.:42:. Frutzelchen und Schnuckelwutz

Etwas Dunkles huschte an ihrem Horizont vorbei. Etwas, das sie Schaudern ließ. Elea. Hier ist etwas. Vorsichtig streckte sie ihre Sinne aus, wie Haru es ihr gezeigt hatte. Sie spürte, wie Eleasar sich bei ihr einklinkte und ihre Wahrnehmung teilte. Kurz darauf stand er bei ihnen.

„Du scheinst wirklich das Glück zu haben, reizende Bekanntschaften zu machen", meinte er ironisch.

„Geisterwesen sind nicht reizend", entgegnete sie knapp. „Wenn du sagst es ist okay, dann lass ich es da. Wenn nicht, kümmere ich mich selbst darum."

Abschätzend musterte er sie. „Der alte Mann tut dir nicht gut. Du kommst auf immer absurdere Ideen."

Sie schnaubte. „Dasselbe gilt für dich."

„Bleib in Gesellschaft. Aram kommt morgen, dann sollte es dir leichter fallen, jemanden um dich herum zu haben."

Freudig sprang sie auf. „Die beiden kommen? Mit dem Kleinen? Uh, dann kann ich meinen Neffen ja doch noch nach Strich und Faden verwöhnen, bevor Adele sich rächen kann!" Ihr Kreislauf schien diese plötzliche Bewegung nicht ganz so gut zu verkraften.

Geistesgegenwärtig legte Eleasar einen Arm um ihren Bauch und half ihr, sich wieder hinzusetzen. „Ich werde sie bitten, deine Anstandsdame zu sein", schlug er betont gleichmütig vor. Er wusste, wie sehr es sie ärgerte, sich Konventionen unterwerfen zu müssen, die sie nicht nachvollziehen konnte.

„Hach, es ist ja so niedlich, wenn du träumst", entgegnete sie zuckersüß.

„Irgendwann zählt deine Schwangerschaft nicht mehr als Ausrede." Er seufzte. „Mach ihr das Leben nicht schwer."

„Wo denkst du hin?" Entsetzt schüttelte sie ihren Kopf. „Sie ist meine beste Freundin. Wir gehen Shoppen. Grab schon mal deine Geldreserven aus. Wenn wir fertig sind, wirst du die bitter nötig haben."

„Das bezweifle ich." Er nahm einem vorbeigehenden Diener ein Glas Saft ab. „Hier, du siehst schrecklich durstig aus."

„Oh, und wir werden gaaaaaaanz viele Kekse kaufen."

Er zeigte sich unbeeindruckt. „Das weiß ich. Habt ihr schon mehrfach getan."

Scheinheilig lächelte sie ihn an. „Ach, wollt ihr Männer uns nicht begleiten? Ihr seid doch groß und stark und könntet unsere Einkäufe tragen."

Ungläubig schüttelte er den Kopf. „Wenn das das einzige ist, was dir zu uns einfällt."

Ria gab ihre süffisante Haltung auf und griff nach dem Saft, den er ihr hinhielt. „Vergiss es. Uns wird eh das halbe Heer folgen. Sollte ich unbeabsichtigt Frühwehen bekommen, sind genug Leute da, um innerhalb von Sekunden ein Lazarett aufzuschlagen. Aber wo du gerade hier bist. Joleen, Seana und Halie wollten wissen, wie wir uns kennengelernt haben."

Nachdenklich musterte er seine Frau. „Das wollen sie vermutlich gar nicht wirklich wissen." Liebevoll schob er ihr eine Strähne hinters Ohr. „Bleib bitte hier. Es ist immer jemand in der Nähe." Auf ein Zeichen von seiner Mutter hin, verließ er die Mädchengruppe.

„Was war denn?", hakte Halie nach. „Es schien, als würde euch etwas nicht gefallen."

Matt lächelte Ria sie an. „Ich fühle mich in der Nähe von Geistern nicht so wohl. Hab als Kind ganz schlechte Erfahrungen gesammelt, daher reagiere ich immer ein wenig empfindlich."

„Oh. Na, das macht nichts. Hier traut sich bestimmt kein böser Geist hinein. Immerhin ist Seine Majestät anwesend. Ich kann's noch gar nicht fassen, dass wir auch hier sein dürften", quiekte sie aufgeregt.

„Nate meinte, ich würde mich dann wohler fühlen", erklärte Joleen verlegen.

„Wenn er sich schon um sowas Gedanken macht, muss er es doch wohl ernst meinen, oder?", versuchte Ria sie aufzumuntern. „Er ist nicht halb so schlimm wie Rory. Es hätte dich also schlimmer treffen können." Sie kicherte beim Anblick der schockierten Mädchengesichter und labte sich an diesem köstlichen Fruchtsaft. „Mädels, ich sehe die Jungs täglich, schon vergessen?"

Das schien in der Tat der Fall zu sein. „Hat Seine Hoheit, der Prinz, denn nicht eigene Häuser?"

„Schon", beantwortete sie Seanas Frage mit einem gleichgültigen Schulterzucken. Es war ihr egal, wie viel Eleasar besaß. „Aber er findet, dass es besser ist, wenn ich nicht alleine bin, sollte er mal fort sein. So ein bisschen übertreibt er es mit seiner Fürsorglichkeit, aber das müssen seine Hormone sein. Eine Schwangerschaft ist schließlich nicht leicht für einen Mann." Sie fing Eleasars skeptischen Blick auf und wusste ganz genau, dass er ihnen zugehört hatte. Das erinnerte sie wieder an die Geisterpräsens von vorhin. Ragna, wandte sie sich hilfesuchend an ihren getreuen Geist.

Es dauerte nicht lange, da schoben sich vertraute Rauchschwaden vor ihr inneres Auge. Süße?

Sie musste schmunzeln, als sie den alten Spitznamen wieder hörte. Hier war vorhin ein Geist. Wenn Haru richtig liegt, werde ich von denen beobachtet. Bist du so gut, und machst das für mich? Ich kann das noch nicht so gut.

Eine beruhigende Brise wehte durch ihre Gedanken. Natürlich, Darling.

Übertreib es jetzt mal nicht mit den Kosenamen, Schnuckelwutz.

Er lachte kehlig. Ah, dein Humor hat sich auf erfrischende Art gewandelt. Ich werde auf dich Acht geben, versprach er ernst, konnte sich ein hinterher geschobenes Frutzelchen jedoch nicht verkneifen.

Beruhigt wandte sie sich wieder dem Gespräch der Mädchen zu. Joleen hatte angefangen, von Nathan zu schwärmen. Ein Thema, das Ria nicht wirklich interessierte. Daher widmete sie sich begeistert den Knabbereien auf dem Tisch.

Sie war gerade bei ihrem fünften Häppchen, da tauchte Suzi in ihrem Blickfeld auf. Sie sah erschreckend mitgenommen aus. „Ria, da bist du ja. Ich habe dich gesucht."

Verwundert sah sie zu ihrer Schwester auf. Angesichts ihrer betretenen Miene war zu erahnen, dass es kein tolles Gespräch werden würde. Mit einem entschuldigenden Lächeln verabschiedete sie sich von ihrer bisherigen Gesellschaft und zog sich mit ihrer Schwester in eine abgeschiedene Ecke zurück. Zum Glück standen auch hier Stühle, auf die sie sich setzen konnten. „Was verschlägt dich denn in diese finstere Ecke? Bist du nicht mit deinem Freund hier?"

Die Ältere schüttelte kaum merklich ihren Kopf. Ein gehetzter Ausdruck trat in ihre Augen und sie sah sich leicht panisch im Raum um. Als hätte sie etwas zu verheimlichen. Oder zu befürchten. „Nein. Sem weiß nicht, dass ich hier bin. Ich wollte dich um etwas bitten. Als Schwester."

Es war wirklich nicht schwer zu erraten, worum ihre Gedanken kreisten. Sie sah unausgeschlafen aus und schien immerzu auf der Suche zu sein. „Es geht um Aleix, oder?"

Die Rothaarige nickte zaghaft. „Ja."

Triumphierend verschränkte Ria ihre Arme vor ihrer Brust. „Ich hab's euch gesagt. Ich hab's euch von Anfang an gesagt, aber ihr wolltet ja nicht hören. Meintet, eine Seelenverwandtschaft könne man nicht sofort erkennen. Bitte, jetzt leidet ihr beide unter Entzugserscheinungen."

„Du warst von Eleasar getrennt", stellte Suzi hohl fest.

„Ein verfluchtes halbes Jahr", stimmte sie ihr zu. Sie wollte eine solche Trennung nicht noch einmal durchleben müssen, denn es war die Hölle gewesen. „Wie denkst du dir, soll das weiter gehen?"

„Ihr habt selbst gesagt, eine Seelenbindung geht über die Gesetze hinaus. Schick mich bitte zu ihm. Lass mich ihn sehen."

„Das kann ich nicht." So gerne sie es auch wollte, sie konnte es wirklich nicht.

„Ria, ich bitte dich."

„Suzi, ich kann es nicht. Wirklich. Und Eleasar hätte Aleix das letzte Mal fast umgebracht. Der wird nicht einmal eine Sekunde lang darüber nachdenken, ihm zu helfen." Verzweifelt sank ihre Schwester zu Boden. Es brach Ria das Herz. „Ach, Mist. Ich rede nochmal mit ihm. Versprechen kann ich nichts. Die beiden können einander wirklich nicht ab."

„War das schon so, bevor Aleix was von dir wollte?"

Ria schnaubte verächtlich. „Lange. Glaub mir, da waren wir noch nicht einmal ansatzweise geplant. Hast du eigentlich noch Kontakt zu Camille?" Ihr war da gerade eine Idee gekommen.

„Ja", verwirrt nickte ihre Schwester. „Warum?"

Ein herzliches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht der jüngeren Schwester aus. „Ich glaube, ich habe das Totschlagargument schlechthin. Bei dem kann nicht mal Elea widerstehen. Sonst muss ich mir was sehr viel Kreativeres einfallen lassen."

„Ria, dein Mann durchschaut dich doch jetzt schon."

„Ah, ich schmiede sonst keine Pläne."

„Das ist es ja", seufzte Suzi matt. „Meinst du, er traut dir da über den Weg?"

„Oh ja", zwitscherte sie fröhlich. „Dann bekommt er ein Mitspracherecht, was das Kinderzimmer angeht."

Suzis Blick wurde traurig. „Das werde ich dann verpassen. Meine Nichte oder meinen Neffen."

„Ich komme dich besuchen", versprach sie ihr großzügig. „Zur Not auch ohne Mann, wenn die sich weiterhin gegenseitig unter die Erde bringen wollen. Du kannst meine Wohnung haben. Oder mein Haus."

Ihre Schwester machte große Augen. „Was hast du denn alles?"

„Vieles. Geerbt. Und gearbeitet." Wohlwollend drückte sie ihrer Schwester einen Happen in die Hand. „Tu mir den Gefallen und iss etwas. Dann kann ich behaupten, nicht alles alleine gegessen zu haben. Ach, Adele kommt morgen. Bleib doch ein Bisschen hier. Das Haus ist zwar gerade unbewohnt, aber das bedeutet auch, dass die Gästezimmer frei sind. Dann regeln wir alles für deine Abreise." Begeistert klatschte sie in ihre Hände. Das war doch mal eine Entwicklung nach ihrem Geschmack. „Ach, das wird klasse. Ich freu mich ja so, dass ihr beide es endlich einseht."

„Du hast ihn getroffen, oder?" Suzi beäugte sie misstrauisch. „Ria, ich merke es, wenn meine kleine Schwester lügt."

„Gar nicht", protestierte sie schwach. „Und ja. Verflucht, Suzi, ich hab ihm den Hintern gerettet. Mach mir keinen Vorwurf, weil ich dir nicht von deinem halbtoten Liebsten erzählt habe."

Ihre Schwester wurde kreidebleich. „Aber er lebt doch noch."

Ria nickte. „Ja, weil ich Elea davon überzeugen konnte, ihn nicht umzubringen."

„Dann hast du ihn doch erst dadurch in Gefahr gebracht!" Anklagend ruhte der Blick der älteren Schwester auf der jüngeren.

„Oh, das hat er ganz ohne mein Zutun geschafft, meine Liebe. Sieh es einfach als Verkettung ungünstiger Zufälle. Ich habe ihm geholfen und Elea hat uns geholfen."

„Wenn dein Mann meinen auch nur anrührt, dann..."

„Dann was?", fragte Ria belustigt. „Erstens kannst du weder ihm noch mir das Wasser reichen. Zweitens ist Aleix mein engster Freund. Drittens: Glaubst du wirklich, dass ich zulasse, dass mein Mann meinen Vertrauten umlegt?" Mit jedem Wort verschärfte sich ihre Tonlage. Dann zuckte sie mit den Schultern und lehnte sich wieder entspannt in ihrem Stuhl zurück. „Du solltest in der Ahnenhalle vorbeischauen. Da vermisst dich wer ganz schrecklich."

Suzi versteinerte vollkommen. „Du warst da? Wie...? Sie sehen nicht aus...?"

Rias Augen wurden groß. „Nein. Sie sehen normal aus. Keine abgerissen Körperteile."

Das schien ihrer Schwester nicht wirklich zu helfen. „Du bräuchtest dringend ein sanfteres Gemüt. Solche Grausamkeiten passen nicht zu dir."

Das war eine Herausforderung. „Komm doch nach dem Ball zu uns. Elea wird zwar nicht begeistert sein, wenn ich anfange zu erzählen, aber ich habe schon einiges gesehen, das schlimmer ist als ein paar abgetrennte Gliedmaßen."

„Manchmal hast du echt kein Feingefühl. Wie soll ich denn jetzt noch einen leckeren Nachtisch essen?"

Ertappt biss Ria sich auf die Lippe. „Ich arbeite dran. Aber wenn du klassische Mädchenthemen willst, solltest du wirklich nicht mit mir plaudern." Ihr Blick wurde nachdenklich. „Ich hoffe, du hast gescheite Unterwäsche? Oder muss ich drüben erst noch mit dir Shoppen gehen?"

Suzi lief knallrot an. „He, ich weiß ja nicht, wie das bei euch war, aber wir fallen sicher nicht sofort übereinander her."

Ria lachte frech. „Oh, Elea ist vorher schon über mich hergefallen."

„Ihr habt gesagt, ihr habt miteinander gerungen", entfuhr es ihrer Schwester atemlos.

„Ja und? Zählt doch auch." Vergnügt gluckste Ria in sich hinein. Dass ihre ältere Schwester bei jeder vagen Andeutung sofort die Fassung verlieren musste, war einfach zu herrlich. „Hach, geht das normalerweise nicht andersrum? Dass die große Schwester die kleine in Verlegenheit bringt?"

Langsam entspannte sich ihre Schwester. „Scheint bei uns ein wenig anders zu sein, hm? Ausheulen kannst du dich jederzeit bei mir."

„Du bist ja so knuffig. Aber danke, ich habe meinen Mann. Der ist zwar ein Idiot, aber er ist immer für mich da."

„Ria." Suzi schien nicht ganz fassen zu können, was sie da hörte. „Bist du dir sicher, dass du keinen Alkohol getrunken hast?"

„Jap. Ich bin auf Endorphinen. Solltest du auch mal probieren."

„Wie war das eigentlich? So frisch verbunden?"

Ein Gewitter zog in Sekundenschnelle über das Gesicht der Jüngeren. „Da liegt mein Erfahrungsschatz im nicht-positiven Bereich. Fragen sind auch nicht erwünscht."

Nachdenklich und ein wenig verlegen kratzte Suzi sich am Kinn. „Du hast gesagt, bei euch war es schwierig, aber so schlimm?"

Ria nickte wortlos und trank einen großen Schluck Saft. „Jetzt könnte ich tatsächlich Alkohol vertragen", knurrte sie bitter.

Ihre Schwester seufzte mitfühlend. „Es tut mir leid. Dabei dachte ich, ihr wärt wirklich glücklich verliebt, als ich dich getroffen habe."

„Das war danach", flüsterte Ria düster. „Wenn du Genaueres wissen willst, musst du schon Adele oder deinen Holden fragen."

„Es tut mir leid, ich wollte dich nicht daran erinnern." Suzi klang, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.

„Ach, das ist abgehakt", überraschte Ria ihre Zuhörerin. „Ich habe mich revanchiert. Seitdem ist die Sache geklärt."

„Ich will gar nicht wissen, was du getan hast."

Begütigend tätschelte sie ihrer Schwester den Kopf. „Keine Angst, Details kriegst du nicht. Sei nur nicht so doof und mach dieselben Fehler. Ein halbes Jahr kann furchtbar lang sein."

„Das merke ich jetzt schon."

„Du bist nicht einmal gebunden", flüsterte Ria ihr zu, als sei es ein Geheimnis. „Es zerreißt deine Seele."

„Ria!" Entsetzt sprang Suzi auf. „Ich dachte keine Details."

„Das war kein Detail, sondern eine Tatsache." Sie musterte ihre Schwester, die ihrem Vater äußerlich so unheimlich ähnlich war, nachdenklich. „Ich hab's." Von ihrer Idee überzeugt stand sie auf. „Ich weiß, wie ich dich auf jeden Fall zu Aleix kriege! Ha, lass mich nur machen, das wird ein Kinderspiel. Solange du bereit bist, Verantwortung zu übernehmen."

Suzi traute ihr nicht. „Deine Gedankensprünge sind beängstigend."

„Da bist du nicht die erste, die das sagt. Der Grund dafür ist ja bald nicht mehr da." Gedankenverloren strich sie über ihren Babybauch. „Ne, also ich hab dir schon den Weg geebnet. Musst nur ja und amen sagen. Und wenn was nicht ganz okay ist, hilft Aleix dir sowieso. Dem steht Gentleman auf die Stirn tätowiert."

Eleasar gesellte sich neugierig zu ihnen. Das blasse Gesicht seiner Schwägerin hatte ihn dazu veranlasst, seine Frau aufzusuchen. „Hallo Suzi. Hat deine Schwester dich schon wieder geschockt?"

„Das tut sie heute nur, Hoheit." Respektvoll verneigte sie sich vor ihm.

Fröhlich winkte Ria ihn zu sich heran. „Ach, Liebling, ich hoffe, du hast heute Abend nichts weiter vor. Es kann eine lange Nacht werden."

„Ich vermute, wir haben nicht das gleiche im Sinn."

„Wow, was für eine scharfe Kombinationsgabe."

Besorgt runzelte er die Stirn. „Seit wann ist sie so?"

„So ziemlich seit ich sie angesprochen habe", gestand Suzi kleinlaut.

„Ria, du hast ab jetzt eine Verabredung." Kompromisslos zog er sie vom Stuhl hoch.

„Verabredung?" Verwirrt musterte sie ihn. „Aber du bist doch hier."

Angespannt atmete er aus. „Ja, das bin ich. Du hast die Wahl. Entweder du gehst selbst oder ich trage dich nach oben."

Seine ernste Stimmung wollte so gar nicht zu dem passen, was er da andeutete. „Was willst du eigentlich?" Irritiert versuchte sie in seinem Gesicht eine Antwort zu finden.

„Du bist übermüdet. Leg dich hin."

Irgendwie enttäuscht sank sie an seine Brust. Sie hatte mit anstrengenderen Dingen gerechnet. „Nur, dass ich mich nicht so fühle. Weißt du..." Sie brach mitten im Satz ab.

Raphael trat zu ihnen. „Ich hatte soeben den Eindruck, sie reagiert langsam auf etwas."

Eleasar nickte schwach. „Ich bringe sie rauf."

Der Kaiser lächelte kaum merklich. „Das ist vermutlich das Beste. Du kannst bei ihr bleiben. Die ersten Gäste sind schon gegangen."

Erleichtert schleppte Eleasar seine Frau nach oben. Erst in ihrer Wohnung ließ er sie herunter. „Was machst du nur?"

Müde lehnte sie sich an ihn. „Ich weiß nicht. Da war dieser Geist. Ich konnte ihn nicht sehen, aber ich habe ihn eindeutig gespürt. Und mit der Zeit wurde mir irgendwie komischer."

„Ich habe gesehen, was mit dir los war", antwortete er fürsorglich und tippte ihr leicht an die Stirn.

Befremdet schüttelte sie ihren Kopf. „Er hat mich nicht beeinflusst. Zumindest nicht auf die mir bekannten Arten. Und glaube mir, mein Uropa kennt viele. Ich bin froh, dass er tot ist und nicht amtierender Kaiser."

Er lächelte sie beschwichtigend an. „Versuch es doch einfach mal mit Müdigkeit. Du musst dich schonen, das weißt du doch."

Schuldbewusst schmiegte sie sich an ihn. „Es tut mir für Suzi leid."

Sein Lachen ließ ihren Kopf vibrieren. „Entschuldige dich doch morgen bei ihr."

Plötzlich ruckte ihr Kopf nach oben. Seine Worte hatten sie an etwas erinnert. „Ich glaube, sie hat Angst vor Sem. Sie dürfte heute gar nicht hier sein. Er hat sie nicht mitgenommen. Sie hat mich angefleht, sie zu Aleix in die Menschenwelt zu schicken." Jetzt wurden ihr Blick und ihr Ton flehend. „Wir kennen uns zwar nicht gut, aber sie ist meine Schwester. Ich weiß, wie es ist, gefangen gehalten zu werden. Sie könnte meinen Platz drüben einnehmen."

Zärtlich zog er ihr eine Spange aus dem Haar. „Wie könnte ich meiner hübschen Frau diesen Wunsch abschlagen. Zieh dich um, ich bringe sie rüber."

Sie traute sich nicht, ihn zu fragen, warum er sich so plötzlich dazu bereiterklärte. Da es ihr nur recht war und sie wusste, dass er sie nicht anlog, begann sie sich umzuziehen. Erst als sie unter ihrer und seiner Decke vergraben im Bett lag, verschwand er aus ihrer Wohnung. In der ruhigen Gewissheit, dass ihre Schwester nun in Sicherheit war und glücklich werden würde, ließ Ria sich ins Land der Träume entführen.



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