3 - Lippenstiftdeckel

Es war der nächste Tag, in der zweiten großen Pause, als Bandit auf mich zukam, während ich Bücher in meinen roten Spind sortierte, die ich über's Wochenende dort ließ.

"Chelsea, ich hab da mal eine Frage!", ihre Hand fand meine Schulter.

Langsam drehte ich mich zu ihr, schüttelte somit die Hand von meiner Schulter und ignorierte all die kuriosen Blicke unserer Mitschüler: "Wie lautet sie?"

Bandit zog ihre Mütze zurecht: "Felix lässt heute eine fette Party steigen! Und-"

"Wer ist Felix?", unterbrach ich ihre Aussage sofort.

"Willst du mich verarschen?", sie riss ungläubig ihre hellen Augen auf, "Du kennst Felix Kjellberg nicht? Er ist der mit Abstand beliebteste Typ auf unserer Schule und geht in unseren verdammten Jahrgang!"

Ich zog meine Augenbrauen zusammen: "Ist mir unbekannt."

Bandit lies ein entsetztes Lachen raus. In diesem Moment, stießen ihre beiden Freunde auf uns zu.

"Was läuft bei euch?", wollte Jack dann wissen.

"Dieses Mädchen kennt Felix nicht!", schrie Bandit empört.

Der grünhaarige Junge legte seine Hand auf seine Brust, so als hätte ich ihn erstochen: "Wie kannst du bloß so eine Gottheit übersehen?"

Ich verdrehte meine Augen: "Stellt euch nicht so an und beschreibt ihn doch einfach, dann-"

Ohne mich ausreden zu lassen, kicherte Jack auf einer seltsamen Weise: "Oh liebend gerne, also er hat blondes, schimmerndes Haar, himmelblaue Augen, ein charmantes Lächeln und-"

"Eine Freundin.", kam es monoton von Mark. Jack warf ihm einen beleidigten Blick zu.

Nach ungefähr drei Sekunden fiel es mir dann ein: "Ach, mit dem habe ich Bio, sogar gleich."

"Geht doch!", lachte Bandit, "Nun zurück zu meiner Frage, würdest du mit uns zur Party gehen?"

"Nein, sowas ist nicht so mein Ding.", antwortete ich selbstsicher.

"Aber Chelsea, die Parties von Felix sind absolut episch! Du kannst nicht einfach absagen!", schmollte Jack.

"Warst du denn jemals auf so einer Feier?", fragte Mark in einem ruhigeren Ton.

"Nein, war ich nicht aber-"

Er schmunzelte: "Dann kannst du ja auch nicht wissen, ob es dein Ding ist oder nicht."

"Hab mal ein bisschen Spaß!", fügte der Andere hinzu.

Diese Aussage brachte mich zum Nachdenken. Das Gefühl von Spaß empfand ich sehr wenig. Vielleicht war es an der Zeit gelangt, mal Spaß zu haben.

"Ich lasse dich auch ganz sicher nicht alleine und falls es dir wirklich nicht gefällt, bringe ich dich auch nach Hause!", versicherte Bandit mir.

"Ach Kinderkake, dir wird's ganz sicher gefallen!", Jack zerquetschte mein Gesicht zwischen seinen rauen Händen, "Wir schminken dich mal ordentlich, ziehen dir hübsche Klamotten von Bandit an! Das wird lustig! Dann wird richtig gesoffen und getanzt!"

"Na gut.", nuschelte ich. Es klang schon relativ interessant, um ehrlich zu sein.

Ich sollte wirklich mal mehr Spaß haben und etwas Neues erleben. Als siebzehnjährige Jugendliche, ist es doch wohl verständlich.

Jack lies mich glücklicherweise los, um lauthals los zu jubeln. Die Klingel übertönte ihn jedoch.

"Cool, wir treffen uns dann nach dem Unterricht, auf dem Parkplatz. Okay?", lächelte mich Bandit an. Sie schien sich über meine Entscheidung zu freuen.

"Okay.", gab ich etwas unsicher zurück und machte mich auf dann Weg zum Bioraum.

Den ganzen Biologieunterricht lang, dachte ich an die kommenden Ereignisse. Erstmal werde ich sehen, wo Bandit wohnt, dann werde ich Opfer eines Make-Overs und abschließend werde ich mit drei Troublemakern meine allererste Highschool-Hausparty erleben.

Ob ich aufgeregt war? Aufgeregt wäre äußerst untertrieben. Das letzte Mal, dass ich solch eine Aufregung empfand war, als mein Bruder auf die Welt kam.

In fünf Minuten hatten wir Schluss. In fünf Minuten würden Änderungen auftreten, gegen die ich nichts einzuwenden hätte.

Mein Blick glitt zu Felix. Er saß ganz vorne, in der ersten Reihe. Um ihn herum saßen seine Freunde. neben ihm seine feste Freundin. Es scheint so, als würde er alles im Leben haben, was man braucht. War er denn glücklich? Felix wirkte, wie ein freundlicher und lustiger Kerl. Die Betonung lag auf "wirkte". Ich hatte noch nie ein Wort mit ihm gewechselt.

War es seltsam, dass ich in nur ein paar Stunden in seinem Haus sein werde, um ohne Grund Party zu machen?

"Na gut! Das war's mit dem Unterricht für heute. Schönes Wochenende euch!", somit beendete die Lehrerin den Unterricht.

Mit einem Mal wurde es lauter und jeder erhob sich. Mein Herz schlug höher, die Nervosität stieg, doch davon lies ich mich nicht einkriegen. Ich stand ebenfalls auf.

Bewaffnet mit meiner Schultasche und weichen Knien, verließ ich das Gebäude und ging auf den Parkplatz zu. Ein ohrenbetäubendes Hupen zog meine Aufmerksamkeit auf sich, inklusive die der anderen Schüler. Leider.

"Steig ein Loser, wir gehen feiern!", zitierte Jack dreist den Film "Mean Girls".

Ich konnte mein Lachen nicht verkneifen und gehorchte.

Mark drückte einige Knöpfe an der Anlage, bevor er gelassen losfuhr. Ein mir sehr wohlbekannte Lied, dröhnte aus den Boxen.

"Oh yeah, ich liebe diesen Song!", rief Bandit sofort.

Sie und der Ire fingen an lauthals mitzusingen, während Mark und ich nur grinsten.

Mir gefiel dieser Moment. Meine Sorgen verschwammen und wurden mir Vorfreude ersetzt. Dieses Gefühlt hatte ich vermisst; Freude. Egal, was im Laufe dieses Tages passieren würde, hierfür werde ich ihnen in jedem Fall dankbar sein.

Nach einigen weiteren Gesangseinheiten, hielten wir schließlich an.

Wir betraten das dreistöckige Gebäude. Die Wände des Treppenhauses besaßen einen widerlichen Gelbton und es roch sehr unangenehm. In der höchsten Etage angekommen, kramte Bandit einen silbernen Schlüssel aus ihrer Lederjacke und öffnete damit die Tür. Am Schlüssel hing ein Pokéball, als baumelnder Anhänger dran. Wie automatisch musste ich grinsen. Meine Gedanken füllten sich mit Cry. Würden die Beiden sich wohl verstehen, wenn wir zusammenkommen würden? Warum spielte ich überhaupt mit so einem teuflischen Gedanken?

Ich schüttelte meinen Kopf und betrat mit den Anderen die Wohnung. Dies war solch ein starker Kontrast zu dem Treppenhaus. Die Wände waren schneeweiß, dazu wurden wunderbare Fotos auf gehangen. Ein benebelter Wald, eine Mauer, welche mit Graffiti bemalt wurde und eine artistische Collage von Gruppenfotos der drei Freunde. Der Geruch von Lavendel hing in der Luft. Der Flur war außerordentlich schmal und die Tür zum Wohnzimmer war gar nicht vorhanden. Wir begaben uns alle dort hin, nachdem wir unsere Taschen auf den Boden warfen. Bandit zog ihre Mütze ab und warf sich auf das Stoffsofa. Mark ging in die Küche, die mit dem Wohnzimmer verbunden war.

Ehe ich mich weiter umsehen konnte, zog Jack meinen Körper in den Raum neben der Küche. In dieser winzigen Wohnung war anscheinend alles mit dem Wohnzimmer verbunden.

"Bist du bereit für deine Verwandlung?", grinste er breit, "Oh und das hier ist Bandit's Schlafzimmer!"

Ich scannte flüchtig den Raum. Diese Wände waren dunkelgrün und die Möbel schwarz. Ein Doppelbett, Schränke, Kommoden.

"Setz dich!", befahl der Ire und hielt mir einen gepolsterten Stuhl hin. Er wird mich schminken? Und mir die Haare machen?

Einwenig nervös setzte ich mich. Jack schob mich vor den professionell aussehenden Schminkspiegel mit eingebauter Beleuchtung.

"Whoa, von wo hat sie den?", staunte ich.

Auf dem davor platzierten Tisch befanden sich alle möglichen Make-up-Utensilien.

"Flohmarkt!", sagte er laut, während seine Hände durch meine braunen Haare glitten, "Dort findet man wahre Schätze!"

Ich konnte nicht anders als mich zu fragen, ob ihre Eltern Bandit halfen. Gab es einen bestimmten Grund warum sie alleine lebte? Dann fiel mir etwas ein.

"Ich sollte meiner Mutter schreiben, dass ich hier bin und so weiter.", hastig zog ich mein Smartphone aus der engen Hosentasche und lies meine Finger tippen: "Hey Mom, ich komme heute wahrscheinlich nicht nach Hause! Ich gehe auf eine Party zu Felix und gerade macht Jack mich bei Bandit fertig. Er, Sie und Mark werden auch dabei sein also bin ich nicht allein, die passen schon auf mich auf. Mach dir nicht all zu viele Sorgen! HDL xoxo"

Dies war ein sehr ungewöhnliches Verhalten meiner Seits, normalerweise erzählte ich ihr alles im Voraus.

Nicht mal eine Minute später, bekam ich eine Antwort: "Warum hast du mir das nicht vorher erzählt? Wer sind diese Personen überhaupt?! Hast du endlich ein paar Freunde gefunden!?"

"Deine Ma wirkt süß.", kam es von meinem Stylisten für den Tag, welcher über meine Schulter gebeugt war.

"Ich bin die Ältere von ihren zwei Kindern und sie sorgt sich noch um Sowas.", schnaubte meine Wenigkeit und verfasste gleichzeitig die nächste Nachricht: "Es war eine spontane Entscheidung werte Mutter und ja, diese Leute sind meine Freunde. Ich habe auch ein Leben!"

Waren sie wirklich meine Freude? Ich dachte, ich mochte sie nicht.

"Ich bin der Jüngste von fünf Kindern und meine Eltern geben einen feuchten Furz auf mich.", sprach Jack mit einem seltsamen Unterton.

Seine Aussage lies mich sprachlos. Ich musterte ihn nur, wie er den Lockenstab ansteckte. Seine Fingernägel wiesen auf ernstes Kauen an, die schwarzen Tunnel waren geschätzte 10 Millimeter breit, Augenringe untermalten seine kindlichen, blauen Augen und seine Lippen hielten stets ein Lächeln.

Ein Vibrieren zog mich aus meinen Gedanken.

"Freut mich, dass du dein Leben mal lebst Schätzchen! Schick mir Bilder und pass bitte auf dich auf! xoxo", bat Mom.

Der Grünhaarige bürstete gerade geduldig meine braunen Haare durch.

Ich tippte auf die Kamera-App: "Sag Käse!"

Das Smartphone befand sich vor meiner Nase und ich sah, wie Jack, ohne zu zögern, seine perlweißen Zähne präsentierte. Mit schnellen Fingerbewegungen schoss ich das Foto und sendete es meiner Mutter.

"Wir sind so attraktiv.", schmunzelte der Junge, "Aye, gib mir mal deine Nummer! Ich will das Bild haben, es muss unbedingt auf Instagram!"

Für die nächsten paar Minuten tauschten wir Nummern, Bilder und Sozialnetzwerke aus. Nun besaß mein Smartphone drei Kontakte mehr; Jacka$$, Markimuuuh und Bandido. Man konnte sich wohl denken, wer wer war. Inzwischen Zeit fühlte ich mich bei Jack wohl.

"Okay, genug davon! Ran an die Chelsea.", mit diesen Worten fing er freudig an meine Haare zu stylen.

"Er sieht süß aus!", schrieb Mom, ich ignorierte es.

Nach einer menge Gesprächsthemen, war meine Frisur vollkommen. Die sonst glatten Haare waren gelockt und auf der linken Schulter platziert.

"Es sieht echt toll aus Jack, danke!", lächelte ich ehrlich. War es nicht der Traum eines jeden Mädchens, einen Partner zu haben, der sie stylen konnte?

"Nichts zu danken! Jetzt will ich aber, dass du deine Augen schließt."

Ich gehorchte wieder ein mal und mein Gesicht wurde mit irgendetwas beschmiert, wie ein Erdbeermarmelade-Brot mit Honig, diese Serie hatte meine Kindheit versüßt.

Auf einmal öffnete sich die Tür und ich lauschte, wie jemand in einen der Schränke rum wühlte.

Dann erklang Bandit's Stimme: "Leprechaun, wie findest du das Outfit?"

"Zehn von Zehn Punkten!", er pinselte gerade etwas auf meine Lieder.

"Alles klar, ich klau mir mal diese Dinge und schon bin ich weg!", die Tür viel wieder ins Schloss.

"Okay, als Finale kommt der Lippenstift!", man hörte regelrecht sein Grinsen, "Ach, du darfst die Augen öffnen."

Hastig tat ich dies und wurde sofort mit dem Spiegelbild konfrontiert.

"Wow...", zu Mehr war mein Wortschatz definitiv nicht in der Lage.

Ich sah aus, wie frisch aus einem Musikvideo. Die Wangen leicht mit Rosa verschleiert, all die Makel waren verschwunden und meine Augen wirkten durch den Eyeliner viel aufgeweckter. Nicht zu viel, nicht zu Wenig.

"Es sieht toll aus!", platzte es aus mir heraus.

"Es sieht nicht toll aus.", Jack legte seine Hand auf meine Schulter und blickte mich durch den Spiegel an, "Du siehst toll aus."

Ich? Ich und toll aussehen? Es war sein Kunstwerk, nicht mein Gesicht.

"Wir sind aber immer noch nicht fertig Süße!", er hielt mir drei verschiedene Lippenstiftdeckel hin, "Welche von diesen Farben spricht dich am Meisten an?"

Meine Augen musterten die Rottöne oder eher gesagt den einen Rotton.

"Die sehen alle gleich aus Jack?", meinte ich skeptisch.

Der Junge erstarrte: "Ist das dein Ernst?"

Verwirrt nickte ich.

"Mark?!", rief der Ire in einer unangemessenen Lautstärke.

Dieser tauchte sofort auf und fragte besorgt, ob alles in Ordnung sei.

"Schau dir diese Deckel an und erkläre Chelsea, dass es drei verschiedene Farben sind!", brummte die Drama Queen.

Mark lies ein langes Seufzten heraus, doch analysierte die Farbtöne trotzdem.

"Baby- Bro, die sind doch alle gleich?", sagte er zögernd.

Mein Kichern konnte sich nicht zurückhalten. Okay, vielleicht mochte ich diese Leute wirklich.

"Ihr seid doch Beide total bekloppt!", schrie Jak entsetzt, "Bandit rette mich!"

Das Mädchen betrat nun auch den Raum. Anscheinend war sie schon fertig, denn sie hatte andere Klamotten an, eine schwarze Shorts, Kniesocken, ein passendes Croptop und zur Krönung ein rotes Flannel, und war auch schon geschminkt. Ihre Beine gefielen mir, sehr sogar.

Bandit pfiff überrascht: "Chelsea du siehst mega aus!"

"Danke.", murmelte ich, während sich jedes Stück verkrüppeltes Selbstbewusstsein in mir verabschiedete, bis auf ein ganz hartnäckiges, "Du aber auch!"

"Wir sind noch nicht fertig!", jaulte Jack auf, wie ein kleines Kind, "Die Idioten sehen den verdammten Unterschied zwischen diesen Shades nicht!"

Mark drückte Bandit die Lippenstiftdeckel in die Hand, welche sie dann gelassen beschrieb: "Dieser Eine ist ein helleres, leicht glitzerndes Feuerrot. Das Andere ein dunkleres, glänzendes Kirschrot und das Letzte ein mattes Blutrot."

Für einen Moment herrschte Stille.

"Verzeih mir bitte, dass ich keinen Lippenstift trage Alter!", Mark hob seine Hände.

Jeder von uns brach in Gelächter aus.

"Ich denke ich verzichte auch auf Lippenstift.", antwortete ich.

"Aber-"

"Leute, Leute, Leute es wird langsam Zeit los zu gehen.", verkündigte Bandit und sah mich dann von oben bis unten an, "Möchtest du vielleicht etwas von mir anziehen? Für die Party?"

Meine Knie zitterten, dieser Mensch machte mich so nervös: "Um klar, wenn es keine Umstände macht."

"Ach, quatsch!", sie öffnete ihren Kleiderschrank und Jack war sofort am buddeln, "Versteh es nicht falsch! Ich habe nichts gegen deine Klamotten, im Gegenteil, denn zu neunundneunzig Prozent wird irgendetwas verschüttet oder sogar anbrennen, also um auf Nummer Sicher zu gehen."

Ich wurde mit Sachen beworfen, welche meine Hände ungeschickt fingen: "Dankeschön, ist echt lieb von dir."

"Kein Problem!", Bandit schenkte mir ein bezauberndes Lächeln, "So Jungs, raus mit uns und wenn du dich fertig umgezogen hast, gehen wir endlich los!"

Die drei Freunde verließen den Raum. Nach einem tiefen Atemzug schaute ich mir die Klamotten in meinen Händen an. Eine sehr zerrissene, schwarze Jeans und ein lockeres weißes T-Shirt mit einem schmelzenden, traurigen Smiley drauf abgebildet. Ich zog das Outfit an und dazu noch meine eigene schwarze Kapuzenjacke. So verlies ich das Zimmer.

Im Wohnzimmer saßen die Anderen, jeweils mit einer Bierflasche in der Hand, auf dem Sofa.

"Bereit?", Bandit stand auf und trank die Flasche mit einem Ruck aus.

Jack sprang auf: "Bereit!"

Zusammen gingen wir zum Parkplatz. Meine Vorfreude vermischte sich schnell mit Angst, was dazu führte, dass in meinem Kopf vollkommenes Chaos herrschte. Jedes grausame Szenario spielte sich, wie eine Powerpoint-Präsentation, in meinem Gehirn ab.

"Geht's dir nicht gut Chelsea?", wollte Mark wissen, während die zwei vor uns lauthals über irgendeine Tussi diskutierten.

Ich sah ihn an. Würde er mich auslachen? Mich sofort als ängstliches Mauerblümchen abstempeln?

"Nein, alles bestens!", gab ich hastig zurück.

Seine braunen Augen spiegelten Ungläubigkeit wieder: "Falls irgendetwas los ist, bitte, sag einem von uns bescheid."

Mein Hals schnürte sich zusammen und ich nickte bloß. Warum war jeder von ihnen so nett zu mir?

Die ganze Fahrt lang, war ich mit meiner ganz persönlichen Powerpoint-Präsentation beschäftigt und als der Wagen anhielt, setzte mein Herz einen schlag aus. Verdammt, jetzt gab es kein Zurück mehr.

"Leute, das wird so geil!", brüllte der Grünhaarige, bevor er mit einem Freudenschrei aus dem Auto hopste.

"Ich kümmere mich um ihn. Ihr Beide kommt wohl zu Recht oder?", der schwarzhaarige Junge verhielt sich offensichtlich am verantwortungsbewusstesten.

"Easy Peasy!", lachte Bandit und beugte sich einwenig zum Fahrersitz, "Crashen wir hier oder bei dir?"

"Kommt drauf an.", Mark überlegte für eine Weile, "Ich denke hier. Erste Etage, dritte Tür von links."

Nachdem dies geklärt war, gingen wir nach draußen.

"Na kommt endlich ihr Lahmärsche!", Jack befand sich vor der großen Tür des Hauses.

Na gut, Haus war eindeutig unterbewertet. Es war eine Villa, wie es sie sonst nur in Hollywood geben würde. Sie war mit Klopapier geschmückt und alles bebte regelrecht, wegen der Musik. Einige Menschen mit roten Jacken von unserer Schule, rauchten und tranken im ästhetischen Vorgarten.

Jack und Mark betraten schon das Gebäude. Bandit nahm abrupt meine Hand und folgte ihnen. Ich versuchte mir nichts dabei zu denken.
Drinnen war es enorm stickig und unbeschreiblich warm. Der Bass, der elektronischen Musik, verstummte meine eigenen Gedanken. Der Farbton des Lichtes war überall anders. Plötzlich hielten wir an, um ein Pärchen zu grüßen. Felix und seine Freundin. Ich klemmte mich an Bandits Hand und lächelte nur, denn Zuhören, geschweige denn Komunizieren, war für mich unmöglich.

Bandit hielt an einem Türrahmen inne, während Jack und Mark in der Menge verschwanden: "Ungeschriebene Regel Nummer Eins; immer die Gastgeber grüßen."

Es gab Regeln? Wie ironisch.

Sie zog mich in den Raum, wo ein ganzer Haufen junger Menschen ihre schwitzigen Körper aneinander rieben und es 'Tanzen' nannten. Hier befanden sich metergroße Boxen, ständig änderndes Licht und anscheinend unser Ziel; die Bar.

"Setz dich Madame!", das Mädchen zog mir einen hohen Barhocker hin und lächelnd lies ich mich auf diesen fallen. Meinen Ellbogen legte ich auf den Tresen.

Mein Blick folgte ihr, wie sie uns ein grünes Getränk in klassische, rote Trinkbecher füllte. Einen davon drückte sie mir in die Hand, an den Anderen klebten ihre Lippen. Ihren Rücken lehnte Bandit links von mir, gegen den Tresen. Reflexartig analysierte ich meine Lage und zeichnete unsichtbare Muster auf den Plastikbecher. Vor mir war eine Glasvitrine in der Alkoholflaschen platziert waren. Einige Plätze von uns entfernt redeten drei offensichtliche Cheerleader miteinander, ich stellte mir vor worüber.

Bandit beugte sich zu mir: "Warum stalkst du die Barbiepuppen so sehr?"

"Ich frage mich bloß, worüber die sich wohl unterhalten.", informierte ich sie, was eindeutig eine Herausforderung war, denn die Sängerin wiederholte gerade ständig das selbe Wort.

"Ohh Becky, könntest du mir bitte zeigen, wie ich mir mit diesen langen, falschen Fingernägeln das Arschloch penetrieren kann ohne, dass sie abbrechen und für immer in meinem Inneren gefangen sind, sowie Rapunzel in diesem verschissenem Turm?", gab Badit mit einer verstellten Stimme zurück.

Mit dieser Antworte hätte ich beim besten Willen nicht gerechten. Mein Lachen entzog mir mein ganzes Oxygen und ich war mir ziemlich sicher, bald in's Gras beißen zu müssen.

"Du bist unmöglich!", lachte ich weiter.

"Was unmöglich ist, ist es sich mit diesen Nägeln selbst zu befriedigen. Ich meine heilige Scheiße, sind die hässlich lang."

Kichernd schlug ich mit meiner Faust gegen ihre Schulter und trank meinen ersten Schluck. Es brannte teuflisch in der Kehle und wärmte liebevoll das Herz.

"Schmeckt's dir?", wollte Bandit wissen.

Ich nickte: "Waldmeister."

"Mit Vodka."

"Daran könnte ich mich sehr wohl gewöhnen.", meinte ich und nippte ein weiteres Mal and dem Getränk.

Wir unterhielten uns weiter über Geschmacksrichtungen und leerten die Becher.

"Wie wär's nun mit Jack und Coke?", Bandit ging auf die Vitrine zu, "Oder besser gesagt einen Lemmy."

"Was hat das jetzt mit Jack zu tun?", fragte ich verwirrt.

"Ich meine doch nicht unsern Jack, du Schwachkopf!", meinte sie sichtlich amüsiert, "Gemeint ist die Mischung von Cola und dem Whiskey Jack Daniel's!"

"Oh, natürlich wusste ich das."

"Natürlich.", sie mischte die Getränke, setzte sich danach neben mich und wir stießen an.

Becher nach Becher wurde mein Kopf schwerer und meine Stimmung höher. Bandit und ich redeten über alles Mögliche. Tauschten lustige Geschichten und unbeliebte Meinungen aus. Meine Hände fanden ziemlich oft ihre Beine oder Arme. Alles lief prächtig, bis jemand uns einen Besuch abstattete.

"G'day Schwesterherz! Lang nicht mehr gesehen, huh?", rief eine männliche Stimme.

Wir drehten uns zu ihm. Er war groß, breitgebaut und trug eine SnapBack über seine hellen Haare. War dies wirklich ihr Bruder? Einige Personen drehten sich zu uns um, inklusive den drei Barbiepuppen.

"Was willst du Stefan?", zischte Bandit gereizt.

Stefan breitete seine Arme nach ihr aus: "Bloß meine kleine Sis begrüßen! Ist das etwa illegal?"

Sie machte keine Anstalt ihn zu umarmen, sondern verschränkte ihre Arme vor der Brust: "Ich bin immer noch älter als du, also tu was ich dir sage und verpiss dich gefälligst!"

Warum schien sie ihn so sehr zu hassen? Ich verstand gar nichts mehr.

"Pass auf wie du mit mir redest, Schlampe!", seine Hände packten sie voller Gewalt an den Schultern.

Meine Glieder erfroren. Wo war Mark? Oder Jack? Felix? Irgendjemand?

"Was willst du denn noch von mir? Glaubst du nicht, du hast mein Leben schon genug belästigt, du Hurensohn?!", knurrte Bandit und ballte ihre Fäuste. Sie hatte gegen ihn doch gar keine Chance!

Der Junge presste das zierliche Mädchen mit einem Hieb gegen den Tresen, nur wenige Zentimeter von mir entfernt: "Wie hast du mich gerade genannt?!"

Ich wollte eingreifen, helfen irgendwie, doch Bandit kam mir zuvor. Sie umschlang eine Hand um seinen Hals, drückte zu und kickte ihn gleichzeitig mit ihrem Knie, dort wo die Sonne niemals hin schien.

Nach seinem schmerzerfüllten Laut, schauten mehre Leute zu uns, aber die Musik stoppte nicht, wie in all den Filmen. Drei Sekunden später ging die Party auch einfach weiter, als wären sie so eine Aktion total gewohnt. Niemand kümmerte sich um Stefan und Bandit zog mich wortlos aus dem Raum. Wir bestiegen die Treppen zur ersten Etage, in den dritten Raum von links.
Darin befand sich ein Sessel, eine Stehlampe, welche den Raum erleuchtete, ein Kleiderschrank mit Spiegeltür und ein Doppelbett. Anscheinend war es ein Gästezimmer. Hier befand sich kein einziger Becher, kein Tropfen Alkohol und die Musik wurde von den Wänden gedämpft.

Ich lies mich ermüdet auf das Bett fallen, da mein Kopf Pirouetten drehte, während Bandit sich selbst im Spiegel ansah. Ihr Blick war leer, deutungslos.

"Das ist ein sehr schönes Haus. Felix hat ein sehr schönes Haus.", kam es leise von meinen Lippen.

Bandit lachte auf, dankbar dafür, dass ich sie nicht mit Fragen bombardierte: "Ich hasse große Häuser."

"Warum?", schmollte ich, zog meine Beine an meinen Oberkörper und kuschelte mit dem weichen Kopfkissen.

"Stefan ist nicht mein Bruder.", wechselte sie das Thema, um den Elefanten im Raum sofort loszuwerden, "Stiefbruder. Seine Mutter und mein Vater sind schon seid langer Zeit zusammen."

Langsam kam sie auf das Bett zu und setzte sich an den Rand, sodass ich sie angucken konnte. Ihr Blick war auf den Boden geschweißt.

"Die Beiden waren und sind immer noch glücklich miteinander, doch Dad wusste schon immer, dass ich diese Fotze und ihren Sohn hasste.", ihre Nägel knibbelten an dem schwarzen Nagellack, "Eines Tages wollten die beiden, plötzlich zusammen ziehen und heiraten, total krank, aber mein Dad hat mir eine Entscheidung gelassen, entweder ich lebe mit ihnen und Stefan oder ich suche mir selbst eine Wohnung und da ich schon volljährig bin, tat ich was für mich am besten war."

Mein Respekt ihr gegenüber wuchs mit jedem ihrer Worte. Ich hatte zwar noch unendlich viele Fragen, hielt meinen Mund jedoch geschlossen.

"Dad hilft mir natürlich, wo er kann und ich liebe ihn, wenn er glücklich mit der Fo- Frau ist, dann bin ich glücklich für ihn, aber du hast gesehen, wie Stefan tickt. Respektloses Schwein, was sich alles erlaubt.", Bandit seufzte.

"Du bist stark.", murmelte ich und unterdrückte mein Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen.

"Danke!", das Mädchen legte sich neben mich und ich wand meinen Körper, damit wir uns ansehen konnten.

"Große Häuser sind kalt, lieblos und leblos.", erklärte sie dann, ihre Stimme klang erschöpft, also sprach ich kein Wort, "Was ist deine Lieblingsfarbe, Chelsea?"

"Rate."

Und sie erriet in dieser Nacht meine Lieblingsfarbe.

Aber nur zwischen mir und dir, ich hatte gar keine Lieblingsfarbe, bis sie rief; ROT! Sie war so aufgeregt und lächelte, wie ein kleines Kind. Also habe ich ihr gesagt, sie würde richtig liegen und seid dem habe ich die Farbe Rot niemals gesehen, wie zuvor. Rot ist nun überall. Ich könnte in Rot leben.

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