Meer. Es war eine friedliche Zeit, die sie gemeinsam genossen. Die ganzen Sorgen waren von Ria abgefallen und ermöglichten ihr, sich hingebungsvoll der Erziehung ihrer Tochter zu widmen. Eleasar gab sein Möglichstes, dass es auch so blieb.
Nachdem Adele den ganzen Rummel um die Familie ihrer besten Freundin gesehen hatte, hatte sie dankend abgelehnt, in die Hauptstadt zu ziehen. Stattdessen kam sie ab und an vorbei, brachte ihren Sohn mit und bunkerte jede Menge Kekse.
Auch wenn Ria die ruhige Zeit genoss, traute sie dem Frieden nicht ganz. Sie wusste nur allzu gut, dass die Zeiten schnell kippen konnten. Da Eleasar das ebenso wusste, gab er seine Versuche, sie vom Trainieren abzuhalten schnell auf. Schließlich sollte man auch in ruhigen Zeiten nicht aufhören, sich fit zu halten. Auch, wenn die Aussicht auf neue Querelen ihm eindeutig gegen den Strich ging.
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