Magischer Unterricht und Vögel

,,Danke für die Rettung und so.", sage ich und lasse den noch leicht überraschten Jake an Ort und Stelle stehen, der mir nur geistesabwesend hinterher winkt, bis er schließlich kopfschüttelnd weitergeht.

Ich bin doch etwas erschrocken, als die kleine Ruby auf meiner Schulter landet und ihr Köpfchen an meinem Kopf reibt.

,,Ruby! Was machst du denn hier?", frage ich sie verwundert und streichele sie vorsichtig.

Sie flattert leicht mit den Flügeln und gurrt niedlicherweise.

Will sie mir sagen, dass sie das Fenster hinunteruntergeflogen ist? Ich wusste ja nicht einmal, dass sie fliegen kann.

Mit ihr auf meiner Schulter halte ich mich in den Schatten im Flur und versuche niemandem zu begegnen. Wir schleichen uns in eine riesige Bibliothek und setzen uns etwas versteckt in den Sessel in einer Ecke.

Ich nehme mir was zu lesen und kuschel mit der noch leicht angespannten Ruby. Sie wirkt immernoch regelrecht nervös, als müsste sie sichergehen, dass es mir gut geht.

~♡~

Vollkommen vertieft in ein brillantes Buch, höre ich meinen Namen, erst als die Stimme ganz aus meiner Nähe kommt.

,,Claire?! Bist du hier irgendwo?", erschallt Coles Stimme.

Oh nein.
Verdammt, es war so schön. Ich deute an, dass Ruby ruhig sein soll und schleiche mit ihr die Treppen der alten Bibliothek hinauf. Es sind tausend Stufen, zumindest kommt es mir so vor. Schließlich komme ich durch eine Luke nach oben. Scheinbar auf das Dach der Schule.

Der Anblick ist atemberaubend. Erste Blumen erstrecken sich über ein Feld neben der Schule, die Sonne geht unter und lässt die Bäume in hunderten Rottönen erstrahlen. In dem Moment vergesse ich die vergangenen Gefahren und schließe zufrieden meine Augen.

Die Stille und Frieden erfüllen mein sonst so unruhiges Herz so lange, bis ich einen Pfeil an mir vorbeifliegen höre und das haarscharf.

Ich reiße meine Augen auf und sehe gerade noch den nächsten Pfeil in mein Gesicht fliegen, doch ehe ich reagieren kann, stellt sich Cole zwischen mich und den Pfeil.

Wir schaffen es zwar noch ein paar Zentimeter nach rechts auszuweichen, aber der Pfeil trifft Coles Arm und ich werde niemals das Geräusch vergessen, als der Pfeil sich in die Muskeln und Sehnen frisst, wenn man den Knochen brechen hört.

Sein Panther ist inzwischen auf doppelte Größe gewachsen und stürmt auf die Gestalt im Schatten zu, ehe sie verschwindet. Zurück bleibt nur der Schatten, der so dunkel ist, wie man dieses Nichts noch nie zuvor gesehen hat.

Nicht gut. Panik macht sich in mir breit und nach all der Gefahren bin ich kurz davor zu schreien. Um die Anspannung loszuwerden.

Cole checkt mich einmal von oben bis unten ab und nickt schließlich grimmig.

,,Wir müssen hier weg. Was hast du dir dabei gedacht einfach zu verschwinden?", fragt er mich leicht aufgebracht.

,,Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du verletzt wirst, ich wollte nur meine Freiheit wieder.", murmele ich und betrachte seine Wunde, aus der jede Menge Blut kommt.

Immer mache ich etwas falsch.

,,Wir müssen sofort zur Krankenschwester!", rufe ich entsetzt und will schon nach unten rennen in der Erwartung, dass er mitkommt.

Er bleibt stehen und geht vor mir in die Knie. Die Sterne leuchten um uns herum und seine Augen beginnen leicht zu funkeln.

,,Claire. Ich konnte dich schon fast ein zweites Mal nicht beschützen, um das besser zu können, bitte ich dich mein Schwert und damit mich als Beschützer anzunehmen. "

Er greift mit seinem gesunden Arm nach seinem Schwert und hält es mir schließlich auch mit seiner verletzten Hand hin.  Auch wenn ich vorher gesagt hätte, dass ich ihn nicht als Beschützer brauche, sehe ich zum ersten Mal etwas verletzliches in seinem schmerzverzerrten Blick. Langsam berühre ich das Schwert und antworte: ,,Ja, ich nehme dein Schwert und damit dich an."

Es scheint das Richtige gewesen zu sein, denn ich habe zwar keine Ahnung was man bei so etwas sagen sollte, aber er nickt und bei uns beiden beginnt der eine Oberarm zu leuchten. Als ich mein Shirt ein Stück nach unten schiebe sehe ich etwas, dass vergleichbar mit einer Tätowierung ist. Eine kleine goldene Flamme leuchtet auf, wird mit der Zeit aber wieder durchsichtiger.

Mit seiner gesunden Hand nimmt er meine Hand und geht mit mir die Stufen hinunter. Er stürmt das Gebäude entlang und ignoriert die Blicke der Schüler, die sich staunend den blutende Cole ansehen, der mich und einen Drachen hinter sich her zieht. Ich denke wir geben wahrscheinlich einen komischen Anblick ab. Vor allem, da Cole seine Wunde im Prinzip ignoriert.

Im Zimmer angekommen, sichert er die Umgebung und befiehlt seinem Panther auf mich Acht zu geben. Ich sitze dort auf dem Bett und starre die Wand an.

Es ist meine Schuld. Ohne mich hätte er sich nie verletzt. Er hat sich nur verletzt, weil er von dem mysteriösen Direktor dazu gezwungen wurde. Ich fühle mich leer und versuche mich daran zu erinnern, wer so sauer sein sollte, dass er dieses Ding auf mich hetzt.
Und das ist mehr als schwer, denn ich war ja nie ein Engel. Sogar ein paar Götter hassen mich...ein paar von denen habe ich abgezockt. Beim Poker kenne ich nunmal keine Grenzen und es könnte sein, dass ein paar Götterartefakte in meinem Besitz sind und ja vielleicht habe ich mich mal in den Sitz eines Gottes eingeschlichen und habe aus Versehen eine extrem wertvolle Vase umgeschmissen. Und das ist nur ein kleiner Brocken meiner kleinen Fehltritte. Es könnte buchstäblich jeder sein. Nicht gut.
Ich weiß auch nicht, warum ich es darauf angelegt habe, vielleicht, weil jeder der mich jetzt hasst, zuerst etwas Schlimmes gemacht hat. Natürlich ist dieses ,,Der hat angefangen" nicht gültig, aber in dem Moment hat mich das herzlich wenig interessiert.

Ich seufze und schlafe nach einer Weile vor Erschöpfung ein.

~♡~

Ich stehe mit Kayla und den anderen vor den Klassenräumen und bin heilfroh, dass ich wieder in den Unterricht darf. Nach meinem Fluchtversuch meinten alle, es wäre besser, wenn sie wenigstens wüssten, wo ich bin. Cole hat einen Verband um seine Wunde gewickelt, aber niemand traut sich ihn zu fragen, woher er die Verletzung hat, bis Kayla es entdeckt und direkt das anspricht, was sich andere in der Umgebung ebenfalls fragen.

,,Hey, Cole, was ist da mit deinen Arm passiert?",fragt Kayla forsch.

,,Ich wurde aufgespießt.", antwortet er mit neutralem Ton und füttert währenddessen seinen Panther.

Kayla schnappt nach Luft, wie unsere anderen schockierten Mitschüler, während Nathan trocken sagt: ,,Du hast dich verletzt? Oh...stimmt, du bist demoliert. Brauchst du Wasser? Meine Maschienen brauchen immer ein bisschen Öl und eine Grundüberholung."

Cole beginnt zu lachen und schlägt das Angebot ab.

,,Was machen wir diese Stunde eigentlich?", frage ich neugierig, als ich den heutigen Plan betrachte.

,,Naja, wir trainieren alle zusammen unsere Kräfte. Unsere Seelentiere warten an der Seite und wir lernen unsere individuellen Fähigkeiten zu trainieren. Dafür werden wir in Gruppen, je nach Stärke eingeteilt ", antwortet Kayla, die sich wieder gefangen hat und immer noch den Verband mustert.

Da bin ich gespannt. Schließlich habe ich keine Vorstellung von den Fähigkeiten der anderen, oder meinen.

~♡~

Nach einer Weile werden wir hineingebeten und ein Raum mit den verschiedensten Dingen erwartet uns. Wir werden begrüßt und begeben uns zu zugewiesenen Plätzen.

Kayla geht ein paar Schritte zu Cole und hält ihre Hände auf Coles Wunde. Grünes Licht erfüllt den Raum und Cole zieht seinen Verband zu meinem Erstaunen aus und schaut auf seine perfekte Haut. Es sieht aus als wäre nie etwas gewesen. Kayla verzieht leicht das Gesicht und geht zurück zu ihrem Platz.

,,Sehr geehrte Schülerschaft, heute wird ihr Fähigkeitslevel getestet und sie werden anschließend der Stärke nach zu geordnet. ", beginnt ein Lehrer namens Magus.

Magus geht mit einem Brett um und schaut sich die Fähigkeiten der verschiedenen Schüler an.

Kayla zieht ihren Pullover aus und schiebt den Ärmel ihres T-Shirtes ein Stück hoch um sich unauffällig mit ein paar Kräutern darum zu kümmern.

Das kann sie also. Sie kann anderen ihre Verletzungen nehmen, aber es sieht aus, als hätte sie starke Schmerzen. Nach ein paar Sekunden, sieht man wie alles verheilt ist und sie ihren Arm wieder bewegen kann.

,,Kayla, ist das deine Fähigkeit?"

,,Ja, zum Teil. Ich kann anderen ihre Verletzungen nehmen und heile anschließend ungewöhnlich schnell. Ich kann aber auch alle Schlösser Knacken, und so gut wie alles hacken...aber das soll nicht jeder wissen.", antwortet sie mit einem Augenzwinkern.

,,Wie kommt es, dass die Tochter des Hermes die Fähigkeit hat zu heilen?", frage ich verwundert.

Sie zögert einen Moment und schiebt sich eine Strähne hinter das Ohr, bis sie zögerlich antwortet.

,,Naja, mein Vater meinte es liege an meiner Mutter. Aber ich weiß es nicht wirklich. Ich weiß nur, dass ich ein bisschen schneller heile, das nervige Kribbeln habe ich aber trotzdem. Und manche Krankheiten, oder Verletzungen kann selbst ich leider nicht heilen.", letzteres sagt sie leiser und sie wirkt als wäre sie woanders. Als würde sie die Schatten ihrer Vergangenheit sehen.

Als der Inspektor bei Nathan ist, schaut er Nathan erwartungsvoll an. Dieser schaut ihn nur mit einer hochgezogenen Augenbraue an und sagt: ,,Ich werde meine Fähigkeit jetzt nicht einsetzen. Ich habe es einmal unter Zwang gemacht, das muss reichen."

Magus schaut ihn verärgert an und erwiedert: ,, Du musst jetzt aber was zeigen. Warum, willst du deine Fähigkeit, Dinge, die die Zukunft beeinflussen nicht jetzt nutzen?"

,,Weil es unnötig wäre. Und ich gerade an was anderem baue, und meine Energie in kein unnötiges Projekt reinstecke. Und ich weiß, dass sie gerne eine göttliche Waffe hätten und ich baue keine Waffen.", erwidert Nathan eiskalt und Dave, sein Chamäleon reicht ihm einen Schraubenschlüssel, den Nathan dankbar ergreift und an irgendwas rumschraubt.

Magus rauft sich die Haare und geht mit einem bösen Blick auf Nathan weiter.

Er geht zu dem schlafenden Cole, holt aus, um diesen zu schlagen und ich hätte damit gerechnet, dass sich sein zähneflechender Panther aus ihn stürzt, aber bevor seine Hand Cole trifft liegt er am Boden.

,,I...ich bin wach!", schreit Cole und blinzelt verschlafen, bis er erstaunt den Magus auf dem Boden liegen sieht.

,,Aber sie offenbar nicht. Was machen sie denn auf dem Boden? Sollten sie nicht ihren Job machen?", fragt er Magus, dem der Schrecken in den Knochen sitzt und der seine ganze Verärgerung über Nathan vergessen zu haben scheint.

,,Ja, Cole. Danke für den Hinweis.", antwortet der Magus zähneknirschend.

,,Kein Ding" , antwortet Cole und zieht den riesigen Magus mit einer lässigen Bewegung wieder nach oben, wonach er sich wieder bequem auf seinen Platz setzt.

Er geht schnell ein paar Schritte weiter und schaut Celine an.

,,Celine? Hallo? Was kannst du?", fragt er ungeduldig.

Celine beachtet ihn nicht und begutachtet ihr Werk im Spiegel.

,,Sieht man das nicht?", fragt sie hochnäsig.

,,Ähm, nein. Du kannst dich schminken?", fragt der Magus.

,,Nein, ich bin die Königin der Schönheit. Und komme ganz und gar nach meiner Mutter."

,,Das bedeutet ...du kannst was?", fragt der entnervte Mann.

,,Dinge verschönern! Wovon sie offensichtlich wenig Ahnung haben. Ich habe ein Gespür für Dekoration. "

Toll. Sie kann dekorieren? Und hat sie sich gerade wirklich "Königin der Schönheit" genannt? Da wäre ich bei meiner Mutter vorsichtig, den Titel hat sie für sich beansprucht.

,,Super, danke Celine."

Bevor er Jake bitten kann, seine Kräfte zu zeigen, fliegt Magus mit einem heftigen Windstoß nach oben und wird von einer Gewitterwolke geärgert, welche ihn vollregnet und er wird von einem Blitz getroffen. Autsch.

Als er sich befreien kann, murmelt er: ,,Manchmal hasse ich meinen Job".

,,Ups. Das war so nicht geplant.", sagt Jake und lässt das Gewitter verschwinden.

Er notiert sich auch das und kommt nach einer Weile zu mir.

,,Was kannst du, Claire?"

,,Keine Ahnung.", antworte ich ehrlich.

Aber wenn ich er wäre, würde ich versuchen, nicht herauszufinden, was meine Fähigkeiten sind. Das könnte Ewigkeiten dauern.

Als meine Haut und meine Klamotten sich ändern und ich plötzlich größer bin, als zuvor bin ich extrem verwirrt.

,,Witzig. Du kannst als die Gestalt von anderen annehmen. ", antwortet der Magus und dreht sich zu den nächsten Schülern um.

Warte was? Kayla schaut mich stirnrunzelnd an und klaut sich von der meckernden Celine einen ihrer tausend Spiegel.

Ich erblicke das Gesicht des Magus und das im Detail. Vielleicht sind meine Fähigkeiten doch nicht vollkommen nutzlos.

Ich denke bewusst daran mich zurückzuverwandeln und nach ein paar Minuten sehe ich wieder mich. Super. Was kommt als nächstes? Verwandele ich mich in einen Vogel?

Und kaum kommt mir der Gedanke, schon bin ich sehr viel kleiner und habe auf einmal Federn. Wie komm ich da nur wieder raus?

Ich habe langsam einen Vogel. Und einen Drachen.

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