Zwanzig (2.1) - Erwachen


Leere. Einfach nur Leere. Das war es, was sie umgab. Der Raum um Cara war leer. Weiße Wände und ein glänzend sauberer Boden in Grau. Es stand nichts an diesem Ort, außer der Stuhl, auf dem sie saß. Ihre Hände waren hinter ihrem Rücken gefesselt und sie konnte sich nicht bewegen. Aber das wollte sie auch gar nicht. In ihrem Inneren sah es genauso leer aus, wie in diesem Raum. Der Schmerz über Jades Verrat war zu groß. Aber wieso hatte es sie so überrascht? Im Grunde hatte sie die ganze Zeit gewusst, dass Seth irgendwann zurückkehren würde. Doch dass er sich so gut als der wahre Jade ausgegeben hatte, erschütterte Cara zu tiefst. Er war so liebevoll zu ihr gewesen, dabei wollte er ihr nur schaden und sie alle auszuspionieren. Aber warum hatte er sich nur mit Freyer zusammengeschlossen? Hatte das irgendeinen Nutzen? Cara schlug sich gedanklich gegen den Kopf. Sie war zu erschöpft, um es tatsächlich zu tun. Es machte alles einfach keinen Sinn mehr.

Das Einzige worum sie sich nun Gedanken machte, war Heather. Nachdem Jade Heather von ihrer Gefangennahme berichtet hatte, würde sie mit Sicherheit Hals über Kopf losstürmen, um sie zu befreien. Aber das wollte Cara nicht. Im Grunde hatte sie schon aufgegeben. Wie sollte sie auch aus dieser Lage wieder herauskommen?

Sie bewegte ihre Handgelenke und zuckte schmerzerfüllt zusammen. Sie war eindeutig mit Kabelbindern gefesselt, die so eng waren, dass sie sich mit jeder Bewegung tiefer in die Haut schnitten. Und auch an den Beinen war sie an den Stuhl gekettet. Cara schnaubte und eine Träne kullerte ihre Wange herunter. Der Ort war beängstigend, schon alleine aus dem Grund, dass hier nichts Anderes war. Für was dieser sterile Raum wohl sonst benutzt wurde? Und die Frage war, ob sie ihn lebend verlassen würde!

In diesem Moment hörte sie tiefe Stimmen vor der eisernen Tür des Raumes. Die Laute waren gedämpft und drangen kaum zu ihr durch. Dennoch versuchte sie die Stimmen zu erkennen und wenigstens einige Wortfetzen des Gespräches zu erhaschen.

Plötzlich erhob sich eine der Stimmen und Cara erkannte sie direkt wieder. »Das können Sie doch nicht machen!«, rief Joseph Plamp. »Sie ist unschuldig!«

Ein kaltes Lachen erklang und währenddessen öffnete sich die Tür. Eilig stellte sich die Studentin schlafend, um das Gespräch weiter belauschen zu können. Aus einen Spalt heraus erkannte sie Freyer, der einen langen weißen Kittel trug.

»Unschuldig? Sie ist eine der ägyptischen Gottheiten. Mit einer Macht, die wir nicht einmal zu glauben wagten.«

»Aber das Tor wurde doch noch nicht einmal geöffnet, wie kann sie dann eine Gefahr darstellen?«

Kurzes Schweigen, in der nur Schritte zu vernehmen waren. Langsame, mit Bedacht gewählte Schritte, die sie umkreisten. »Laut meines Informantens hat sie ihre göttliche Seite bereits akzeptiert«, sagte Freyer schließlich. »Allein dadurch hat sie schon an Kraft gewonnen.«

»Woher wollen sie das wissen? Und wer sagt denn, dass sie die Kräfte gegen Sie anwendet. Vielleicht würde sie Sie auch unterstützen, wenn man ihr alles in Ruhe erklärt!«

»Sie und ihre Freunde haben bereits zu erkennen gegeben, dass sie sich mir widersetzten. Aber Sie werden schon sehen, Dr. Plump, die Macht dieses Mädchen wird mir zu Nutzen sein.«

»Aber wie das?«

»Dr. Orton hat vor kurzem vielversprechende Ergebnisse durch den Vorgang der Lobotomie erzielt. Diese hat er bei Julie Sander durchgeführt, die Reinkarnation der Göttin Maat. Er hat ihr die kompletten göttlichen Kräfte entzogen.«

Cara zuckte zusammen und hoffte, die Männer hatten das nicht bemerkt. Diese Lobotomie hörte sich nicht gut an und keines Falls wollte sie, dass das an ihr durchgeführt wird.

»Moment mal!«, warf Dr. Plump ein. »Sie meinen das Mädchen, dem wir gerade auf dem Flur über den Weg gelaufen sind? Die war doch nicht mehr ganz bei Sinnen. Sie schien noch nicht einmal ihren eigenen Namen zu wissen. Wie können sie das erfolgreich nennen?«

Freyer gab ein erheitertes Schnauben von sich. »Vielleicht wird sie einige ihrer Erinnerungen eines Tages zurückbekommen. Darum kümmern wir uns hier um sie, damit es ihr bessergehen wird. Außerdem hat sie der Prozedur freiwillig zugestimmt. Sie wollte das Wissen und die Macht von Maat nicht. Und nun stehen ihre Kräfte mir zur Verfügung.«

»Ohne Gefäß?«, fragte Joseph Plump.

»Im Gegenteil! Ich bin das Gefäß. Ich habe mir ihre Kräfte einverleibt.«

»WAS? Aber das wird Sie zerstören. Die Macht ist zu groß für einen normalen Menschen!« Joseph Plump war außer sich. Voller Panik lief er durch den Raum, immer hin und her, vor Cara entlang.

Wieder gab Freyer ein höhnisches Schnauben von sich. Er trat vor Cara, den Rücken ihr zugewandt und seine Hände waren im Kreuz übereinandergelegt. »Ich habe bereits vor einer Weile aufgehört ein normaler Mensch zu sein.«

Plump verharrte mitten im Schritt und Cara konnte Entsetzen in seiner Stimme hören. »Sie... sie sind auch...«

»...eine Reinkarnation«, beendete Freyer den Satz.

Cara war nun vollkommen fassungslos. Wieso war ihr und ihren Freunden das nie in den Sinn gekommen? Vermutlich weil er so eine große Abneigung den anderen Reinkarnationen entgegenbrachte. Selbst seinen Sohn hatte er gefährlichen Prozeduren ausgesetzt. Milan hatte Glück überhaupt noch zu leben. Doch nun gab es eine neue Frage, der sofortiger Antwort bedurfte: Welche Gottheit trug Raphael Freyer in sich? Cara spitzte die Ohren, denn sie wollte kein einziges Wort verpassen.

»Ich bin einer der ältesten und mächtigsten Götter Ägyptens. Selbst Re konnte mich nicht in Schach halten, auch wenn er es über Jahrhunderte versucht hatte. Ich bin das Chaos selbst und jeder Ägypter erzittert vor meinem Namen.«

Nur allein bei dem Gedanken daran, welcher Gott er war, erzitterte Cara bereits. Sie wusste jetzt wer er war und sie wollte es gleichzeitig nicht wahrhaben. Ihr göttlicher Teil wusste, dass er mit dieser Reinkarnation nur Ärger bringen würde.

»Apophis!«

»Ah, sie ist endlich wach! Und hat uns anscheinend belauscht.«

Cara verfluchte sich. Ihr war sein göttlicher Name rausgerutscht und sie hatte somit die Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Nun brauchte sie ihren Kopf auch nicht mehr gesenkt zu halten, also richtete sie sich auf und legte ihn in den Nacken.

Raphael Freyer ragte vor ihr auf und aus seinen braunen Augen blitzte ein giftgrüner Schein durch. Das grün einer Schlange. Die Schlange Apophis. Der Gott, der nur Unheil über die Welt bringen konnte, der nichts Gutes an sich hatte.

»Bastet, nicht wahr?«, fragte er die Studentin. »Die Augen von Re, seine kleine Spionin. Früher warst du eine kämpferische Löwin, doch irgendwann hast du dich in ein sanftes Kätzchen verwandelt.«

Cara sagte nichts dazu. Im Grunde hatte er Recht. Einst hatte sie für ihren Vater Re jeden Kampf bestritten und als starke und erhabene Löwin gekämpft. Doch dann waren anderen Kinder von Re in Erscheinung getreten und haben ihre Rolle übernommen. So konnte sie sich in ihr ruhigeres Leben als Katzengöttin zurückziehen. Dennoch war sie immer noch die Beobachterin geblieben, die Re berichtete.

»Was haben sie jetzt mit mir vor, Professor?«, fragte Cara.

Freyer trat zur Seite und gab die Sicht auf Joseph Plump frei, der hinter ihm kauerte. Besorgt schaute der nun klein wirkende Mann mit den mausgrauen Haaren sie an. Unterwürfig wanderten seine Augen zu Freyer und er zog die Schultern an. Ihm war klar anzusehen, dass er nicht wusste, was er tun sollte. Er war hin und her gerissen zwischen seinem Gewissen, Cara zu helfen und seiner Loyalität gegenüber der Akademie und Freyer. Als er wieder sprach, war seine Stimme leise und krächzend. »Bitte, sie ist ein gutes Mädchen. Ich kenne ihre Eltern. Cara, sag es ihm! Du wirst dich nicht gegen ihn stellen!« Flehend schaute er die Gefesselte an.

»Das Tor darf nicht geöffnet werden!«, ihre Stimme zitterte, dennoch versuchte sie sich zusammen zu reißen. Niemals würde sie sich auf die Seite einer Person stellen, die den finstersten Gott von allen beherbergte. Dagegen war Seth noch harmlos. Damals hatte Re jede Nacht Apophis bekämpft und durch seine Unsterblichkeit regenerierte er sich immer wieder, sodass es wieder zum Kampf kam. Nur so hatte Re die Macht der Götterschlange unter Kontrolle halten können. Apophis war der Weltenverschlinger. Würde man seiner Kraft freien Lauf lassen, so würde die gesamte Menschheit zu Grunde gehen. Und das durfte sie auf keinen Fall zulassen. Auch wenn es ihr Leben kosten würde.

»Sehen sie, Joseph?! Sie wird nicht zur Vernunft kommen.« Freyer, der sie gerade noch umrundet hatte, stand nun wieder direkt vor ihr. »Und darum werde ich mir deine Kräfte einverleiben!« Er schnellte vor und packte sie am Hals. Sein Zeigefinger und Daumen drückten gegen ihre Kieferknochen und mit den anderen Fingern presste er gegen die Halsschlagader.

Cara brachte kaum ein Wort hervor, so sehr hielt seine Hand sie vom Sprechen ab. »Das werde ich nicht zulassen!«

Erneut dieses schallende, hämische Gelächter. »Du hast keine andere Wahl!«

Ein kurzes Stechen durchzuckte sie an der Schulter und dann wurde es dort warm und brannte etwas. Nachdem Freyer ihren Hals losließ, wand sie sich zu der Stelle um und sah gerade noch, wie Freyer eine Spritze aus ihrem Oberarm zog. »Was haben Sie gemacht?«

»Nur eine leichte Betäubung. Ansonsten kann mein werter Kollege die Lobotomie nicht durchführen.«

Cara fing an zu weinen. Sie hatte versucht stark zu sein, doch das konnte sie jetzt nicht mehr. Die Tränen liefen unkontrolliert und waren nicht mehr zu stoppen. Die Studentin war erschöpft und wollte nicht glauben, dass es für sie keine Zukunft mehr gab. Wie bin ich nur in diese Situation geraten? Wieso hat Jade mich nur verraten? Warum hilft mir denn niemand. Es hatte alles keinen Sinn mehr. Sie würde heute sterben, dieses Mal war sie sich sicher. In der Kirche war man ihr zu Hilfe gekommen, doch es war schier unmöglich in das Institut zu kommen. Inständig hoffte sie, dass Heather das Tor nicht öffnete, auch wenn sie nicht mehr war. Heather. Ihre beste Freundin. Durch sie war Cara stärker geworden. War gewachsen. Wie gerne würde sie ihr sagen, was für eine wundervolle Freundin sie war. Sie würde alle ihre Freunde vermissen. Milan, Nate und Linus. Wäre es anders gekommen, hätte sie bestimmt Linus eine Chance gegeben. Er war ein guter Mensch, der immer für sie da war. Schon als sie quasi noch Kinder waren. Ihre erste Liebe. Genau das war er. Ob es wirklich so sein würde, dass man sein Leben noch einmal wie im Film vor seinem inneren Auge ablaufen sieht, wenn man stirbt. Schmerzhaft erinnerte sie sich an Bastets Tod. Wie das Zepter sie durchbohrt hatte. Der Schmerz, der mit jeder Sekunde in der ihr Leben sie verließ, abebbte. Zum Glück würde sie nun keine Schmerzen spüren, dank der Narkose.

Plötzlich ertönte ein gellendes und ohrenbetäubendes Geräusch, eine Art Sirene. Freyer schrie laut auf, fluchte vor sich hin und zog sein Handy aus der Tasche seines Kittels. »Sorgen Sie dafür, dass dieses Nerv tötende Geräusch abgeschaltet wird! Und dann kommen Sie SOFORT HIER HIN!«, brüllte er. Unmittelbar verstummte die Sirene. Plump schaute verwirrt drein und zog sich weiter in eine der Ecken zurück.

Kurze Zeit später öffnete sich die Tür und einer der Männer, die Cara ins Institut geschleppt haben, trat ein.

»Dr. Orton, beginnen Sie unverzüglich mit dem Eingriff. Sie müssen fertig sein, noch bevor das Tor geöffnet wird. Heather McCarthy ist früher hier eingetroffen als gedacht. Sie, Joseph, werden nun zu Miss LeBelle gehen und ihr sagen, sie solle gefälligst Seth suchen. Sie soll ihn im Auge behalten, ich traue diesem heimtückischen Gott nicht.«

Cara war kaum noch bei Bewusstsein. Die Betäubung rang sie immer weiter nieder, aber sie kämpfte dagegen an. Besonders jetzt, wo sie wusste, dass die Sirene Heathers Ankunft verkündet hatte. Dr. Orton löste ihre Fesseln, zuerst die an den Beinen und danach waren auch endlich ihre Hände frei. Sie wollte aufspringen und losstürmen, doch sie sackte auf dem Boden zusammen, kaum, dass sie aufgestanden war.

»Du brauchst es gar nicht zu versuchen, Bastet! Solange du noch sterblich bist, kannst du dich gegen die Betäubung nicht wehren. Und schon bald werde ich deine Kräfte haben.« Freyers Stimme wurde immer dunkler, je näher sein ersehntes Ziel rückte.

Caras Augen fielen langsam, gegen ihren Willen, zu. Sie spürte, wie jemand unter ihren Arm griff und sie hochzog. Der Mann hatte Schwierigkeiten sie vorwärts zu bekommen, denn so gut wie es ging, spannte sie ihren Körper an und weigerte sich vorwärts zu gehen. Dennoch versuchte der Doktor, so vermutete Cara es jedenfalls, sie aus dem Raum zu bekommen. Sobald sie im Korridor waren, sie war gegen die Tür gestoßen beim Hinausgehen, rief Dr. Orton jemanden zu Hilfe, der sie dann am anderen Arm packte. Sie wurde herumgeschleppt und immer mehr verlor sie das Bewusstsein. Es musste einen Weg geben, wie sie entkommen konnte. Sie wollte unbedingt zu ihren Freunden, sie warnen, dass das Ganze eine Falle war und sie im Begriff waren, in sie hineinzulaufen. Also begann sie sich gegen den Mann auf der rechten Seite von ihr zu stoßen. Doch sie richtete nichts an. Sie war einfach zu schwach und wackelig auf den Beinen. »Lasst mich gehen!«, flehte sie. Dr. Orton zu ihrer Linken lachte nur und schleifte sie weiter. Cara spürte, dass sie kurz davor war, gegen die Betäubung zu verlieren. Ihre Glieder konnte sie kaum noch bewegen und ein klarer Gedanke wollte sich ebenfalls nicht mehr greifen lassen. Ihr Kopf fiel nach vorne und ihre Muskeln erschlafften. Sie hörte, wie sich eine Tür öffnete und dann einige Stimmen, die Dr. Orton begrüßten und nach Anweisungen fragten.

Plötzlich veränderte sich etwas. In ihrem Inneren. Cara fühlte sich anders. Irgendwie stärker. Die Betäubung war von einer Sekunde auf die andere nicht mehr zu spüren. Sie schlug die Augen auf und spannte sich an. Auch die Männer bemerkten, dass sich etwas verändert hatte. Sie stockten und die Leute um sie herum schauten alle Dr. Orton fragend an. Die grauen Augen des Forschers blickten schockiert und fassungslos auf die Studentin, die in diesem Moment im Begriff war, sich aus dem Griff der beiden Männer zu befreien. Cara schlug um sich, dabei erwischte sie Dr. Orton und stieß ihn nach hinten, als er auf sie zustürmte. Er flog schier durch die Luft und prallte gegen den OP-Tisch und gegen das Tablett mit den Instrumenten, die klirrend zu Boden fielen. Erstaunt, aber gleichzeitig beängstigt über ihre Kraft stand Cara da. Wie konnte es sein, dass sie so stark war? Ohne großartig darüber nachzudenken, stürmte sie aus dem Raum zurück in den Korridor. Sie musste erst einmal hier rauskommen, dann konnte sie sich Gedanken darüber machen. Dennoch hatte sie bereits eine Vermutung. Das Tor war geöffnet worden.

Sie stolperte durch die Gänge und suchte nach einer Treppe. Nach einem Weg nach unten. Im Keller des Institutes war eines der Weltentore und da würde sie auf ihre Freunde treffen. Zum Glück dauerte es nicht allzu lange, bis sie einen Fahrstuhl fand. Hastig drückte sie auf den Knopf, immer und immer wieder, wie ein ungeduldiges Kind.

Zwischendurch warf sie einen Blick über die Schulter, man würde sie mit Sicherheit suchen und wieder schnappen. Auch schaute sie in die Ecke, wo eine Kamera genau auf sie gerichtet war. Wer saß wohl am anderen Ende und starrte auf den Bildschirm? Hoffentlich machte er gerade eine Pause oder war zu dämlich, sodass er nicht richtig hinschaute.

Endlich öffnete sich die Schiebetür und sie glitt in den winzigen, beengten Raum. Die Fahrstuhlkabine war mit Spiegeln versehen. Cara konnte sich von allen Seiten betrachten. Sie hatte gedacht, dass sie im Grunde fertig und erschöpft aussehen musste. Doch dem war nicht so. Ihre Wangen hatten eine gesunde Rötung, ihr Teint war zwar blass, aber nicht mehr als normal und war so rein wie noch nie. Ihre langen braunen Haare waren samtig weich, bis auf paar Strähnen, die in der falschen Richtung standen, sah ihre Frisur ordentlich aus. Das Einzige, was sie etwas stutzig machte, waren ihre Augen. In dem künstlichen Licht schien durch das Grün ein erhabener Goldton durch. So hatte sie ihre Augen noch nie gesehen.

Die Fahrt schien unendlich lange zu dauern. Mit jeder Sekunde wurde Cara immer ungeduldiger. Als sich die Tür endlich öffnete stürmte sie durch die Flure mit Linoleumboden bis sie einen steinernen Bereich erreichte und sich in der Zeit zurückversetzt fand. Der Gang war spärlich beleuchtet, dennoch erkannte sie das alte, bröcklige Gemäuer. Sie war in den Katakomben, in denen sie bereits mit Linus gewesen war. Überall an den Wänden erkannte sie Hieroglyphen. Teilweise war die Schrift nicht mehr zu erkennen, aber aus dem, was noch da war, las sie die Geschichte, wie das Tor entstanden ist. Ihre Geschichte. Bastets Vergangenheit. Und es stand auch Geschrieben, wie das Tor zuerst entdeckt wurde und ein Bauwerk darum errichtet wurde. Cara strich über die Schriftzeichen. Wehmütig dachte sie an das Alte Ägypten zurück.

In diesem Moment hörte sie laute Geräusche aus der Ferne. Stimmen und Kampfgeräusche. Kurz dachte sie, sie hätte Linus' Stimme gehört. Kurz überlegte sie, ob sie in diese Richtung laufen sollte, doch ein leichtes Ziehen in der Magengegend, führte sie in die andere Richtung. Sie beschleunigte und rannte, immer dem Gefühl nach. Sie war so oft abgebogen, dass Cara sich sicher war, den Weg nie wieder zurückzufinden.

Der Gang wurde weiter und sie kam in einem großen Raum mit hoher Decke an. Und da sah sie es endlich. Das Tor, so wie sie es in Erinnerung hatte. Im nächsten Augenblick erkannte sie Heather, die mit dem Rücken zu ihr stand. Ihre Hände lagen auf dem Tor und ein goldenes Licht umgab sie. »Heather«, rief Cara. Aber ihre Freundin schien sie nicht zu hören. Sie trat ein paar Schritte auf sie zu.

Plötzlich stellte sich jemand dazwischen. Jade. Er ragte vor ihr auf. Sein Blick finster, seine Muskeln angespannt und die Arme vor der Brust verschränkt.

»Lass mich durch!«, befahl sie ihm.

»Das kann ich nicht! Heathers Aufgabe ist noch nicht vorbei. Spürst du es nicht, wie die Kraft noch immer in dich fließt!« Seine Stimme war erschreckend dunkel, genau wie seine Miene.

Cara ließ sich von ihm nicht zurückhalten. Sie stieß ihn zur Seite und als er nach ihr griff, wich sie ihm katzengleich aus. Sie lief zu Heather und packte sie an den Schultern. »Heather!«, wiederholte sie. Dann zog sie ihre Freundin von dem Tor weg und das Licht erlosch. Heather sackte zu Boden. Unaufhörlich versuchte Cara ihre Aufmerksamkeit zu bekommen, doch die blonde Studentin zeigte keine Regung.

»Heather, komm schon!«, brüllte sie Heather an. »Das kannst du nicht einfach so machen. Los! Wach auf!« Tränen rannen ihre Wangen hinunter. Sie schüttelte ihre Freundin, aber sie wachte noch immer nicht auf. »Bitte!«


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