Zwanzig (2.2) - Erwachen


Schritte näherten sich ihnen. Es hörte sich wie das Geklacker von High Heels an. Die platinblonde Bianca kam um eine Ecke in den Raum hinein. Das Erstaunliche an ihr war, dass sie nun große Flügel auf dem Rücken trug. Das Federkleid schimmerte in den schönsten Farben. Violett, blau, ein leichter rosé Ton, ein helles Grün und Gold. Die Flügel hatte sie leicht angezogen, sodass man deren volle Pracht nur erahnen konnte. Sie hatte sich schon ganz und gar in ihre Rolle als Göttin Nephthys eingefunden. Sie würdigte Cara keines Blickes, sondern stürmte direkt auf Jade zu. Sie umarmte ihn und drückte ihm einen Kuss auf den Hals. »Dich habe ich gesucht, Liebster! Der Meister hat uns zu sich gerufen!«

Jade schob sie weg. »Er ist nicht mein Meister. Wenn du dich ihm unterordnen willst, dann tu das! Aber ich unterwerfe mich niemanden!«

»Wir sollten uns Apophis' Zorn nicht zuziehen. Jetzt wo er seine volle Macht besitzt, ist er gefährlich«, quengelte die Blondine.

»Ich bin genauso gefährlich!« Nun kam Jade auf Cara zu und streckte seine Hand nach ihr aus. »Komm, Bastet, wir sollten von hier verschwinden und unser Königreich aufbauen!«

Jetzt schenkte Bianca ihre Aufmerksamkeit Cara. Ihre Miene änderte sich, als sie die auf dem Boden liegende Heather sah. »Was ist mit ihr? Ist sie noch am Leben?«

Cara schüttelte wehmütig den Kopf. Sie weinte bitterlich. »Ich glaube nicht! Sie hat das Tor alleine geöffnet. Das war zu viel für sie!« Durch das Schluchzen war sie kaum zu verstehen, aber sie konnte sich nicht beruhigen. Die Trauer übermannte sie.

Bianca wimmerte leise. Jade trat zu ihr und legte seine Hand auf ihre Schultern. »Du musst sie gehen lassen. Für Sterbliche, die uns gleichgesinnt sind, ist in der Welt, die wir erschaffen werden, kein Platz mehr.«

Sie schüttelte seine Hand ab und rutschte von ihm weg, aber so, dass Heathers Kopf noch immer auf ihrem Schoß ruhte. Wut entbrannte in ihr. Er war hier gewesen. Er hätte Heather aufhalten können. Doch der böse Gott in ihm wollte diese Macht. »GEH WEG! VERSCHWINDE!«, schrie sie ihn an. Sie hasste ihn. Hass gegenüber Seth. Er hatte ihr so viel genommen. Er war das pure Böse. »Du bist an allem schuld. Du hättest sie aufhalten können. ICH WILL DICH NIE MEHR WIEDERSEHEN!« Sie ließ ihrer Wut freien Lauf und plötzlich geschah etwas mit ihr. Zitternd schaute sie auf ihre Hände. Ihre Fingernägel wuchsen und verwandelten sich in scharfen Krallen. Vor Schreck bebte sie am ganzen Körper. Was passierte nur mit ihr? War es so wie bei Bianca, dass auch ihr Körper sich verändern konnte? Schließlich hatte Bianca Flügel, das Nephthys sich früher in einen Raubvogel verwandeln konnte. Vielleicht war es ihr möglich die Gestalt einer Katze anzunehmen, so wie sie es in ihrem früheren Leben gemacht hatte.

»Du wirst deine Meinung noch ändern, Bastet. Ich weiß es genau. Dein Herz ist im Moment voller Trauer und Verwirrung. Doch nach vergangener Zeit wirst du zu mir zurückkehren.«

Cara wand ihren Blick ab, sie wollte nicht in seine Augen sehen. Nicht dieses dunkle Grün, fast schon schwarz, das sie daran erinnerte, dass der wahre Jade für immer fort war. Sie hörte, wie Schritte sich entfernten, erst als sie verklungen waren, richtete sie sich auf. Jade und Bianca waren fort. Und Heather lag immer noch regungslos vor ihr. Sanft strich sie ein paar blonde Strähnen aus Heathers Gesicht. Sie sah friedlich aus, so als ob sie schlafen würde. Doch atmete sie nicht. Was sollte sie jetzt nur tun? Es musste doch einen Weg geben, wie sie ihre Freundin retten konnte.

In diesem Augenblick ertönten erneut Schritte. Ob es wieder Jade war, der noch einmal zurückkam? Dann erschienen Nate, Linus und Milan in ihrem Blickfeld. Die ersten Beiden sahen sehr mitgenommen aus. Aufgeplatzte Lippen, Rötungen im Gesicht und blutige Kleidung. Milan hingegen sah unverletzt aus. Auch er hatte sich verändert. Leuchtende, königsblaue Augen und goldene Schwingen auf seinem Rücken. So wie es für den Falkengott Horus üblich war.

Sein Gesicht verzerrte sich, als er Heather sah und er stürmte zu ihr. Er kniete sich neben sie hin, die Flügel berührten den Boden und er nahm sie fest in seine Arme. »Heather? Wach auf!«, flehte er und versuchte, ihren Puls zu spüren. Sie alle, die hier nun versammelt waren, wussten, dass sie nicht mehr erwachen würde.

Cara sah in die zerfurchten Gesichter von Nate und Linus. Auch sie vergossen Tränen über die verlorene Freundin. Linus kam zu ihr und hockte sich neben sie. Cara lehnte sich gegen ihn. Seine Schulter diente ihr zum Ausweinen, auch wenn es lange dauern würde, bis ihre Tränen versiegten. Sanft strich er ihr über den Rücken.

Plötzlich legte Milan Heather sachte auf den kargen Boden, stand auf und ging entschlossen zum noch immer offenen Weltentor, dessen Schein alles zu erhellen schien..

»Was hast du vor?«, fragte Nate verunsichert.

»Ich kann das nicht zulassen. Ich werde sie nicht sterben lassen!« Knurrte Milan und die großen Flügel breiteten sich wie von allein aus.

»Aber sie ist doch schon tot«, entgegnete Linus vorsichtig, um ihn nicht weiter zu verärgern oder seine Verzweiflung anzutreiben.

Milan warf ihm dennoch einen bösen Blick zu. Dann streckte er seine Hand nach dem Tor aus. Mehr Licht strahlte aus der Öffnung heraus und sammelte sich im Zentrum. Die Energie, dieser leuchtend brennende Fleck glänzte wie die Oberfläche eines klaren Sees und bewegte sich leicht, als spürte es Horus Anwesenheit.

Cara schrie auf. »Pass auf! Du darfst das Tor nicht durchqueren. Das ist nur ein Eingang in die Duat, aber kein Ausgang. Gehst du hinein, kommst du nicht wieder heraus!«

»Ich weiß«, sagte Milan ruhig. Die Furcht war aus ihm gewichen. »Aber dieser Lichtfleck hier steckt voller Energie. Energie, die wir für etwas nutzen können. Sie müsste so stark sein, Heather aufzuwecken.« Er berührte die gesammelte Energie und schöpfte mit bloßer Hand etwas davon ab, während Nate und Linus scharf die Luft einzogen.

»Das wird nicht funktionieren. Nur Osiris besitz die Macht der Widerauferstehung!«, zweifelte Cara. Auch wenn sie sich so sehr wünschte, dass sie Heather zurückholen könnten.

Milan trat wieder zu ihnen. Langsam beugte er sich über Heather, die sich noch immer nicht regte und legte die Kugel aus Energie auf ihre Brust. »Einen Versuch ist es wert!«, sagte er voller Hoffnung und presste den Lichtball regelrecht in den Körper der Studentin.

Sie alle starrten auf den regungslosen Körper, keiner wagte es etwas zu sagen. Die Zeit schien still zu stehen. Die Lichtkugel zog in den Körper ein, vereinzelt drang etwas von dem Licht zwischen Milans Fingern hindurch und nur einen Augenblick später hob sich Heathers Brust. Cara atmete erleichtert aus, sank etwas in sich zusammen, während Nate und Linus leise jubelten. Milan zog Heather an sich, schmiegte ihren Körper an seinen und umarmte sie so fest, als könnte er sie jeden Moment wieder verlieren.

»Ein Glück«, flüsterte Cara. Heathers blau-graue Augen richteten sich auf sie. Cara streckte ihre Hand aus und ergriff die ihrer besten Freundin. Sie war so erleichtert, dass Milans Versuch geklappt hatte, obwohl alles dagegen gesprochen hatte. Sie war so überglücklich, dass Heathers Leben gerettet wurde.

Plötzlich ertönte ein tiefes Grollen und alles um sie herum fing an zu beben. Von der Decke rieselte Sand und einige Steinstücke lösten sich und verfehlte sie nur knapp. Cara duckte sich und schlang ihre Arme über den Kopf. Nate und Linus taten es ihr gleich. Milan schirmte Heather gegen die herunterfallenden Brocken ab, indem er sich über sie beugte, seine Flügel ausbreitete und sie zu einem Schirm zusammenlegte. Als die Erde sich beruhigt hatte, schauten sich die Freunde fragend an. In diesem Gebiet hatte es noch nie ein Erdbeben gegeben.

»Das war Apophis. Er testet seine Kräfte«, vermutete Cara. Milan stimmte ihr nickend zu.

»Was wollen wir gegen ihn unternehmen?«, fragte Linus.

»Wir halten uns an den ursprünglichen Plan«, schlug Cara vor. »Wir sperren ihn ein!«

Nate schaute sie verwirrt an. »Aber er ist jetzt ein Gott. Eine normale Zelle hält ihn jetzt nicht mehr auf.«

»Wir sperren ihn da ein.« Milan zeigte auf das Tor. »Wie Cara schon gesagt hat: Es ist nur ein Eingang, einen Weg raus gibt es nicht. Das perfekte Gefängnis für Apophis. In der Duat kann er nicht viel ausrichten.«

Schnell tüftelten sie einen Plan aus. Cara, Milan und Nate würden sich Apophis vornehmen, während Linus Heather in Sicherheit bringen würde, da sie noch sehr geschwächt war. Das Nate unbedingt mitkämpfen wollte, fand Cara nicht gerade gut. Er hatte keinen blassen Schimmer worauf er sich da einließ. Im Grunde wusste sie es auch nicht, doch sie war wenigstens eine Göttin. Zwar musste sie ihre Kräfte noch kennen lernen, doch sie wusste, dass sie sich auf ihren Instinkt verlassen konnte. Sie umarmte ihre Freundin und dann machten sich die drei auf den Weg durch die Katakomben. Sie mussten Apophis irgendwie zum Tor locken und dann mussten sie ihn nur noch hindurchstoßen.

Sie erreichten eine Säulenhalle gleich eines Thronsaales. Es erinnerte Cara an den Saal, in dem Re seine letzte Versammlung abgehalten hatte. Dort, wo Nephthys sie getötet hatte. Auf der anderen Seite war ein Podest, wo ein riesiger Stuhl stand. Er war aus Gold, mit Schlangen als Armlehnen. Nicht unweit von dem Thron, für das hielt Cara den Stuhl, stand Bianca. Ihre Flügel waren verschwunden, aber nun trug sie ein Was-Zepter in den Händen. Eine Insignie der Götter.

»Willkommen zur Party«, begrüßte Bianca die kleine Gruppe. »Bastet, Horus, begrüßt unseren neuen Herrscher!« Aus einem der seitlichen Räume trat Raphael Freyer. Er trug ein altägyptisches Gewand, das einem Pharao und Gott würdig war. Sein goldenes Zepter wurde von einer Schlange gekrönt und auf seinem Haupt trug er eine Krone. Was man in den Katakomben nicht alles finden konnte. Er setzte sich auf den Thron und starrte auf sie hinab. Von dem früheren Braun seiner Augen war nichts mehr übrig, jetzt waren sie von einem stechenden giftgrün eingenommen. Es war wie bei Jade, Seth hatte sein komplettes Wesen übernommen, so auch Apophis. Raphael Freyer existierte nicht mehr. Einen Gott wie ihn konnte man nicht bekämpfen. »Nun, verneigt euch vor mir, oder seht wie ich alles was euch lieb ist, zerstöre.«

»Wir brauchen Waffen«, flüsterte Nate, sodass es nur Milan und Cara hören konnten.

Cara schaute sich um. In einem der Räume müssten doch bestimmt irgendwo Waffen versteckt sein. Ansonsten müssten sie den Statuen an den Wänden die Speere entreißen.

Milan trat vor. Sie versuchte ihn noch zurückzuhalten, bekam ihn jedoch nicht mehr zu packen. »Du bedeutest nur Schlechtes für die Welt. Wir werden dir niemals dienen. Für dich gibt es keinen Platz auf der Welt!«

Apophis stand wieder auf und kam das Podest hinunter, Bianca folgte ihm zaghaft. Cara wunderte sich, warum sie noch immer hier war, sie hatte gedacht, dass sie Seth gefolgt wäre. Aber vielleicht war die Angst vor Apophis größer als die vor Seth.

»Wenn ihr euch nicht beugen wollt, werde ich euch vernichten!« Apophis hob sein Zepter und wollte zuschlagen. Nate sprang zur Seite, Cara duckte sich wie eine Katze drunter weg und Milan schwang sich in die Lüfte. Da er noch sehr unerfahren und keinerlei Übung hatte, segelte er direkt gegen eine der Säulen und knallte zu Boden. Fluchend rappelte er sich auf. Cara verstand, was sein Problem war. Dadurch, dass seine göttliche Seele von Anfang an geschwächt war, konnte er nun schlechter auf seine Erinnerungen und seine Instinkte zurückgreifen. Besorgt schaute sie zu ihm, doch er winkte nur ab und konzentrierte sich auf Apophis, der nun erneut mit erhobener Waffe auf ihn zusteuerte. Fast zu spät bemerkte Cara, dass währenddessen Bianca im Inbegriff war sie anzugreifen. Die Blondine schrie laut auf und stürmte dann mit dem Zepter über den Kopf auf sie zu. Cara rollte sich zur Seite und das Was-Zepter erwischte die Säule hinter ihr.

»Komm her, Bastet! Wir machen da weiter, wo wir das letzte Mal aufgehört haben«, sagte sie hämisch.

Cara schaute hinter der Säule hervor, hinter der sie sich versteckte. »Lieber nicht, das Ende war etwas schmerzhaft«, witzelte sie. Das trieb Bianca noch mir zur Raserei. Sie stürmte nach vorne und versuchte einen weiteren Angriff. Dieses Mal schnellte Cara vor und griff nach Biancas Zepter. Sie rangen miteinander und stießen sich gegenseitig gegen die Säulen. Cara fühlte sich mittlerweile so, als ob sie hunderte von blauen Flecken am Körper hatte. Ihrer Unsterblichkeit sei Dank, dass sie keine schlimmeren Verletzungen spürte. Sie zogen und zerrten an dem Zepter, aber keiner von beiden gab nach. Gegenseitig funkelten sie sich zornig an.

»Wieso bist du nicht mit Seth gegangen?«, fragte Cara während sie rangen. »Du hast ihn immer gewollt. Doch jetzt stehst du an Apophis' Seite.«

»Weil er mich nicht wollte. Er meinte, er akzeptiert keine andere außer dir an seiner Seite. Außerdem ist Apophis der Mächtigere.«

Macht. Das war es also, was Bianca eigentlich wollte. Ihr war es egal, an wessen Seite sie steht. Hauptsache derjenige ist Mächtig und verschaffte ihr eine gute Position. War es deswegen auch der Grund gewesen, warum sie mit Jade zusammen sein wollte? Weil er aus dem französischen Adel kam? Ihre Liebe zu ihm war eine Face. Aber wie sah es mit ihr selbst aus? Schließlich hatte Cara ebenfalls Jade den Rücken gekehrt. Nein. So konnte man das nicht sagen. Sie hatte nicht Jade den Rücken gekehrt, sondern Seth. Und wer weiß, was die Zukunft noch bringt.

»Cara!« Nate stand in einer Ecke und warf ich einen Speer zu. Sie fing in aus der Luft und wirbelte einmal herum um dann mit einem lauten Klirren gegen Biancas Zepter zu schlagen. Milan und sie hatten im Grunde die beiden anderen Gottheiten abgelenkt, während Nate sich auf die Suche nach Waffen gemacht hatte. Milan hielt sich gut gegen Apophis, doch man merkte, dass der Schlangengott besser kämpfte und Milan Schwierigkeiten hatte, die Angriffe zu parieren. Nate stürzte sich nun auch in den Kampf und half Milan gegen Apophis zu kämpfen. Das war nur recht. Cara schaffte es alleine gegen Bianca zu Kämpfen. Sie war die geringere Gefahr. Seth' Gemahlin kam wieder angerannt. Cara ging etwas in die Hocke und im richtigen Augenblick stieß sie sich ab. Sie sprang über den Kopf ihrer Gegnerin hinweg, wand sich um und stieß ihr den Speer von hinten in die Schulter. Genau das war ihre Absicht. Die Verletzung war nicht so schwer, das die Regeneration lange brauchen würde, aber auch nicht so leicht, um weiterkämpfen zu können. Das goldene Blut rann über Biancas Rücken. Erst jetzt wurde Cara so richtig bewusst, dass sie keine Menschen mehr waren. Sie waren jetzt Götter. Mit allem was dazu gehörte, das goldene Blut, die schnelle Regenerationskraft und die Unsterblichkeit. Sie zog den Speer aus Biancas Schulter. Die Blondine hatte ihr Was-Zepter fallen gelassen. Sie schrie auf und sank zu Boden. Verzweifelt versuchte sie die Wunde zuzudrücken, jedenfalls vorne, denn der Speer hatte ihren Körper komplett durchstoßen. »Du Miststück!«, fauchte sie.

»Gebe ich zurück«, antwortete Cara. Sie wand sich von Bianca ab. Sie wollte gerade den anderen beiden zu Hilfe eilen, als Nate von Apophis' Zepter am Kopf getroffen wurde. Er taumelte und stieß gegen die Wand. Der Schlangengott war dabei zu obsiegen. Milan verlor an Kraft, die Erschöpfung machte sich breit. Nun war es an der Zeit, sich zurückzuziehen und den Feind in die Falle zu locken. Cara gab Milan ein Zeichen. Dieser brachte Apophis mit dem Kampfstab, den er bekommen hatte, zum Stolpern und dann schnappte der Falkengott sich Nate. Er legte den Arm des Verletzten um seine Schultern, damit dieser besser laufen könnte. Cara lief voran. Von hinten erschallte ein lauter Aufschrei. Apophis war wütend und folgte ihnen. Genau so hatten sie es geplant. Zwar nicht ganz so, da Nate verletzt war, aber es lief aufs Gleiche hinaus.

Cara war erstaunt, als sie tatsächlich wieder vor dem Tor standen. Sie hätte nicht gedacht, dass sie den Weg zurückfinden würden. Milan und Cara stellten sich mit dem Rücken zum Tor auf, Nate wankte dahin, wo Linus und Heather Schutz gefunden hatten. Jetzt hieß es zwei gegen einen. Das sollte machbar sein, das hoffte sie zumindest. Dennoch hatte sie das Gefühl, Apophis unterlegen zu sein. Schließlich hatte er erzählt, dass er sich die Kräfte von anderen Reinkarnationen einverleibt hatte. Damit war er stärker als jemals zuvor. Und wer wusste schon, welche Kräfte sich in ihm verbargen. Cara klammerte sich an ihren Speer, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Ihr gesamter Körper war angespannt. Und auch Milan wappnete sich. Seine Flügel hatte er eingezogen, so das man keine Spur mehr von ihnen sah.

Der Boden bebte und sie wussten, der Schlangengott rückte näher. Für einen kurzen Moment konzentrierte sie sich und versuchte zur Ruhe zu kommen. Jetzt kam es darauf an keine falsche Bewegung zu machen. Es musste alles stimmig sein, damit ihr Plan aufging und Apophis durch das Tor in die Duat zu bekommen. Er kam in Sicht, baute sich vor ihnen auf und zischte. »Ihr glaubt doch nicht etwa, dass dieser Ort euch Vorteile beschaffen würde.«

»Das wollen wir doch erst einmal sehen«, entgegnete Milan. Er sprang los, zielte auf den Kopf seines untergegangenen Vaters. Es musste hart für ihn sein. Milan hatte seinen Vater geliebt und nun war er nicht mehr da. Milan war schlimmer dran als Cara, fand sie. Denn Jade war sein bester Freund gewesen und das seit Kindertagen. Trotzdem hielt er sich wacker und tat alles um Apophis aufzuhalten. Hatten sie Erfolg, so würde er diesen Mann nie wiedersehen. Auch Cara stürmte nun in den Kampf. Aber ihr Gegner schaffte es jeden ihrer Angriffe zu parieren, obwohl er sich noch gegen eine zweite Person zu Wehr setzen musste.

Der Kampf schien ewig zu gehen. Apophis gab sich einfach keine Blöße. Cara und Milan versuchten ihr bestes, doch mit jedem Angriff ermüdeten sie immer mehr. Plötzlich durchzog ein kräftiger Windstoß den Raum und Milan und Cara flogen zu Boden. Doch nun hatten sie den Mann dort wo sie ihn haben wollten, mit dem Rücken zum Tor. Ein starker Stoß und er würde durch das Tor gleiten. Cara rappelte sich auf und griff nach ihrem Speer. Sie sprang auf und stürmte los. Alles oder nichts. Das war der entscheidende Moment, der über Sieg oder Niederlage bestimmte. Die Spitze ihrer Waffe hatte ihn fast erreicht. Noch einen Meter. Noch einen halben Meter.

In diesem Augenblick hob Apophis seinen Arm, streckte seine Handfläche ihr entgegen, so als ob er sie stoppen wollte. Gegen ihren Willen erstarb ihr Angriff. Cara war gefangen von seinen Augen. Milan schien es ebenso zu gehen, denn er rührte sich nicht. Die giftgrünen Augen strahlten, blinkten, blitzen auf eine Art, die sie handlungsunfähig machte. Sie war gefesselt und konnte sich von seinem Blick nicht losreißen. Ihr Speer fiel zu Boden. Ein Lachen. Dunkel, hämisch und triumphierend. Er hatte gewonnen. Apophis hatte tatsächlich obsiegt. Seine Macht war einfach zu groß. An diese Fähigkeit hatte sie nicht mehr gedacht. Der Schlangengott hatte die Macht andere Götter zu hypnotisieren. Cara hätte am liebsten geweint, denn sie hatten versagt. Die Welt würde im Chaos versinken. Aber diese Genugtuung wollte sie ihm nicht gönnen. Apophis schwang sein Zepter, bereit anzugreifen und sie für lange Zeit kampfunfähig zu machen. Er kam auf sie zu und holte aus. Sie schloss die Augen und erwartete seinen Angriff. Sie konnte sich eh nicht wehren. Nach der Heilung würde sie seine Sklavin sein, so wie alle anderen Götter sie sich ihm widersetzten.

Plötzlich hörte sie ein kehliges Stöhnen. Cara riss die Augen auf, denn sie befürchtete, dass Apophis sich zuerst Milan vorgenommen hatte. Dabei hatte sie gehofft, dass er ihn verschonte, dass noch ein winziger Teil von Raphael Freyer in dem Mann steckte, der seinen Sohn liebte. Eine Gestalt versperrte ihr die Sicht. Jemand stand unmittelbar vor ihr und schirmte sie von Apophis ab.

»Niemand, hast du gehört NIEMAND, darf Bastet verletzen.«

Cara konnte es nicht glauben. Er war zurückgekommen und beschützte sie nun. Obwohl sie an seiner Stimme erkannte, dass es immer noch der Gott war, der die Kontrolle hatte. »Seth«, hauchte sie leise. Er hatte sie gerettet. Nach allem was gewesen war, was sie ihm vor den Kopf geworfen hatte. Dennoch war er wieder da und beschützte sie. Zwischen ihnen war so viel passiert. Doch nun fasste Cara auch Hoffnung. Denn durch diese Tat, konnte nicht nur schlechtes in ihm sein. Vielleicht war ein Teil von Jade endlich durchgebrochen.

Die Hypnose wirkte nicht mehr und so konnte sie sich wieder bewegen. Sie trat hinter Seth hervor und sah, dass er einen Speer durch Apophis Brust gerammt hatte. Sie schaute zu Boden. Der Speer den sie fallen gelassen hatte, war der in der Brust des Gottes.

»Wie?«, zischte er Seth zu.

»Schon vergessen: Das hat bei mir noch nie funktioniert. Ich bin immun gegen deine Gedankenkontrolle.« Seth erhob seine Stimme, brüllte und verlagerte seine Kraft nach vorne. Er schob Apophis nach hinten, immer weiter Richtung Tor. Der Schlangengott zappelte und setzte sich zur Wehr, aber vergeblich. Er kam nicht frei.

Kurz vor dem Tor stoppten sie. Seth zögerte. Aber warum. Er warf einen Blick über die Schulter und schaute direkt Milan an. »Horus?«, fragte er.

Milan atmete tief durch. Cara verstand nun. Seth wollte seine Zustimmung dafür, dass er seinen Vater nun auf ewig in die Duat verbannte. Eine Tat, die nur von Jade ausgehen könnte. Denn Seth und Horus waren Feinde und verstanden sich nicht gerade gut. Jedenfalls nicht zum Ende ihres früheren Lebens. Aber Jade und Milan waren beste Freunde. Es musste einfach so sein, dass ein Teil von Jade noch immer da war.

»Tu es!« Milan nickte. Seth schritt weiter und so erreichten sie endlich das Tor. Apophis schrie, schlug um sich und war dann mit samt des Speeres verschwunden.

»Cara! Schließ es!«, rief Milan.

Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht! Die Steine haben ihre Wirkung verloren. Einmal geöffnet, lassen sich die Tore nicht mehr schließen. Die Kräfte sind nun frei und die Welt ist mit der Duat verbunden. Aber sei unbesorgt, Apophis kann die Duat nicht verlassen. Nicht ohne Einwilligung von Osiris. Und wenn er ihm eines Tages begegnen würde, so würde Osiris ihn niemals gehen lassen.«

Milan seufzte. »Na gut. Lass uns zu den anderen gehen!«

Cara lächelte. Endlich war der Kampf vorbei. Jedoch zögerte sie. Seth war im Inbegriff in die andere Richtung davonzuschleichen. »Warte!«, rief sie ihm hinterher.

Er stoppte, drehte sich aber nicht zu ihr um. Also ging sie um ihn herum. »Ich wollte dir danken. Dafür, dass du mich beschützt hast!« Sie streckte ihre Hand nach ihm aus. Sie wollte ihn so gerne berühren und seine Wärme spüren. Doch er schlug ihre Hand von sich weg.

Seine Augen waren noch immer dunkel, so wie sie es von Seth kannte. Dennoch war seine Miene ausdruckslos und ließen keinen Gedanken erahnen. Plötzlich zog er sie an sich heran und küsste sie. Es war ein leidenschaftlicher, drängender Kuss. Sie spürte Macht, Begierde, Sehnsucht und einen Funken Zorn. Gefühle, die zu Seth gehörten, aber nicht zu Jade. Wo war der Mann, der gerade noch im Kampf wegen seines Freundes gezögert hatte. Das Aufglimmen von Jades Persönlichkeit war wieder erloschen. Als er sie losließ, funkelte sie ihn böse an. Er schnaubte nur und wand ihr wieder den Rücken zu. Bevor er ging warf er noch einen Blick über die Schulter. »Irgendwann werden wir wieder vereint sein. So wie damals. Du wirst lernen mich wieder zu lieben, Bastet. Doch nun werde ich dich erstmal zurücklassen. Zuallererst musst du begreifen was es heißt eine Göttin zu sein. Welche Macht du besitzt. Und du bist jetzt unsterblich. Also habe ich alle Zeit der Welt dich auf meine Seite zu ziehen. Zusammen wären wir unschlagbar. Eines Tages komme ich zurück und hole dich in unser neues Königreich!« Mit diesen Worten verabschiedete er sich. Er ging und von einem Augenblick auf den anderen war er verschwunden. Für einen Moment hatte sie sich eingebildet einen Wirbelsturm zu sehen. Aber ihren Augen konnte sie gerade nicht trauen nach der Hypnose. Doch irgendwie hatte sie ein schweres Herz. Und ein kleiner Teil von ihr, wäre ihm am liebsten gleich hinterher gelaufen. Aber er hatte recht. Sie hatte sich verändert und damit musste sie sich jetzt erstmal arrangieren. Sie hatten wirklich alle Zeit der Welt. Zeit, die sie mit manchen anderen Freunden nicht hatte. Linus, Nate und besonders Heather waren immer noch sterblich. Von nun an würde sie jeden Augenblick mit ihnen genießen. Irgendwann würde der Moment kommen, wo sie sich von allen verabschieden musste. Anubis würde ihre Freunde eines Tages holen, während Cara zurückbleiben würde. Zurück in einer Welt, die sich mit Sicherheit nun verändern würde.

Sie fragte sich, ob es noch mehr Reinkarnation gab, die auf der ganzen Welt verteilt waren und nun alle zu Götter geworden waren. Möglicherweise hatten einige noch nicht einmal davon gewusst, dass sie einen Gott in sich trugen. Für solche Menschen musste der Schock nun besonders groß sein. Vielleicht würde sie es nun zu ihrer Aufgabe machen, die anderen Götter zu finden. So wie Re es vorgehabt hatte.

»Cara! Nun komm endlich!«, rief Milan erschöpft und voller Freunde. Man merkte ihm an, dass er so schnell es ging zu Heather wollte. Auch sie wollte das. Hoffentlich ging es ihr nun besser. Heather war bestimmt froh, dass der Kampf vorbei war.

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