Concrete to Leather

Ich habe letztes Jahr im Dezember bei der #mybookchallenge von Books on Demand teilgenommen, und die Vorgabe für Tag 11 lautete: Schreib eine Szene darüber, wie du mit einem deiner Charas auf ein Konzert gehst. Was irgendwie doof ist, wenn man Fantasy schreibt, und es dort höchsten Konzerte fiktiver Spielmannstruppen gibt.

Also habe ich kurzerhand das Shattered Worlds 21st century AU ins Leben gerufen, etwas, worüber ich sowieso viel zu viel nachdenke - was würden meine Charas um Sindrak im 21. Jahrhundert unserer Welt tun, wenn es auch hier Anima und Alte Völker und so fort gäbe? - und habe eine nette kleine Story geschrieben, wie es wohl wäre, mit meiner schiefzahnigen Trash-Nutte Attica auf ein Konzert zu gehen. Eines von IDLES.

Musik ab.

https://youtu.be/dEe4i2osF5A

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Der Boden unter meinen Füßen bebte. Dumpfe Bässe ließen meinen Körper erzittern, bereits jetzt, eine Wand und eine stählerne Tür vom Saal entfernt, so laut, dass ich meine eigenen Schritte kaum hören konnte. Graffittis, kunstvolle bunte und solche, die nur billige Schmierereien waren, verunzierten die blanken Betonwände. Ein Hauch von brachialer Energie hing in der Luft, ein Zittern in meinen Gliedern, von Vorfreude, Lärm, von Blut und fliegenden Zähnen und sprühendem Geifer. Ich rückte meine Lederjacke zurecht, meine Pistole drückte gegen meine Rippen. Doch ich würde sie nicht brauchen. Attica hatte es mir verboten.

Das Drachenblut schritt voran, jeder humpelnde Schritt ein kleiner Sprung. Ich ahnte, dass das, was ich in dem engen, kahlen Gang spürte, ihren Körper schier brennen lassen musste, angefacht von dem Kokain, das mit dem Bass durch ihre Adern pulsierte. Selbst das schummrige grüne Neonlicht konnte ihr Alter nicht verbergen. Flocken rieselten bei jeder Bewegung von ihren Hörnern auf ihre Schultern nieder und blieben an den Haaren ihres schäbigen Hyänenpelzmantels hängen. Ihre gesprungenen Schuppen schienen beinahe schwarz im schummrigen grünen Neonlicht.

Aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, wie Scarlet hinter mir sich die schwarz gefärbten Haare neu zusammenband. Ihre Augen und Lippen schienen wie schwarze Flecken, drei Löcher in einem Herz aus neongrünem Licht. Piercings schimmerten in ihrer Nase und ihren spitzen Elfenohren.

Ein paar Mädchen zogen ihren Lippenstift vor dem verschmierten Spiegel im Gang neben den Toiletten nach, doch räumten anstandslos den Weg vor uns. Attica hatte eine Präsenz, die die meisten einschüchterte. Wenn diese nicht reichte, dann ihr Aussehen, ihre Größe, die Narben auf ihrem Drachengesicht, die Verachtung in ihren gelben Augen, das Messer in ihrem Gürtel, das sie nie verbarg.

Attica blieb vor einer stählernen Tür stehen und warf mir und Scarlet einen letzten Blick zu, ein verächtliches Halbgrinsen voller schiefer Zähne. Eine Warnung vor dem, was vor uns lag. Eine Drohung, sollten wir versagen. Hinter dem schweren Stahl schien die Hölle zu warten, ein dumpfes, rhythmisches Dröhnen, das Heulen der Verdammten.

Bereits seit einigen Monaten arbeitete ich für sie, hatte für sie gestohlen, bedroht und gemordet, und doch jagte mir dieser Blick wieder und wieder Angst ein. Ich hatte gesehen, was sie mit jenen tat, die versagten, und ich wollte es nicht am eigenen Leibe erleben. Nicht umsonst war sie die Königin jener Straßen, auf denen sich die Clubs aneinanderreihten wie billige Plastikperlen. Nicht umsonst befehligte sie ein Heer aus Schlägern, Gangstern, Dealern und anderem gewaltbereitem Abschaum. Ich erwiderte ihren Blick ausdruckslos, zog mein Messer aus dem Stiefel und verbarg es im Ärmel meiner Jacke.

Attica riss die Tür auf, so heftig, dass sie gegen die Wand knallte, und der Ozean brach über uns zusammen, ein Meer aus aufgepeitschten Leibern, zuckend im Gewitter des Stroboskops, die See bei Sturm unter einem niedrigen Himmel aus Beton, ein einziges, tobendes Wesen, geboren aus dem Animalischen jedes einzelnen. Ein Tosen aus rauem Gesang, dem Heulen und Schnarren von E-Gitarren, Scheppern der Becken und dem dumpfen Donnern von Bass. Ich sah kaum etwas in den flimmernden Blitzen, nur Stacheln aus Licht und Schatten. Rauch kräuselte sich für Sekundenbruchteile in den Strahlen der Scheinwerfer. Ich konnte nicht einmal den Namen der Band auf dem Banner über der Bühne erkennen.

Unbeirrbar führte Attica uns in die Menge, und sie verschlang uns. Das blutdurstige Beben in meinen Gliedern wurde schier unerträglich, mit jedem Speicheltropfen, der von den Zähnen der mitsingenden Fans sprühte, mit jedem hinausgebellten Wort. Es stank nach Zigaretten, nach verschüttetem Bier und altem Schweiß. Meine Hand umklammerte den Griff des Messers, und die Vorfreude, es zu benutzen, jagte einen Schauder über meine Haut, eisig kalt in der feuchten Hitze. Meine Schritte passten sich dem Takt an, mein Puls pochte in meinen Ohren, laut wie der Donner der Bass Drum. Trotz allem waren wir fremd, die einzigen, die nicht tanzten, die einzigen mit einem Ziel, anstatt an Ort und Stelle zu bleiben. Mir war, als könnte ein jeder unsere Absichten aus unseren Augen lesen.

Ich sah unser Ziel bereits, das schweißnasse Bandshirt an den muskulösen Oberkörper geklebt, die tätowierten Arme glänzend im Neonlicht. Wort für Wort schrie er der Band entgegen, mit wild fuchtelnden Gesten, ganz und gar verloren in der Musik. Leichte Beute. Er ebenso wie seine plakativ in billige Anzugjacken und verschwitzte Hemden gekleidete Freunde, die sich nur zu gern als seine Leibwächter ausgaben. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Scarlet zwischen zwei grölenden Männern vorbei drückte, auf die andere Seite der Gruppe. Langsam zog ich das Messer aus dem Ärmel und verbarg es flach an meinem Arm.

Näher und näher schoben wir uns an sie heran. Zwischen ihnen und den Tanzenden hinter uns war kaum genug Platz für mich. Bei jedem ihrer torkelnden Sprünge wurde ich in den ersten Anzugträger gepresst, doch dieser schien mich nicht wahrzunehmen. Nur ein weiterer Gast auf dem Konzert einer Punkband. Seine Jacke war klatschnass. Ich schauderte, diesmal vor Ekel. Neben mir schnappte Attica nach dem Mann hinter sich, ein kurzer Moment voller aufblitzender Zähne, und nahm ihren Platz hinter dem nächsten der Leibwächter ein.

Mein Messer zuckte vor und versank bis zum Heft im Fleisch des Mannes. Heiß und klebrig rann mir sein Blut über die Finger, er taumelte, und mit einem überraschten Keuchen brach er zusammen. Im gleichen Moment versetze der Mann hinter mir mir einen Stoß, ich stolperte über den fallenden Körper und fiel in den Tätowierten. Das Messer rutschte aus meinen Fingern. Meine Hände tasteten hastig nach etwas, was mich vom Fall abhielt, und fanden es. Stoff riss. Jemand warf mich zur Seite.

Metall schlitzte an meiner Seite vorbei, doch meine Lederjacke rettete mich vor einer tieferen Wunde. Schlanke Finger schlossen sich um meine Arme, bewahrten mich vor dem Kontakt mit dem schmierigen Hallenboden, und ich erkannte den scharfen Geruch von Scarlets Parfüm. Der Tätowierte blickte mir fassungslos entgegen, das Shirt vom ohnehin schon tiefen Ausschnitt bis zum Bauchnabel aufgerissen, ein klaffender Riss zwischen den Buchstaben des Bandnamens. Rote Flecken übersäten den weißen Stoff. Er brüllte etwas Unverständliches, Lautes, gestikulierte mit den Flecken an seinem Kleidungsstück, als wäre er nur wütend, dass ich sein Shirt ruiniert hatte.

Die Faust traf mit aller Kraft auf meiner Wange auf und schleuderte meinen Kopf zur Seite. Die Musik wurde dumpf, mein Herzschlag löste das Pochen der Base Drum ab, der aufflammende Schmerz das Wummern der Gitarren. Schwarze Flecken tanzten in meinen Augenwinkeln. Ich wurde aus Scarlets Griff gerissen und taumelte in die Frau in der Reihe davor. Ohne sich umzusehen, stieß sie mich zurück. Mit aller Kraft bemühte ich mich, auf den Beinen zu bleiben, während um mich herum die See aus Menschen tobte, die Tanzenden, die verbliebenen Leibwächter, die nun mit Scarlet und Attica rangen. Niemand nahm Notiz von uns, als sei es in Atticas Clubs gewöhnlich, dass Menschen auf der Tanzfläche starben. Wahrscheinlich war es das sogar. Keuchend blickte ich meinem Angreifer entgegen.

Er war einer der Anzugträger, das Bronze eines Schlagringes glänzte an seiner Faust. Das Gesicht zu einem Wutschrei verzogen, eine wächserne Maske, für Augenblicke vom Stroboskop erhellt, holte er für den nächsten Schlag aus.

Attica packte seinen erhobenen Arm und riss ihn nach hinten. Die Faust traf eine Frau hinter ihr ins Gesicht, wütend stieß sie Attica von sich, und das Drachenblut nutzte den Schwung, um ihn zu Boden zu werfen. Ihr Körper erzitterte unter den zwei Tritten, die sie ihm verpasste. Ich konnte kaum erkennen, wo er lag, zwischen dem Wald aus Beinen.

Der Tätowierte hob eine Hand, und ich erkannte den Gegenstand darin. Eine Pistole. Nicht einmal die Musik würde das Geräusch des Schusses übertönen. Jeder würde es hören, und jeder würde wissen, welch Teufelswerk wir hier vollbrachten. Und auch die Teufelsliebe von Metalheads hatte ihre Grenzen.
Ohne zu zögern stürzte ich mich auf ihn, warf mich mit aller Kraft gegen sein Handgelenk. Seine Augen weiteten sich, doch ich spürte bereits, wie die Waffe an meinem Bein vorbei zu Boden fiel. Ich rammte ihm meine Faust gegen den Kiefer, Blut sprühte.

Dann war Attica dort. Ihr Messer blitzte auf, das Licht enthüllte für Sekundenbruchteile schiefe, gebleckte Zähne, blassrote Schuppen, wie wahnsinnig aufgerissene Augen. Der Tätowierte stolperte zurück, der weiße Stoff des Shirts kaum zu erkennen unter dem Rot, eine Schnittwunde vom Hals bis zur Taille. Fahrig tastete er nach seinem zerschlitzten Hals, Blut rann unter seinen Fingern vorbei.

Aus der Bewegung heraus wandte Attica sich um, verbarg die Klinge unter ihrem Mantel und stürzte sich erneut in das wogende Gewirr der Menge. Grob bahnte sie sich ihren Weg durch die Tanzenden. Scarlet packte mich am Handgelenk und folgte ihr, noch bevor ich mein Messer finden konnte. Nun. Ich würde mir ein neues kaufen müssen.

Der Schmerz pochte noch immer mit der langsam wieder lauter werdenden Musik und dem Adrenalin durch meine Adern. Ein paar Zuschauer bedachten uns mit verächtlichen Blicken, mein anschwellendes Auge, Scarlets Kratzer im Gesicht, die Blutspritzer an Atticas Mantel. Zu schwach für die ersten Reihen, dort, wo der Pit tobt, flüsterten sie.

Als Attica die Stahltür öffnete, hörte ich den ersten Schrei.

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