.:15:. Eine gebrochene Seele

Damit Adele und Cian sich in Ruhe in Arams Haus einleben konnten, beschlossen Ria und Eleasar am nächsten Tag zum Schloss zu gehen. Er wollte vor der Feier noch mit seinem Vater reden, schließlich hatte dessen Schwester unangekündigt seinen ärgsten Feind eingeladen.

Misstrauisch beäugte Ria ihr Pferd. Sie traute den Tieren noch immer nicht, wenngleich sie mittlerweile reiten konnte. Eleasar saß auf dem schönen nachtschwarzen Pferd mit der Mähne, die ins violette überging. Darauf hatte er sie auf ihren ersten gemeinsamen Ausflug entführt. Ihr Tier hingegen war weiß und hatte eine ebenso weiße Mähne, die mit vereinzelten roten Strähnen versetzt war. Was sie jedoch am meisten ärgerte war die Tatsache, dass keines der Tiere gesattelt war.

Verstimmt griff sie in die dichte Mähne der Stute und schwang sich hinauf. Das Pferd fing an unruhig zu tänzeln. Eleasar hatte ihr gesagt, dass diese Rasse anders war als die, die gewöhnlich genutzt wurden. Sie stammten aus Marjans privater Zucht und waren darauf spezialisiert, weite Strecken innerhalb kürzester Zeit zurückzulegen.

„Soll ich dich doch lieber mitnehmen?" Angespannt beobachtete Elea sie dabei, wie sie das Tier widerwillig auf den Weg lenkte.

Am liebsten hätte sie ihn darum angefleht. „Isla wird mich köpfen, wenn sie das herausfindet. Ob du's glaubst oder nicht, ich häng an meinem Leben."

Nicht nur du hängst an deinem Leben. Lächelnd wies er auf die Straße. Fällst du vom Pferd, wirst du zum Gespött der Leute.

Auch sie hatte die Menschen und Wesen längst bemerkt, die sich am Straßenrand versammelt hatten. Du scheinst die Vorstellung ja ganz lustig zu finden, bemerkte sie spitz.

Mäßig, lautete seine vergnügte Antwort.

Missmutig vor sich hin grummelnd rief sie sich die Anweisungen ihres Reitlehrers in Erinnerung und lenkte das Tier auf den Gehweg. Sie würde sich nicht die Blöße geben, neben ihm vom Pferd zu fallen. Als sie außer Sichtweite der Stadt waren, atmete sie erleichtert aus. „Das ist eindeutig schlimmer als jede Schulprüfung."

Belustigt hob er eine Augenbraue. „Oh, wir sind nicht einmal halb da. Wenn du vor morgen ankommen willst, sollten wir das Tempo anziehen. Keine Angst, dein Pferd schafft das", fügte er grinsend hinzu.

„Komm her, dann verpass ich dir eine Abreibung, nach der du keinen Meter mehr reiten kannst."

Ihre schlechte Laune schien ihn nur noch mehr zu amüsieren. „Tut mir leid, dich auch in diesem Punkt enttäuschen zu müssen." Sie beide wussten verdammt gut, dass sie nicht ansatzweise ebenbürtig waren.

Neben den Zügeln vergrub sie ihre Hände zusätzlich noch in der Mähne des wunderschönen Tieres. Sicher war sicher. „Dann geh schon mal vor."

Doch das tat er nicht. „Ich möchte, dass du auch irgendwann ankommst und nicht nur dein Pferd."

„Danke für dein Vertrauen" fauchend trieb sie das Pferd in einen schnelleren Gang. Recht schnell musste sie sich eingestehen, dass es so weich lief, dass alle Befürchtungen, sie würde herunter fallen, sich im Sande verliefen. Nachdem diese Ängste aus dem Weg geräumt waren, genoss sie den schnellen Wind auf ihrer Haut und in ihren Haaren. Es war fast wie fliegen. Aber eben nur fast.

Geradezu wehmütig blickte sie zurück auf den Weg, bevor sie im Schlosshof absaß. Augenblicklich lief es ihr eiskalt den Rücken herunter. Ein solches Gefühl konnte nur eines bedeuten.

„Was für eine Überraschung." Marjan nickte ihr zur Begrüßung knapp zu. „Willst du denn gar nicht bei deiner Freundin sein?"

Unsicher sah sie ihren Mann an. Nimmst du es mir übel, wenn ich mich ihm gegenüber ähnlich verhalte wie beim letzten Mal?

Als du hier warst? Wie hast du dich denn ihm gegenüber verhalten? Er klang aufrichtig neugierig. Ich habe von Aram schon so einiges gehört.

Lächelnd wandte sie sich an Marjan. „Sie hat es geschafft, deinen Mauern zu entkommen, ihr könnte es also kaum besser gehen."

„Wie ich sehe, hast du kein Stück von deinem Temperament eingebüßt. Dabei ist ein Jahr bei euch jungen Wesen doch eine halbe Ewigkeit."

„Lass stecken. Ich bin nicht hier, um dir für die erinnerungswürdigen Tage zu danken, die ich netterweise bei dir verbringen durfte", erklärte sie mit süffisantem Bedauern.

Marjan verzog keine Miene, obgleich er sagte: „Das ist tragisch. Ich hätte da einen weiteren Vampir, der gegen meine Regeln verstoßen und sich an einem Menschenmädchen vergangen hat."

Sie war wirklich versucht, darauf einzusteigen. „Ich fürchte, ich kann das nicht ganz mit dem Gewissen meines Mannes vereinbaren."

„Eleasar ist herzlich egal, was ich mit meinen Leuten mache."

„Du bist ja auch nicht seine Angetraute."

Hinter ihnen seufzte besagter Mann. „Du bringst hier niemanden um." An seinen Vater gewandt sagte er: „Ich muss mit dir reden. Es geht um Camille."

Marjan wurde ernst. Verschwunden war die lockere Atmosphäre - wenn man denn in seiner Gegenwart davon sprechen wollte. „Ich habe mich bereits gewundert, dass sie und nicht Aram die Einladungen geschickt hat. Und das so früh. Ria hat meine Karte auch erst vor fast zwei Jahren bekommen."

„Das war eine Karte zum Tod meiner Eltern! Viel zu spät übrigens."

„Dein damaliger Mann ist doch auch gestorben. Es war der perfekte Anlass", entgegnete der König kühl.

Eleasar überging das Gezanke der beiden. Es wunderte ihn, dass sein Vater Ria von Anfang an akzeptiert und ihr sehr viele Freiheiten gewährt hatte. Doch das war jetzt nicht das Thema. Es wäre nicht das erste Mal, dass der König eine äußerst präzise Vorahnung hatte. Anscheinend war es bei Ria und ihm der Fall gewesen. Erneut versuchte er, sich von seinen verwunderten Grübeleien abzulenken. „Ein Raum ohne Zuhörer wäre angebracht."

Marjan nickte, führte sie ins Schloss und bog eine Tür vor dem Thronsaal links ab. „Mein Arbeitszimmer", erklärte er Ria knapp.

Dieses „Arbeitszimmer" bestand aus nicht mehr als einem Tisch und einem Stuhl. Ziemlich ungemütlich. Neben ein paar Papieren befand sich auch eine kleine Kerze auf dem Tisch. Offenbar handelte es sich dabei um Siegelwachs.

Ohne Umschweife kam er zum Thema. „Was führt meine Schwester dieses Mal im Schilde, dass du persönlich zu mir kommst?"

Besitzergreifend schlang Eleasar einen Arm um Rias Taille. „Sie will dir deinen Berater nehmen und meine Frau in Verruf bringen."

Da fehlten selbst Marjan erst einmal die Worte. „Mir meinen Neffen nehmen? Das versucht sie schon lange. Jetzt scheint sie endlich ein passendes Druckmittel gefunden zu haben. Aber wie passt Ria ins Bild? Hat sie sich etwa auch mit Camille angelegt?"

Eleasar verneinte. „Sie fühlt sich von Ria bedroht."

„Aber ich hab doch gar nichts gemacht", empörte Ria sich fassungslos.

Zärtlich drückte er sie an sich. „Nein. Subtiler. Deine Existenz macht es ihr schwerer, das Geschehen um sie herum zu ihrem Vorteil zu lenken."

„Im Grunde genommen", fügte Marjan sachlich hinzu, „geht es ihr darum, Einfluss auf Eleasar nehmen zu können. Dein Auftreten ist zu selbstbewusst. Sie weiß, dass sie dich niemals lenken kann."

Verständnislos schüttelte Ria ihren Kopf. „Warum meint sie denn, sie könne dich lenken?" Eleasar schien der Frage ausweichen zu wollen. Drohend baute sie sich vor ihm auf. „Und keine Ausreden. Ich weiß sofort, wenn du mich anlügst."

Sich seinem Schicksal ergebend, fasste er sich so kurz wie möglich. „Ich hatte eine Geliebte, die unter Camilles Fuchtel stand."

Finster dreinblickend ging Ria zur Tür. Das war das letzte, was sie hatte hören wollen „Wisst ihr was? Redet alleine weiter." Kurz darauf fiel die Tür ins Schloss.

„Eifersüchtig?" Marjan konnte es kaum glauben. „Ei, euch hat's aber schlimm erwischt."

Sein Sohn warf ihm einen gequälten Blick zu. „Es ist nicht leicht, also frag bitte nicht weiter nach."

Marjan sah ihn lange an. „Du bist erwachsen", meinte er schließlich schulterzuckend.

Dankbar nickte Eleasar ihm zu. „Zurück zu Camille. Die Feier wird in der Stadt ausgerichtet, wie du sicher weißt." Sein Vater nickte kaum merklich. „Sem wird auch da sein."

Der König erstarrte. „Sem." Eine ganze Weile herrschte angespannte Stille. Dann polterte Marjan ungläubig: „Will sie einen Krieg heraufbeschwören?"

„Ria steht unter kaiserlichem Schutz. Wenn sie in irgendeiner Weise durch Camille zu Schaden kommt, wird Seine Majestät nicht untätig daneben sitzen und zusehen."

Nachdenklich musterte Marjan seinen Sohn. Noch nie war er so entschieden gegen jemanden vorgegangen. Aber zuvor hatte es Ria auch nicht gegeben. „Ich werde Camille eine offizielle Verwarnung erteilen", meinte er dann. „Du solltest dabei sein und es bezeugen. Mehr kann ich momentan nicht tun."

Eleasar nickte langsam. „Was war dein erster Eindruck von ihr?"

Marjan blinzelte überrascht. „Nun", mit dem Anflug eines Lächelns dachte er an seine erste Begegnung mit seiner Schwiegertochter zurück. Wen anders konnte sein Sohn unmöglich gemeint haben. „Meine Untergebenen hatten sie buchstäblich in Ketten gelegt. Dabei hatte sie sich meines Wissens Aram gegenüber ergeben. Sie haben sie in den Keller geführt - gefesselt und mit verbundenen Augen. Natürlich hatte sie Angst, doch es war bemerkenswert, wie aufmerksam und bedacht sie gefolgt ist. Dabei hat sie Stolz und Selbstbewusstsein ausgestrahlt. Beeindruckend für eine Gefangene." Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete seinen Jüngsten. „Auf eurer Feier wirkte sie ebenso. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie neben Seiner Majestät fehl am Platze war. Aber die innere Stärke, die sie verkörpert, zieht auch seine Schatten mit sich." Damit bezog er sich auf das Verhalten seiner Schwester.

„Die Leute lieben sie."

Der Vampir sah ihn erneut eine Weile wortlos an. „Ria polarisiert durch ihre Persönlichkeit, wie viele andere auch. Sie ist unerfahren, was Politik angeht. Ich brauche dir nicht zu sagen, dass es deine Aufgabe ist, ihr dabei zu helfen."

Auf einmal seufzte Eleasar vollkommen zusammenhangslos. „Ich muss gehen. Sie hat sich verlaufen."

„Wie findet sie sich denn in der Stadt zurecht?"

Stirnrunzelnd drehte er sich noch einmal zu seinem Vater um. „Sie verläuft sich nur hier." Leise schloss er die Tür zum Arbeitszimmer und machte sich auf die Suche nach seiner Frau. Er fand sie in einem der unteren Flure, recht weit von ihren Räumen entfernt, wo sie gerade einem verängstigten Mädchen auf die Beine half.

„Geht es wieder?"

Schluchzend warf das Menschenmädchen sich in Rias Arme. „Hilf mir", flüsterte sie erstickt.

Die Zeichen der Verwahrlosung und Misshandlung waren nicht zu übersehen. Ebenso wenig wie das kleine Mal, das auf ihrem Oberschenkel eingebrannt war. Dazu kam, dass sie ein abgetragenes, viel zu kurzes Shirt und Unterwäsche trug. Ihre langen rotblonden Haare wiesen leicht verfilzte Stellen auf. Alles in Ria verkrampfte sich. Diesem Mädchen ging es alles andere als gut.

„Wie heißt der Mann, der dir das angetan hat?", fragte sie behutsam.

Unter dem ganzen verzweifelten Schluchzern hätte sie den Namen „Gregorio" fast nicht herausgehört.

„Wie ist dein Name?" Mitfühlend kniete sie sich neben die Rothaarigen auf den Boden.

„Thyri."

Soweit sie wusste, war das ein nordischer Name. Das erklärte den schweren Akzent in Thyris Englisch. „Thyri. Mein Name ist Ria. Ich will versuchen, dir zu helfen. Du kennst nicht zufällig den Weg hier raus, oder? Genau genommen habe ich mich verlaufen."

Thyri starrte sie entgeistert an. „Hier unten verlaufen?"

Schuldbewusst lächelte Ria sie an. „Nun ja, in diesem Schloss ist es mit meinem Orientierungssinn nicht allzu weit her."

Eine Tür schwang auf und ein übelgelaunter Vampir mit durcheinander geratenen kurzen schwarzen Haaren und unordentlich sitzendem Oberteil trat in den Flur. „Thyri, du nichtsnutziges Ding, komm wieder her."

Thyri klammerte sich krampfhaft an Ria. „Bitte", flüsterte sie leise, „hilf mir."

Schützend zog sie das Mädchen in ihre Arme. „Gehen Sie, Gregorio. Thyri ist nicht länger die Ihre."

„Ich habe sie an mich gebunden", donnerte er.

„Das war einmal." Rias Stimme klang fest entschlossen. „Und jetzt gehen Sie oder Sie werden es bitter bereuen."

Der Mann stutze und lachte dann überheblich. „Du bist allein. Thyri kann dir nicht helfen. Und du bist nur ein schwaches Mädchen. Vielleicht sollte ich dir einmal zeigen, was die undankbare Kleine genießen durfte."

„Kein Bedarf", entgegnete sie desinteressiert.

Das schien den Vampir jedoch herzlich wenig zu interessieren. Er nestelte an seiner Hose herum.

Plötzlich wurde der Mann an die Wand geschleudert. Eleasar war der Geduldsfaden gerissen. „Es ist eine Sache, sich an seinem Eigentum zu vergehen. An meiner Frau eine ganz andere." Mühelos hielt er den Vampir an die Wand gedrückt.

Gregorio wurde leichenblass. „Mein Prinz. Ich hatte keine Ahnung..." Seine Stimme versagte und er sackte leblos zu Boden.

Angeekelt trat Eleasar die Beine des Toten aus dem Weg. „Könntest du dich bitte einmal nicht in Schwierigkeiten bringen?", fuhr er seine Frau ein wenig ungehalten an. Er wollte sich gar nicht ausmalen, was alles hätte passieren können.

Ria strahlte ihn an, seine Worte geflissentlich ignorierend. „Ich dachte schon, ich müsste versuchen, ihm den Kopf abzureißen."

Er überging ihre Bemerkung ebenfalls. Sein Blick fiel auf Thyri. Sie ist gebrochen.

In Rias Ohren klang das nach: Was willst du mit einem kaputten Ding? Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Ich bringe sie jetzt zu Marjan. Der muss wissen, was in seinem Schloss passiert."

Zweifelnd begleitete er seiner Frau, die sich bemühte, das verschreckte Mädchen zu stützen und öffnete ihr wortlos die Tür zum Thronsaal. Er wusste, dass ihr der Ausgang dieser Geschichte nicht gefallen würde.

Marjan sah überrascht auf, als Ria Thyri auf dem Boden absetzte. „Bringst du mir mein Mittagessen?"

Thyri wimmerte und Ria funkelte den Herrscher böse an. „Einer deiner Vampire hat sie so zugerichtet. Du hast gesagt, die Mädchen würden geschätzt werden! Sieht das nach Wertschätzung aus?"

„Sie ist ein Mensch", antwortete Marjan mit einer wegwerfenden Geste. „Und gebrochen. Sie ist mir nicht mehr von Nutzen. Fehlauswahlen lassen sich nicht vermeiden."

„Menschen heilen", warf sie wütend ein. „Du kannst sie nicht einfach töten!"

„Frag deinen Mann, Ria. Dieses Mädchen wird nicht mehr heilen. Wenn die Augen so leer sind, ist es bereits zu spät."

Sie versteifte sich, wollte nicht hören, was er da sagte. Das war doch Wahnsinn. „Schick sie zurück. Kein Mensch wird ihr glauben, wenn sie von ihrer Zeit hier erzählt. Aber dort wird für sie gesorgt werden."

Eleasar legte einen Arm um sie und zog sie bestimmt von dem Mädchen weg. „Wenn ihr Meister sie verstoßen hat, ist sie Freiwild. Sie ist nachwievor nur ein Mensch." Das hier ist das Reich meines Vaters. Stell seine Autorität nicht unnötig infrage.

Sie versuchte sich zu wehren, doch er ließ sie nicht los. Sie wusste, dass Vampire stark waren, doch nie hätte sie gedacht, dass ihr Liebster es in puncto Körperkraft mit ihnen aufnehmen konnte. Seine Arme umschlangen sie fester als Stahlseile. Lass mich los.

Ria. Er klang flehend. Bitte. Zwing mich nicht, dich ruhig zu stellen. Das sind die Regeln dieser Welt.

Resignierend gab sie ihren Widerstand auf und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. Ein Gnadentod also?

Ich zeige dir, wieso. Er nutzte ihre seelische Verbindung, um ihr zu zeigen, wie zerstört Thyris Seele wirklich war. Er spürte den Schock, den sie angesichts der in kleine Teile zerrissenen Seele empfand. Schnell beendete er die Vorführung. Siehst du jetzt ein, dass sie schon so gut wie tot ist?

Eine Träne stahl sich aus ihren Augenwinkeln. Ja. Das ist kein Leben mehr. Das Ausmaß dieser Schäden konnte nur unheilbar sein.

Dann komm. Darauf bedacht, sie von dem regungslos auf dem Boden hockenden Mädchen abzuschirmen, schob er sie zur Tür. Gehen wir in unser Zimmer.

„Wie kann eine Seele nur so kaputt gehen?" Betroffen schüttelte sie sich.

Wortlos öffnete Eleasar die Zimmertür und ließ sie eintreten. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, beantwortete er ihre Frage. „Eine schwache Persönlichkeit, Misshandlungen, Kräfte von Wesen... In Wasserstadt hätte dir das Gleiche widerfahren können." Damals hatte Ragnarök sie zum Glück vor seelischem Schaden bewahrt.

Erschüttert griff sie nach einer herumstehenden Wasserflasche. „Können wir morgen zu den beiden zurückkehren? Ragna meldet sich ja sofort, wenn etwas nicht stimmt."

Lächelnd trat er an sie heran. „Du möchtest abgelenkt werden? Ich denke, das lässt sich einrichten. Welch rühmliche Geschichte über mich würdest du denn gerne hören?"

Sie schüttelte zwar fassungslos den Kopf, konnte das Zucken ihrer Mundwinkel jedoch nicht verbergen. „Manchmal bist du echt bescheuert."

„Tatsächlich?"

Ein wenig eingeschüchtert nickte sie. Seine Nähe machte sie immer noch verlegen. Außerdem wusste sie, was der Blick bedeutete, den er ihr zuwarf. „Ja."

„Aha", murmelte er und lehnte sich zu ihr hinunter. „Dann erzähl mal in welchen Belangen." Mit Genugtuung bemerkte er, wie sie immer weiter außer Fassung geriet. Es befriedigte die düstere Besitzgier in ihm, wenn sie so reagierte.

„In allen." Verzweifelt versuchte sie nicht in seinen Bann zu geraten. Es fiel ihr mit jeder Sekunde schwerer. Da erinnerte sie sich an die Wasserflasche, die sie noch in der Hand hielt. Sie gab vor, etwas trinken zu wollen, leerte dann aber die Flasche über ihn aus.

Fassungslos und mit nassen Haaren sah er sie an. „Was", knurrte er gefährlich ruhig, „war das?"

„Wasser." Arglos zuckte sie mit ihren Schultern. „Du hast gewirkt, als hättest du eine Abkühlung bitter nötig."

Wortlos wandte er sich ab und suchte das Zimmer nach weiteren Flaschen ab, die er dann im Badezimmer einschloss.

„Was soll das werden?", fragte Ria, die sich ahnungslos in einem der Sessel vor dem Kamin fläzte.

Mit einem barbarischen Lächeln auf den Lippen hockte er sich vor sie. „Präventivmaßnahme."

Ria seufzte schwer. „Elea. Das Mädchen war unschuldig. Es hatte den Tod nicht verdient."

„Täglich sterben tausende Unschuldige in der Menschenwelt. Du hast selbst einmal gesagt, dass der Tod zum Leben dazu gehört." Er griff nach ihrer Hand und drückte ihr einen sanften Kuss in die Handinnenfläche. „Das ist hier nicht anders."

Sie zauderte damit, die Sache beiseite zu schieben, musste sich dann aber geschlagen geben. Gedankenverloren zeichnete sie das Tattoo auf seinem Unterarm nach. „Was bedeutet das?"

Sanft entzog er ihr seinen Arm. „Dass ich Anwärter auf den Kaiserthron bin. Es zeigt sich, wenn die Kräfte am Erwachen sind. Ich war fünfzehn als es angefangen hat. Nach einem Jahr war es so weit ausgereift, dass klar war, was die Linien zu bedeuten hatten. Von heute auf morgen musste ich meine Eltern verlassen und in den kaiserlichen Palast ziehen. Meine Mutter begleitete mich, musste dadurch aber die Beziehung zu meinem Vater aufgeben."

Das war eine ganz andere Geschichte als sie erwartet hatte. „Lieben sie sich denn noch?"

Eleasar lachte leise. „Sie sind nicht zusammen. Du kannst sie ja auf dem Fest beobachten und mir nachher sagen, zu welchem Schluss du gekommen bist."

„Dein Vater zeigt so viele Emotionen wie ein Stein", stöhnte sie kapitulierend. „Und das ist keine Untertreibung. Bei ihm spüre ich nichts, rein gar nichts. Nur gruselige Kälte."

Ganz sacht fuhr er mit seiner Hand das Profil ihres Körpers nach. „Er ist vermutlich zu alt."

Tief durchatmend stützte sie sich auf ihre Unterarme. „Kannst du dir Aram als Vater vorstellen?"

Der plötzliche Themenwechsel irritierte ihn kurzzeitig, dann kam er zu dem Schluss, dass sie nach allem griff, was sie von dem Schicksal des Mädchens ablenkte. Nachdenklich spielte er mit ihren langen Haaren. „Wie lang willst du sie eigentlich noch wachsen lassen? Irgendwann behindern sie dich beim Kämpfen." Seit er sie wieder in diese Welt gebracht hatte, waren sie ein ganzes Stück gewachsen. Jetzt reichen sie ihr schon bis zur Taille.

„Lenk nicht vom Thema ab", tadelte sie ihn liebevoll. „Also?"

„Ich denke, er wird in die Rolle hineinwachsen und für seine Familie sorgen."

Wohlig seufzend lehnte sie sich an ihn. „Ich bin froh, dass uns das noch eine Weile erspart bleibt."


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Hallo ihr Lieben. :3

Seit langem gibt es hier mal wieder eine Autorenanmerkung. Ich habe 2 Dinge auf dem Herzen:

1. Wüsste ich gerne, was ihr bislang zu der Geschichte sagt.

2. Rot wie Blut ist für den erzaehlesuns2 - Wettbewerb angemeldet. Für alle, die es noch nicht getan haben und dem Buch die Chance geben wollen, in die engere Auswahl zu kommen, um vielleicht irgendwann einmal in einem Bücherregal zu stehen, bietet sich bis zum 18. November 2015 die einmalige Chance, für das Ankündigungskapitel zu diesem Wettbewerb des Piper-Verlags abzustimmen. Das Kapitel sitzt ganz vorne, vor der Geschichte.

Ich danke euch im Voraus. Liebe Grüße und viel Spaß bei der weiteren Geschichte.

Liebe Grüße,

eure Ama


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