Kapitel I


Ich öffnete meine Augen. Meine Lider waren schwer und klebrig. Ein grelles Licht ließ mich mehrmals blinzeln. Ich wusste nicht ob ich lag, saß oder stand. Ich fühlte mich elend. Mein ganzer Körper schmerzte. Ich sah nur eine weiße Wand und das grelle Licht, das mich noch immer blendete. Langsam versuchte ich meine Hand zu heben. Ein Stich fuhr bis zu meiner Fingerspitze und ich ließ meinen Arm fallen. Nochmals versuchte ich dasselbe. Diesmal spürte ich einen weniger schmerzhaften Stich. Ich hob weiter meine Hand. Bis ich plötzlich gegen etwas stieß. Es war Glas. Ich klopfte dagegen. Ich wollte schreien aber es kam kein Ton aus meiner Kehle. Ich klopfte weiter - immer heftiger. Und plötzlich ein Stich. Diesmal "schrie" ich unkontrolliert, aber wieder lautlos. Als mein Arm wieder auf seinem ursprünglichen Platz lag, begannen Krämpfe jeden einzelnen meiner Muskeln zu durchziehen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Der ganze Schmerz hinderte mich daran nachzudenken.

Nach einiger Zeit, die sich anfühlte, als würde sie nicht vergehen, drehte ich langsam meinen Kopf nach rechts. Ich dachte ich würde jetzt vor Schmerzen weinen aber kein einziger Tropfen kam aus meinen Augen. Die Seite auf die ich jetzt starrte war ebenfalls weiß, aber nach ein wenig Zeit erkannte ich, dass diese Seite irgendwie gewölbt war. Nochmals bewegte ich meinen Kopf, aber auf die andere Seite. Sie war ebenfalls gewölbt.

Jetzt endlich erkannte oder besser gesagt, spürte ich, dass ich lag. Aber worauf oder worin lag ich?

Behutsam bewegte ich meinen ganzen Körper. Selbst meine Zehen konnte ich nun schmerzfrei beugen. Ein kleines Glücksgefühl keimte in mir auf, doch es wurde wieder zerstört, als ich daran dachte, wo ich eigentlich war.

Ich schloss die Augen - das grelle Licht wurde mir zu viel. Ich bewegte meinen Körper weiter obwohl ich nicht sehr viel Bewegungsfreiheit hatte, doch ich wollte nicht in meinen Anfangszustand zurückfallen. Ich hörte das Quietschen meiner nackten Füße und erkannte, dass es wohl Plastik war, auf dem ich lag.

Auf einmal hörte ich dumpfe Stimmen. Mein Körper erstarrte und meine Augen öffneten sich. Ich verstand kaum etwas. Ich glaubte zwei Wörter zu hören. "Raum" und "Doktor". Ich konnte nichts damit anfangen. Angestrengt versuchte ich, mehr zu verstehen.

Zum ersten Mal kam ich auf die Idee, zurückzudenken. Was geschah bevor ich an diesen Ort gelangte? Ich konnte mich nicht mehr erinnern. Bloß einzelne Fetzen schossen durch meinen Kopf. Ein heruntergekommenes Haus, ein bebender Boden und ab und zu ein Knall.

Plötzlich sah ich anstatt des grellen Lichts einen Schatten, der die Form eines Kopfes hatte. Panik überfiel mich. Ich wollte mich wehren, aber ich konnte es nicht. Der Schatten blieb nicht lange über mir. Ich konnte keinen Gesichtsausdruck oder Gesichtszug erkennen. Ich sah nur mit verschwommenen Blick eine kleine Erhöhung in der Mitte des Gesichts, die wohl die Nase sein sollte, dunkle Kreise nahe dem oberen Ende des Kopfes und am unteren Ende leichte, wiederum dunkle Umrandungen des Mundes. Ich wusste nicht ob ich mich jetzt freuen sollte, dass ich einen Menschen erkannt hatte oder ob ich mich fürchten sollte, wenn ich daran dachte, was er jetzt nun mit mir vorhaben könnte, doch irgendwie überwog das zweitere Gefühl.

Plötzlich hörte ich eine Art Zischen über mir und ich atmete frische Luft ein. Diese plötzliche Erfrischung ließ mich fast in Ohnmacht fallen, aber ich bemühte mich bei Bewusstsein zu bleiben, denn ich konnte es nicht riskieren in diesem Moment ein Blackout zu haben. Der Kopf über mir verschwand und ich hörte klarere Klänge. Ich erkannte auch die Stimmen von einer Frau und einem Mann.

"Warum haben Sie mich nicht früher informiert? Können Sie denn keinen Zeitplan lesen?"

"Es tut mir leid. Es war mir nicht bewusst, dass es schon so spät war."

"Wie auch immer... Wir müssen uns jetzt um sie kümmern."

"Natürlich, natürlich..."

Einer der beiden Menschen, die sich für mich immer nur durch Schatten vom Licht abhoben, trat wieder zu mir. Der Umriss seines Kopfes war eher groß, nicht so zierlich wie der einer Frau. Er streckte eine Hand aus und legte es auf das Glas, das schon einen Spalt weit geöffnet war. Er schwang das Glas, das anscheinend die Funktion einer Tür hatte, auf und ließ sie sanft an die eine gewölbte Wand klopfen. Seltsamerweise empfand ich jetzt das Licht nicht mehr als grell sondern als warm und angenehm. Ich konnte auch jetzt mehr als einen Schatten erkennen. Es war ein Mann, der die Glastür geöffnet hatte. Er sah weder jung noch alt aus. Seine Haare waren pechschwarz und ziemlich kurz geschnitten. Ein hatte keinen Bart, doch man konnte Bartstoppeln erkennen. Auch traute ich mich, in seine Augen zu sehen und mich erschrak ein wenig, was ich sah. In seinen grauen Augen konnte ich keinerlei Glanz oder Emotion sehen, sie wirkten kalt und freudlos.

"Miss Grey, können sie mich hören?"

Er inspizierte meinen gesamten Körper mit seinen mich beunruhigenden Augen und blickte mir dann eindringlich in die meinen. Ich war völlig entgeistert. Woher kannte er meinen Namen? Und wieder stellte ich mir die Frage "Wo bin ich?!" Doch ich nickte bevor er noch annehmen würde, dass ich taub wäre.

"Es tut mir leid, dass wir Sie nicht früher bemerkt haben. Sie hätten eigentlich schmerzfrei aufwachen sollen."

Ich verzog ungewollt den Mund als Antwort. Plötzlich verschwanden die gewölbten, weißen Plastikwände neben mir in die Tiefe. Ich wagte es nicht, nach links oder rechts zu blicken. Meine Angst war zu groß und somit bewegte ich nur meine Augen, aber ich sah nicht besonders viel. Ich bemerkte bloß, dass der Mann, der mit mir gesprochen hatte, einen weißen Kittel mitsamt eines Namensschildes trug auf dem ich nur "Dr. H..." lesen konnte, weil er sich kurze Zeit später von mir wegdrehte. Noch immer sah ich verschwommen, doch wenigstens wurde ich nicht so stark geblendet, wie vorhin. Nirgends in meinem Blickfeld konnte ich die Frau sehen.

"Wo... bin... ich...", krächzte ich langsam mit leiser, dünner Stimme, obwohl ich erstaunt war, dass überhaupt etwas aus meiner Kehle erklang. An alles woran ich im Moment denken konnte war, dass ich einen Unfall hatte und in einem Krankenhaus sein musste, sonst hätte ich keine Erklärung für einen Doktor und die weißen Wände.

Der Gesichtsausdruck des Doktors änderte sich schlagartig von entspannt zu skeptisch. Hatte ich etwas Falsches gesagt? Wieso hatte ich überhaupt irgendetwas gefragt? Warum konnte ich nicht einfach abwarten und ihn sprechen lassen?

Zuerst öffnete er nur leicht den Mund und suchte anscheinend nach einer Antwort, die er mir geben könnte. Ich dachte nicht, dass er so hilflos aussehen könnte. Auf einmal trat die Frau, die ebenfalls in weiß gekleidet war, aus dem nichts in mein Blickfeld und lenkte ihn ab, indem sie ihm eine Art Klemmbrett in die Hand drückte. Durch meinen Blickwinkel verschwand sein Gesicht unter dem Brett, das er kurze Zeit konzentriert bearbeitete. Als er es ihr wieder zurückgab, hatte sein Gesicht wieder denselben ernsten Ausdruck wie vorhin.

"Was ist das letzte an das Sie sich erinnern können?"

Ich war überrascht, dass er meine Frage mit einer Gegenfrage beantwortete. Ich musste einige Zeit lang über meine letzten Erinnerungen nachdenken. In mir kamen immer nur Bilder von zerstörten Häusern und menschenleeren Gegenden auf. Es kam mir lächerlich vor jetzt zu sagen, dass ich es nicht wusste. Doch es war die Wahrheit. Manchmal erschienen Menschen in meinem Gedächtnis, die mir zwar bekannt vorkamen, aber die ich nicht zuordnen konnte. Dann sah ich eine Schule vor meinem geistigen Auge. Sie war noch unversehrt und die Sonne schien hell an jenem Tag. Es musste eine Kindheitserinnerung gewesen sein, aber ich wollte ihm nicht nur so einen kurzen "Gedankenblitz" mitteilen. Also beschloss ich, den Doktor einfach nur anzusehen. Er wartete noch immer darauf, dass ich etwas sagte, aber dann bemerkte er, dass ich nichts wusste.

"Haben Sie wirklich keine Ahnung, wo sie sich befinden?"

"Nein", antwortete ich mit unsicherer und immer noch krächzender Stimme.

Der Doktor blickte zu der Frau hinüber, doch sie erwiderte denselben nachdenklichen Blick.

"Was stimmt nicht mit mir", fragte ich so aufdringlich, wie ich konnte, weil mir diese unwirschen Blicken zu viel des Guten waren.

Durch meine Frage sah er schnell zu mir. Wieder sah er genauso ernst aus, wie vor wenigen Minuten. Er hatte wohl ein Talent darin, seine Gefühle zu verbergen.

"Versuchen Sie sich erst einmal aufzusetzen. Aber langsam. Bitte."

Ich wartete darauf, dass er das endlich sagen würde. Ich wollte mich aufschwingen und ihm beweisen, dass es mir gut ginge, aber ich konnte keinen einzigen meiner Körperglieder schnell bewegen. Es ging nicht. Also ließ ich erst einmal meine Beine zur Seite des Doktors gleiten und richtete mich erst dann so langsam, als ob es Zeitlupe wäre, auf. Der Doktor legte eine seiner Hände an meine rechte Körperhälfte, um mir zu helfen. Seine Hand ruhte so sanft, dass ich sie kaum spürte und ich überlegte, ob mir diese wirklich beim Sitzen helfen würde. Als ich nun endlich aufrecht dasaß, wurde mir schwarz vor Augen, aber ich schaffte es, die kommende Ohnmacht abzuschütteln.

Nun sah ich alles, was ich vorher eigentlich nicht sehen wollte. In der einen Ecke waren weiß-blaue Theken mit allen möglichen Instrumenten, die ein Arzt benutzen würde. Hinter dem Doktor, den ich jetzt vor Augen hatte, war eine seltsame, weiße Box mit gewölbten Wänden. Auch mit einer Glasscheibe, die oben angelegt war. Doch ich konnte nicht sehen ob sich etwas darin befand und dann merkte ich, dass es wohl so ein Container war, wie auch ich in einem gelegen hatte. Ich wollte auf keinen Fall hinter mich blicken. Einerseits, weil der Doktor mich wahrscheinlich für noch seltsamer halten würde und andererseits, weil ich Angst davor hatte, was sich hinter mir befand.

Auf einmal wandte sich der Doktor von mir ab und sagte fordernd zur Frau hinter ihm: „Setz' sie auf die Liste!"

Die Frau riss die Augen überrascht auf, aber kurze Zeit darauf beugte sie ihren Kopf nach unten und sagte demütig: „Jawohl, Doktor." Sie ging mit schnellen Schritten aus dem Raum.

Was hatte das nun wieder zu bedeuten?

"Wie fühlen Sie sich", fragte der Arzt nun mit sanfter Stimme.

"Ein bisschen taub..."

"Okay. Das ist keinerlei Überraschung. Ich möchte mich noch einmal dafür entschuldigen, dass wir erst so spät gekommen si-"

"Nun... Was fehlt mir? Warum bin ich hier", unterbrach ich ihn mit derselben schwachen Stimme wie vorhin.

"Grundsätzlich fehlt Ihnen nichts. Das einzige, was mich überrascht ist Ihre retrograde Amnesie. Aber sie ist nur zeitlich besetzt. Sie erlangen Ihre Erinnerung bestimmt wieder. Weniger überraschend ist Ihr Taubheitsgefühl. Nachdem man so lange eingefroren war, gibt es viele, die so empfinden. Auch wenn wir das verhindern hätten können-"

Ein Schauder lief mir über den Rücken und ich konnte kurze Zeit nicht glauben, was ich hörte.

"Wie bitte? Eingefroren?"

"Ja, für die lange Reise. Ich werde Sie gleich zur nächsten Station schicken, damit Sie ausreichend Information erhalten. Wollen Sie schon selbst hingehen oder soll sie jemand dorthin transportieren?"

"Moment, Moment... Ich verstehe nicht ganz. Ich möchte jetzt wissen, WO ich bin!"

"Sie befinden sich in der freien Welt, auf dem Planeten Aeternitas", sagte er letztendlich wie automatisiert.

Ein Schock durchfuhr mich und ich spürte einen kalter Schauer am ganzen Körper. Träumte ich? War dies das echte Leben? Konnte es wirklich sein, dass ich mich auf einem anderen Planeten befand?

Mir wurde schwarz vor Augen und ich fühlte wie mein Körper nachließ. Das letzte was ich spürte, war ein nicht allzu weicher Aufprall nach hinten.

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