15 | Entschuldigung
Ich wünsch euch viel Spass mit dem neuen Kapitel ❤ lasst mir gern Kommentare da.
Ich starrte ungeduldig Löcher in die gläserne Eingangstür des Wohnkomplexes, in dem Edita wohnte. Seit unserer letzten Begegnung im Studio hatte ich sie nicht mehr angerufen. Zu wissen, wie schlecht es ihr wirklich gegangen war, hatte mich tatsächlich runtergezogen. Ich hatte einfach Zeit gebraucht, damit umzugehen. Aber ich konnte das unmöglich einfach so stehenlassen – gar nicht mal wegen mir, sondern vor allem ihretwegen. Es war eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich die Gefühle anderer über meine eigenen gestellt hatte, doch das schlechte Gewissen Edita gegenüber nagte so sehr an mir, dass ich jetzt hierstand; im Nieselregen vor der Eingangstür des Hauses, in dem sie wohnte, und dem leisen Rauschen lauschte, das aus der Gegensprechanlage kam.
„Edita?"
Ich konnte ihr die Überraschung über mein plötzliches Auftauchen nicht verübeln. Schließlich hatte ich offiziell nicht einmal ihre Adresse – und ihre Handynummer hatte sie mir ursprünglich nur gegeben, falls ich Jamaal in dringenden Fällen nicht erreichen konnte.
„Es regnet", forderte ich sie indirekt auf, mich endlich reinzulassen.
„Fünfter Stock, zweite Tür links."
Als der Summer ertönte, drückte ich die Tür auf und betrat das Treppenhaus. Ich schmunzelte, als ich sie im Türrahmen stehen sah. Im Jogginganzug hatte ich sie noch nie gesehen, doch sie gefiel mir so – sehr viel besser sogar als in ihren schicken Büroklamotten, auf eine andere Art und Weise.
„Hey...", sagte ich und lächelte.
Edita hob misstrauisch eine Augenbraue.
„Woher weißt du, wo ich wohne?", fragte sie, als ich vor ihr stehenblieb.
„Kann ich reinkommen?", überging ich ihre Frage.
„Ich wollte gleich schlafen gehen", antwortete sie.
Besonders erfreut war sie nicht über meinen Überraschungsbesuch.
„Es dauert nicht lang", versprach ich.
Sie schwieg einen Moment, bevor sie schließlich einen Schritt nach hinten machte.
„Okay."
Ich betrat ihre Wohnung und fand mich direkt in einem kleinen Flur wieder, der gleichzeitig Küche und Durchgang war. Ich war überrascht darüber, mit wie wenig Edita sich zufriedengab. Die Einbauküche war wirklich winzig. Sie bestand nur aus zwei Unterschränken, einer Spüle, einem Zweiplattenherd und einem Oberschank.
„Kannst du bitte die Schuhe ausziehen?", bat sie mich, als ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte, an der ein paar Jacken an einem Kleiderhaken hingen.
„Klar", sagte ich, kam ihrer Bitte nach und folgte ihr anschließend in das angrenzende Zimmer mit großen Fenstern, in dem nur ein Bett und ein Kleiderschrank standen. An der Decke hing ein Fernseher.
„Ich habe leider keine Möbel zum Sitzen", klärte sie mich auf und ließ sich im Schneidersitz auf ihr Bett fallen.
„Schon okay."
Ich blieb einen Augenblick lang unschlüssig stehen. Durch den Regen waren meine Klamotten ein wenig feucht. Ich wollte mich auf keinen Fall auf ihr Bett setzen. Also ließ ich mich auf den Laminatboden sinken.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen", sagte ich und sah in ihre Augen. Es fühlte sich komisch an, zu ihr aufzuschauen. Es hatte etwas Unterwürfiges. Aber es passte irgendwie in die Situation. Ich ertrug nur schwer, dass sie sich wegen mir damals so schlecht gefühlt und so viel durchgemacht hatte.
Edita musterte mich überrascht. Ich konnte in ihren grünen Augen sehen, dass sie mit einer aufrichtigen Entschuldigung nicht gerechnet hatte.
„Ich weiß, dass es nichts von dem ungeschehen macht, was ich dir damals angetan habe. Ich erwarte auch nicht, dass du mir verzeihst. Ich erwarte gar nichts von dir, Edita. Ich wollte es dir einfach sagen. Es tut mir wirklich sehr leid und ich entschuldige mich von Herzen bei dir."
Ich hielt meinen Blick auf Editas Augen gerichtet. Sie war einen Moment lang sprachlos.
„Okay."
Okay? Ich entschuldigte mich bei ihr für alles, was sie wegen mir hatte durchmachen müssen, und alles, was sie dazu zu sagen konnte, war okay?
Vielleicht erwartete ich auch einfach zu viel. Als ich erkannte, dass sie mit der Situation überfordert war, stand ich wieder auf.
„Ich fahre besser. Ich wollte dich auch nicht stören. Ich wollte es dir einfach nur sagen", sagte ich und wollte war gerade im Begriff zu gehen, als sie mich aufhielt.
„Du bist extra hergekommen, um mir das zu sagen?", fragte sie und schenkte mir ein Lächeln. Ich erwiderte es. „Ich wusste nicht, wann ich dich das nächste Mal wiedersehe. Ich wollte es dir nicht im Büro sagen", erklärte ich.
„Danke."
Sie schenkte mir ein Lächeln. Ich erwiderte es.
„Möchtest du vielleicht noch was bleiben?"
Edita schaffte es immer wieder, mich zu überraschen.
„Ich hab nicht viel da, aber wenn dir das nichts ausmacht...", setzte sie etwas hilflos hinzu.
„Ich brauche nichts", sagte ich.
Edita reichte mir ein Glas und eine Flasche Wasser aus der Küche, bevor sie sich wieder auf ihre Bettkante fallen ließ. Ich stand einen kurzen Moment wie ein Idiot vor ihr und schaute sie an, bevor ich mich wieder auf den Laminatboden setzte.
„Wie läuft es denn mit dem Album?", fragte sie schließlich, wahrscheinlich, um irgendwie das Gespräch ins Rollen zu bringen. Also erzählte ich ihr bereitwillig von meinen letzten Tagen im Studio mit John. Ich hatte sogar zwei Songs dabei, die ich ihr auf meinem Iphone vorspielte. Es war zwar nicht dieselbe Soundqualität wie im Studio, aber es reichte, damit sie sich ein Bild machen konnte.
Irgendwann wechselten wir das Thema und sprachen darüber, wie Edita sich in Berlin einlebte. Sie vermisste Wien trotzdem sehr. Ich konnte sie verstehen, schließlich war ich selbst vor langer Zeit hergekommen und wusste genau, mit welchen Schwierigkeiten Edita hier zu kämpfen hatte.
Dass wir beide, unabhängig voneinander, aus Wien weggegangen waren, um in Berlin ein neues Leben zu beginnen, verband uns miteinander. Wir vermissten dieselben Dinge an Wien und teilten dieselben Sehnsüchte. Ich hatte lang nicht mehr darüber gesprochen, was mir meine Heimatstadt bedeutete, und sie erinnerte mich daran, wo ich herkam; an das, was ich nicht vergessen wollte.
Ich war immerhin dort aufgewachsen und hatte einen großen Teil meiner Jugend in Wien verbracht. Ich hatte meinen ersten Joint geraucht, meine erste Freundin über den Dächern der Stadt geküsst und in Wiens Straßen gelebt. Die Stadt hatte mich geprägt wie keine andere und gehörte nach wie vor zu mir, auch, wenn sich die österreichischen Medien jahrelang nicht für mich interessiert hatten.
Das hatte sich erst mit dem ganzen Erfolg um das erste gemeinsame Album mit John geändert. Trotzdem oder gerade deshalb verband mich eine Hassliebe mit meiner alten Heimat.
Es war bereits nach zwölf, als ich mich irgendwann wieder auf den Weg machte. Edita wirkte ziemlich müde und ich wollte sie nicht um ihren Schlaf bringen. Es konnte sich nicht jeder ständig die Nächte um die Ohren schlagen.
„Lass uns die Tage mal was zusammen machen", sagte ich zu Edita, als sie mich an der Wohnungstür verabschiedete. Kurz sah sie mich an, als hätte ich ihr ein unmoralisches Angebot gemacht.
„Ich denke, wir sollten uns nicht mehr privat treffen", gab sie zurück.
Ich musterte sie einen Augenblick lang ernst. Ich verstand, dass ich sie damals sehr verletzt hatte. Aber wir hatten doch über alles gesprochen. Sie hatte mir erzählt, wie schlimm es ihr damals gegangen war und ich war extra hergekommen, um mich bei ihr zu entschuldigen. Statt mich wegzuschicken, hatte sie mich gebeten, noch etwas zu bleiben. Warum wies sie mich jetzt auf einmal wieder zurück? Ich verstand Editas Verhalten einfach nicht.
„Okay", sagte ich jedoch kühl, statt mit ihr darüber zu diskutieren. Ich hatte es wirklich nicht nötig, mich um Editas Aufmerksamkeit zu reißen. Ich hatte meiner Meinung nach alles Mögliche für einen Neuanfang getan. Wenn sie glaubte, dass sie meine Geduld noch weiter ausreizen konnte, irrte sie sich.
„Wir sehen uns dann bestimmt im Büro", sagte sie.
Ich drückte mich an ihr vorbei in den Flur. Dabei streifte ich ihre Brust mit meiner. Ich gab mir alle Mühe, ihre Körperwärme zu ignorieren und die damit verbundene Hitze, die sich in meinem gesamten Körper ausbreitete. Ich merkte, dass Edita den Atem anhielt und schaute auf sie herab. Ihre Augen funkelten verräterisch. Sie sehnte sich nach mir. Warum wehrte sie sich so sehr dagegen?
Ich weiss. Wie immer, blödes Ende. Ich kann einfach nicht anders.
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