44 | Harmonie

Viel Spaß mit dem vorletzten Kapitel. Ich bin etwas traurig, aber dafür gibt es etwas Harmonie. Habt ihr euch ja auch gewünscht.

„Such dir einen Film aus", sagte Raphael leise an meinem Ohr und drückte mir die Fernbedienung in die Hand. Es war bereits der zweite Film und ich war überrascht, dass wir uns überhaupt auf die Handlung konzentrieren konnten. Wir hatten es uns auf der Couch gemütlich gemacht, er hatte seinen Arm um mich geschlungen und ich hatte mich an ihn gekuschelt. Ich schaltete durch die verschiedenen Filme, um mir einen auszusuchen, als es an der Tür klingelte. Er löste sich von mir und küsste meinen Haaransatz. „Ich bin gleich wieder da."

Ich warf ihm einen fragenden Blick zu, doch er verschwand schweigend im Flur. Ich horchte neugierig in die Stille hinein, hörte aber lediglich seine dumpfe Stimme. Dann kam eine weitere hinzu und ich erstarrte, als ich sie erkannte; Jamaal. Was machte er hier?

Sie schienen zu diskutieren, doch da Raphael die Tür hinter sich geschlossen hatte, konnte ich sie nicht verstehen. Ich wollte gerade aufstehen, als Raphael die Wohnzimmertür aufstieß. Sein Gesichtsausdruck war düster.

„Du hast Besuch", sagte er.

Ich schluckte, als Jamaal hinter Raphael auftauchte. Ich hatte ihn seit meiner Kündigung nicht mehr gesehen und auch seine Anrufe seitdem nicht beantwortet.

„Was machst du hier?", sprach ich meine Gedanken offen aus.

„Du hast auf meine Anrufe nicht reagiert, und ich finde, wir sollten miteinander reden", sagte Jamaal. Es klang seltsamerweise besorgt.

„Ich möchte gar nicht darüber reden. Ich habe freiwillig gekündigt, so, wie du es mir geraten hast, und um ehrlich zu sein, war es für mich die beste Lösung. Yannic hat mir zwar nicht mehr nachgestellt, aber ich habe mich nicht mehr wohlgefühlt und auch die anderen Kolleginnen haben angefangen, mich zu schneiden. Ich würde also nur noch mit einem schlechten Bauchgefühl zur Arbeit kommen", erklärte ich.

„Es tut mir leid, wie das alles gelaufen ist", sagte Jamaal. „Du hast wirklich einen guten Job gemacht. Ich bin eigentlich auch nur hier, um dir zu sagen, dass wir Yannic jetzt fristlos entlassen haben."

Ich sah ihn einen Moment lang sprachlos an.

„Ich weiß, dass es an deiner Entscheidung nichts ändern wird, weil du dich unwohl fühlst, aber du solltest wissen, dass die Führungsebene Wind von der Abmahnung wegen sexueller Belästigung bekommen und direkt gehandelt hat."

„Besser spät als nie", kommentierte Raphael beißend.

„Ich wollte dir das nur erzählen und dir anbieten, dir bei deiner Suche nach etwas Neuem weiterhin unter die Arme zu greifen", sagte Jamaal.

„Ich habe mit Bonez gesprochen. Wir haben uns dazu entschieden, die Zusammenarbeit nach dem kommenden Album zu beenden", sagte Raphael plötzlich.

Ich starrte ihn aus großen Augen an.

„Was? Nein!", protestierte ich.

Raphael warf mir einen eindeutigen Blick zu. Die Entscheidung war längst gefallen und sie war nicht mehr verhandelbar.

„Lass uns da noch mal in Ruhe drüber sprechen", schlug Jamaal vor, doch Raphael schüttelte den Kopf.

„Wir sind uns einig. Nach dem Album sind wir aus. Ich kann nicht länger mit euch arbeiten, wenn in eurer Abteilung irgendwelche Intrigen gegen mich oder meine Freundin gesponnen werden; ganz egal, ob die Personen weiterhin bei euch arbeiten oder nicht."

„Wovon sprichst du?", hakte Jamaal irritiert nach.

„Also wusstest du nichts von den Ideen für Laras Promo-Plan?"

Als Raphael ihm diese Frage stellte, wurde ich hellhörig. Jamaal musterte ihn verunsichert.

„Ich habe ein paar Künstler an Yannic abgegeben, weil ich nicht mehr alle betreuen konnte. Lara gehört auch dazu. Seit er freigestellt ist, kümmert sich Fabienne um seine Künstler. Ich habe damit nichts mehr zu tun", erklärte Jamaal.

„Yannic und Fabienne hatten die Idee, die Promo um Laras erstes Album rund um unsere damalige Beziehung aufzubauen, um den ganzen 1Raf7-Hype zu nutzen und uns nachträglich noch mehr Stress zu machen. Sie haben Lara belogen und ihr erzählt, dass Edita sich an Yannic rangemacht hat, während sie mit mir zusammen war, und nur auf ihren eigenen Vorteil aus ist, und ihr gesagt, dass, wenn sie nicht mitmacht, ihr Album floppen und sie in der Versenkung verschwinden würde. Lara war bei mir und hat es mir gesagt. In eurem Laden geht noch viel mehr Scheiße ab, als du geglaubt hast, und ich dachte, du solltest das wissen. Promo auf dem Rücken anderer auszutragen oder sich an fremdem Fame hochzuziehen, sollte nicht der Weg sein, mit dem ihr arbeitet."

Jamaal wirkte schockiert.

„Das wusste ich nicht und das ist auch nicht die Art, wie wir arbeiten. Ich danke dir für die Information, ich kümmere mich natürlich darum", versicherte mein ehemaliger Vorgesetzter unangenehm berührt und wandte sich wieder an mich.

„Es tut mir wirklich leid, Edita. Du hast einen wirklich guten Job gemacht, und ich tue alles, was in meiner Macht steht, um dich irgendwo anders unterzubringen", versprach er. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste ja nicht einmal, was ich von meinem weiteren Leben erwartete. Als Jamaal merkte, dass wir uns nichts mehr zu sagen hatten, räusperte er sich unsicher.

„Okay, ich gehe dann", sagte er matt, bevor Raphael ihn nach draußen begleitete.

„Spinnst du?", fragte ich ihn, als Jamaal gegangen war und er zu mir ins Wohnzimmer zurückkehrte. Er wurde ernst.

„Glaubst du, ich will noch länger mit denen zusammenarbeiten? Du bist da beinah zugrunde gegangen und sie haben versucht, auf meinen Rücken Promo für einen anderen Künstler zu machen."

„Aber so einen guten Deal bekommt ihr nirgendwo mehr", warf ich ein.

Er schlang seine Arme um mich und zog mich zu sich heran.

„Ich scheiße auf diesen Deal", kommentierte er entschieden.

Ich schüttelte den Kopf.

„Ihr seid verrückt", sagte ich.

Er lächelte.

„Baby, die Leute reißen sich um uns. Momentan können wir uns aussuchen, wo wir unseren Deal unterschreiben. Bonez hat bereits drei neue Angebote auf dem Tisch liegen, falls wir uns doch noch aus dem Deal rausklagen wollen."

Ich seufzte.

„Das ist mir echt unangenehm", sagte ich.

Mir ist es unangenehm, dass wir überhaupt noch dieses eine Album mit denen machen. Aber uns da rauszuklagen, wäre richtig teuer", antwortete er.

Ich lächelte, dann drückte ich ihm einen sanften Kuss auf die Lippen. Es war ihm gleich zwei Mal am selben Abend gelungen, mich zu beeindrucken.

„Also, wann packen wir unsere Sachen und gehen nach Wien?"

***

„Sag Bescheid, wenn du noch was brauchst, okay?"

Raphael musterte mich aufmerksam, als ich auf die Couch in seiner Wohnung in Fünfhaus sank. Wir waren heute Morgen angekommen und es war mir immer noch unangenehm, dass er für mich ein paar seiner geschäftlichen Termine verschoben hatte.

„Okay", sagte ich zu Raphael, als ich seinen durchbohrenden Blick bemerkte. Er stand noch immer mitten im Raum und schaute mich erwartungsvoll an.

„Willst du was essen? Ich habe Lasagne von Mama mitgebracht", sagte er.

Ich lächelte.

„Sehr gerne", erwiderte ich dankbar.

Ich war mir sicher, dass es genauso lecker schmeckte wie die Nudeln seiner Großmutter. Raphael verschwand kurz in der Küche, um sich um das Abendessen zu kümmern, während ich es mir auf der Couch gemütlich machte. Ich tippte etwas auf meinem Smartphone herum und beantwortete ein paar Nachrichten, rief anschließend meine Eltern an und schaltete danach den Fernseher ein.

Kurz darauf kehrte Raphael mit zwei Tellern und Besteck in der Hand zu mir zurück. Die Colaflasche trug er unter dem Arm. Ich schmunzelte. Der Anblick war wirklich niedlich. Seine Cap hatte er abgezogen. Seit er seine Wette einlöste und seine Haare wachsen ließ, fand ich ihn fast noch süßer – so lang sie nicht noch länger wurden.

Raphael reichte mir einen Teller und das Besteck, bevor er die Flasche auf dem Tisch abstellte und zu mir auf die Couch fiel. Ich betrachtete die Lasagne auf dem Teller.

„Sieht super lecker aus", sagte ich, bevor ich den ersten Bissen probierte.

„Schmeckt auch so", erwiderte er, bevor er ebenfalls zu essen begann.

„Stimmt", musste ich ihm rechtgeben, „Die Lasagne ist der Hammer! Richtest du ihr das aus?"

Er lächelte.

„Das kannst du ihr selbst sagen", antwortete er, bevor er sich mit dem Rücken gegen die Lehne der Couch fallen ließ und einen weiteren Bissen Lasagne aß.

„Ich hoffe, ich muss sie nicht eines Tages bekochen. Da kann ich unmöglich mithalten", sagte ich ehrlich. „Wahrscheinlich wäre sie dann nicht mehr so begeistert von ihrer Schwiegertochter in Spé." Er schmunzelte.

„So siehst du dich, ja?", fragte er, „Als ihre zukünftige Schwiegertochter?"

„Du nicht?", beantwortete ich seine Frage mit einer frechen Gegenfrage. Wenn ich ehrlich war, reizte mich die Vorstellung sehr, ihn eines Tages zu heiraten. Seit wir zusammengekommen waren, hatte er immer hinter mir gestanden und mir den Rücken gestärkt. Raphael hatte ganz sicher Potential zum Mann meines Lebens; ganz egal, ob mit oder ohne Trauschein!

„Verrat ich dir nicht."

So, das war's. Ein Kapitel kommt noch, und dann müssen wir Abschied nehmen. Wie hat euch das Kapitel gefallen? Endlich wird es harmonisch, vielleicht ja sogar zum Finale rosarot 😄❤

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