Gotta Be A Reason
Es gibt Leute, die sagen, es gäbe einen Grund dafür, dass wir auf der Erde wären. Dass jeder Mensch in seinem Leben eine Aufgabe zu erledigen hätte.
Ob dem wirklich so ist, nun, ich wage es zu bezweifeln. Haltet mich ruhig für einfältig, das macht mir nichts aus, ich bin nun mal realistisch und sehe die Welt so wie sie ist. Nicht durch die rosarote Brille, die sich die meisten anderen Leute aufgesetzt haben, weil sie mit der Realität nicht klar kommen.
Ich habe andere Mittel gefunden, um den Schmerz zu betäuben. Zu vergessen, was in meinem Leben alles schief gelaufen ist.
Ich komme regelmässig hier her. Immer dann, wenn ich es nicht mehr aushalte. Die Leute hier kennen mich. Sie haben aufgehört Fragen zu stellen, denn ihnen ist klar, dass sie darauf keine Antwort bekommen würden. Sie lassen mich machen, weil sie wissen, dass ich meine Grenzen kenne. Ich weiss wie viel ich vertrage. Es ist eine Menge. Genug um vergessen zu können, aber zu wenig um meinen Körper vollständig zu vergiften.
Irgendwann habe ich mir vorgenommen, damit aufzuhören und das habe ich auch beinahe geschafft. Seit einem guten halben Jahr habe ich weder diese Bar betreten, noch habe ich auch nur einen Tropfen Alkohol angerührt. Ich lasse die Finger davon, weil ich weiss, dass er das nicht gewollt hätte.
Doch irgendwann kommt bei jedem Mensch der Tag, an dem er schwach wird und bei mir ist dieser Tag heute.
Ich ertrage den Schmerz nicht mehr und ich brauche etwas, in dem ich meinen Kummer ertränken kann. Weshalb also nicht der Alkohol. Die Vorstellung ist so verlockend. Einen Abend lang vergessen. Ja, das ist genau, was ich jetzt brauche.
There's gotta be a reason that I'm here on Earth
Gotta be a reason for the dust and the dirt
The changing of the seasons never changed my hurt
So what's it worth, what's it worth
Worth another shot of whiskey and another sip of gin
Another drop of poison that is slowly sinkin' in
If we're going down together better take another hit
We won't be here forever so let's make the best of it
In meinen Ohren erklingt dieses eine Lied. Die Klänge die aus meinen Kopfhörern ertönen treffen mich jedes Mal wieder aufs Neue bis aufs Mark und ich unterdrücke ein leises Schluchzen.
Es war sein Lieblingslied. Damals habe ich das nicht verstanden. Vielleicht weil ich die Bedeutung des Textes nicht wirklich erfasst habe. Ich habe nur die Melodie wahrgenommen. Die von Trauer erfüllten Klänge, doch ich habe es einfach nicht verstanden. Weshalb hörst du so traurige Musik, Jimin?, habe ich ihn damals gefragt. Weil sie schön ist, hat er darauf nur erwidert.
Heute verstehe ich, was er damit gemeint hat. Ich verstehe so vieles. Damals war ich naiv. Ich dachte uns gehört die ganze Welt. Dass wir unsterblich wären und vielleicht waren wir das ja auch. Für einen kurzen Moment.
Es gab damals nur uns beide. Er war für mich wie ein kleiner Bruder. Mein bester Freund. Er war alles für mich, denn ich hatte ausser ihm niemanden mehr. Jetzt habe ich nicht einmal mehr ihn.
Es war dieser Sommer, in dem wir beschlossen haben, gemeinsam ans Meer zu fahren. Jimins Onkel besitzt ein Strandhaus, das er uns damals für drei Wochen überlassen hat.
Dieser Sommer war unglaublich. Es war beinahe so, als wäre die Zeit stillgestanden. Viel zu schnell hat mich die Realität eingeholt und sie ist so viel grausamer, als ich es hätte ahnen können.
Der Sommer hatte sich bereits dem Ende geneigt, als das Schicksal beschloss mein Leben für immer zu verändern. Schon seltsam, wie willkürlich solche Dinge geschehen. In einem Moment ist alles noch in Ordnung und im nächsten siehst du deine ganze Welt vor deinen Augen zusammenbrechen.
Im Nachhinein denke ich, dass es meine Schuld ist. Ich hätte auf ihn aufpassen müssen, doch das habe ich nicht getan. Wir haben uns am Abend zuvor gestritten. Es ging um etwas belangloses, nichts was diesen Streit wert war, doch das ist bei den meisten Streits so, nicht wahr?
Als ich am nächsten Morgen aufgestanden bin, war Jimin nicht da, doch ich habe mir nichts dabei gedacht. Vermutlich wollte er mir nach dem Vorfall des vergangenen Tages einfach aus dem Weg gehen. Wie konnte ich auch ahnen, dass er sich alleine ins offene Meer hinaus wagt, um surfen zu gehen. Nicht dass er es beherrschte. Ich weiss noch heute nicht, was er sich dabei gedacht hat und ich werde es auch nie erfahren.
Eine einzelne Träne rinnt mir bei diesem Gedanken die Wange hinunter. Schnell wische ich sie weg. Es ist mittlerweile genau ein Jahr her, doch der Schmerz hat deswegen nicht nachgelassen. Ich frage mich, ob er das jemals tun wird. Ob ich jemals wieder ein normales Leben werde führen können, ohne ständig sein Gesicht vor Augen zu sehen und mich zu fragen, ob ich ihn hätte retten können.
Vielleicht wenn ich nur ein kleines bisschen eher an den Strand gekommen wäre. Oder ein besserer Schwimmer wäre. Jimin hat mich stets damit aufgezogen, doch ich habe immer abgewunken. Solange ich mich über Wasser halten kann, reicht das vollends aus, Jiminie. Niemand hat mir gesagt, dass ich irgendwann noch eine zweite Person über Wasser halten muss.
Ich sehe dieses Bild noch immer jede Nacht in meinen Träumen. Jimin, der strampelnd versucht gegen die Wellen anzukommen. Er hatte schlichtweg keine Chance. Als ich bei ihm ankam, war es längst zu spät, doch das habe ich in diesem Moment nicht einmal realisiert. Verzweifelt habe ich versucht uns beide wieder an den Strand zu befördern, aber ich scheiterte kläglich.
Vermutlich wäre auch ich ertrunken, wenn nicht ein Jogger, der frühmorgens am Strand entlang gelaufen war ein Team von Rettungsschwimmern alarmiert hätte, die uns anschliessend aus dem Wasser gezogen haben. Sie sagen, dass Jimin zu diesem Zeitpunkt bereits tot war. Ich wollte das nicht wahrhaben. Ich erinnere mich daran, wie ich geschrien habe. Ich wollte, dass sie meinem Bruder helfen, anstatt mir. Weshalb sorgen sich alle nur um mich? Wieso kümmert sich denn niemand um ihn?
Vermutlich werde ich diesen Anblick nie wieder vergessen können. Wie er da lag, vollkommen regungslos. Man sagt immer, die Toten sähen friedlich aus. So als würden sie bloss schlafen. Jimin sah nicht friedlich aus. Die Panik die ihn draussen im offenen Meer ergriffen haben musste, stand ihm selbst im Tod noch immer allzu deutlich ins Gesicht geschrieben.
Es ist als ob mich diese Bild verfolgen würde. Ich habe seit seinem Tod keine einzige Nacht mehr durchgeschlagen, weil ich ihn jedes Mal, wenn ich die Augen schliesse vor mir sehe und deshalb von Albträumen geplagt werde.
Mit dem Alkohol wird es besser. Zumindest für einen kurzen Moment, in dem ich vergessen kann. Der Satz 'Den Kummer in Alkohol ertränken' trifft meine Situation ziemlich genau. Eigentlich ironisch, wenn man bedenkt, wie Jimin gestorben ist.
Vielleicht ist das auch mit ein Grund, weshalb ich eigentlich die Finger davon lassen wollte. Doch heute kann ich nicht ohne. Heute jährt sich sein Todestag zum ersten Mal. Ich kann kaum glauben, dass er nun bereits seit einem Jahr weg ist. Es ist noch immer völlig surreal, wenn ich daran denke. So unwirklich, als wäre alles nur ein böser Traum aus dem ich einfach nicht erwache.
Wenn es doch nur ein Traum wäre.
Walking down to the burial ground with a sad song in his brain
General Cloud is an old man now but it feels like yesterday
He was on the front lines, stranded on the beach
Crawling to his best friend, floatin' in the sea
But he didn't make it, he still can't believe
How arbitrary fate is, he says...
Es mag stumpfsinnig erscheinen, doch der Alkohol hat noch nie seine Wirkung verfehlt und das tut er auch heute nicht. Ich merke bereits, wie er mir zu Kopf steigt, doch das ist nicht genug. Ich will vergessen. Nur für einen Abend nicht mehr diesen Schmerz fühlen.
Ich sitze alleine an der Bar. Es ist beinahe so, als wäre irgendeine Warnung auf meine Stirn geschrieben. Die Leute machen automatisch einen grossen Bogen um mich. Vielleicht haben sie Angst, dass dieser Kummer, den ich stets in den Augen trage ansteckend ist. Falls dem so wäre, kann ich sie beruhigen. Um so zu fühlen, muss man zuerst selber einen Verlust durchleben, ansonsten ist es wohl kaum nachvollziehbar, wie ich fühle. Ich hoffe für jeden einzelnen Mensch da draussen, dass sie diesen Schmerz nie erfahren müssen. Einen Schmerz den ich nun zu betäuben versuche.
Ich winke den Barkeeper heran. Nicht zum ersten Mal an diesem Abend. Der junge Mann kommt zaghaft zu mir rüber. Mit einer stummen Aufforderung schiebe ich ihm das leere Whiskey-Glas hin und warte darauf, dass er mir nachfüllt. Ich sehe wie er zögert. Wie er mit sich selbst ringt. Doch das hier ist sein Job. Der Kunde ist nun mal König und er weiss dass, sollte er sich widersetzen, ich ihn bei seinem Chef anschwärzen könnte. Nicht, dass ich das tun würde, aber woher soll er das wissen?
Er ist neu hier oder ich habe ihn zumindest noch nie zuvor gesehen. Er kennt mich nicht - im Gegensatz zum Rest, der hier in dem Schuppen arbeitet. Es gab Zeiten, da habe ich beinahe jeden Abend hier verbracht, bis ich irgendwann eingesehen habe, dass es sinnlos ist, sich Tag für Tag zu betrinken. Man fühlt sich nicht besser am nächsten Tag. Im Gegenteil, man fühlt sich beschissen.
Ich konnte Jimin damals beinahe hören, wie er mich zurecht gewiesen hätte. Was hätte ich dafür getan, dass er das wirklich täte.
Doch irgendwann musste ich einsehen, dass es nichts brachte. Jimin würde nicht zurückkehren, anders als die Erinnerung, die jeden Morgen schlimmer zurückkehrte, als noch am Tag zuvor.
Also liess ich es sein.
Ich hätte wissen müssen, dass ich es irgendwann nicht mehr aushalte. „Tut mir leid Jimin", flüstere ich, bevor ich das Glas an meine Lippen ansetze. Ich weiss nicht einmal, wofür ich mich entschuldige. Dafür dass ich wieder trinke oder dass ich nicht in der Lage war ihn zu retten. Vielleicht ist es ja auch beides.
Viel zu schnell leere ich das Glas und stelle es unsanft wieder auf dem Tresen ab. Langsam hebe ich den Kopf und bemerke, dass der junge Barkeeper mich die ganze Zeit über beobachtet hat. „Du starrst", informiere ich ihn, worauf sich eine sanfte Röte auf seine Wangen schleicht, doch anders als erwartet, wendet er sich nicht von mir ab, sondern sieht mich einfach nur weiter an. Ich runzle leicht irritiert die Stirn, schiebe ihm dann in einer auffordernden Geste mein Glas hin.
„Du solltest nicht so viel trinken", meint er und ich kann den besorgten Unterton in seiner Stimme wahrnehmen. Ich schnaube und verdrehe die Augen. Als ob ich das nicht selbst wüsste, doch es ist ganz bestimmt nicht seine Aufgabe, mich darauf aufmerksam zu machen. Seine Einstellung ärgert mich und das gebe ich ihm auch gleich zu verstehen. „Du solltest deine Meinung für dich behalten und einfach nur deinen Job machen. Ich weiss schon, wie viel ich vertrage und jetzt bitte...", sage ich gedehnt und werfe einen bedeutungsvollen Blick auf das leere Glas, das noch immer zwischen uns steht.
Ich kann ein leises Seufzen vernehmen, dass seine geschwungenen Lippen verlässt, bevor er meiner Bitte schliesslich nachkommt. „Gutheissen tue ich das trotzdem nicht", meint er, als er mir das volle Glas wieder hinschiebt. Ich zucke lediglich mit den Schultern, schliesslich habe ich ihn ja auch nicht nach seiner Meinung gefragt.
Ich erwarte, dass er sich nun wieder seiner Arbeit zuwendet, doch das tut er nicht. Stattdessen sehe ich, wie er mich mit schief gelegtem Kopf betrachtet. „Hast du eigentlich nichts besseres zu tun?", fragte ich beinahe ein wenig entnervt, worauf er mit einem leichten Grinsen auf den Lippen den Kopf schüttelt. „Unter der Woche ist hier nicht sonderlich viel los", erwidert er hier und deutet mit einer ausladenden Handbewegung durch die halbleere Bar.
Diesmal bin ich es, dem ein Seufzen über die Lippen kommt. So schnell würde ich den Jungen wohl nicht mehr loswerden. Resigniert hebe ich den Kopf und sehe ihn das erste Mal an diesem Abend richtig an. Er ist definitiv nicht unattraktiv. Dunkle Haare umrahmen sein ebenmässiges Gesicht auf dem sich ein breites Lächeln erstreckt. Er ist hübsch, doch das ändert nichts an der Tatsache, dass ich es seit Jimins Tod vermeide, eine Beziehung einzugehen. Es ist nicht so, dass ich Jimin geliebt habe, nicht auf diese Weise. Eher so, wie man einen kleinen Bruder liebt. Trotzdem schmerzt sein Verlust mich noch immer viel zu sehr, als dass ich mich auf einen anderen Menschen einlassen könnte. Das wäre dieser Person gegenüber nicht fair.
Doch die Art wie mich der junge Barkeeper ansieht, lässt mich nicht kalt und das nervt mich. Ich will nicht so empfinden. Dafür ist es noch zu früh.
Ich versuche seinem Blick auszuweichen, doch er schaut mich weiter unentwegt an. „Weshalb siehst du mich so an?", frage ich schliesslich, als ich es nicht mehr aushalte. Der Dunkelhaarige zuckt lediglich mit den Schultern, bevor er mir antwortet. „Weil du schön bist", erwidert er unbedarft, ohne zu ahnen, was diese Worte in mir auslösen.
Weil sie schön ist.
Es ist als würde eine kalte Hand nach meinem Herz greifen und es zwischen ihren Fingern zerquetschen. Falls ich zuvor einen leichten Anflug eines Lächelns im Gesicht getragen haben sollte, so ist dieser nun wie weggewischt. Mein Blick wird starr und ich greife wie in Trance nach dem Whiskey-Glas und stürze den Inhalt meine Kehle hinunter, bevor ich es dem Dunkelhaarigen vor die Nase knalle.
Überrascht sieht er mich an. „Habe ich etwas falsches gesagt?", fragt er verunsichert. Ich antworte nicht, genauso wie ich es vermeide, ihn anzusehen.
Er scheint noch einen Moment zu warten, bevor er sich schliesslich mein Glas nimmt und es wieder auffüllt. „Es tut mir leid", meint er und reicht es mir, doch dann wendet er sich von mir ab. Ich hebe den Kopf und sehe ihm nach. Ja, mir auch...
Ich weiss nicht genau, wie lange ich noch dort an der Bar hocke, geschweige denn, mein wievieltes Glas ich da vor mir stehen habe. Das einzige was ich weiss ist, dass ich mittlerweile sturzbetrunken bin. Nicht, dass es mir dadurch jetzt besser gehen würde. Im Gegenteil mir geht es beschissen. Der Alkohol hat diese Mal wohl seine Wirkung verfehlt, doch vermutlich bin ich daran selbst schuld. Ich habe es übertrieben. Das ist mir zuvor noch nie passiert.
Ich erhebe mich von dem Barhocker. Die Welt um mich scheint sich zu drehen und ich muss mich erstmal an der Theke festhalten, um nicht gleich hinzufallen. Ich habe es wohl wirklich übertrieben. Für einen kurzen Moment verharre ich in dieser Position, bis ich das Gleichgewicht wieder gefunden habe und setze mich dann taumelnd in Bewegung. Mir ist speiübel und ich bete inständig, dass ich es zu den Toiletten schaffe und mich nicht bereits auf dem Weg dorthin übergebe.
Es grenzt vermutlich an ein Wunder, doch es reicht mir tatsächlich bis in eine der Klokabinen. In diesem Moment schwöre ich mir, dass ich nie wieder Alkohol anrühren werde oder zumindest nicht mehr in diesem Ausmass. Auf eine Wiederholung dieser Erfahrung kann ich echt verzichten.
Ich betätige die Spüle und lasse mich dann erschöpft gegen die dünne Wand der Kabine sinken und lege den Kopf auf meine angezogenen Knie. Ein leises Wimmern entflieht meiner Kehle. Vor meinem inneren Auge sehe ich wieder sein Gesicht. Wenn er mich jetzt nur sehen könnte, er wäre entsetzt davon, was aus mir geworden ist. Ich bin am Ende. Nichts weiter als ein Häufchen Elend.
Nachdem ich einige Minuten in dieser Position verharrt bin, höre ich plötzlich von draussen Schritte. Erschrocken hebe ich den Kopf und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich halte die Luft an und bete dafür, dass es einfach nur ein weiterer Besucher ist, der kurz auf die Toilette muss. Natürlich werden meine Gebete nicht erhört, denn kurz darauf kann ich ein leises Klopfen an meiner Tür vernehmen. Ich halte die Luft an. Vielleicht wenn ich nicht reagiere geht er wieder weg.
„Ich weiss dass du da drin bist", erklingt die sanfte Stimme des jungen Barkeepers von vorhin. Ich rühre mich keinen Millimeter. Ich will nicht, dass mich jemand in dieser Verfassung sieht, schon gar nicht der gutaussehende Dunkelhaarige. Der einzige bei dem ich das zulassen würde, war Jimin. Ich muss mich dazu zwingen, nicht laut aufzulachen. Wenn Jimin hier wäre, dann wäre ich nicht in dieser Situation. Dann wäre nichts von all dem passiert.
Erneut ertönt das Klopfen, diesmal energischer. „Bitte mach auf, ich will dir doch nur helfen." Und was wenn ich deine Hilfe nicht will, denke ich zynisch, doch was ich sage ist etwas anderes. „Geh weg." „Wenn du die Tür nicht öffnest, sehe ich mich gezwungen sie einzutreten", erwidert er und obwohl ich sein Gesicht nicht sehe, weiss ich dass er das vermutlich sogar tun würde.
Ich lege den Kopf in den Nacken und unterdrücke ein leises Stöhnen, bevor ich mich mühsam aufrapple und anschliessend die Tür öffne. Dem Dunkelhaarigen entrinnt ein erleichtertes Seufzen, doch als er mich genauer betrachtet, zieht sich eine tiefe Sorgenfalte über seine Stirn. „Du siehst nicht gut aus", meint er leise, doch ich schüttle abwertend den Kopf. „Ich muss mich bloss hinlegen, dann wird das schon wieder."
Er beisst sich unschlüssig auf die Unterlippe und mustert mich eingehend. „Ich kann dich nach Hause bringen, wenn du willst", schlägt er nach kurzem Zögern vor, worauf ich aber nur wieder den Kopf schüttle. Er soll nicht noch mehr Umstände wegen mir haben. „Ich kann schon alleine nach Hause", erwidere ich abwehrend und mache dann Anstalten, mich an ihm vorbei zu schieben. Erneut erfasst mich ein starker Schwindel und ich sehe mich gezwungen, mich an der Wand abzustützen.
Ich fluche leise und blinzle dann ein paar Mal, bis die Welt um mich herum aufhört sich zu drehen. Neben mir kann ich ein leichtes Lachen vernehmen. „Du kannst dich ja kaum auf den Beinen halten", meint er kopfschüttelnd. Ich zucke mit den Schultern. Irgendwie werde ich schon nach Hause kommen und sei es zur Not auf allem Vieren.
„Hör zu meine Schicht ist gleich zu Ende, dann fahre ich dich nach Hause", sagt er bestimmt und ich traue mich nicht, ihm zu widersprechen. Vermutlich hätte das sowieso keinen Sinn, also nicke ich nur resigniert.
Er schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, das ich zaghaft erwidere und legt dann einen Arm um mich, um mich zu stützen. Normalerweise sind mir die Berührungen von Fremden unangenehm, doch dieses Mal macht es mir nichts aus. Ob das nun am Alkohol liegt oder doch an seiner Person sei mal so dahin gestellt.
Er begleitet mich bis an einen der freien Tische, an dem ich mich wie ein Sack Kartoffeln auf einen der Stühle fallen lasse, bevor er sich schliesslich wieder hinter die Theke begibt. Eigentlich nehme ich mir vor ihn zu beobachten, doch als er zwanzig Minuten später wieder neben mir steht, habe ich keine Ahnung, was ich in dieser Zeit so getrieben habe. Ich habe wirklich zu viel getrunken, stelle ich nicht zum ersten Mal an diesem Abend fest.
„Na komm, wir können los", sagt der Dunkelhaarige leise und ich erhebe mich langsam. Ich folge dem jungen Mann nach draussen, wo wir von der lauen Nachtluft empfangen werden. Der Sommer neigt sich mittlerweile dem Ende zu, trotzdem sinkt die Temperatur nachts nicht unter die fünfzehn Grad.
Der Dunkelhaarige geht zielstrebig auf ein kleines Auto zu, bei dem an einigen Stellen bereits der Lack abblättert. Er steckt den Schlüssel ins Schloss, um es aufzuschliessen, bevor er die Tür öffnet und sich hinters Steuer setzt. Ich tue es ihm gleich und lasse mich wenig elegant auf den Beifahrersitz fallen.
Bevor wir losfahren nenne ich ihm meine Adresse. Er startet den Motor und fährt dann los. Die Strasse ist menschenleer und so kommen wir zügig vorwärts. Keiner von uns spricht ein Wort, doch das ist mir gerade Recht.
Nach einer guten Viertelstunde halten wir vor dem Block in dem meine Wohnung liegt. Ich löse den Sicherheitsgurt und will mich gerade bei dem Dunkelhaarigen bedanken, da bemerke ich, dass dieser längst ausgestiegen ist und mir nun die Tür aufhält. Ich schenke ihm ein dankbares Lächeln und steige dann ebenfalls aus. Erneut überkommt mich der Schwindel, doch ich werde von dem Dunkelhaarigen, jungen Mann gestützt.
Gemeinsam betreten wir das Erdgeschoss und ich werde anschliessend von dem Dunkelhaarigen in den Aufzug dirigiert. „Welches Stockwerk?", fragt er über die Schulter. „Viertes", erwidere ich leise und ich kann sehen, wie er den Knopf betätigt. Die Türen schliessen und der Fahrstuhl setzt sich mit einem Ruck in Bewegung.
Als sich die Türen schliesslich im vierten Stockwerk öffnen, trete ich hinaus und der Dunkelhaarige folgt mir. Überrascht schaue ich ihn an. Ich habe eigentlich damit gerechnet, dass er nun wieder nach unten fahren wird. Offensichtlich hat er den verwirrten Ausdruck auf meinem Gesicht bemerkt, denn er lacht leise. „Ich will doch, dass du wohlbehalten in deiner Wohnung ankommst", meint er mit einem verlegenen Lächeln. Ich nicke das ab und mache mich schliesslich an meiner Haustür zu schaffen, doch meine Hände wollen mir in dem Moment einfach nicht gehorchen. Frustriert seufze ich auf und fühle kurz darauf die Finger des jungen Mannes die sich sanft auf meine Hand legen. „Lass mich mal", meint er auffordernd und nimmt mir den Wohnungsschlüssel aus der Hand. Nur wenig später stösst er die Tür zu meiner Wohnung auf und wir treten beide ein.
Ich bemerke wie er sich neugierig umschaut. Ich lasse ihn machen. Viel gibt es nicht zu sehen. Nach Jimins Tod bin ich umgezogen, doch in meiner neuen Wohnung gibt es kaum persönliche Gegenstände. Einzig ein Foto von Jimin und mir, das gleich an der gegenüberliegenden Wand hängt und an dem der Blick des Fremden nun hängen geblieben scheint. Er starrt es einige Sekunden lang an, bevor er sich wieder mir zuwendet. „Du solltest dich jetzt schlafen legen.", meint er leise und ich nicke nur. „Danke fürs nach Hause bringen", murmle ich ebenso leise. Er winkt ab. „Kein Ding", sagt er sanft, bevor er sich umdreht und Sich Richtung Tür bewegt. Ich sehe ihm nach und bemerke, dass ich noch nicht einmal seinen Namen kenne.
„Warte. Wie heisst du eigentlich?", rufe ich ihm hinterher. Er bleibt in der Tür stehen, die Hand bereits auf der Türklinke und dreht sich zu mir um. „Nenn mich Hoseok", ruft er mir mit einem leichten Zwinkern zu, bevor er die Tür hinter sich zu zieht.
Hoseok.
There's gotta be a reason that I'm here on Earth
Gotta be a reason for the dust and the dirt
The changing of the seasons never changed my hurt
So what's it worth, what's it worth
Worth another shot of whiskey and another sip of gin
Another drop of poison that is slowly sinkin' in
If we're going down together better take another hit
We won't be here forever so let's make the best of it
Am nächsten Morgen wache ich mit stechenden Kopfschmerzen auf. Kein Wunder, bei der Menge die ich getrunken habe. Ich stöhne und tappe müde ins Bad, wo ich nach dem Aspirin greife. Es ist lange her, seit ich das letzte Mal so drauf war. Damals war ich jung und wollte mich ausprobieren. Diesmal hätte ich es eigentlich besser wissen müssen.
Seufzend betrachte ich mich im Spiegel über dem kleinen Waschbecken. Ich sehe genauso beschissen aus, wie ich mich fühle. Schnell wende ich den Blick ab und schleppe mich stattdessen in die Küche. Die Anzeige über dem Backofen verrät mir, dass es bereits nach zwölf Uhr ist. Gott, normalerweise stehe ich an freien Tagen spätestens so um zehn auf. Ich lasse mich auf einen Stuhl, der um den kleinen Küchentisch herum steht, fallen und stütze anschliessend den Kopf in den Händen ab.
Man sollte meinen bei meinem Konsum an Alkohol könne ich mich an nichts, was gestern Abend passiert ist erinnern, doch tatsächlich erinnere ich mich noch an beinahe alles. Den Dunkelhaarigen Barkeeper der mich nach Hause gebracht hat eingeschlossen.
Hoseok.
Bei der Erinnerung an seinen Namen fange ich an dümmlich zu grinsen, ohne dass ich etwas dagegen unternehmen könnte. Ich schiebe diese Reaktion auf die Nachwirkungen des Alkohols, schliesslich will ich nichts von Hoseok. Dafür ist es schlichtweg noch zu früh. Zumindest rede ich mir das ein. Die Wahrheit ist, dass ich Angst davor habe, erneut eine Person zu verlieren, die mir viel bedeutet, also lasse ich mich gar nicht erst darauf ein. Ich würde einen weiteren Verlust nicht ertragen.
Trotz aller guter Vorsätze stehe ich am Abend wieder vor der Bar. Nicht um zu trinken, Gott bewahre, von dem Alkohol werde ich wohl in Zukunft wieder eine Weile die Finger lassen. Nein, ich bin wegen Hoseok hier. Der Dunkelhaarige wollte mir den ganzen Tag über nicht aus dem Kopf gehen. Er hat es sogar geschafft, meine Gedanken an Jimin zu verdrängen, was allein schon eine Leistung ist.
Und nun bin ich hier und ringe mit mir selbst, ob es wirklich eine gute Idee ist, jetzt da wieder reinzugehen. Einerseits sollte ich wirklich endlich mal wieder etwas unter die Leute gehen, denn seit Jimins Tod habe ich mich meistens einfach in meiner Wohnung eingeschlossen, habe es vermieden, neue Leute kennenzulernen und meine Freunde nach und nach von mir gestossen. Aber andererseits habe ich ja auch meine Gründe.
Ich seufze und gebe mir einen Ruck. Ohne länger darüber nachzudenken betrete ich die Bar und setze mich dann an den Tresen. Hoseok bemerkt mich erst nicht, weil er damit beschäftigt ist ein paar Typen Drinks auszuschenken, doch als er sich schliesslich umdreht, fällt sein Blick auf mich. Er runzelt besorgt die Stirn und kommt dann zögerlich auf mich zu.
„Hi", sage ich leise, als er bei mir angekommen ist. Er zieht skeptisch eine Augenbraue in die Höhe und mustert mich. „Ich bin nicht hier um zu trinken", sage ich schnell und ich kann sehen, wie der angespannte Ausdruck von deinem Gesicht weicht und stattdessen Überraschung Platz macht. „Und was machst du dann hier?", fragt er ebenso leise. Ein schüchternes Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. „Ich wollte mich bei dir bedanken, dass du mich nach Hause gebracht hast und ich muss mich gleichermassen auch dafür entschuldigen, dass ich mich dermassen hab volllaufen lasse", antworte ich ihm wahrheitsgemäss. Hoseok winkt ab. „Kein Ding", wiederholt er die Worte von gestern Abend. Ich schüttle den Kopf. „Nein, das war nicht selbstverständlich, also danke", sage ich mit Nachdruck und schenke ihm ein leichtes Lächeln, das er nach ein paar Sekunden erwidert.
„Verrätst du mir dann jetzt wenigstens deinen Namen?", fragt er darauf und ich sehe ihn perplex an, bevor mir einfällt, dass ich ihm gestern gar nicht gesagt habe, wie ich heisse. Ich räuspere mich leicht. „Ich heisse Yoongi", antworte ich ihm. Er lächelt und streckt mir dann seine Hand entgegen. „Freut mich dich kennen zu lernen Yoongi", sagt er und ohne gross nachzudenken ergreife ich seine Hand. „Die Freude ist ganz meinerseits", erwidere ich grinsend.
„Kann ich dir etwas anderes bringen? Vielleicht eine Cola?", fragt er und ich nicke. „Cola klingt gut", meine ich, worauf er sich umdreht um meinem Wunsch nachzukommen. Ich beobachte ihn heimlich dabei, er hat mich schliesslich gestern auch den halben Abend angestarrt, da darf ich das jetzt bestimmt auch.
Er dreht sich wieder zu mir um, in der Hand hält er die Cola und natürlich bemerkt er meinen Blick nun sofort. Ein freches Grinsen stiehlt sich auf sein Gesicht. Er tritt zu mir an die Theke und stellt das Glas vor mir ab, bevor er sich leicht zu mir vorbeugt. „Du starrst", sagt er leise. Ich zucke leicht mit den Schultern. „Ich kann nichts dagegen tun", meine ich amüsiert. „Du bist eben schön."
Der zweite Teil rutscht mir so raus, auch wenn es natürlich die Wahrheit ist, aber es ist mir trotzdem peinlich, das einfach so ausgesprochen zu haben. Ich fühle wie eine sanfte Röte sich auf meine Wangen schleicht und versuche dies vor Hoseok zu verbergen, in dem ich mir die Hände vors Gesicht halte. Er lacht leise auf. „Meinst du das ernst?", fragt er vorsichtig nach und ich nicke schnell. Ich würde so etwas nicht sagen, wenn ich es nicht ernst meinen würde.
„Danke", haucht er und ich sehe ihn überrascht an. „Wofür?" „Normalerweise bekomme ich immer nur zu hören, dass ich nicht hübsch genug bin", meint er leise und ich sehe ihn verblüfft an. „Wer sagt das?", will ich von ihm wissen. Für mich ist Hoseok gerade im Moment der schönste Mensch dem ich je begegnet bin und ich kann mir nicht vorstellen, dass es Leute gibt, die ihn als nicht hübsch genug bezeichnen.
„Die Leute von der Schauspielagentur", erwidert der Dunkelhaarige betrübt. „Du bist Schauspieler?", frage ich überrascht, doch er schüttelt den Kopf. „Das war immer mein Traum, aber keiner will mich. Früher da bin ich von einem Casting zum nächsten gerannt, ohne Erfolg. Ich habe mich in dieser Zeit total verschuldet, deshalb arbeite ich jetzt hier. Um irgendwann die Schulden bezahlen zu können", meint er und ich erkenne die Bitterkeit in seiner Stimme.
„Das tut mir leid", sage ich leise, worauf Hoseok kurz freudlos auflacht. „Wieso, du kannst ja nichts dafür", erwidert er und sieht mich fragend an. „Das stimmt schon, aber Hoseok... ganz egal was sie sagen, du bist wunderschön." Ich lächle ihn aufmunternd an und sehe mit Genugtuung, wie ein kurzes Strahlen über das Gesicht des Dunkelhaarigen geht.
„Weisst du, eigentlich ist es in Ordnung, so wie es ist. Ich habe mich viel zu lange an diesem einen Traum von mir festgehalten, dass ich gar nicht bemerkt habe, wie die Welt an mir vorbei zieht. Ich war einfach viel zu fixiert auf etwas, was vermutlich nie eine Zukunft gehabt hätte", meint er und zuckt mit den Schultern, bevor er fortfährt. „Ich schätze manchmal muss man etwas loslassen, um etwas Neues entdecken zu können. Und sieh es mal so, wäre ich jetzt ein Schauspieler, dann hätte ich dich nie kennengelernt", sagt er während er mir zu zwinkert.
Erneut merke ich wie ich rot werde. „Du kennst mich doch gar nicht", erwidere ich ausweichend und er lacht leise. „Ich würde dich aber gerne kennenlernen", sagt er rau, bevor er sich von der Theke abstösst. „Ich bin gleich wieder da", meint er deutlich lauter und ich sehe ihm nach, als er sich auf sich auf die andere Seite der Bar begibt, wo sich vier junge Männer in unserem Alter niedergelassen haben.
Ich muss über seine Worte nachdenken. Auch wenn sich die Situation in der wir uns befinden auf den ersten Blick kaum eine Gemeinsamkeit aufweist, ist sie doch eigentlich recht ähnlich. Während er viel zu lange an seinem Traum Schauspieler zu werden festgehalten hat, klammere ich mich auch nach einem Jahr noch immer verzweifelt an Jimin fest. Hoseok hat irgendwann losgelassen, doch ich kann das nicht. Noch nicht.
Nach einer Weile tritt Hoseok wieder zu mir an den Tresen. „Tut mir leid", meint er entschuldigend, doch ich schüttle den Kopf. „Das ist dein Job", erwidere ich, worauf dem Dunkelhaarigen ein leises Seufzen entweicht. „Ich wünschte mir, dass es nicht so wäre", sagt er leise. „Ich bin es mittlerweile so leid jeden Abend bis spät in die Nacht zu arbeiten."
Ich nicke langsam. Ich kann ihn nur zu gut verstehen, doch es gibt nichts, womit ich ihm hätte helfen können. Ich war selbst nichts weiter als ein Wrack.
„Tut mir leid", sagt Hoseok erneut und schüttelt dann den Kopf über sich selbst. „Ich kenne dich kaum, aber jammere dir die Ohren voll." Er lacht leise. „Meine Mutter sagt immer, man soll das beste aus der Situation machen, in der man sich befindet und ich denke, dass sie damit gar nicht so Unrecht hat."
Ich lächle sanft. „Das klingt so als wäre deine Mutter eine weise Frau", sage ich leise und der Dunkelhaarige nickt zustimmend. „Oh ja das ist sie. Du musst sie unbedingt mal kennenlernen.", meint er und ich sehe ihn überrascht und etwas verlegen an. „Also nur wenn du willst", fügt er schnell hinzu.
„Das würde ich gerne", sage ich leise und ein leichtes Lächeln ziert meine Lippen. Vielleicht ist es ja langsam an der Zeit, wieder neue Menschen kennen zu lernen, nachdem ich mich jetzt ein Jahr lang in meiner Wohnung versteckt habe.
Ein breites Lächeln huscht über Hoseoks Gesicht, bei dem man nicht anders kann, als es zu erwidern. Es wirkt einfach ansteckend. Das ist mir bereits gestern aufgefallen und ich frage mich unwillkürlich, ob ich seit Jimins Tod bereits einmal gelächelt habe und damit meine ich ein echtes Lächeln und nicht dieses falsche Lächeln, das man nur aufsetzt, weil es von einem erwartet wird. Ich glaube nicht, dass ich das getan habe, schliesslich hat mir niemand einen Grund dazu gegeben, doch nun, seit ich Hoseok kenne bin ich quasi im Dauerlächelmodus. Auch jetzt kann ich nichts anderes tun, als den Dunkelhaarigen anzulächeln.
Leider wird mir dieses Lächeln mit Hoseoks nächster Frage aus dem Gesicht gewischt. „Wieso hast du dich gestern eigentlich derart betrunken?", fragt er neugierig, ohne zu ahnen, dass er mir damit einen Schlag mitten in die Magengrube versetzt. Meine Miene wird von einem Moment auf den anderen völlig emotionslos. „Ich möchte nicht darüber reden", sage ich tonlos und wende dann den Blick von dem fröhlichen Gesicht des Dunkelhaarigen ab, doch ich kann aus dem Augenwinkel sehen, wie auch ihm das Lächeln aus dem Gesicht weicht und er mich stattdessen völlig überrumpelt ansieht. Er hat nicht damit gerechnet, dass ich ihn derart abblocken würde, doch ich bin nicht bereit, ihm von Jimin zu erzählen.
„Ich wollte nicht...", setzt er an, doch ich schüttle den Kopf. „Schon in Ordnung", erwidere ich emotionslos und er wendet sich von mir ab, um einen anderen Barbesucher zu bedienen. Anders als vorhin kommt er danach allerdings nicht sofort zu mir zurück. Er albert ein wenig mit den vier anderen Typen herum, doch in seinem Gesicht kann ich sehen, dass er nicht bei der Sache ist. Er sieht immer wieder zu mir herüber und vermutlich fragt er sich, was zur Hölle er falsch gemacht hat, dabei kann er eigentlich gar nichts dafür. Es tut mir leid, dass ich ihn so vor den Kopf gestossen habe, das hat er nicht verdient.
Nach einer Weile stehe ich auf und wende mich zum Gehen. Ich sehe wie Hoseok erstaunt den Kopf hebt und mir nachsieht, doch ich nicke bloss zum Abschied, bevor ich die Bar verlasse. Ich bin kaum ein paar Meter gelaufen, da höre ich hastige Schritte hinter mir. „Yoongi warte!", ruft Hoseok mir hinterher. Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. Er überbrückt die letzten paar Meter zwischen uns und bleibt dann ebenfalls stehen. „Es tut mir leid. Was auch immer ich gesagt oder getan habe", flüstert er und sieht mich dabei traurig an. „Es ist nicht deine Schuld", wispere ich und muss schlucken. Wenn ich ihm doch nur die Wahrheit sagen könnte, doch irgendetwas hindert mich daran und so kann ich nicht mehr tun, als zu versuchen ihm sein schlechtes Gewissen mir gegenüber zu nehmen.
Eine Weile herrscht Stille zwischen uns. Wir sehen nur stumm den jeweils anderen an und hängen beide unseren eigenen Gedanken nach. Irgendwann wirft Hoseok einen Blick auf die Eingangstür der Bar. Er sieht wieder zu mir. „Ich sollte wieder rein", sagt er leise und ich nicke zustimmend. Natürlich, er muss eigentlich arbeiten. „Bis dann Yoongi", wispert er, bevor er sich umdreht und zurück in die Bar geht. Ich stehe da wie angewurzelt. Ich will ihm nachgehen, irgendetwas sagen, doch ich bin wie versteinert und so kann ich nichts anderes tun als ihm nachzusehen, bis er verschwunden ist.
She went down to her job in town with a sad song in her heart
33 with a wasted dream to become a movie star
Living outta suitcase, serving at a bar
Saving up some pennies working after dark
Is she gonna make it, she still can't believe
How arbitrary fate is, she says...
Am nächsten Tag fällt es mir sichtlich schwer, mich auf meine Arbeit zu konzentrieren. Ich habe ich ein schlechtes Gewissen Hoseok gegenüber. Ich bereue meine Reaktion vom Abend zuvor. Doch obwohl ich mich gerne bei ihm dafür entschuldigen würde, zögere ich. Was soll ich ihm denn auch sagen. Er würde es nicht verstehen.
Als endlich Feierabend ist, räume ich mein Zeug zusammen und verlasse dann das Büro in dem ich arbeite. Ich mache mich auf zu der Bushaltestelle und quetsche mich anschliessend zu den anderen Leuten in den eh schon viel zu überfüllten Bus. Ich hasse es mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, doch mit der Zeit gewöhnt man sich an die Menschenmassen. Trotzdem bin ich froh, als ich wieder aussteigen kann. Von der Bushaltestelle ist es nicht mehr weit bis zu dem Block, in dem ich wohne. Eilig laufe ich die letzten Meter bis zu meinem zu Hause und betrete dann die Eingangshalle.
Diesmal nehme ich die Treppe nach oben, so wie ich das eigentlich immer tue, wenn ich nicht gerade betrunken bin. Motivationslos schleife ich mich die unzähligen Stufen bis in den vierten Stock hoch. Dort angekommen fällt mein Blick sofort auf die Person, die neben meiner Tür an der Wand lehnt. Misstrauisch gehe ich auf den jungen Mann zu. Er hat eine Kapuze auf, weshalb ich ihn nicht sofort erkenne, doch als er bemerkt, rappelt er sich sofort auf und streift auch die Kapuze zurück unter der ein dunkler Haarschopf zum Vorschein kommt.
„Hoseok", sage ich überrascht und nehme die Kopfhörer ab, die ich mir zuvor im Bus aufgesetzt habe. „Hi", erwidert er leise, während er am Saum seines T-Shirts herumzupft. „Ich habe mir Sorgen gemacht nach gestern Abend und wollte sehen ob du okay bist. Ich habe es ja leider verpasst, dich nach deiner Handynummer zu fragen", sagt er mit einem schiefen Lächeln. Vermutlich steht mir das Erstaunen nun deutlich ins Gesicht geschrieben. Er hat sich Sorgen um mich gemacht? Wieso? Was hat er für einen Grund dazu?
„Danke... Schätze ich", murmle ich verlegen und ernte dafür ein leises Lachen seitens Hoseok. „Süss", kommentiert der Dunkelhaarige. Ich fühle wie mir die Röte ins Gesicht steigt und wende mich schnell ab, um mich dem Schloss zu meiner Wohnungstür zuzuwenden. „Willst du noch mit rein kommen?", frage ich über die Schulter. „Gerne", meint er und aus dem Augenwinkel kann ich ein breites Lächeln auf Hoseoks Gesicht erkennen.
Ich stosse die Tür auf und gehe dann einen Schritt zur Seite, damit er eintreten kann. Hoseok versteht diese Geste als eine Einladung und schiebt sich elegant an mir vorbei und entledigt sich dann seiner Schuhe, bevor ich ihm sagen kann, dass er diese ruhig anlassen soll. Ich zucke bloss mit den Schultern. Dann eben nicht.
„Ich wollte mir eigentlich eine Pizza bestellen, möchtest du auch welche?", frage ich und sehe mich dann aber verwirrt um. Wo war er eigentlich abgeblieben? „Pizza klingt super", ertönt gleich darauf seine Stimme aus dem Wohnzimmer. Fühl dich einfach wie zu Hause. Seltsamerweise macht es mir nicht mal etwas aus, dass er sich gleich mal selbst umsieht, obwohl es mir sicher bei jedem anderen unangenehm gewesen wäre.
Nachdem ich beim Lieferservice angerufen habe, mache ich mich auf die Suche nach Hoseok. Weit kann er ja nicht sein. Ich finde ihn in meinem Wohnzimmer, wo er es sich aber nicht etwa auf dem Sofa gemütlich gemacht hat, sondern auf dem Boden sitzt und das Bild von Jimin und mir anstarrt. Langsam nähere ich mich ihm und lasse mich dann neben ihm nieder.
„Ist er dein Freund?", fragt er nach einer Weile ohne den Blick von dem Bild zu lösen. Schnell schüttle ich den Kopf. „Er war mein bester Freund. Mein Bruder", sage ich tonlos. Nun wendet mir Hoseok doch seinen Blick zu. „War?", hakt er nach und ich nicke kaum merklich. „Das tut mir leid", flüstert er und ich muss schlucken.
„Tut mir leid, das bekommst du sicher oft zu hören. Ich wollte nicht... tut mir leid", sagt Hoseok geknickt und ich muss trotz allem lächeln, denn der Dunkelhaarige sieht geradezu niedlich aus. Warte, was? Ich schüttle schnell den Kopf. Woher kam denn jetzt der Gedanke.
„Yoongi?", reisst mich der Dunkelhaarige aus meinen Gedanken und ich sehe ihn fragend an. „Was auch immer ich gestern Abend gesagt oder getan habe... es tut mir leid", sagt er leise. Okay, das reicht dann jetzt auch langsam mit dem entschuldigen. „Hoseok", tue ich es ihm gleich. Schnell dreht er seinen Kopf in meine Richtung. „Ja?", fragt er und sieht mich in einer Mischung aus 'unsicher' und 'hoffnungsvoll' an. „Hör auf dich zu entschuldigen", sage ich und er sieht mich überrascht an. „Aber...", setzt er an. „Ich habe dir doch schon gesagt, dass es nicht deine Schuld ist.", falle ich ihm ins Wort. Ich will auf keinen Fall, dass er glaubt er hätte etwas falsch gemacht.
Ich bemerke seinen unschlüssigen Blick und wie er seine Finger nervös in den Stoff seiner Jeans krallt. Sanft lege ich meine Hand auf seine und die Geste zeigt die gewünschte Wirkung. Hoseok setzt sich kerzengerade auf und starrt auf meine Hand. „Du hast alles richtig gemacht Hoseok, okay?", sage ich und sehe ihm dabei tief in die Augen. Er schluckt und erwidert den Blick. „Okay", krächzt er, was mir ein leises Lachen entlockt.
Ich löse meine Finger wieder von seinen und kratze mich dann nachdenklich am Kopf. „Sag mal, wie lange hast du eigentlich da vor meiner Wohnung gesessen", frage ich aus Neugier und sehe wie er errötet, bevor er abwinkt. „Nicht lange. Und einer deiner Nachbarn hat mir gesagt, wann du zurück sein würdest", sagt er verlegen. Vermutlich werde ich nie erfahren, wie lange er auf mich gewartet hat, aber alleine die Tatsache, dass er es getan hat erfüllt mich mit einer Welle von Glücksgefühlen. Ich schüttle leicht den Kopf über mich selbst. Wie war das noch mit 'Ich will keine Beziehung'?
Bevor ich jedoch weiter darüber nachdenken kann, klingelt es an der Tür. Ich komme gar nicht erst dazu mich zu rühren, da ist Hoseok bereits mit einem freudigen Ausdruck im Gesicht aufgesprungen und Richtung Haustür gerannt. Ich kann mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wie ein kleines Kind, denke ich amüsiert. Kurz darauf kommt er mit zwei Pizza-Kartons und einem breiten Strahlen im Gesicht zurück ins Wohnzimmer. „Sofa oder Küche?", fragt er gut gelaunt. Wir entscheiden uns schliesslich für ersteres, weil bequemer und so.
Wir verbringen auch noch den restlichen Abend auf dem Sofa. Hoseok hat irgendeinen Film angemacht und dann locker einen Arm um mich gelegt. Vermutlich damit ich ihm nicht davon laufe. Und auch wenn mich diese Geste erst überrascht hat, habe ich nach einer Weile etwas gegen ihn gelehnt und mich näher an ihn geschmiegt. Er hat das ganze damit quittiert, dass er seinen Arm noch etwas fester um mich geschlungen hat und anschliessend hat er damit begonnen, mir mit der freien Hand durch die mittlerweile etwas zu langen Haare zu fahren, was bei mir ein zufriedenes Brummen hervorlockt. Der Film ist gerade mehr als nebensächlich und als der Abspann über den Bildschirm flackert, habe ich keine Ahnung, worum es überhaupt ging, aber das ist mir egal. Am liebsten würde ich gerade für immer in dieser Position verharren. Ich fühle mich gerade so geborgen und frei von sämtlichen Problemen. Es ist fast so, als würde die Zeit still stehen und ich habe Angst davor was ist, wenn diese weiterläuft. Was sind Hoseok und ich dann? Freunde? Mehr als das? Will ich das überhaupt? Und dann ist da auch noch die Sache mit Jimin. Ob Hoseok mich wohl dafür verurteilen würde, wenn er davon wüsste?
Während ich noch so in meine Gedanken versunken bin, löst Hoseok seine Hand aus meinen Haaren. Erst will ich protestieren, doch dann sehe ich, wie er nach der Fernbedienung greift und den Fernseher ausschaltet. Eine plötzliche Stille liegt im Raum, doch sie ist nicht unangenehm. Wir sitzen noch eine Weile so da, bis ich schliesslich einen Entschluss fasse. „Der Junge auf dem Foto hiess Jimin", setze ich leise an und beisse mir dann unschlüssig auf der Unterlippe herum. Ich habe bisher noch nie mit jemandem über seinen Tod geredet, noch nicht mal mit dem Therapeuten, dem ich zugewiesen wurde. Weshalb ich mich nun ausgerechnet Hoseok anvertraue, ich weiss es nicht. Aber es fühlt sich richtig an, also erzähle ich ihm die ganze Geschichte. Er sagt die ganze Zeit über nichts, sondern hört mir einfach nur zu und als ich anfange seinen Pullover vollzuheulen zieht er mich bloss in eine sanfte Umarmung und ich merke, wie dringend ich das gebraucht habe. „Es ist meine Schuld", schniefe ich an seiner Brust. „Nein ist es nicht. Es war ein Unfall, hörst du. Du trägst keine Schuld", redet Hoseok leise auf mich ein. Ich vergrabe mein Gesicht tiefer im Stoff seines Pullovers, während der Dunkelhaarige mir tröstend über den Rücken fährt.
Nach einer Weile löse ich mich von ihm. Bestimmt sehe ich schrecklich aus, aber Hoseok scheint sich nicht gross daran zu stören. Er lächelt mir nur aufmunternd zu und ich sehe verlegen auf meine Hände. „Tut mir leid, dass ich dich vollgeheult habe", murmle ich peinlich berührt. Er lacht leise. „Wie war das vorhin noch gleich? Ich soll aufhören mich zu entschuldigen?", er sieht mich verschmitzt an und ich kann nicht anders als ebenfalls ein klein wenig zu lächeln.
Er beugt sich zu mir vor und streicht mir eine lästige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich bin froh, dass du es mir erzählt hast", meint er sanft. Ich nicke. „Du bist der erste, dem ich davon erzähle. Ich bin froh, dass ich es getan habe", erwidere ich leise. „Ich weiss nicht ob der Schmerz jemals vergehen wird, aber wir sollten das Beste daraus machen, immerhin hätten wir uns sonst nie kennen gelernt."
There's gotta be a reason that I'm here on Earth
Gotta be a reason for the dust and the dirt
The changing of the seasons never changed my hurt
So what's it worth, what's it worth
Worth another shot of whiskey and another sip of gin
Another drop of poison that is slowly sinkin' in
If we're going down together better take another hit
We won't be here forever so let's make the best of it
Am nächsten Morgen wache ich alleine in meinem Bett auf. Ich blinzle und brauche einen Moment um mich zu orientieren. Ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich hier her gekommen bin und eigentlich bin ich mir auch ziemlich sicher, dass ich gestern halb auf Hoseok eingeschlafen bin. Vielleicht hat er mich ja in mein Bett getragen? Bei dem Gedanken daran werde ich rot. Gut dass ich alleine bin und das niemand sieht. Andererseits, weshalb bin ich eigentlich allein? Wo ist Hoseok?
Ich stehe auf und tapse dann verschlafen vom Schlafzimmer erst ins Wohnzimmer (kein Hoseok) und dann in die Küche, wo ich ihn tatsächlich finde. Er hat sich meine Kochschürze - die ihm viel zu klein ist - umgebunden und steht hinter dem Herd. Als er mich sieht wirft er mir ein strahlendes Lächeln zu, während ich ihn eher ungläubig anstarre. „Guten Morgen", begrüsst er mich gut gelaunt. „Was machst du da?", frage ich lahm. Ja was macht man wohl um diese Uhrzeit in der Küche? „Frühstück. Dein Kühlschrank ist zwar etwas dürftig, aber ich arbeite eben mit dem was da ist", antwortet er fröhlich. Ich beisse mir auf die Unterlippe. „Das wäre echt nicht nötig", sage ich. Da heule ich ihn voll und jetzt macht er mir noch Frühstück. Er lacht leise. „Ich wollte es eben und jetzt kannst du eh nichts mehr gegen machen."
„Danke. Für alles", sage ich leise und auf meine Lippen schleicht sich ein kleines Lächeln. Seit Hoseok in mein Leben getreten ist, scheint dieses auf einmal so viel besser geworden zu sein. Nachdem ich mir gestern alles von der Seele geredet habe, hat es sich so angefühlt, als sei mir eine grosse Last von den Schultern genommen worden. Ich habe ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass es so befreiend sein kann, mit jemandem über Jimins Verlust zu reden, aber das ist es.
Und das sage ich ihm auch. Er ist ein guter Zuhörer und seine obgleich wenigen Worte, mit denen er mich gestern getröstet hat, wirken Wunder. Vielleicht sollte er Therapeut werden. Oder Koch, wie ich gleich darauf feststelle. Gibt es eigentlich etwas, was dieser junge Mann nicht kann? Ich lasse mir das Frühstück das er gezaubert hat auf jeden Fall schmecken, während er mir erzählt, dass er früher wirklich mal Koch werden wollte und dann scherzhaft hinzufügt, dass er es nach dem geplatzten Traum mit der Schauspielkarriere vielleicht wirklich als Koch versuchen sollte und falls das nicht funktioniert, dann wird er einfach mein persönlicher Koch.
Nachdem wir alles aufgegessen haben, machen wir uns daran die Küche aufzuräumen und das dreckige Geschirr abzuwaschen. Ich bin gerade dabei abzutrocknen, als ich hinter mir Hoseoks Stimme vernehme. „Yoongi schau mal", sagt er und ich drehe mich zu ihm um. Er steht mit dem breitesten Lausbubengrinsen, dass ich je gesehen habe hinter mir und ich merke auch gleich wieso, als er mir eine Ladung Schaum zu pustet, der sich überall auf meinem Gesicht verteilt. Für einen kurzen Moment bin ich überrascht, doch dann fange ich mich wieder. „Na warte!", rufe ich. Das schreit nach Rache. Das scheint Hoseok auch zu befürchten, denn noch bevor ich mich irgendwie revanchieren kann, flitzt er davon und lässt mich stehen. Na warte, denke ich erneut und nehme im nächsten Augenblick die Verfolgung auf. Hoseok macht erstmal eine Runde um den Küchentisch, bevor er auf den Gang hinaus rennt und dann im Wohnzimmer verschwindet. Ich beeile mich ihm zu folgen und so kommt es schliesslich, dass wir uns auf je einer Seite des Sofas gegenüberstehen. Ich nehme eine lauernde Haltung ein und beobachte Hoseok bis aufs kleinste Detail. Er würde mir nicht entkommen. Der Dunkelhaarige versucht so zu tun, als würde er nach links rennen, nur um dann trotzdem die andere Richtung einzuschlagen, was ich aber sofort durchschaue und so kommt es, dass ich kurz darauf den Stoff seines Pullovers zu fassen bekomme und ihn so zu Fall bringe. Dumm nur, dass ich gleich hinterher falle, aber im Nachhinein gesehen habe ich, was ich will. Ich richte mich ein wenig auf und sehe triumphierend auf Hoseok, der nun unter mir liegt herab. Leider hält dieser Triumph nicht sonderlich lange, denn bevor ich weiss wie mir geschieht, haben wir unsere Positionen getauscht und nun ist es Hoseok, der auf mich herab sieht. Ich verziehe meine Lippen zu einem Schmollmund und sehe ihn gespielt beleidigt an, was ihm ein herzhaftes Lachen entlockt.
Er rutscht ein wenig nach hinten, so dass ich mich aufrichten, aber ihm nicht davon laufen kann. Clever. Aber nicht wirklich notwendig, denn ich denke im Moment nicht mal im Traum daran wegzulaufen. Ich sehe ihn verträumt an. Das breite Grinsen auf seinem Gesicht macht ihn nur noch schöner, als er eh schon ist.
„Du hast da was", sagt er auf einmal und tippt mit dem Zeigefinger auf meine Nase, auf dem sich noch ein verbliebener Rest Schaum befindet. Ich verschränke die Arme vor der Brust und sehe ihn empört an. „Nun schmoll nicht", sagt er lachend und sieht mir daraufhin tief in die Augen. Unwillkürlich setzt mein Herz einen Schlag aus und meine Atmung beschleunigt sich kaum merklich. „Glaubst du an Liebe auf den ersten Blick?", fragt Hoseok mit rauer Stimme und ich schüttle leicht den Kopf. „Nein", sage ich leise und ich kann sehen, wie sein Blick enttäuscht aufflackert. „Aber Hoseok...", flüstere ich und greife nach seiner Hand. Überrascht hebt er den Kopf und sieht mich an. Ich hole tief Luft. „Das ich nicht daran glaube, das liegt nur daran, dass ich beim ersten Mal nicht richtig hinschaue."
„Heisst das...", setzt er an und ich nicke. „Ich schätze ja", erwidere ich. Ich kann es mir selbst nicht wirklich erklären, aber ich habe mich in den wenigen Tagen seit wir uns kennen in ihn verliebt.
„Ich... ich...", weiss nicht was ich sagen soll, doch das ist auch nicht länger nötig, denn Hoseok hat scheinbar beschlossen, dass Worte in dieser Situation überflüssig sind. Stattdessen beugt er sich zu mir vor und legt sanft seine Lippen auf meine. Mein Herz flippt gerade komplett aus und mein Hirn hat ebenfalls den Geist aufgegeben. Ich schliesse die Augen und gebe mich dem Gefühl der weichen Lippen, die sich vorsichtig gegen meine bewegen hin und wie von selbst erwidere ich seinen Kuss. Ich fühle wie Hoseok seine Hände auf meine Hüften legt um mich näher an sich zu ziehen und quittiere diese Aktion damit, dass ich meine Hände in seinen Haaren vergrabe. Ohne hinzusehen weiss ich, dass sich ein Grinsen auf Hoseoks Lippen geschlichen hat. Der Kuss wird intensiver und löst in mir das Gefühl aus, ich könne nach den Sternen greifen.
Viel zu schnell löst sich Hoseok wieder von mir und sieht mich anschliessend mit einem leichten Glitzern in den Augen an. „Ich liebe dich", hauche ich atemlos. Er lächelt und streicht mir eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich liebe dich auch", flüstert er und der Glanz in seinen Augen verstärkt sich.
Ich weiss nicht genau, wie lange wir noch so dort sitzen, aber das ist egal. Mit ihm zusammen ist jede Sekunde kostbar. Ich lächle ihn an. „Denkst du es ist Schicksal, dass wir uns getroffen haben?", frage ich leise und lache dann leise über mich selber. Dass sowas aus mal aus meinem Mund kommen würde hätte ich auch nicht gedacht. Hoseok sieht mich lange an, dann nickt er. „Ja. Ja ich denke dass es so sein sollte."
There's gotta be a reason that I'm here on Earth
Gotta be a reason for the dust and the dirt
The changing of the seasons never changed my hurt
So what's it worth, what's it worth
Worth another shot of whiskey and another sip of gin
Another drop of poison that is slowly sinkin' in
If we're going down together better take another hit
We won't be here forever so let's make the best of it
In einer Hand halte ich einen Blumenstrauss, mit der anderen umklammere ich Hoseoks Hand wie einen Rettungsanker, während wir gemeinsam über den Friedhof laufen. Es ist einer der letzten warmen Sommertage, gerade noch warm genug um im T-Shirt draussen zu sein. Anders als bei meinen letzten Besuchen, fühle ich mich diesmal nicht ganz so von der Trauer überwältigt. Vermutlich weil Hoseok dabei ist. Wir sind jetzt offiziell ein Paar und dieser Gedanke durchflutet mich noch immer mit Glücksgefühlen, von denen ich nach Jimins Tod geglaubt habe, dass ich sie nie wieder fühlen würde, doch offensichtlich lag ich falsch. Ich sehe zu dem Dunkelhaarigen hinüber, der meinen Blick bemerkt und mir aufmunternd zu nickt. Ich atme tief ein und lege dann den Blumenstrauss auf das Grab vor mir.
„Hi Jimin", flüstere ich leise. „Ich möchte dir jemanden vorstellen."
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Das ist tatsächlich das erste Mal das ich etwas hier auf Wattpad hochlade. Falls ihr es bis hier hin durchgehalten habt, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit genommen habt, diese Geschichte durchzulesen. Das Ding ist ja dann doch länger geworden als geplant :') Ich habe so mit 3'000 Wörter gerechnet, aber daraus sind schlussendlich ganze 9'000 Wörter geworden. Tja shit happens^^
Aber egal, ich hoffe die Story gefällt euch trotzdem (falls das hier überhaupt mal jemand liest).
Ausserdem möchte ich mich an dieser Stelle auch noch bei Nidyyy bedanken, denn ohne dich gäbe es diese Story nicht ♡
Vielleicht kommt ja in Zukunft dann auch noch mehr von mir, wer weiss. Ich habe auf jeden Fall ein paar angefangene Projekte auf Lager^^
Man sieht/liest sich
Malina
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