45 | Liebe

Ich kann es kaum glauben, aber es ist tatsächlich das letzte Kapitel. Eigentlich war es sogar mal ein Bonus-Kapitel, aber ich dachte, es wäre ein besserer Abschluss der Geschichte als das vorangegangene. Ich hoffe, es gefällt euch ebenso gut wie mir. Eins vorweg: mein Kroatisch ist nicht das Beste, hab es durch meine Freundinnen gelernt, aber ist hier und da bestimmt ein Fehler drin, also seid gnädig mit mir und korrigiert mich, falls was falsch ist. Danke :)

Edita fiel mir gegenüber an einen der vielen kleinen Tische des jugoslawischen Restaurants. Es war das Restaurant, in das ich sie zu unserem ersten Date bestellt hatte. Sie schenkte mir ein erleichtertes Lächeln. Auch mir ging es endlich besser.

Es dauerte nicht lang, bis eine der Kellnerinnen an unseren Tisch kam, um die Bestellung aufzunehmen und uns die Speisekarten zu bringen.

„Schade, dass John nicht noch mitgekommen ist", sagte sie.

Ich musterte sie mit einem Lächeln auf den Lippen.

„Ich bin gerne mit dir allein", grinste ich zufrieden, wohl wissend, dass John den Abend ebenfalls mit seinem Mädchen verbrachte. Ich betrachtete meins einen Augenblick.

„Was ist?", wollte sie wissen, als sie meinen Blick bemerkte.

Ich lächelte und nahm ihre Hand.

„Wir haben es geschafft", stellte ich leise fest.

Edita lächelte.

„Ja, das haben wir. Danke, dass du zu mir gehalten hast", sagte sie.

Ich schüttelte den Kopf.

„Bedank dich nicht dafür."

Die Kellnerin kehrte mit unseren Getränken zurück und wir bestellten unser Essen.

„Sag mal, Schatz..."

Ich musterte Edita erwartungsvoll.

„Was willst du?", grinste ich.

„Hast du in den nächsten Wochen viel zu tun?"

Ich wusste genau, worauf sie hinauswollte.

„Wohin möchtest du gerne?"

Sie grinste.

„Mir fällt da so einiges ein."

Als ich zwei Tage später mit Edita in der Warteschlange der Sicherheitskontrolle stand, hatte ich mir fest vorgenommen, in den nächsten drei Tagen keine Fotos von unserem Kurztrip zu posten. Es waren nur ein paar Tage, mehr konnte ich mir gerade bei den ganzen Terminen nicht leisten, doch es war besser als nichts. Doch durch die gesamte letzte Zeit, in der ich mich dazu entschieden hatte, für Edita da zu sein, war ziemlich viel liegengeblieben und ich hatte viele Termine verschoben. Nach unserem kurzen Trip nach Kroatien hatte ich sehr viel zu tun, doch ich wusste nach der vergangenen turbulenten Zeit, dass unsere Beziehung das locker aushalten würde.

„Willst du am Fenster sitzen?", fragte sie, als wir kurz darauf das Flugzeug betraten. Ich schüttelte den Kopf, denn ich wusste, dass sie den Ausblick über den Wolken liebte. „Nee", antwortete ich, dann ließ ich sie durch und setzte mich neben sie.

Die Stewardess schloss die Tür, als der letzte Passagier eingestiegen war. Es dauerte noch etwas, bis alle Fluggäste ihre Plätze gefunden und das Handgepäck verstaut hatten, doch dann rollten wir zur Startbahn und die Stewardess begann mit den Sicherheitshinweisen.

Als wir in Dubrovnik wieder aus dem Flugzeug stiegen, schien die Sonne am strahlend blauen Himmel. Die Temperaturen waren noch angenehm.

Mit jedem Schritt, den wir in Richtung Ausgang machten, stieg auch meine Nervosität. Hatte Edita sich genauso seltsam gefühlt, bevor sie meine Großeltern kennengelernt hatte? Ich wusste es nicht.

Editas Großvater besaß ein Restaurant direkt in Cavtat, gerade mal eine gute halbe Stunde vom Flughafen entfernt. Ich war noch nie dort gewesen und gespannt darauf, zu sehen, wo sie herkam.

Ihr Cousin Luka erwartete uns bereits am Ausgang. Ich hatte ihn noch nie gesehen, erkannte ihn jedoch sofort. Er sah Edita so ähnlich, dass er auch ihr Bruder hätte sein können; dieselben rotbraunen Haare, dieselben grünen Augen, dasselbe Lächeln. Er war etwa so groß wie ich und musterte mich aufmerksam, als wir uns ihm näherten. Edita ließ meine Hand los und schlang ihre Arme lachend um Luka, der sie einen Moment fest an sich drückte, bevor er sich an mich wandte, um sich vorzustellen.

„Luka", stellte er sich vor.

„Raphael. Drago mi je", erwiderte ich.

„Isto", sagte Luka.

Edita warf mir einen kurzen Blick zu. Wir hatten nie darüber gesprochen, dass ich ein paar Brocken kroatisch sprach; besser als ihr Italienisch war es jedenfalls.

„Kako ste?", fragte er, als wir uns einander vorgestellt hatten.

„Dobro, bratić. Du kannst aber auch deutsch mit uns reden", grinste Edita.

„Er hat angefangen!", sagte Luka.

Ich schmunzelte.

Wir folgten Luka zu seinem Wagen. Währenddessen erfuhr ich, dass Luka selbst früher eine ganze Zeit lang in Wien gelebt hatte, bevor er nach Kroatien zurückgegangen war.

Cavtat gefiel mir von der ersten Sekunde an. Am Yachthafen des kleinen Ortes am Meer gab es ein paar Cafés. Der Großteil der Innenstadt war allerdings verkehrsberuhigt oder gar nicht erst befahrbar. Die Wohngassen waren teilweise viel zu eng für Autos, dafür aber malerisch schön mit langen Treppen nach oben, die zum Fotografieren einluden. Die Gebäude waren teilweise schon sehr alt, ab und zu zerstört, doch hinter ihnen lagen schöne, versteckte Gärten.

Die Wohnung von Editas Großeltern lag direkt in der Innenstadt, sodass Luka uns nur kurz rauslassen, aber nicht bis an die Tür fahren konnte. Mich störte das nicht. Ich schaute mich stattdessen begeistert um und sog alle neuen Eindrücke in mich auf.

Die hellen Fassaden der Gebäude bildeten einen tollen Kontrast zum strahlend blauen Himmel, an dem sich keine einzige Wolke befand.

„Warum hast du mir nie gesagt, dass du dort herkommst, wo andere gern Urlaub machen würden?", fragte ich und wandte Edita meinen Blick zu. Sie grinste.

„Warum hast du mir nie gesagt, dass du kroatisch kannst?", konterte sie.

„Du hast nie gefragt", grinste ich frech.

Wir liefen noch ein paar Meter, dann blieb sie in einer der malerischen Wohngassen vor einem der Gebäude nahe der Promenade stehen.

„Hier ist es", sagte sie, bevor sie ein schmales, schmiedeeisernes Tor nach innen aufdrückte. Ich folgte ihr in einen kleinen, malerischen Innenhof zu einem der Häuschen. Die Fensterläden aus weißem Holz standen teilweise offen.

„Schön hier", sagte ich. Edita lächelte, dann stieß sie die schmale Haustür auf.

„Nona?"

Ich folgte Edita nach innen.

„Moja mala!"

Ich setzte ein Lächeln auf, als Editas Großmutter aus einem der Räume zu uns in den Flur trat. Sie war sehr klein, hatte graue, kurze Haare und warme, braune Augen. Sie erinnerte mich an meine eigene Oma, als sie Edita herzlich in die Arme schloss. Als sie sich von ihr löste, fiel ihr Blick auf mich. Ich hatte mich selten im Leben so verlegen gefühlt.

„Ja sam Raphael. Drago mi je", stellte ich mich vor und reichte ihr meine Hand, die im Vergleich zu ihrer riesig wirkte. Sie warf Edita einen verstohlenen Blick zu. „Lijep."

Ich wusste nicht, ob es mir unangenehm sein sollte, dass Editas Großmutter mich hübsch fand. Auch meine Freundin war überfordert.

„Vi ste vrlo lijep par", setzte sie hinzu, dass wir ein schönes Paar waren. Edita errötete, ich grinste zufrieden.

„Hvala na komplimentu", bedankte ich mich.

Sie bat uns jetzt endgültig herein und führte uns in die kleine Erdgeschosswohnung. Sie bestand aus einem L-förmigen Raum, in der sich das Wohnzimmer und eine uralte Küche befanden, einem Schlafzimmer, einem türkis gefliesten Badezimmer und einem Gästezimmer, in dem wir schlafen konnten. Die Möbel waren bereits in die Jahre gekommen, doch mich störte das nicht. Es erinnerte mich an die Wohnung meiner eigenen Großeltern. Ich fühlte mich vom ersten Moment an wohl.

Am Abend, nachdem wir im Restaurant ihres Großvaters zu Abend gegessen hatten, fanden wir uns an der Promenade am Meer wieder. Inzwischen hatte es sich deutlich abgekühlt, also trugen wir dicke Jacken und ich hielt Edita im Arm, während wir langsam die Promenade entlangliefen. Nur ein paar kleine Lampen spendeten etwas Licht und im Hintergrund rauchten die Wellen des Meeres.

„Sie ist verliebt in dich", sagte Edita und ich drehte ihr meinen Kopf zu.

„Deine Nona?", fragte ich.

„Ja. Du hast sie direkt um den Finger gewickelt mit deinem Hundeblick", antwortete sie trocken. Ich lachte auf.

„Hundeblick, aha."

„Und mit deinen paar Sätzen kroatisch, die du ihr um die Ohren geschmissen hast", ergänzte sie.

Ich grinste zufrieden, dann blieb ich stehen. Sie musterte mich aufmerksam, während ich sie zu mir heranzog und meine Arme um ihren Körper schlang.

„Du bist also eifersüchtig auf deine eigene Oma", stellte ich frech grinsend fest. Sie lachte.

„So ein Quatsch!", protestierte sie und schlang dabei ihre Arme um meinen Hals, „Aber dein kroatisch ist gar nicht mal schlecht."

Ich lächelte zufrieden.

„Dein italienisch wird genauso gut. Ich helfe dir dabei."

„Ich finde es schön, dass meine Oma dich mag. Und Opa mag dich auch, der braucht nur noch ein bisschen", versicherte sie mir. Ich glaubte, dass ich es bei ihm weitaus schwerer haben würde, als bei Editas Großmutter. Er hatte mir die ganze Zeit misstrauische Blicke zugeworfen, so, wie mein Opa jeden Mann angeschaut hatte, der ihm von meiner Schwester vorgestellt worden war.

Ich schob die Gedanken rund um Editas Großvater bei Seite und schaute erwartungsvoll in ihre in der Dunkelheit funkelnden Augen.

„Što radimo danas?", fragte ich sie, was wir heute noch unternehmen würden.

„Za što imaš volju?", fragte sie mich, worauf ich Lust hatte.

Ich grinste frech. Sie wusste genau, auf was ich hinauswollte, und erwiderte mein Grinsen. Wenig später hatten wir eine verlassene Strandliege am Wasser besetzt. Edita lag dicht an mir, schmiegte sich an mich und ich hielt sie behütend im Arm. Das erste Mal in den vergangenen turbulenten Monaten hatte ich das Gefühl, wirklich zur Ruhe zu kommen und meine innere Mitte wiederzufinden.

Wir schlossen unsere Augen und lagen einfach nur miteinander da. Ich hörte ihren Herzschlag und lächelte zufrieden. Es war schön, einfach nur mit ihr hier zu liegen und dabei das Rauschen des Meeres zu hören. Ab und zu öffnete ich meine Augen und schaute in die sternenklare Nacht hinauf. Es war einer dieser Momente, die ich gern für immer festhalten wollte; so wie Edita.

Wir lagen eine gefühlte Ewigkeit miteinander da, bis sie ihre Augen langsam wieder aufschlug und in meine schaute. Sie war einfach perfekt.

Es war, als würde die Zeit einen Augenblick stillstehen. Wir sahen einander einfach nur in die Augen, versanken darin, und ihre Lippen öffneten sich leicht.

„Jako te volim", sagte ich leise und entlockte ihr ein Lächeln.

„Ti amo anch'io", erwiderte sie und meine Lippen verzogen sich ebenfalls zu einem Strahlen.

Ich legte meine Hand an ihr Gesicht, senkte meinen Blick auf ihre noch immer geöffneten Lippen und verschloss sie schließlich mit einem leidenschaftlichen Kuss, den Edita sofort erwiderte. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl flutete meinen Körper. In meinem Bauch kribbelte es wie bei unserem allerersten Kuss. Meine Gefühle für sie waren so intensiv, dass sie mich nahezu überwältigten.

Als sich unsere Zungen leicht berührten, seufzte sie in unseren Kuss hinein, massierte meine Lippen mit ihren und knabberte an meiner Unterlippe. Sie presste sich dicht an mich und ihre Fingerspitzen strichen durch meine Haare. Ihre Fingernägel hinterließen dieses angenehme Kribbeln, das ich so sehr liebte.

Das leise Rauschen des Meeres, der Mondschein, einfach ein perfekter Augenblick; Nichts auf dieser Welt war mehr wichtig, nur noch wir beide. 

Ich weine, ernsthaft. Weil es vorbei ist. Ich muss kurz die Tränen trocken, dann gibt es auch  ein Nachwort :) Ich hoffe, ihr habt das Ende genauso gemocht wie ich. Endlich sind sie glücklich miteinander. Und für alle, die keinen Bock haben, das Nachwort zu lesen (warum auch immer, man!!): Raf und Edita werden vielleicht das eine oder andere Mal in der Cassie-Fortsetzung auftauchen. Ihr solltet sie also unbedingt lesen :p

Bis zum Nachwort küsse ich eure Augen.

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