Oscar

Es war weit nach Mitternacht, als wir Jungen, mit Ausnahme von Jonas, der lieber schlief, als ein krasses Abenteuer zu erleben, so leise es ging, bei den Mädchen an die Zimmertür klopften. Hoffentlich befanden sich die Lehrer bereits in ihren Betten und schliefen, damit sie das Klopfen nicht hörten.

Uns wurde die Tür geöffnet, aber nicht von einem der Mädchen, sondern von –

„Daxter!", flüsterte Gustav überrascht, als er den Rüden hechelnd an der Tür stehen sah. Ich musste schmunzeln. Marleen hatte ihm das beigebracht, sie befand dies als nützlich. Besonders, als sie mit ihren Eltern nach Kiel gezogen war, hatte der Hund ihnen beim Türen öffnen geholfen.

Marleen und Elia traten an die Tür und schoben diese leise weiter auf.

„Also, was ist der Plan?", fragte Elia und fuhr sich durch ihre braunen, langen Locken, rückte ihre Brille zurecht und blickte in die Runde.

„Wo ist Aylin?", fragte Tamino stirnrunzelnd, bemerkend, dass das dritte Mädchen im Bunde fehlte. Ich versuchte, einen Blick ins Zimmer der Mädchen zu werfen, doch Marleen schloss bereits leise die Zimmertür und bedeutete ihrem Hund, leise zu sein, in dem sie den Zeigefinger auf die Lippen legte.

„Aylin ist bereits im Land der Träume. Wir haben versucht, sie zu wecken, aber die schläft echt viel zu tief", erklärte Elia leise.

„Gut, dann erforschen wir eben ohne Aylin dieses geheimnisvolle Zimmer unter der Treppe", sagte Gustav, während wir uns auf die Treppe zu schlichen, darauf bedacht, keinen Mucks zu machen. Zum Glück war dieses Hotel so alt, dass es im Flur kein Bewegungsmelder gab, der dann automatisch das Licht anschaltete. Marleen und Gustav hatten Taschenlampen dabei, mit denen sie uns den Weg leuchteten, und ich benutzte die Taschenlampe meines Smartphones.

Plötzlich stolperte Tamino und fiel beinahe auf den roten Teppich, der sich hier im ganzen Hotel ausstreckte, doch im letzten Moment konnte er sich fangen.

„Pass doch auf", zischte Gustav, der die Gruppe anführte. „Oder willst du Ärger von der Jansen?"

„Entschuldige", murmelte Tamino, während er sich wieder aufrichtete und sich vorsichtig an die Wand lehnte. Wir waren alle angespannt, obwohl wir uns in einem eigentlich harmlosen Hotel aufhielten. Aber dieses Gefühl, dass etwas nicht stimmte, lag wie eine unsichtbare Decke über uns.

„Da vorne ist die Treppe", flüsterte Marleen und hielt ihre Taschenlampe direkt auf die Stufen. Die schummrige Beleuchtung machte alles nur noch geheimnisvoller, während wir vorsichtig hinuntergingen.

Unten angekommen, standen wir vor der unscheinbaren Tür, die wir bereits am Nachmittag bemerkt hatten. Sie sah alt aus, fast so, als sei sie seit Jahren nicht mehr benutzt worden. Aber jetzt, mitten in der Nacht, schien sie uns wie das Tor zu einem längst vergessenen Geheimnis anzulächeln. Außerdem war am Nachmittag diese mysteriöse Gestalt dahinter verschwunden.

„Also gut", sagte Gustav entschlossen, „wer macht auf?"

„Ich werde es tun!" Marleen trat vor und griff nach der Türklinke. Für einen Moment hielt sie inne und sah uns an, als wollte sie sicherstellen, dass wir wirklich bereit für das waren, was uns erwarten könnte. Dann drückte sie die Klinke vorsichtig herunter. Zu unserer Überraschung öffnete sich die Tür lautlos. Sie war nicht einmal abgeschlossen! Ich hatte mich schon darauf eingestellt, dass Tamino sein Dietrichset brauchte. Warum Tamino überhaupt eines hatte? Spätestens, als sein Cousin ihn einmal in seinem Zimmer eingesperrt und den Schlüssel geklaut hatte, wusste er, dass so ein Dietrichset doch ganz praktisch war. Er hatte es sich aus Spaß im Internet bestellt.

Hinter der Tür war es stockdunkel. Marleen leuchtete mit ihrer Taschenlampe hinein, und wir folgten ihr dicht hinterher. Der Raum war klein, aber nicht ganz so beengt, wie wir erwartet hatten. Überall standen alte Regale voller verstaubter Kartons, und in einer Ecke lagen zusammengefaltete Bettlaken und alte Putzutensilien.

„Nur eine Abstellkammer", stellte Elia flüsternd fest, ein Hauch von Enttäuschung in ihrer Stimme. Auch ich war enttäuscht. Zwar musste ich zugeben, dass ich insgeheim schon auf eine Abstellkammer getippt hatte, doch hatte ich auch ein kleines bisschen gehofft, dass sich etwas Spannendes hinter dieser Tür befinden würde, etwas, das die Klassenfahrt hier in Amsterdam noch spannender machen würde. Wir alle hier liebten es, Abenteuer zu erleben, sahen im Fernsehen immer Krimis an und als kleine Kinder hatten wir immer selbst Kriminalfälle inszeniert und versucht, zu lösen.

Plötzlich machte Daxter auf sich aufmerksam. Der Hund lief auf eine der holzverkleideten Wände zu und kratzte mit der Pfote daran. Er setzte sich demonstrativ davor, als würde er sagen: „Schaut! Hier ist etwas."

„Daxter hat etwas gefunden", murmelte Gustav und klopfte nun selbst gegen die Wand. Ein hohles Geräusch hallte durch den Raum. „Das ist keine normale Wand. Hier ist definitiv etwas dahinter."

Marleen trat vor und drückte gegen die Wand. Plötzlich gab sie nach – und eine schmale Öffnung erschien. Dahinter befand sich ein dunkler Gang, der sich in die Tiefe des Gebäudes zog. Wir sahen uns an, die Mischung aus Furcht und Aufregung in unseren Gesichtern klar erkennbar. Hier war also doch etwas Aufregendes. Mein Herz schlug schneller, als ich mit meinem Handy in den Gang leuchtete. Ich erkannte Treppen, doch nicht, wo sie endeten. Die Treppen waren feucht, und es kam ein kalter Luftzug von unten.

„Das kann nicht wahr sein", flüsterte Elia ungläubig. „Wohin führt dieser Gang?"

„Vermutlich in einen Keller. Dorthin muss auch die Person von heute Nachmittag hin verschwunden sein. Wir sollten uns da unten umsehen", meinte Gustav mit einem entschlossenen Blick.

„Ich weiß nicht", murmelte Tamino, der nun doch etwas unsicher wirkte. „Vielleicht sollten wir doch besser umdrehen. Wir sind doch keine Detektive. Ich glaube, ihr habt wirklich zu oft Sherlock Holmes gesehen. Wäre es nicht besser, wieder in die Zimmer zurückzukehren?"

Dass Tamino als erstes von uns Zweifel hatte, war sehr überraschend, denn eigentlich war der Angsthase eher Jonas, der jetzt vermutlich schlummerte und gar nicht mitbekam, was für eine spannende Sache wir hier entdeckt hatten.

„Nein", sagte Marleen entschieden. „Wir sind schon so weit gekommen. Wir können nicht einfach aufgeben. Außerdem werden wir in den nächsten Tagen nur in Museen gehen. Das hier ist spannend, und vielleicht lüften wir ja ein uraltes Geheimnis. Das wäre doch total cool, wenn wir unseren Eltern davon berichten."

Schließlich nickten alle zustimmend und schoben sich nacheinander durch die enge Öffnung in den dunklen Gang. Er war feucht und kalt, und die Wände schienen uns zu erdrücken, je weiter wir hineingingen. Unsere Schritte hallten unheimlich wider, während wir uns durch den Tunnel bewegten, der uns tiefer und tiefer in die Tiefe führte.

„Wie weit geht dieser Gang wohl?", fragte Elia nervös. „Ich habe das Gefühl, wir laufen schon ewig."

„Da vorne ist was", flüsterte Marleen plötzlich und deutete auf ein kleines Licht, das in der Ferne schwach aufschimmerte. Unsere Herzen begannen schneller zu schlagen, als wir uns dem Licht näherten.

Daxter hetzte aufgeregt die Treppen hinunter und sauste dem Licht entgegen. Vor allen anderen bekam der Hund zu sehen, was sich da unten befand.

„Nach meinen Berechnungen müssten wir jetzt einige Meter unter dem Kanal liegen, weswegen es hier vermutlich auch so feucht ist. Ich nehme an, dieser Raum dort unten diente früher als Vorratskammer, da es da unten durch das Wasser über uns immer schön kalt ist", teilte Gustav mit.

Schließlich öffnete sich der Gang zu einem großen Raum, der schwach von einer einzelnen Glühbirne an der Decke beleuchtet wurde.

In der Mitte des Raumes stand ... ein alter Schreibtisch. Darauf lagen Bücher, Papiere und seltsame Apparaturen, die wie aus einem anderen Jahrhundert stammten. An den Wänden hingen alte Fotos und Zeitungsausschnitte, die den Raum noch unheimlicher machten. Es wirkte fast wie ein Büro eines Detektivs, doch jetzt wurde es als Wohnraum genutzt. Denn in der Ecke fand ich ein altes Bett mit einer dünnen Decke.

„Was zur Hölle ist das hier?", fragte Elia, während sie sich vorsichtig umsah.

Gustav trat näher an den Schreibtisch und hob eines der Bücher hoch. „Das hier ... das sind Tagebücher."

„Wessen Tagebücher?", fragte Tamino, der nun doch neugierig geworden war.

Gustav klappte eines der Bücher auf und ich trat neugierig näher. Die Schrift war vergilbt und kaum noch lesbar, doch ich konnte einen Namen entziffern. Alfred van Berg.

„Anscheinend gehören die Tagebücher einem Alfred van Berg. Doch viel mehr kann ich nicht lesen", teilte ich den anderen mit, die sich weiter in diesem seltsamen Raum umsahen.

„Scheint so, als würde hier unten jemand leben." Marleen hatte ebenfalls das Bett entdeckt. „Aber warum nimmt er sich nicht einfach ein Zimmer? Ich meine, über uns befindet sich ein Hotel."

„Vielleicht hat er kein Geld für ein Zimmer. Die alte Dame weiß vermutlich von diesem Keller und hat ihm erlaubt, hier zu nächtigen", überlegte Tamino.

Gustav mischte sich ein. „Wir befinden uns übrigens nicht mehr unter dem Hotel, sondern vermutlich unter einem anderen Gebäude. Der Gang, der uns hier hergeführt hat, sah danach aus, dass er einige Jahre nach der Entstehung dieses Kellers errichtet wurde. Ich vermute, dass man früher von einem anderen Haus aus hier herunterkam."

„Aber nehmen wir mal an, dieser Mann wohnt hier unten. Warum ist der denn jetzt nicht hier? Mitten in der Nacht? Wo ist er?", fragte Elia.

In diesem Moment vernahmen wir Schritte auf der Treppe! Wir hielten alle den Atem an. Die Schritte kamen immer näher. War das etwa der Mann von heute Nachmittag? Verdammt, wir saßen in der Falle!

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