MACUSA


Er atmete ein und atmete aus.
Es sorgte nicht dafür, dass sich seine Nervosität verflüchtete. Es sorgte eher dafür, dass er sich vorkam wie ein Schuljunge, der Angst hatte vor der Klasse zu sprechen.
Er zog den abgegriffen Briefbogen aus seiner Mantelinntentasche, obwohl er den Inhalt bereits auswendig kannte.
Sofort fanden seine Augen die entscheidende Textstelle, die sich in sein Gehirn eingebrannt hatte. Daher ist es ihre unumgängliche Pflicht, sich nach ihrer Ankunft unverzüglich bei uns zu melden.

Er ließ den Brief wieder in seinem Mantel verschwinden und wiederholte den Versuch, sich durch gleichmäßiges Atmen zu beruhigen, ehe er zaghaft an die Tür klopfte.

Ein lautes, starkes "Herein" ließ ihn zusammenfahren.
>>Reiß dich zusammen!<<, tadelte er sich selbst. >>Deine Nervosität ist unsinnig, unangebracht und...<<
Vor ihm wurde die schwere Eichentür aufgerissen und ließ ihn erneut zusammenzucken.
Beinahe ängstlich hob er seinen Blick und starrte in das Gesicht des Mannes, der jetzt vor ihm stand. Sehr nah. Fast zu nah.
Sein Gesichtsausdruck war ernst, aber nicht unfreundlich. Seine Augen hattes etwas warmes, einladendes... dieser Gedanke ließ ihn sofort erröten und er sah peinlich berührt auf seine Schuhe. Seine Lippen formten Worte, doch seinen Mund verließ nur ein heiseres Kratzen.

"Mr. Scamander.", unterbrach sein Gegenüber die peinlich Stille. "Treten Sie ein." Er trat einen Schritt zur Seite und machte eine einladende Geste.
Newt blinzelte ihn kurz an, räusperte sich nervös und trat dann zögerlich ein.
"Ich dachte schon, dass Sie nach Ihrem Klopfen einfach verschwunden sind." Hatte er wirklich so lange vor der Tür gestanden?
"Ich-Ich-" Er nestelte nervös an seinem Mantel. Er kam sich in dem großen Büro vollkommen verloren vor; wusste nicht, ob er sich setzen oder lieber stehen bleiben sollte.
"Nehmen sie Platz.", unterbrach Mr. Graves sein Gestammel und nahm ihm damit die Entscheidung ab.
Während Newts Blick noch zwischen den beiden Stühlen hin und her huschte, die vor dem großen Schreibtisch standen, hatte Mr. Graves bereits hinter diesem Platz genommen.

Während er darauf wartete, dass Newt Platz nahm - und ihn innerlich schmunzelnd dabei beobachtete - lehnte er sich in seinem Stuhl zurück, stütze beide Ellenbogen auf die Stuhllehnen und legte seine verschränken Finger an seinen Mund.
Als sich Newt schließlich umständlich den Mantel geöffnet und niedergelassen hatte, vollführte er eine elegante Handbewegung und ließ eine Kanne Tee und zwei Tassen zu seinem Schreibtisch schweben.
"Ich habe angenommen, dass Sie gerne Tee trinken. Wenn Sie erlauben." Mit einer erneuten Handbewegung setzte sich die Kanne in Bewegung und goß Tee in beide Tassen; eine davon schwebte direkt zu Newt herüber und wäre beinahe zu Boden gestürzt, als er sie ungeschickt auffangen wollte. Laut klirrend stellte er die Tasse auf den Schreibtisch ab und sah verunsichert zu Mr. Graves herüber.
"Da-danke. Das ist wirklich nett von Ihnen." Gönnerhaft nickte Mr. Graves und es war ein leichter Anschein eines Lächelns auf seinem Mund zu erkennen.
"Nun, Mr. Scamander, ich will Sie nicht allzu lange auf die Folter spannen. Sicherlich fragen Sie sich, warum Sie heute hier erscheinen sollten." Damit hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen!
Newt rutschte nervös auf seinem Stuhl herum und versuchte angestrengt, den Blickkontakt aufrecht zu erhalten.
"Wie Sie wissen, hatte ich bereits das Vergnügen, Sie kennenzulernen. Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt - wie soll ich sagen - nicht wirklich ich selbst. Aber das müssten Sie ja am besten wissen! Immerhin waren Sie dabei, als Grindelwald demaskiert wurde." Seine Stimme klang ruhig, fast emotionslos, als würde er im Moment die Geschichte eines Fremden erzählen.

Newt nickte nur. Er erinnerte sich an ihr erstes Treffen. Es war keine angenehme Begegnung gewesen... ganz im Gegenteil. Obwohl sich nichts an seinem Aussehen oder seinem Auftreten verändert zu haben schien, kam es ihm dennoch so vor, als würde eine komplett andere Person vor ihm sitzen. Und so war es ja schließlich auch. Das hier war der echte Percival Graves, nicht Grindelwald. Newt staunte einen kurzen Moment darüber, dass es Grindelwald gelungen war, sie alle so perfekt zu täuschen, doch dann wurde er aus seinen Gedanken gerissen.
"Nachdem ich aus meinem Verlies befreit wurde - ich erspare Ihnen die Details -"
"Ich habe es in der Zeitung gelesen.", platzte es aus Newt heraus. Sofort bereute er sein unreifes Verhalten und senkte den Blick. Während sein Gesicht rot anlief und seine Ohren zu glühen begannen, murmelte er ein leises "Entschuldigung."
Mr. Graves stützte sich mit einem Arm auf den Schreibtisch und lehnte sich ein Stück nach vorn. Kaum merklich schüttelte er den Kopf. "Nichts, wofür Sie sich entschuldigen müssten. Das gesamte Land - und anscheinden auch ganz Großbritannien... sagen wird: die gesamte Zaubererschaft hat es in der Zeitung gelesen.", sagte er ruhig und freundlich. Newt sah vorsichtig auf, da er in Mr. Graves Gesicht ein Lächeln vermutete. Doch seine Gesichtzüge waren weiterhin ernst - nur seine Augen verrieten, dass er Newt den Faux Pas nicht übel nahm.

Er lehnte sich wieder zurück und fuhr fort. "Ich habe meine Arbeit beim MACUSA inzwischen wieder aufgenommen, doch dem sind Monate harter Arbeit vorausgegangen. Die Gefangenschaft hat mir sowohl körperlich, als auch..." Er räusperte sich und senkte für den Bruchteil einer Sekunde seinen Blick. Jedem anderen wäre es wahrscheinlich nicht aufgefallen, doch Newt hatte eine ausgezeichnete und sensible Auffassungs- und Beobachtungsgabe - ein Grundvoraussetzung für jeden Magiezoologen!

Mr. Graves nahm wieder Blickkontakt auf und verfluchte sich selbst dafür, dass er - wenn auch nur für einen kurzen Moment - eingebrochen war. Doch es gelang ihm, wie immer, sich nichts anmerken zu lassen und er fuhr fast nahtlos fort. "Die Gefangenschaft hat mir zugesetzt. Wie bereits erwähnt, konnte ich mich davon erholen und besetze bereits wieder meinen alten Posten. Doch ich habe viel verpasst und musste viel nachholen." Er sah Newt intensiv an und zauberte ihm damit einen zarten Rotschimmer aufs Gesicht. Mr. Graves sprach nicht weiter und es kam Newt vor, als wäre er jetzt an der Reihe, etwas zu sagen.
Bei dem Versuch, etwas heraus zu bringen, hätte er sich fast an den Worten verschluckt. Er setzte sich aufrechter hin, legte beide Hände auf die Oberschenkel und nahm seinen Mut zusammen.
"Mr. Graves, das... leider- leider erklärt das nicht... warum..."
"Ich wollte Sie kennenlernen.", unterbrach er Newts kläglichen Versuch, sich auszudrücken. Newt starrte ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Unglauben an. Mr. Graves Mundwinkel zuckten kurz, doch sein Gesichtausdruck blieb kühl. "Lassen Sie mich unser Gespräch noch einmal neu beginnen." Er beugte sich erneut nach vorn und streckte Newt seine Hand entgegen. "Herzlichen Glückwunsch zum Erscheinen Ihres Buches, Mr. Scamander." Newt hatte weder seine Sprache, noch seine Fassung wieder gefunden. Er blickte von der ausgestreckten Hand zu dem Lächeln, dass sich doch tatsächlich auf Mr. Graves Gesicht abzeichnete!
"Mr. Scamander, ich warte." Und schon war das Lächelnd verschwunden.
"Natürlich.", murmelte Newt und schaute ängstlich auf Mr. Graves Hand, ehe er sie ergriff und zaghaft drückte. Mr. Graves schien zufrieden, entzog sich dem Griff und lehnte sich wieder zurück.
"Ich habe es gelesen. Ihr Buch. Ich habe nur Gutes darüber gehört und kann mich dieser Meinung nur anschließen. Sie haben ein kleines Meisterstück geschaffen."

Newt schluckte. >>Was passiert hier gerade?<<
"Ich-Ich danke Ihnen sehr... aber... ich... Sie... Sie wollten mich kennelernen?", fragte er ungläubig.
"Wie bereits erwähnt, hatte ich noch nicht das Vergnügen Ihre Bekanntschaft zu machen."
"Schon, aber... ich verstehe nicht ganz... warum?" Newt verstand es wirklich nicht. War Percival Graves etwa Hobby-Zoologe? Hatte er selbst magische Tierwesen und wollte sich mit ihm austauschen?
Und da war es schon wieder. Das feine Lächeln auf Mr. Graves Gesicht.
"Sagen wir es so: Ich bin ein Fan."

WAS?! Das war das letzte, womit Newt gerechnet hätte. Mit offenen Mund starrte er Mr. Graves an und dieser lächelte freundlich zurück.
Einige Augenblicke herrschte Stille und während Newt sich ausgesprochen unwohl fühlte, schien Mr. Graves diesen Moment zu genießen.
Sein Lächeln nahm eine andere Note an, als fortfuhr. Es war weniger freundlich, mehr... gefährlich. "Es ist eigenartig, wenn man sich in eine Lektüre vertieft, von der man vollkommen gefesselt ist und dann erst erfährt, dass man den Autor breits kennengelernt - oder besser: verhört hat. Und noch eigenartiger ist, wenn man zu diesem Zeitpunkt in einem Verließ eingesperrt war und in Wahrheit der berüchtigste schwarze Magier der Welt an seiner Stelle war. Können Sie mir folgen, Mr. Scamander?" Newt brummte der Kopf. Er verstand gar nichts und hätte am liebsten mit "Nein" geantwortet, doch er nickte. Mr. Graves Augen nahmen ihn in Beschlag und schienen ihn zu hypnotisieren, weshalb er sich für einen kurzen Moment nicht mehr sicher war, ob nicht doch wieder Grindelwald vor ihm saß.

Mr. Graves merkte genau, wie er Newt verwirrte und er genoß es. Er hatte es noch nie jemanden offenbart, doch er war fasziniert von dem schüchternen, britischen Zauberer und hätte alles dafür getan, um ihn endlich wirklich kennenzulernen. Dass er es mit Hilfe eines 'gefälschten' Briefs von der MACUSA schaffen würde, war fast schon lächerlich.
"Ich will ehrlich sein, Mr. Scamander. Ich habe den Brief geschrieben. Und der einzige Grund, warum es ihre unumgängliche Pflicht ist, sich bei uns zu melden, ist mein Verlangen."
Newt starrte ihn immernoch fassungslos an. Er hatte jedes Wort verstanden, dann aber auch wieder nicht. Verlangen?!
"Mein Verlangen, Sie kennenzulernen, natürlich.", ergänzte Mr. Graves. Es gefiel ihm, dass er Newt Scamander so aus der Fassung bringen konnte. Der Mann, den er bewunderte und insgeheim anhimmelte, saß vor ihm - eingeschüchtert wie ein kleines Kind. Mr. Graves Blick wanderte abermals über das unschuldige, von Sommersprossen verzierte Gesicht; prägte sich die feinen Konturen ein und bewunderte dessen Schönheit. Es bereitete ihm keine große Mühe, seine kalte, selbstbewusste Fassade aufrecht zu erhalten, doch innerlich schmachtete er ihn an. Sein Blick wanderte zu seinen rötlichen Locken, die wild nach vorn abstanden und perfekt sein hübsches Gesicht einrahmten. Fast wäre er in seiner Schwärmerei versunken, doch er wollte noch etwas mehr aus diesem Treffen herausholen.
Er stützte sich mit den Ellenbogen auf der Tischplatte ab und lehnte sich soweit wie möglich zu Newt herüber. Dabei sah er ihm so eindringlich und intensiv wie möglich in die Augen und freute sich über den Rotschimmer, der sich bereits wieder auf dessen Gesicht abzeichnete.
"Verurteilen Sie mich jetzt, Mr. Scamander?", hauchte er ihm mit verführerischer Stimme entgegen.

Als wäre er aus einer Schockstarre erwacht, zuckte Newt zusammen. Der Rotschimmer auf seinem Gesicht intensivierte sich und seine Ohren glühten. Es war ihm einfach unmöglich, etwas darauf zu antworten. Was sollte er auch schon sagen? Sich bedanken? Nein, das kam ihm äußerst lächerlich vor. Sollte er vielleicht einfach gehen? Manchmal war Flucht die beste Verteidigung...
"Newt?", flüsterte Mr. Graves so zart wie möglich.
Newt sprang auf. Panisch starrte er den überraschten Mr. Graves an und kam sich jetzt noch viel hilfloser vor. Unentschlossen trat er von dem einen auf dem anderen Fuß und riss mit seinem Mantel die Teetasse vom Tisch. Der inzwischen - zum Glück! - lauwarme Tee bekleckerte seinen Schritt und die Tasse, samt Unterteller, ging zu Bruch. Fahrig sprang er zu Seite und wischte kurz über seine Hose, ehe ihm auffiel, wie lächerlich und obszön diese Handlung aussehen musste. Sofort lief er wieder rot an - falls er in der Zwischenzeit überhaupt schon wieder einmal seine normale Hautfarbe angenommen hatte.
Mr. Graves lächelte nur und stand ebenfalls auf. Während Newt noch unschlüssig war, ob er einfach wegrennen oder die von ihm verursachte Sauerei beseitigen sollte, stand Mr. Graves bereits neben ihm und hatte sein Handgelenk gepackt.

Wie zu Stein erstarrt blieb Newt stehen und starrte auf die Hand, die ihn gepackt hatte. Mr. Graves kam noch einen Schritt näher, sodass sich ihre Körper fast berührten.
Diese Nähe war ihm einfach zu viel, weshalb Newt sich panisch losriss, nach hinten taumelte und beinahe über einen der Stühle gestolpert wäre.
Er stand auf wackeligen Beinen, das Herz schlug ihm bis zum Hals und sein ganzer Körper schien zu brennen. Er starrte Mr. Graves an, als wollte dieser ihn fressen. Doch Mr. Graves stand einfach nur ruhig da, hatte sich inzwischen an den Schreibtisch gelehnt und die Hände in die Hosentaschen gesteckt.
"Mr. Scamander, ich weiß nicht, wie ich ihr Verhalten deuten soll." Er war bemüht, ein ernstes Gesicht aufzusetzen. "Haben Sie Angst vor mir?" Seine Mundwinkel zuckten bei diesem Satz.

Newt räusperte sich nervös und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Warum benahm er sich so eigenartig? Sicher, Mr. Graves benahm sich auch nicht gerade... wie erwartet, aber wie konnte Newt das denn beurteilen? Er hatte nur den 'falschen' Percival Graves kennengelernt und ihn nicht gut in Erinnerung behalten. Der Mann, der jetzt vor ihm stand, war im Grunde ein Fremder. Ein Fremder, der seine Arbeit mochte und ihm das mitteilen wollte. Ein Fremder, der dafür extra einen falschen Brief an ihn geschickt hatte... war das überhautp erlaubt?
Er sah zu Mr. Graves, der ihn ebenfalls ansah und aus unerklärlichen Gründen, beruhigte Newt sich schlagartig.
Mr. Graves stand einfach nur da, ruhig und gelassen, sah ihn ernst - aber freundlich an und strahlte damit eine Ruhe aus, die sich auf einmal angenehm und gar nicht mehr angsteinflößend anfühlte.
Newt kam sich dumm vor. Er hatte sich in diese Situation so sehr hinein gesteigert, dass es ihm jetzt geradzu peinlich war. Was mochte Mr. Graves jetzt von ihm denken.
Angestrengt brachte Newt ein Lächeln zustande und fand tatsächlich seine Sprache wieder.
"Mr. Graves, ich- ich möchte mich entschuldigen. Für... na ja, für mein eigenartiges Verhalten und für die Unordnung, die ich in Ihem Büro angerichtet habe. "
Wortlos schwenkte Mr. Graves seine Hand und ließ die zerbrochene Tasse, sowie den nassen Fleck auf Newts Hose verschwinden.
Newt war peinlich berührt von dieser Geste, doch er fuhr fort. "Ich würde... gerne wissen, warum ich hier bin. Sie haben bereits erwähnt, dass Sie mich... kennenlernen wollten. Aber... Also... Das hätten wir damit getan. Oder? Also ich meine-"

"Mr. Scamander." Mr. Graves war einen Schritt auf ihn zugekommen, doch diesmal erschreckte es Newt nicht. Sein Blick war warm und einladend. "Bitte nehmen Sie wieder Platz. Legen Sie Ihren Mantel ab und trinken Sie eine Tasse Tee. Ich möchte mich mit Ihnen nur kurz über Ihre Arbeit unterhalten. Ich bin fasziniert davon und sehe es als Privileg, dass Sie heute hier sind."
Ehe Newt etwas sagen konnte, fuhr Mr. Graves fort. "Meine Methoden mögen etwas unkonventionell sein, aber effektiv. Es bleibt doch sicherlich unter uns, dass ich Sie unter Vortäuschung falscher Tatsachen hier her gelockt habe, oder?" Er zwinkerte ihm zu und Newt nickte, wie in Trance.
Er konnte es nicht erklären und schon gar nicht begreifen, aber irgendetwas an dem Mann, war anziehend. Newt fühlte sich seltsam ruhig und all die Panik und Nervosität war verschwunden.

"Darf ich bitten?" Mr. Graves streckte seine Arme aus, aber Newt brauchte einen Moment, ehe er verstanden hatte. Schließlich legte er seinen Mantel ab und reichte ihm Mr. Graves; dieser nahm ihn entgegen und ließ ihn zum Gaderobenständer schweben.
Newt lächelte unsicher. Mr. Graves zwinkerte ihm erneut zu, ehe er wieder um den Schreibtisch herum trat und Platz nahm.
"Ihre Freundin, Miss Goldstein, hat Sie übrigens verraten."
"Wie bitte?" Newt sah ihn fragend an. Mr. Graves bedeute ihn mit einer Handbewegung, dass er sich setzten solle, was er auch augenblicklich tat.
Lächelnd fuhr er fort. "Ohne Miss Goldsteins ausführliche Berichterstattung, wüsste ich überhaupt nicht, dass Sie auf dem Weg nach New York waren."
"Sie ist nicht meine Freundin.", nuschelte Newt und biss sich auf die Zunge. Das war das einzige, was er dazu zu sagen hatte?! >>Du Narr!<<

Mr. Graves lächelte selbstgefällig und lehnte sich zurück. "Am liebsten würde ich alles erfahren. Über ihr Buch. Den gesamten Entstehungsprozess."
"Das würde den zeitlichen Rahmen sprengen, Mr. Graves.", gab Newt schüchtern von sich.
"Dann lassen Sie uns den Rahmen erweitern! Ich lade Sie zum Essen ein!"
Sofort begann Newts Herz schneller zu schlagen und die Nervosität war wieder da.
"Oh nein, Mr. Graves, das kann- kann ich nicht annehmen! Das ist- ist zu... viel."

Einen Moment überlegte Mr. Graves, ob er eine gespielt enttäuschte Miene aufsetzen sollte. Aber er hatte mit dieser Antwort gerechnet. Stattdessen entschied er sich dafür, alles auf eine Karte zu setzen.
"Mr. Scamander... Newt. Ich weiß nicht, ob Sie mich richtig verstanden haben. Haben Sie... Hast du verstanden, warum du heute hier bist?" Es fiel ihm ungmein schwer neutral zu klingen. Am liebsten hätte er Newt verführerisch ins Ohr gehaucht.
Newt war bereits wieder rot angelaufen, doch er bemühte sich ebenfalls, möglichst neutral zu klingen. "Sie haben mein Buch gelesen und finden es... faszinierend-"
"Ich finde dich faszinierend." Es verschlug Newt erneut die Sprache. Ihm war heiß und kalt zugleich. Seine Gedanken und sein Magen schienen sich zu überschlagen. Sein erster Gedanke war es, zu fliehen. Und dennoch hielt ihn irgendetwas an seinem Platz.
"Newt, ich habe geglaubt, dass ich sterben werde." Mit einem Mal war Mr. Graves ganz ernst geworden. "Ich dachte, dass mich niemals jemand finden würde. Dass ich in meinem Verlies sterbe, während Grindelwald die Macht übernimmt. Doch dank deiner Hilfe konnte Grindelwald gefasst und demaskiert werden und ich wurde gerettet! Natürlich war mir das nicht sofort bewusst. Ich musste viel recherchieren, ehe voll und ganz im Bilde war. Ehe ich über die Geschehnisse Bescheid wusste, in die du verstrickt warst. Und als mir dann klar wurde, dass ich dir auf gewisse Weise mein Leben verdanke, war es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass ich dein Buch lese. Zum ersten Mal seit Monaten, hatte ich wieder so etwas wie einen Aufgabe, einen Sinn. Und über dieser Aufgabe bin ich dir ganz und gar verfallen."

Mr. Graves sah Newt in die Augen und ließ seine Worte wirken. Er hatte mehr von sich Preis gegeben, als er es eigentlich beabsichtig hatte, doch es fühlte sich gut an.
Es kostete ihn einige Beherrschung, so ruhig sitzen zu bleiben, während Newt das Gesagte verarbeitete. Am liebsten hätte er sich auf ihn gestürzt und...

"Mr. Graves...", es war nicht mehr als ein Flüstern.
"Ich hoffe, ich habe dich mit meiner Direktheit nicht verschreckt." Hastig schüttelte Newt den Kopf. Auf eine merkwürdige Art und Weise hatten ihn diese Worte direkt ins Herz getroffen und er verstand genau, was Mr. Graves sagen wollte. Es kam ihm zwar eigenartig vor, dass er diese Worte ausgerechnet an ihn - den naiven, langweiligen Newt Scamander richtete! Doch er konnte nicht leugnen, dass er sich auch etwas geschmeichelt fühlte.
Die Wärme, die gerade sein Herz umhüllte, schien auch in tiefere Regionen zu sinken...
"Newt." Mr. Graves suchte seinen Blick und als er ihn eingefangen hatte, ließ er ihn nicht mehr los. Seine Augen nahmen Newt in Besitz und er ließ es gerne mit sich geschehen.
Für ein paar Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, saßen sie sich nur gegenüber und sahen sich an. Doch es war ein so intensiver und zerbrechlicher Moment, dass Newt eine Gänsehaut überkam.

Schließlich erhob sich Mr. Graves, gefolgt von Newts Blicken, und lief wieder um den Schreibtisch herum. Reflexarig sprang Newt ebenfalls auf und stand mit klopfenden Herzen vor Mr. Graves. Den Blickkontakt hatten sie die gesamte Zeit aufrecht erhalten.
Newt war fasziniert von der Eleganz, die von seinem Gegenüber ausging. Mr. Graves wirkte auf ihn einschüchternd selbstbewusst, aber auch beschützerisch. Auf seinem markanten Gesicht bildete sich ein warmes, fast liebevolles Lächeln. Während Newt ihn genau studierte und immer mehr Details entdeckte, die ihm gefielen, betrachtete auch Mr. Graves sein Gegenüber noch einmal genau und trat einen weiteren Schritt auf ihn zu.

Er konnte einfach nicht mehr warten.
"Newt, sag mir was du fühlst. Jetzt in diesem Moment."
Newt war überfordert mit dieser Frage. Am liebsten hätte er wieder auf den Boden gestarrt, doch er war in Mr. Graves braunen Augen gefangen. "Ich-ich weiß es nicht."
"Und was fühlst du jetzt?" Vorsichtig, als wäre er ein rohres Ei, legte er ihm seine Hand auf die Wange.
Zuerst erschrak Newt und zuckte zusammen, doch dann schmiegte er sich in die Berührung.
Mr. Graves sah ihn triumphierend an. Er hatte Newt beinahe dort, wo er ihn haben wollte. Er verspürte ein ersten Zucken in seiner Leistengegend und musste sich wirklich zusammenreißen, nicht zu schnell zu handeln.
Sanft strich er mit seinem Daumen über Newts Wange. Als diese genießerisch die Augen schloss, trat er noch näher an ihn heran. Als sich ihre Obekörper berührten, riss Newt panisch die Augen auf.
Doch sein ängstlicher Blick wurde liebevoll von Mr. Graves aufgefangen.
"Shhhh.", flüsterte er und legte Newt seine andere Hand auf das pochende Herz. "Hab keine Angst. Bitte, hab keine Angst vor mir. Das würde ich nicht ertragen."
Newt schluckte. Mr. Graves Berührungen waren warm und angenehm und dennoch machten sie ihm Angst. Würde er etwa...?
Nervös suchte er nach Worten. "Ich-ich weiß nicht, was..."
"Shhh." Mr. Graves schob seine Hand von Newts Brust langsam nach oben, über seinen Hals, bis zu seiner anderen Wange. Er hielt sein Gesicht in beiden Händen und konnte ihn so noch viel eindringlicher ansehen.
Newts Gefühlswelt überschlug sich. Er fühlte sich wie benebelt und dennoch war er ganz klar in dieser Situation. Er wusste, oder hoffte, was als nächstes passieren würde.
Quälend langsam überbrückte Mr. Graves die wenigen Zentimeter zwischen ihren Gesichtern, bis sich seine Lippen hauchzart auf die von Newt legten.
Ehe er die Berührung wirklich begriffen hatte, war Mr. Graves bereits wieder ein Stück zurück gewichen und sah ihn erwartungsvoll an.

Newt errötete augenblicklich. Sein Herz wollte aus seiner Brust springen und seine Lippen brannten von dem vorsichtigen Kuss.
Er war hin und her gerissen zwischen Angriff und Flucht. Er sah weiter in die braunen Augen, die ihn gefangen hielten und spührte den warmen Atem auf seinen Lippen...

Rückartig streckte er seinen Kopf nach vorn und traf hart auf Mr. Graves Lippen. Dieser stöhnte sichtlich überrascht auf, doch ihm gefiehl Newts Initiative.
Newt presste seine Augen zusammen und legte all seinen Mut in den Kuss, doch erst nach einigen Momenten konnte er entspannen.
Mr. Graves Hände fuhren von seinem Gesicht herunter zu seinem Körper und legten sich auf seine Hüfte. Newt genoss die Berührungen und gleichzeitig machten sie ihm Angst. Zaghaft legter er seine Hände auf Mr.Graves Brust. Dieser lächelte in den Kuss hinein und begann damit, seine Lippen zu bewegen.
Newt war überfordert und gleichzeitig überwältigt von diesem neuen Gefühl.
Unsicher versuchte er, Mr. Graves Bewegungen aufzunehmen und nachzuahmen. Nach einigen Augenblicken intensivierte Mr. Graves den Kuss und es zog Newt fast die Beine weg. Ihre Lippen bewegten sich schneller und leidenschaftlicher aufeinander und beide konnten ein leises Stöhnen nicht unterdrücken.
Newt fühlte sich in Mr. Graves Armen sicher und geborgen und presste sich gedankenlos an ihn heran, sodass dieser die Beule in Newts Hose spüren konnte.
Überrascht und erregt zog Mr. Graves ihn noch fester an sich, ließ seine Hände zu Newts Hintern wandern und stöhnte leise auf.
Newt wäre fast ohnmächtig geworden. Alles um ihn herum drehte sich... aber auf eine gute Art und Weise. Zögerlich schob er seine Hände weiter nach oben und schlang seine Arme um Mr. Graves Hals.

Es klopfte.
Hastig und schwer atmend fuhren beide auseinander. Newt sah panisch zur Tür, dann zu Mr. Graves. Ihm fehlten augenblicklich seine Berührungen und er wurde von einer lähmenden, quälenden Welle aus Kälte erschlagen.

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