A

Ich will frei sein, aber kann ich das?

Ein junges Mädchen machte im regen Menschengewirbel halt.
Dieser schlicht gehaltener Satz, der mit roter Farbe geschrieben wurde, schien sie um einiges stärker anzuziehen, als das sie es zugeben würde. Ihre feuerrot gelockten Haare wirbelten im sanften Wind durch ihr Gesicht und verdeckten stückweise ihre Sicht. Die grünen Augen auf der öffentlichen Wand fokussiert, angestrengt zusammengekniffen.
Die Farbe war frisch- unzählige flüssige Streifen zogen sich durch die Buchstaben nach unten.
Sie verstand es nicht.

Ein kleiner Junge, kaum älter als acht, war vor der blutroten Schrift stehengeblieben. Seine Augen weit geöffnet, um das Schauspiel irgendwie verstehen zu können. Die Farbe war inzwischen getrocknet, er bückte sich vor, um die Schrift zu berühren.
Er konnte es nicht verstehen.

Ein älterer Mann rückte seine runde Brille zurecht- er war nicht stehen geblieben. Er schien es eilig zu haben, mit schnellen Schritten stampfte er durch den Bahnhof.
Lediglich einen Blick hatte er der verschnörkelten Schrift geschenkt, dabei wanderte einer seiner spärlich behaarten, hellen Augenbrauen spöttisch nach oben, seine Augen funkelten verärgert, kopfschüttelnd setzte er sein Eilen fort.
Er wollte nicht verstehen.

Eine Frau, in mitten ihrer Vierzigern, hatte ihren Gang verlangsamt, sie runzelte die Stirn, einzelne Fältchen waren darauf zu sehen. Ihre Frisur sah aufwendig aus, feine Wellen, die anschliessend mit einer komplizierten Technik heraufgesteckt wurden. Ein knalliges rot haftete auf ihren vollen Lippen. Sie wirkte grübelnd.
Sie dachte, sie hatte verstanden.

Es gab auch nichts zu verstehen.
Adam hatte das geschrieben, doch er wusste, dass es niemand gleich verstehen würde.

Denn jeder hatte ein anderes Leben, andere Situationen, bei denen man diesen Satz völlig anders gebrauchen könnte.

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