11. Kapitel - Eros

Ich führte Aidos in mein Haus, wo wir schweigsam verharrten. Die Göttinnen hatten sich uns nicht angeschlossen, da Aidos' Geist weiterhin abwesend blieb. Es wunderte mich nicht nach den Geschehnissen. Ich geleitete sie zu meinem Schlafplatz, bettete sie sanft und deckte sie zu. Erschöpft versank sie umgehend in den Schlaf. Doch nur einen Augenblick später überkamen sie bereits ihre von Ängsten geprägten Träume.

Ich hatte mich zu ihr gesetzt, gewiss, dass sie meine Anwesenheit nicht bemerken würde. Denn sie hätte meine Nähe nicht gewollt. Ich vermochte weder zu schlafen noch mich auf meine Pflichten zu konzentrieren. Dies hier schien mir jedoch die passendste Aufgabe zu sein. Noch immer konnte ich nicht fassen, was Zeus gestanden hatte, geschweige denn die Grausamkeit, mit der er dies vorgetragen hatte.

Hätte ich seinen Zorn auf mich lenken können, so hätte ich es ohne Zögern getan. Aidos' Herz war schwer verwundet, sodass ich nicht wusste, ob ich es je heilen konnte. Ich bemühte mich den ganzen Abend, doch alles blieb vergeblich. Als Aidos sich schlafend zu mir drehte, streifte ihre Hand auf dem Boden meine. Wie immer erschrak ich. Berühren sollten mir eigentlich vertraut sein. Schließlich war ich der Gott der Liebe. Dennoch widerten sie mich an und verursachten in mir unentwegten Schmerz. Nur bei ihr war keins von beiden der Fall. Warum?

Während ich die Nähe zu Aidos so sehr schätzte, empfand sie mir gegenüber Abscheu. Wie ich sonst auch bei anderen. Welch grausames Spiel hatte Zeus ersonnen? Ich schlug mir immer wieder den Hinterkopf an die Wand, an der ich saß. Um Aidos zu beschützen, musste ich lernen, Schmerz zu empfinden, wenn ich sie berührte. Denn bei den Göttern, ich konnte ihr Leid nicht ertragen. Und ich war mir sicher, dass ich ihr schon bald erneut körperlich weh tun würde.

Warme, goldene Flüssigkeit rann bereits meinen Hals und Rücken hinunter, aber ich setzte meinen Akt unbeirrt fort. Schließlich würde es wieder verheilen. Und vielleicht wäre Aidos so wirklich sicher vor mir. Sie erwachte unerwartet. Ihr Entsetzen und ihre Aufregung ließen mich innehalten. Ihre Augen trafen die meinen, und sie riss ihre Hand aus meiner, als hätte ich sie verbrannt. Während sie mein goldenes Blut erblickte.

»Du könntest mich töten und das Urteil gegen dich wäre aufgehoben. Du wärst frei«, sagte ich, weil es mir im Olypm klar geworden war und ich es nicht länger zurückhalten konnte. »Zeus will mich loswerden. Du würdest ihm einen Gefallen tun. Und dir selbst auch. Du bist nicht sicher in meiner Nähe. Es ist die perfekte Idee. Du würdest dann auch meine Fähigkeiten und Pflichten übernehmen. Er würde dich mehr denn je benötigen.«

»Dich töten? Das könnte ich nie, das weißt du doch, Eros.« Ich nickte, denn sie würde niemals jemandem absichtlich Schaden zufügen. »Was hast du getan, dass er so wütend ist, Eros?« Ich stand auf, weil mir die Nähe von Aidos einfach sehr gefiel. »Er hatte gefordert, die Verbindung zu Hera zu trennen, und ich habe gehorcht. Aber Zeus ist eben Zeus. Er hat seine Meinung geändert. Zur Strafe wurde mir neben meiner bisherigen Aufgabe der Liebe auch noch die Begierde und die Lust aufgegeben.«

»Aber er hat sich gewünscht, die Verbindung zu trennen«, sagte Aidos verwirrt. »Zeus musste Hera etwas geben, Aidos. Vor allem nach der Geburt von Athene. Aber es gibt noch mehr...«, ich zögerte. »Meine Fähigkeiten werden nie etwas sein, das ich selbst erleben werde. Berührungen haben bei mir den gegenteiligen Effekt. Sobald ich mein Herz an jemanden verliere, wird dasselbe mit der Göttin passieren, die ich liebe oder begehre. Zeus beeinflusst mich. Ich bin verdorben und eine große Gefahr für dich.«

Aidos schwieg und saß einfach da, während sie mich ansah. »Trotzdem hast du meine Hand im Olymp gehalten, obwohl du Schmerzen hattest«, erinnerte sie sich. Ich schüttelte den Kopf. »Ich fühle keinen Schmerz, wenn ich...« Ich brach ab. Aidos' Augen weiteten sich und sie stand auf. »Das kann nicht sein!«, rief sie wütend. »Das ist nur ein Trick, du lügst! Nur um das Urteil zu erfüllen!« Noch einmal schüttelte ich den Kopf.

»Ich verstehe, dass es schwer für dich ist, das zu glauben, aber es ist wirklich wahr. Ich musste dich damals verlassen, um dich zu beschützen. Ich hätte wissen müssen, dass Zeus bemerkt hatte, was ich für dich empfand. Es war alles umsonst...« Aidos Herz hatte nach mir gerufen, als Athene alt genug war und Zeus sie ihr weggenommen hatte. Sobald sie mich gerufen hat, war ich da. Bis sie mich nicht mehr wegen Athene rief, sondern für sich selbst.

Als wir uns zufällig berührten und ich keinen Schmerz verspürte, hatte ich sie verlassen. Obwohl ihr Herz erneut gebrochen war und sie mich rief, ignorierte ich es. Nicht, weil ich ihr nicht helfen wollte, sondern weil ich ihr nicht noch mehr Leid zufügen wollte. Wie am See, als ich sie zu Boden drückte und Spuren auf ihrer zarten Haut hinterließ. Wie damals bei Zeus' Urteil gegenüber Aidos, weil er mich hasste und sie mein Schwachpunkt war.

Ich bekam eine Gänsehaut, als ich die Spuren an ihrem Hals sah. »Ich werde dich verletzen, nicht weil ich es will, sondern weil ich es muss. Wie schon gesagt, solltest du mich lieber töten. Denn ich verliere zunehmend die Kontrolle», sagte ich. Aidos Blick blieb wie immer undurchschaubar. Hoffentlich sah sie mich dieses Mal wirklich und verstand, was sie jetzt tun musste.

»Warum hast du mir das erst jetzt gesagt? Warum nicht schon damals vor Hunderten von Jahren, als du mich einfach ohne ein Wort verlassen hast?«, fragte sie leise und traurig. »Wie ich bereits erwähnt habe. Weil ich nicht sicher bin, wie lange ich noch die Kontrolle behalten kann, bevor Zeus seinen Willen in meinem Kopf durchsetzt. Er ist unberechenbar.« Aidos schüttelte den Kopf.

»Warum hast du mir erst jetzt die Wahrheit gesagt? Ich habe so sehr gelitten! Weist du eigentlich wie sehr? Du... du... wusstest es...« Sie umarmte sich selbst und ich konnte spüren, wie ihr Herz noch ein Stück mehr brach. »Du konntest alles spüren und trotzdem...« »Deine Sicherheit hat für mich damals sowie heute oberste Priorität, Aidos.« Ihr Blick schoss zu mir, aber genauso schnell, wie sie mich angesehen hatte, wandte sie sich wieder ab.

»Wieso?«, flüsterte sie, als ich näher an Aidos herantrat und sanft ihr Kinn anhob. Dann streichelte ich liebevoll über ihre Wange, während wir uns tief in die Augen sahen. »Ich darf es zwar nicht aussprechen, aber vielleicht bist du endlich bereit es zu Erkennen.« Aidos wunderschönes Gesicht verschwamm vor mir, als ich Erkenntnis darin fand und meine Augen sich daraufhin mit Tränen der Dankbarkeit füllten.

1090 Wörter

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Hallo ihr Lieben,

welche Eindrücke habt ihr von dem kleinen Einblick in die Vergangenheit gewonnen?

Einige eurer Fragen wurden damit beantwortet. Zum Beispiel woher sich Aidos und Eros kennen und was zwischen ihnen geschehen ist, dass sie so eine befangene Sicht ihm gegenüber hat. Ebenso erhielt ihr einen tieferen Einblick in die Beziehung zwischen Eros und Zeus.

Falls euch noch weitere Fragen einfallen, fragt mich gerne.

Eure Patty ❤️

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