.:26:. Nicht gesucht und gefunden
Nach einer Weile räusperte Ria sich vorsichtig. „Ich will diesen Moment ja nicht stören, aber euch ist schon bewusst, dass ihr euch jetzt seit geschlagenen zehn Minuten anstarrt?"
Aleix fing sich als erster. „Du bist unübersehbar Liams Tochter."
„Und du bist zweifellos der schönste Mann, der mir je begegnet ist." Noch immer starrten sie sich gegenseitig an, als würden sie das erste Mal überhaupt jemand anderen sehen.
Bitte nicht. Eleasar trat hinter Ria und betrachtete die beiden anderen Schattenseelen. Ria, die beiden...
...haben sich gefunden, beendete sie seinen Gedanken. Ich spüre die Anziehung.
Suzi ist Sems Freundin.
Wenn es ihnen auch nur ansatzweise so geht wie uns, werden sie nicht um einen Bund herum kommen.
Wortlos zog er seine Frau in seine Arme. Hoffen wir, dass Sem das akzeptiert.
Du hast mir doch gesagt, dass diese Seelengeschichte über allen Gesetzen steht.
Sein Brustkorb hob und senkte sich merklich, als er tief durchatmete. So ist es auch. Das bedeutet aber nicht, dass es deswegen keine Schwierigkeiten geben wird.
Das ist nicht unser Problem, bemerkte sie müde. Ich möchte ins Bett.
Elea nickte leicht, dann wandte er sich kurz an den Ankömmling. „Suzi, ich möchte dich sprechen. Er kann von mir aus dabei sein", fügte er mit Blick auf Aleix hinzu.
Auf dem Weg in ihr Schlafzimmer schlief Ria in seinen Armen ein. Vorsichtig legte er sie ins Bett und deckte sie ordentlich zu. Anschließend ging er in sein Arbeitszimmer, wo seine Gäste auf ihn warteten. „Wie anfällig sind Schattenseelen ohne Vertrag?"
Rias ältere Schwester machte große Augen. „Ist ihr Geist gestorben?" Er verneinte, woraufhin die Frau erleichtert nickte. „Sie muss den Vertrag erneuern oder einen ganz neuen mit einem anderen Geist schließen. Ihr seid mit ihr verbunden. Ihr müsst spüren, dass sie nur noch bruchstückhaft das Mädchen ist, in das Ihr Euch verliebt habt. Es ist gut möglich, dass der Bund mit Euch diese Entwicklung verzögert. Ohne unsere Geister sind wir sehr instabil."
Eleasar schwieg und sagte erst wieder etwas, als ein Dienstbote an der Tür klopfte und ein Schreiben überbrachte. „Abreise morgen früh."
„Gehen wir ihren Geist suchen?", fragte Suzi begeistert.
Er sah sie an, als wäre sie vollkommen durchgedreht. „Ihr geht nirgendwo hin."
„Aber ich bin die einzige von uns beiden, die weiß, wie ein Vertrag geschlossen wird", versuchte sie zu argumentieren.
„Da erinnert Ria sich auch dran. Sie braucht deine Hilfe nicht."
Aleix verspürte den Drang, dieser bezaubernden Frau neben sich beizustehen. „Meinen Sie nicht, dass Suzi helfen kann, den Geist zu finden?"
„Wir wissen, wo er ist." Kopfschüttelnd ließ Eleasar sich auf seinen Stuhl sinken. „Und Ria ist die einzige, die dorthin darf. Ihr würdet auf der Stelle hingerichtet werden."
Suzi sprang auf. „Wir kennen uns zwar nicht besonders gut, aber sie ist trotzdem meine Schwester!"
„Würdest du ihr bitte sagen, dass es ein sinnloses Unterfangen ist, dich zu begleiten?" Eleasar lächelte seine an der Wand neben dem Türrahmen lehnende Frau aufmunternd an. Sie hatte sich kurz zuvor rein geschlichen. Sie konnte nicht lange geschlafen haben.
„Elea", flüsterte sie müde. „Ich will ihn nicht. Reg dich ab, diskutieren bringt nichts."
„Dann musst du dir einen anderen Geist suchen."
Ein trauriges Lächeln erschien auf ihren blassen Zügen. „Meinst du, ich soll ihm mit dem Fuchsgeist eifersüchtig machen? Ich habe nicht das Recht, ihm seinen Wunsch nach einer Familie zu verweigern. Und schon gar nicht jetzt."
Er verstand ihren Wink mit dem Zaunpfahl. „Schließ einen Vertrag und lass ihn, wo er ist. Das wäre für euch beide von Vorteil."
Ria zeigte ihm den Vogel. „Nein, danke. Ich bin nicht besonders scharf darauf, noch einmal mit anhören zu müssen, wie er sich vergnügt." Sie sah Aleix um Verständnis bittend an. „Sag Storm, er soll nicht auf Ragna sauer sein. Es war meine Entscheidung, den Vertrag aufzulösen, nicht seine."
„Ich glaube, das sagst du mir ein wenig zu spät."
Ria ließ sich erschöpft an der Wand hinunter rutschen. „Sein Temperament ist unübertroffen. Wie hältst du es nur mit ihm aus?"
Ria, geh ins Bett, du musst dich ausruhen.
Ihre müden Augen wanderten zu ihrem Mann. „Kann ich nicht, wenn du so aufgewühlt bist."
Ich werde darüber nicht mit dir diskutieren.
Du bist unausstehlich, wenn du dir Sorgen machst.
Seine Mundwinkel zuckten. „Schalte deinen Dickkopf ab, du gehst morgen zu ihm und verlangst einen neuen Vertrag."
„Ich such mir eine Klippe", murmelte sie resignierend und rappelte sich langsam auf.
„Viel Erfolg, hier ist keine hoch genug."
„Dann klettere ich halt aufs Dach."
„Das einzige, wo du rauf kletterst, ist das Bett."
Störrisch verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Eli, du bist ein Idiot. Denkst du wirklich, ich würde meine Entscheidung nicht bereuen? Aber erklär mir bitte, wie ich jetzt schwimmen soll? Die Drachen leben in Höhlen. Und da muss ich durch tauchen."
Ungläubig folgten Suzi und Aleix dem Wortwechsel der beiden. Irgendwann hielt Suzi es nicht mehr aus. „Warum streitet ihr euch?"
Beide sahen sie überrascht an. „Wir streiten nicht."
„Stimmt. Wäre es anders, hätte sie schon längst versucht..."
„Eleasar!" Ria funkelte ihn wütend an. „Halt die Klappe. Und schalt es ab!"
Verwunderung huschte über seine Züge. „Was soll ich abschalten?"
„Deine Gedanken, was denn sonst", fuhr sie ihn an. „Und was macht Raphael hier? Sollte der nicht in seinem Luxus ertrinken?"
In Eleasars Augen blitzte Erkenntnis auf. „Bleibt sitzen, ihr fehlt nichts", wies er Suzi und Aleix an, die Ria wirklich besorgt musterten.
„Nein, ihr fehlt nichts." Raphael trat hinter Ria ein und legte eine Hand auf ihren Kopf. „Beeindruckend."
Ria fuhr zu ihm herum, stolperte aber über ihre eigenen müden Glieder. Der Kaiser fing sie auf, ehe sie eine Bruchlandung hinlegen konnte. „Dein Mann hat recht, du gehörst ins Bett. Akzeptier seine Sorge um dich einfach."
Sie schien echte Probleme zu haben, ihn zu verstehen. „Hört auf! Hört verdammt nochmal auf!"
Wieder legte Raphael ihr eine Hand auf die Stirn, woraufhin Ria merklich ruhiger wurde. „Eleasar wird dir erklären was mit dir passiert, wenn du fit genug bist. Bis dahin wirst du wohl damit leben müssen, dass er auf deine Gedanken Einfluss nimmt."
„Nie im Leben", erklärte sie ihm stur.
„Ria", keuchte Suzi fassungslos. „Man widerspricht dem Kaiser nicht."
Mit gerunzelter Stirn sah sie zu ihrer Schwester, die angespannt auf der Stuhlkante saß. „Willst du auf unbestimmte Zeit manipuliert werden?"
„Wenn der Kaiser es so anordnet, wird es schon sinnvoll sein."
Ria trat einen Schritt von Raphael zurück. „Natürlich, Majestät."
Eleasar seufzte. Das war die nächste Überraschung für Suzi. Sie hatte ihn immer für sehr ruhig und verschlossen gehalten. Eine derartige Demonstration von Gefühlen hätte sie ihm nicht zugetraut. „Noch ein Wort und du hörst die Stimmen wieder. Nicht nur Raphael kann Barrieren lösen."
„Das ist Erpressung", fauchte sie und setzte sich protestierend und mit verschränkten Armen auf den Boden.
„Das ist zu deinem Besten", widersprach Suzi ihr. „Ria, bitte. Der Kaiser und der Prinz wissen, was sie tun." Zum Schluss flehte sie sie geradezu an.
„Du hast recht", sagte sie leichthin, „wir kennen uns wirklich nicht gut." Dann begann sie plötzlich zu lachen und sprang mit wackligen Beinen auf. „Wenn ich morgen absaufe, ist es deine Schuld." Sie zwinkerte ihrem Mann frech zu und verschwand.
„Dein Argument würde mich brennend interessieren", bemerkte Raphael aufrichtig neugierig an seinen möglichen Nachfolger gewandt. Wer sonst hätte Ria davon überzeugen können, nachzugeben?
„Ich glaube nicht", entgegnete Eleasar kopfschüttelnd. „Wäre sie bei Kräften, würde ich mir dafür eine fangen."
„Ich bezweifle es." Alle sahen Aleix fragend an. „Ich denke nicht, dass sie einen von Ihnen angreifen würde."
Der Kaiser wandte sich an Eleasar, die vorhergegangene Bemerkung übergehend. „Du hast ihr schon gezeigt wie sie sich abschirmen kann, oder?"
„Gefoltert hat er mich", rief Ria aus dem Flur.
Ein leichtes Grinsen breitete sich unwillkürlich auf Raphaels Gesicht aus. „Sie wird es dir ebenso lange nachtragen, wie Isla mir." Nur Eleasar verstand seine Botschaft. Isla war nicht die geringste Spur nachtragend. Mit leicht gerunzelter Stirn verschwand der Kaiser wieder.
Eleasar wandte sich an seine Gäste. „Ria braucht eure Hilfe nicht."
„Was ist da eben mit ihr passiert?" Suzi sah plötzlich kreidebleich aus. Es schien ihr nicht gut zu bekommen, ihre kleine Schwester nicht ganz auf der Höhe ihrer Kräfte zu sehen.
„Was immer passiert, wenn ein junges Wesen neue Fähigkeiten entwickelt." Er stand auf. „Es wird Zeit, dass Sie in Ihre eigene Welt zurückkehren."
Aleix tat es ihm nach. „Ich würde gerne warten, bis es Ria wieder gut geht."
Eleasar hatte genug davon. Er wollte nur zu seiner Frau, doch stattdessen musste er sich mit den beiden Schattenseelen herumschlagen, die Ria nicht richtig verstanden und es obendrein darauf ansetzten, ihm seine Nerven zu rauben. „Sie kennen den Weg in Ihr Zimmer. Suzi, da meine Frau mich umbringt, wenn ich ihre Schwester nicht einlade hier zu bleiben, kannst auch du hier schlafen."
Die beiden sahen dem Prinzen hinterher. „Wow, jedes Mal wenn ich ihn sehe, überrascht er mich."
Aleix konnte die Begeisterung seiner Nebenfrau nicht nachvollziehen. „Warum sollte er dich überraschen?"
Scheu lächelte sie ihn an. „Weil Prinz Eleasar für seine abweisende Art bekannt ist. Ich selbst habe ihn erst nach dem Bund mit meiner Schwester kennengelernt. Jetzt treffe ich ihn zum vierten Mal und mit jedem Mal habe ich den Eindruck, dass er offener wird. Ich wünschte nur, meine Schwester hätte ein wenig mehr Respekt vor den Autoritäten dieses Landes."
Dazu konnte er nichts sagen, da er sich mit dem Systemhier nicht auskannte. Ihm war aber klar, dass die Worte der Kaiserin stimmten.Ria war tatsächlich Teil der kaiserlichen Familie. Dass der Kaiserhöchstpersönlich vorbei kam, um nach ihr zu sehen, bestätigte das.
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