2. Kapitel - Aidos

Fragen schossen mir durch den Kopf. Warum musste ich mich unterwerfen? Ich, die Göttin der Demut? Hatte ich das nicht schon immer getan? Was hatte ich getan, um alle gegen mich aufzubringen? Warum traf mich der Zorn des Zeus? Und warum nur Eros?

Ich konnte nicht glauben, was er von mir verlangte. Er war der Einzige, der wusste, wie ich erschaffen wurde. Er war der Einzige, der fast wie ein Vater für mich war. Und zusammen mit Athene war er so etwas wie eine Familie für mich. Meine Eltern kannte ich nicht. Es gab nur mich. Und dass ich immer noch ein nur ich war, traf mich schwer.

»Göttin der Schande! Hast du dein Urteil verstanden?« Ja, ich hatte es verstanden. Nur warum in Namen der Götter passierte das? Hatte ich nicht alles getan, was ich konnte? »Ja«, antwortete ich mit noch zarterer Stimme als sonst. Mit ihm zu diskutieren oder zu verhandeln war keine Option.

Die Strafe würde nur noch schlimmer ausfallen und ich fürchtete mein Schicksal schon jetzt. »Deine Kräfte sind eine Schande für uns und du bist es auch. Immerhin wagst du es nicht, mich und meine Entscheidung in Frage zu stellen« War das also, was ich für alle war? Und auch meine Kräfte? Die Blicke der Götter waren kaum zu ertragen.

Enttäuschung blickte von allen Seiten auf mich hinab. Einzig die unvollständige Steinstatue von Athene tat dies nicht. Doch immerhin hatte diese auch noch kein Gesicht. Zu Eros konnte und wollte ich nicht ansehen. So wie ich ihn kannte, würde er schelmisch lächeln. Die anderen Götter hatten zumindest den Anstand noch damit zu warten, solange ich anwesend war.

»Dann haben wir die Konflikte zwischen Eros und dir nun auch endlich geregelt. Das war doch mal eine produktive Sitzung«, sagte der Göttervater voller Überzeugung. Während ich dastand und mich nicht länger zu ihnen zugehörig fühlte. Es war ein furchtbares Gefühl.

Das war doch mein Zuhause. Wieso fühlte es sich dann überhaupt nicht mehr so an? Ich wurde nicht verstoßen und dich war es als ob. Die Sonne erhellte den Olymp, da Zeus sich wieder beruhigt hatte. Nur fühlte ich keine Wärme der Strahlen auf meiner Haut. Mir war kalt. So unendlich kalt.

Es war mir ein so vertrautes Gefühl aus vergangenen Zeiten. Von denen ich dachte, dass sie längst überwunden waren. Doch dem war nicht so. Egal wie viel Gutes ich tat. Egal wie viele Aufgaben ich abschloss. Es reichte einfach nicht. Ich war nicht genug. Deine Kräfte sind eine Schande für uns und du bist es auch. Die Worte von Zeus liefen in meinem Kopf in einer Endlosschleife.

»Aidos! Verabschiede dich!«, wandte sich Eros an mich. Er stand neben mir, doch hatte ich ihn gar nicht bemerkt. Es war seltsam, wie dieses eine Wort so warm inmitten all dieser Kälte sein konnte. Doch zum ersten Mal an diesem Tag hörte ich meinen Namen. Und an das letzte Mal, als ihn jemand ausgesprochen hatte, außer Athene, Nemesis oder den Moiren, konnte ich mich nicht erinnern.

Mehr als ein Nicken brachte ich nicht zustande. Meine Starre blieb bestehen und hielt mich so fest zusammen wie die Ketten in meiner Vergangenheit. Als ich zu Zeus zurückschaute, lächelte er zufrieden. Wahrscheinlich, weil ich brav genickt hatte, nicht widersprochen hatte, mich unterworfen hatte. Bei dieser Feststellung erschütterte mein Körper zutiefst.

»Ihr dürft gehen«, befahl Zeus eher befehlend als erlaubend. Ich konnte kaum meinen Beinen trauen, die so fest am Boden verankert waren wie die Säulen des Olymps. Nur die Hand von Eros erlaubte mir, meinen verschleierten Blick zu lüften, meinen Körper zu bewegen und einen Schritt zu machen. Einen erschrockenen Schritt, der mich von Eros entfernte.

Das dröhnende Lachen der Götter war lauter und furchterregender als das Donnern von Zeus' schlimmstem Sturm. Nie hätte ich gedacht, dass es so möglich ist. Eros bewegte sich und ich folgte ihm mit gesenktem Kopf. Mein weißes Kleid fühlte sich an, als wäre es durchsichtig und ließ mich statt bedeckt vollkommen enthüllt fühlen.

Meine Arme umschlangen meinen Oberkörper und gaben mir Halt, während wir den Berg hinabgingen. Und auch wenn Eros etwas gesagt hatte, drang es nicht zu mir durch. Ich bewegte mich wie eine Marionette und folgte Eros stumm. Immer wieder stolperte ich. Immer wieder spürte ich daraufhin den Schmerz, als ich zu Boden fiel. Doch er war nichts im Vergleich zu dem, was gerade im Sitz des Olymps passiert war.

Als ich das nächste Mal fiel, blieb ich dort, wo ich war. Es schien unendlich lange zu dauern. Und doch war es nicht lang genug, als Eros' Füße in mein Blickfeld gerieten. Sie waren in braune Ledersandalen gehüllt. Es war absurd in solch einer Situation und dennoch musste ich daran denken, dass ich diese niemals tragen würde. Jeden Tag würde mir so schmerzlich bewusst sein, wie qualvoll das Dasein war.

Wieder tauchte Eros' Hand in meinem Sichtfeld auf. Ich schüttelte den Kopf und richtete mich auf. Ich klopfte mein Kleid wie zuvor bereits mehrmals vom Schmutz ab. Doch fühlte ich mich kein bisschen sauberer. Als ich Eros' Augen erblickte, konnte ich nicht erkennen, was in ihm vorging. Doch zum ersten Mal nahm ich den Gott vor mir wahr und nicht nur seine Flügel.

Grüne Augen wie das Moos im Wald schauten mich an. Kurzes braunes Haar schmückte seinen Kopf, das weder ordentlich noch unordentlich frisiert war. Dazu eine kleine, aber zu seinem Gesicht passende Nase und die dazu gehörigen Ohren. Volle und geschwungene Lippen, die lebendig und gesund aussahen, rundeten das Gesamtbild ab.

Sein nackter Oberkörper war gebräunt und schien von der Sonne geküsst. Lediglich um seine Hüften trug er ein rechteckiges Stück Stoff, das mit einer goldenen Pfeil- und Bogenklammer zusammengehalten wurde. Es war ein auffälliger und sehr schöner Akzent auf dem schlichten weißen Leinenstoff.

»Ich wollte nur helfen«, beendete Eros das Schweigen. »Davon habe ich nichts gesehen, als Zeus mich verurteilt hat«, antwortete ich ihm im Gegenzug. Er zog seine Hand zurück und nickte. Während wir die nächsten Schritte den Berg hinab machten, schüttelte er seinen Kopf und nickte dann wieder. »Er hat mich damit genauso bestraft.« Ja, mit diesem Gott an meiner Seite fürchtete ich mein Schicksal sehr. Denn seine Worte waren voller Verachtung und sendeten einen Schauer durch meinen Körper.

1029 Wörter

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Hallo ihr Lieben,

was haltet ihr bislang von Eros? Ist er so, wie ihr ihn euch vorgestellt habt? Ich habe über ihn ja noch nicht allzu viel verraten.

Hättet ihr an Aidos Stelle genauso oder anders reagiert?

Liebe Grüße, Patty ❤️

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