3. Kapitel - Aidos

Eine Weile lang folgte ich Eros. Dann wurde mir bewusst, dass ich gar nicht wusste, wohin er mich führte. »Wo bringst du mich hin?«, fragte ich unsicher. Daraufhin blieb er stehen und drehte sich zu mir um. »Na zu mir nach Hause. Wohin denn sonst?«, antwortete er wie selbstverständlich. Meine Augen jedoch weiteten sich bei seinen Worten. »Du hast ein Zuhause?«

»Du etwa nicht? Wo bleibst du denn dann, wenn du mal keinen Auftrag hast?« Ich dachte sorgfältig über seine Worte nach, bevor ich ihm antwortete. »Ich habe immer einen Auftrag zu erledigen.« Überraschung spiegelte sich nun in seinem Gesicht, statt in meinem. »Möchtest du damit sagen, dass du noch nie eine Pause hattest?« Ich schüttelte lediglich den Kopf. »Verdammt! Dann musst du Zeus ja wirklich verärgert haben.«

Ich zuckte bei seinem Fluchen zusammen. Konnte er nicht einmal aufhören, diese Art von Worten zu benutzen? »Ich bin mir keiner Schuld bewusst, aber vielleicht hast du diesbezüglich recht.« Eros seufzte genervt auf und ging anschließend schweigend weiter. Doch immer wieder drehte er sich um und schüttelte den Kopf. Seine Missbilligung war nicht zu übersehen.

Vor einem kleinen Häuschen blieb er stehen. Es sah sehr schlicht und auch gepflegt aus. Ganz anders als das Land drumherum, das verwuchert und zeitgleich völlig ausgetrocknet aussah. Eros öffnete die Tür und trat ein und ich folgte ihm. Wieder war alles schlicht, doch gleichzeitig schien auch alles seinen Platz zu haben. Nur ich nicht. So wie immer.

»Setz dich«, forderte mich der Flügelgott plötzlich auf, während er sich auf einen Stuhl am Tisch setzte. Es war nur noch ein weiterer Platz frei und dieser war meiner Meinung nach viel zu nahe am anderen. Trotzdem setzte ich mich. »Warum hast du das Urteil einfach so hingenommen? Du hast dagestanden und nichts getan.« Dieses Mal schüttelte ich den Kopf. »In diesem Zustand kann man mit Zeus einfach nicht reden.«

»Das mag schon sein, aber du solltest ja auch gar nicht mit ihm sprechen. Was ich einfach nicht begreife ist, warum du nicht gefragt hast.« Verwirrt musterte ich den Gott vor mir. »Das kann nicht dein Ernst sein! Kein Urteil ohne Begründung! Das weiß doch jeder! Du hättest ihn nach dem Warum fragen müssen! Warum hast du das nicht?« Eros war so laut geworden, wie ich ihn noch nie erlebt hatte.

»Sein Urteil war zu furchtbar, als dass ich noch klar denken konnte.« Der Gott der Liebe erhob sich so schnell von seinem Stuhl, dass dieser mit der Lehne voran und einem Scheppern zu Boden fiel. »Kein Urteil ohne Begründung! Es hätte nicht so weit kommen müssen, hättest du nur nach dem Warum gefragt und es nicht einfach so stillschweigend hingenommen.«

»Insgeheim seid ihr doch alle froh darüber, dass ich so gehorsam war. Ihr wolltet mich schon so lange stürzen. Glaubst du, ich wusste nichts davon? Ich bin sicher, es wird dir ein wahres Vergnügen sein, meinen Willen zu brechen und mich zur Unterwerfung zu zwingen. Mir endlich heimzuzahlen, dass ich versucht habe, dich zur Vernunft zu bringen.«

»Und du bist die Göttin des Respekts? Wirklich? Ich finde nicht, dass du mir gegenüber gerade sehr respektvoll warst. Ebenso in der Vergangenheit. Du tolerierst nicht, was ich tue, und möchtest mich verändern. Und jetzt wirfst du mir ernsthaft vor, dass ich es genießen werde, dich zu ändern? Icḥ muss mich diesem Urteil doch nur beugen, weil du nicht nach der Begründung gefragt hast!«

»Ich wollte nicht respektlos sein. Es war nur so das der Götterfunk... ich wusste, dass es passieren würde. Und dieses Urteil... Du kannst dir nicht vorstellen, was das für mich bedeutet.« Eros stellte den Stuhl wieder an seinen Platz und setzte sich erneut darauf. »Und dennoch kann ich rein gar nichts dafür, Aidos.« Ich nickte, denn er hatte recht. Nur ich war schuld daran.

»Du glaubst also wirklich, dass er mich hätte davonkommen lassen, hätte ich nach dem Warum gefragt?« Eros fing an zu lachen. »Nein, das sicher nicht. Er hätte sich irgendeinen Schwachsinn ausgedacht. Das tut er doch immer! Und natürlich hätte er mich auch wieder mit in die Scheiße reingezogen. Sein Kopf war doch gespalten! Wieso muss sein dummes Gedächtnis dann noch so beschissen gut funktionieren?«

»Was meinst du damit? Hast du ihn etwa auch verärgert?« Niemand sprach über Eros und seine mögliche Vergehen gegenüber Zeus. Das hätte mir jemand gesagt. Ich wurde neugierig. »Ich werde dir mein Geheimnis verraten, wenn du mir deins verrätst«, sagte er ernst. Wir waren an diesem Punkt schon so oft in der Vergangenheit angelangt und ich war es leid. »Behalte dein Geheimnis ruhig für dich, Eros. So wichtig ist es dann doch wieder nicht.«

Beinahe konnte ich Enttäuschung in seinem Blick sehen. Doch Eros war nicht nur der gute Liebesgott und ich würde mich sicher nicht von ihm blenden lassen. »Ist dir eigentlich klar wie das ab jetzt für uns beide laufen wird?«, fragte er mich. Als hätte ich in eine sauere Zitrone gebissen, verzog ich mein Gesicht.

»Hier gibt es kein uns, Eros«, widersprach ich ihm scharf. Nicht eine Sekunde lang sollte er denken, er hätte gewonnen. So leicht würde ich es ihm und den Göttern nicht machen. Genervt rollte Eros mit seinen Augen. »Du kostest mich wirklich all meine Selbstbeherrschung, Aidos. Erst nicht den Mund vor Zeus aufbekommen können, aber mir dann so etwas gegen den Kopf knallen könne. Ehrlich?«

»Hast du gar keine angst vor mir?«, fuhr er fort. Sein Gesicht war meinem so nahe gekommen, dass ich anfing mich unruhig auf dem Stuhl zu winden. »Kleines, scheues Rehlein, du hast mich zu deinem Jäger gemacht. Du solltest auf jeden Fall angst haben.« Mein Herzschlag beschleunigte sich bei seinen Worten und seiner Nähe. Eros konnte sehr eigen sein und mir gefiel gar nicht, dass ich nun Teil davon würde.

»Also dann fangen wir mal an, Aidos. Deine erste Aufgabe steht! Such dir einen Schlafplatz aus. Es sei denn, du möchtest das Lager mit mir teilen.« Die Antwort darauf war einfach. Es wäre nicht anständig und ich war viel zu schüchtern dafür. »Der Boden wird mir genügen. Ich habe gesehen, dass die Wiese vor deinem Haus ganz vertrocknet ist. Daraus werde ich mir eine Matte flechten, wenn es dir recht ist.«

»Wenn es mir recht ist!?«, antwortete er irritiert. »Es ist dein Haus und dein Grundstück. Ich werde selbstverständlich respektvoll mit deinem Eigentum umgehen.« Eros' Kiefer knirschte, als wäre es eine Getreidemühle. »Jetzt hör aber auf. Es ist nur blödes, vertrocknetes Unkraut! Aber du schläfst ernsthaft lieber darauf und auf dem harten Boden, anstatt in meinem bequemen Schlaflager zusammen mit mir?«

Ich nickte zustimmend, da ich es gewöhnlich gewohnt war, auf dem schmutzigen Boden in der Nähe einer Wasserquelle zu schlafen, um mich tagsüber säubern zu können. Außerdem konnte ich nie besonders lange schlafen, da es so viele Menschen gab, die meiner Hilfe bedurften, wie in diesem Moment. Dennoch blendete ich ihre Rufe aus und ließ sie erst einmal warten.

1143 Wörter

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Hallo liebe Leser,

da scheinen wohl noch ein paar Fragen offen zu sein.

Wieso wurde Aidos verurteilt? Nur weil ihre Kräfte eine Schande sind?
Was meinte Eros damit, dass Zeus ihn wieder mit reinziehen würde?
Und was ist eigentlich zwischen Aidos und Eros vorgefallen?

Das alles werde ich euch im Laufe der Geschichte verraten. Habt einen schönen Tag.

Eure Patty ❤️

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