34 | Zickenkrieg

Endlich ist wieder Sonntag. Für mich ist es immer noch ungewohnt, nur 1x die Woche zu veröffentlichen. Ich hoffe, ihr liebt die Geschichte trotzdem noch.

„Ich möchte einfach gern bei dir übernachten", antwortete ich und sah ihn mit großen Kulleraugen an.

„Hat er dich wieder angemacht?"

„Nein", sagte ich schnell. „Ich brauche momentan einfach etwas Rückhalt. Die ganze Situation ist stressiger für mich, als ich mir selbst eingestanden habe."

Er seufzte.

„Okay, klar kannst du bei mir schlafen", sagte er, bevor er mich zu sich zog und meine Stirn küsste.

Die nächsten Tage bei ihm zu übernachten, gab mir ein gutes Gefühl. Ich fühlte mich sicher und geborgen, auch, wenn mir immer wieder Gedanken rund um die Situation einen Teil des Schlafs raubten. Ich konnte nicht aufhören, mir die verschiedensten Szenarien auszumalen, wie sich meine berufliche Perspektive entwickeln würde und kam immer wieder zu der Erkenntnis, dass Raphael mich einfach irgendwo abgehängt hatte.

Er hatte genug Möglichkeiten, sich frei zu entfalten; ich hingegen suchte krampfhaft nach einem Job in der Medienlandschaft, der mich ebenso interessierte wie mein derzeitiger; mit mäßigem Erfolg. Jamaal hatte mir angeboten, sich in seinem Netzwerk umzuhören, doch bis jetzt war auch in dieser Richtung nichts passiert. Raphael hatte ebenfalls ein paar Leute angesprochen, doch auch diese hatten derzeit keine Stelle anzubieten. Ich war so frustriert, dass ich bereits mit dem Gedanken spielte, nach Wien zurückzukehren, sobald ich die Kündigung abgegeben und die Frist überstanden hatte.

„Hast du schon mit Raphael darüber gesprochen?"

Ich strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr und seufzte schwer, presste dabei das Handy fest an mein Ohr und ließ meinen Blick aus Raphaels Wohnzimmerfenster gleiten. Die Aussicht über die Stadt am Morgen war wirklich schön, doch ich konnte mich daran heute nicht erfreuen.

„Nein", sagte ich zu Monika, die ich nach Wochen endlich wieder mal angerufen hatte, um sie über die neusten Entwicklungen zu informieren. „Es war ja erstmal auch nur so eine Idee, falls ich bis dahin nichts Passendes gefunden habe."

„Ich bin wirklich schockiert, dass dieser Typ überhaupt noch dort arbeitet", stellte Monika fest. „Hat er dich seit dem Vorfall nochmal belästigt?"

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, er hat sich auffällig weit von mir ferngehalten. Ich spekuliere, ihm geht der Arsch auf Grundeis, weil er weiß, dass er jetzt unter Beobachtung steht. Zum Glück ist er bis Ende der Woche nicht mehr im Büro", erzählte ich und nippte noch einmal an meiner Kaffeetasse, bevor ich in die Küche zurückkehrte. Automatisch glitt mein Blick auf die keine Uhr über der Tür. Viel Zeit hatte ich nicht mehr, bis ich ins Büro musste.

„Wenigstens etwas", antwortete Monika.

„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich die Zeit ohne ihn nicht genieße", sagte ich, räumte die Tasse in die Spülmaschine und beseitigte die letzten Spuren meines Frühstücks. Dabei fiel mir die Espressotasse von Raphael in die Hände. Er war heute noch früher aus dem Haus gegangen als ich, was schon fast ungewöhnlich war.

„Aber deine Kündigung hast du schon geschrieben?", hakte Monika nach.

„Ja. Ich gebe sie Jamaal in den nächsten Tagen. Ich muss wirklich darüber nachdenken, was ich bis zu meinem letzten Arbeitstag mit meinen Kolleginnen mache", antwortete ich.

„Wegen diesen beschränkten Nachrichten?", wollte Monika wissen.

„Ja. Ich denke, ich behalte es erstmal für mich und sammele alles. Vielleicht ebbt es ja auch wieder ab, aber wenn es schlimmer wird, muss ich mit Jamaal darüber sprechen", sagte ich und schlüpfte in ein Paar Pumps.

„Ich finde vor allem, dass du es Raphael erzählen solltest", redete mir meine beste Freundin ins Gewissen. Ich seufzte schwer.

„Er regt sich schon genug auf, weil ich die Kündigung noch nicht abgegeben habe. Er versteht nicht, dass ich das in einem Gespräch mit Jamaal machen möchte, aber er war einfach nicht da. Ihm von den Zettelchen zu erzählen, würde ihm nur noch mehr Zündstoff für neue Diskussionen liefern. Er sagt schon die ganze Zeit, dass ich nicht mehr hingehen und mich Yannic aussetzen soll. Wenn es nach ihm ginge, hätte ich mir längst eine Krankmeldung geholt", sagte ich.

„Er meint es aber doch nur gut mit dir", ergriff sie Partei für ihn.

„Das weiß ich, aber ich habe nicht vor, einfach so aufzugeben. Damals haben sie es geschafft, dass ich die Schule gewechselt habe. Dieses Mal macht das niemand mit mir. Wenn ich gehe, dann gehe ich freiwillig – weil ich einen guten Anschlussjob gefunden habe oder das Arbeitsverhältnis endet", sagte ich entschieden und schnappte mir meinen Mantel, meine Tasche und den Schlüsselbund.

„Es geht doch auch überhaupt nicht darum, aufzugeben, sondern darum, auf sich selbst zu achten", erwiderte sie.

„Mach dir keine Sorgen. Ich achte auf mich", versicherte ich ihr.

„Ich glaube eher, dass du dir etwas beweisen willst", gab sie zurück.

„Und was?", fragte ich patzig.

Ich fand es schön, dass sie mir helfen wollte. Aber wieso verstand sie nicht, dass ich auf mich selbst aufpassen konnte? Ich kannte meine Grenzen und gerade, weil ich in der Schulzeit so viel Schlechtes erlebt hatte, war ich inzwischen über mich hinausgewachsen.

„Dass du nicht mehr das kleine Mädchen von damals bist, dass sich kleinkriegen lässt. Dass du dich jetzt durchbeißt, statt wegzulaufen. Und dass du mit Raphael mithalten kannst."

Ich schnappte nach Luft.

„Ist das dein Ernst?", fragte ich enttäuscht.

„Ich kenne dich sehr gut, Edita. Du willst dir selbst beweisen, dass du jetzt stark genug bist, dich solchen Situationen zu stellen, und das für die Verwirklichung deiner Träume auf dich nehmen kannst."

Ihre Worte machten mich wütend.

„Stimmt, ich bin nicht mehr das schüchterne Mädchen ohne Selbstwertgefühl. Ist es jetzt schlimm, dass ich mich nicht unterkriegen lassen will?", fragte ich, als ich die Treppe hinunterlief.

„Natürlich ist es was Gutes, wenn du dich nicht unterkriegen lässt. Aber dieser Job dauert nur noch maximal drei Monate, sobald du die Kündigung abgegeben hast; mit Resturlaub noch weniger. Mach dich doch nicht so kaputt dafür", sagte sie eindringlich.

„Aber ich mache mich doch gar nicht kaputt!", protestierte ich energisch und zog die Tür ins Freie auf. Ihr theatralisches Seufzen am anderen Ende machte mich wahnsinnig.

„Ich bin nicht dein Feind", sagte sie, doch ich hatte keine Lust mehr, ihr weiter zuzuhören.

„Ich muss jetzt schlussmachen. Sonst komme ich zu spät", blaffte ich sie an.

„Wie du meinst", sagte sie. „Bis dann."

Wutentbrannt stürmte ich zu meinem Auto, setzte mich hinein und brauste in Richtung Arbeit davon. Ich konnte nicht glauben, dass selbst meine beste Freundin mich nicht verstehen konnte. Ich drehte die Musik laut auf und versuchte, mich zu beruhigen, doch auch, als ich den Wagen kurz darauf in der Parklücke abstellte, war ich maßlos enttäuscht von ihr. Oder war ich möglicherweise gar nicht enttäuscht, sondern ärgerte mich darüber, dass sie ins Schwarze getroffen hatte?

Wollte ich mir vielleicht tatsächlich etwas beweisen?

Versuchte ich, einfach nur nicht vor Yannic und den anderen einzuknicken? Die Stimmung zwischen meinen Kolleginnen und mir war nach wie vor unterkühlt.

Als ich am heutigen Nachmittag in die Küche kam und sie mich alle gesammelt – wieder einmal – nicht beachteten, spürte ich, dass ich dem Platzen nahe war. Die ganze Zeit gemieden, geschnitten und mit Blicken angefeindet zu werden, ging mir näher, als ich zugab – und es machte mich maßlos wütend. Immerhin kannte keine von ihnen irgendwelche Hintergründe zu all den Gerüchten, die Lara und Yannic innerhalb der Abteilung gestreut hatten. Dass ich mich seitdem in Hintergrund hielt und mir diese lästigen Spielchen kommentarlos gefallen ließ, musste dringend ein Ende haben. Ich musste ihnen jetzt ihre Grenzen aufzeigen, damit sie sahen, dass sie mit mir nicht derartig respektlos umgehen konnten; besser spät, als nie.

Ich lehnte mich mit verschränkten Armen mit dem Rücken gegen die Anrichte und ließ meinen Blick von einer Kollegin zur nächsten wandern.

„Was ist eigentlich euer Problem?", fragte ich provokant und legte den Kopf schief.

Doch keine von ihnen antwortete mir. Es war offensichtlich, dass sie mich einfach ausschlossen und nicht vorhatten, überhaupt mit mir zu sprechen. Mein Blick fiel auf Sabrina, die mich vor ein paar Tagen auf der Toilette auf meine vermeintliche Affäre mit Raphael angesprochen hatte.

„Findest du nicht, es wäre fair, mit mir darüber zu sprechen, bevor du Halbwahrheiten verbreitest?", fragte ich. Sabrina schaute auf und musterte mich angriffslustig.

„Okay, wenn du es unbedingt so willst: hast du was mit Raf?"

Mit dieser Direktheit hatte ich nach den vergangenen Tagen gar nicht mehr gerechnet.

„Selbst, wenn, würde es niemanden etwas angehen", erwiderte ich entschieden.

„Unglaublich", platzte es aus Fabienne heraus, die enttäuscht den Kopf schüttelte.

„Was?", wollte ich wissen.

„Keine von uns würde sich trauen, sich an irgendeinen Künstler ranzuschmeißen. Dass du das trotzdem gemacht hast, ist wirklich billig", sagte die braunäugige Fabienne und strich ihre dunklen Haare nach hinten.

„Ich habe mich nicht an ihn rangeschmissen", verteidigte ich mich. Eigentlich war es schließlich irgendwie anders herum gewesen.

„Er hat sich also an dich herangeschmissen", schlussfolgerte die blonde Milena und fixierte mich durchbohrend mit ihren stahlblauen Augen. Ich seufzte.

„Es hat sich niemand an niemanden herangeschmissen. Es geht euch nichts an, aber Raphael und ich, wir kennen uns aus Wien. Wir sind zusammen zur Schule gegangen", versuchte ich, mich zu rechtfertigen. Vier Augenpaare starrten mich kurz schweigend an.

„Ihr seid zusammen zur Schule gegangen", wiederholte Dilara, die vierte im Bunde, trocken.

„Ja, eine ganze Zeit lang, bis ich die Schule gewechselt habe", gab ich zurück, „Ich wusste nicht, dass es verboten ist, sich mit alten Bekannten zu treffen."

„Das erklärt nicht, dass du mit ihm geschlafen hast", warf Sabrina ein.

Ich warf die Hände in die Luft.

„Du musst es ja wissen", gab ich zurück.

„Gib es doch einfach zu. Jeder weiß es", sagte Milena fordernd.

Ich wusste, dass ich keine andere Chance mehr hatte, schließlich wusste Jamaal es sowieso schon und war auch nicht bereit, von seiner Meinung abzurücken.

„Das ist einfach ein totales No-Go! Und so unglaublich billig!", sagte Dilara verächtlich, noch bevor ich antworten konnte, und schüttelte ihren dunklen Lockenkopf.

„Hättest du auch mit ihm geschlafen, wenn er nicht so erfolgreich wäre?", wollte Fabienne wissen. Ich starrte sie aus großen Augen an.

„Als ob mich sein Erfolg interessiert! Für mich war er am Anfang einfach nur Raphael aus meiner alten Klasse!"

Wieso rechtfertigte ich mich überhaupt derart vor diesen Frauen? Sie hatten mich inzwischen in eine Schublade gesteckt, aus der sie mich nie wieder herauslassen würden; ganz egal, was ich tat!

„Stimmt es eigentlich, dass du auch mit Bonez was hattest?", fragte Milena angriffslustig und musterte mich durchbohrend.

„Der hat doch ne Freundin!", platzte es fassungslos aus mir heraus.

„Na und? Hat dich doch bei Yannic auch nicht davon abgehalten."

Ich starrte Dilara sprachlos an.

„Der hat ne Freundin?", platzte es fassungslos aus mir heraus.

„Da guckst du, was?", sagte Sabrina kühl.

„Niemals!", gab ich zurück.

„Doch! Mich."

Fabienne fixierte mich mit ihrem düsteren Blick.

No. Fucking. Way.

Ohne es zu wollen, lachte ich laut auf.

„Nicht sein Ernst!", entfuhr es mir ungläubig.

Fabienne stand auf.

„Damit hast du nicht gerechnet, oder?", fragte sie und funkelte mich wütend aus ihren braunen Augen an.

„Äh, nee, irgendwie echt nicht", gelang es mir zu sagen.

„Wir hängen das auch nicht an die große Glocke", ließ sie mich wissen, während sie wie eine Raubkatze auf mich zusteuerte.

„Seit wann geht das mit euch?", wollte ich wissen. Es interessierte mich wirklich. Waren die beiden schon zusammen gewesen, als er mich nach einem Date gefragt hatte?

„Wir sind seit einem halben Jahr zusammen, also schon vor seiner Zeit hier", sagte sie, dann baute sie sich vor mir auf.

„Tut mir echt leid für dich", platze es aus mir heraus. Ich meinte es wirklich so. Kurz dachte ich darüber nach, ihr zu stecken, dass ihr toller Freund mich wochenlang belästigte, doch als ich den vernichtenden Blick der anderen drei Frauen sah, wusste ich, dass sie mir kein Wort glauben würden. Alles, was ich jetzt sagte, würde es nur schlimmer machen, und wenn Fabienne ihn wutentbrannt darauf ansprechen würde, konnte er mir sogar am Ende noch Rufmord unterstellen. Erst in dieser Sekunde wurde mir bewusst, dass er mit mir dasselbe tat.

„Nur kein Neid. Du hast dir dafür ja Raf geklärt", warf Milena spöttisch ein.

Ich verdrehte die Augen.

„Und, ist das jetzt ein Verbrechen? Er war immerhin nicht in festen Händen!", erwiderte ich genervt.

„Du gibst es also zu!", stellte Sabrina zufrieden fest.

„Ja, verdammt, ich gebe es zu! Raphael und ich, wir hatten was miteinander. Alte Romanze und so, ist wieder aufgeflammt, aber jetzt haben wir gemerkt, dass das nicht richtig passt", sagte ich. Ich wusste, es war falsch, zu lügen, aber ich fühlte mich derart in die Ecke gedrängt, dass ich mir nicht anders zu helfen wusste, um meine eigene Haut zu retten.

„War das bevor oder nachdem Bonez Yannic beinah krankenhausreif geschlagen hat, weil er dich auf der Nova-Verleihung einmal zu lang angeschaut hat?", fragte Fabienne anklagend.

„Weil dein Freund sich nicht unter Kontrolle hat. Er hat mich sexuell belästigt", platzte es aus mir heraus, auch, wenn ich es gar nicht hatte sagen wollen. Vermutlich würde ich von nun an keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen.

„Wie kannst du es wagen, derartige Lügen über ihn in die Welt zu setzen?!", fragte Fabienne aufgebracht und für einen kurzen Moment glaubte ich, dass sie sich jetzt auf mich stürzen würde, doch sie tat es nicht.

„Warum sollte ich mir das ausdenken?", fragte ich.

„Weil er dich abblitzen lassen hat. Ist doch klar. Du hast ihn immer wieder angebaggert, dabei hat er dir klar zu verstehen gegeben, dass er eine Freundin hat. Du kommst einfach nicht damit zurecht, dass er dich nicht attraktiv findet", warf Fabienne mir an den Kopf.

Ich wusste, dass es keinen weiteren Sinn machte, mit ihr oder den anderen Kolleginnen zu diskutieren.

„Okay, du hast Recht. Yannic findet mich unattraktiv. Und ich bin eine miese Schlampe. Dann können wir unser Gespräch ja jetzt beenden!", erwiderte ich entschieden.

„Du wolltest doch unbedingt reden", mischte sich nun wieder Dilara ein, „Wir haben ja versucht, dich einfach zu ignorieren. Aber du hast dich ja geradezu aufgedrängt."

„Keine Sorge, versuche ich nicht wieder", erwiderte ich, verließ ich die Küche und verschwand in meinem Büro. Dort sackte ich erschöpft in meinem Bürosessel zusammen, bevor meine Tränen zu laufen begannen.

Puh, hat irgendjemand von euch damit gerechnet? Hättet ihr an Editas Stelle offen gesagt, wie das zwischen Yannic und ihr wirklich abgelaufen ist? Ich finde, sie hätte das ruhig mal öffentlich machen können; kündigen will sie ja sowieso. Oder was meint ihr?

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