12 | Anders als geplant

Es geht weiter, meine Lieben. Vielleicht gibt es heute noch eine kleine Preview zur kommenden Bonez FF xD

Ich seufzte schwer und strich meine Haare nach hinten. Jetzt war dieser unfreiwillige Kuss mit Raphael schon ein paar Tage her, doch ich dachte noch immer daran. Der Kuss hatte mir gefallen; sehr sogar. Ich hatte vermutlich vollkommen den Verstand verloren!

Trotzdem hatte er auch schlechte Gefühle in mir ausgelöst; Raphael hatte mir meine Vergangenheit versaut; ganz egal, ob mir unsere Gespräche etwas gaben. Inzwischen hatten Traurigkeit und Enttäuschung meine Wut auf ihn abgelöst. Ich beschäftigte mich vor allem mit der Frage, ob er jetzt austestete, wie weit er gehen konnte.

Wollte er aus mir eine dieser One-Night-Schlampen machen wie aus allen anderen Frauen, die sich ihm an den Hals warfen? Sah ich etwa aus wie eine Frau, mit der er das machen konnte – nur, weil ich mich optisch verändert hatte? Dachte er, nur, weil ich jetzt nicht mehr die dicke Edita von damals war, wäre ich jetzt leichter zu haben? Warum wollte er mich unbedingt erobern?

Ich verdrängte die Gedanken rund um Raphael und schlüpfte im Flur in meine Pumps, die perfekt zu meiner Jeans und der hellen Bluse passten. Dann machte ich mich auf den Weg ins Büro. Wie in den vergangenen Tagen betete ich, dass ich mich nicht mit Botengängen oder Telefonaten rund um Raphael beschäftigen musste. Ein Meeting stand jedenfalls erst einmal nicht mehr an, also würde er vermutlich nicht unerwartet in meinem Büro auftauchen.

Kurz darauf betrat ich mein kleines Büro, stellte meine Tasche ab und schaltete meinen Computer ein. Dann bereitete ich in der Küche den Kaffee vor. Mittlerweile hatte ich verstanden, dass Jamaal mit dem, den Sabrina kochte, sehr zu kämpfen hatte. Seine Laune verschlechterte sich immer drastisch, wenn ihm der Kaffee nicht schmeckte, was zur Folge hatte, dass ich unter seiner Laune leiden musste. Also ließ ich die nette Kollegin raushängen und erledigte diese „unliebsame" Aufgabe für sie, damit sie sich gar nicht erst mit eigentlichen Praktikantentätigkeiten aufhalten musste. Win-Win-Situation für jeden.

Im Anschluss bereitete ich den Besprechungsraum für Jamaals Meeting vor, mit dem er heute in den Tag starten würde.

„Willst du dich bei mir einschleimen oder stehst du freiwillig so früh auf?"

Ich fuhr überrascht zu Jamaal herum, der mit verschränkten Armen im Türrahmen stand. Der beige Strickpullover brachte seinen Teint ziemlich gut zur Geltung. Er musterte mich misstrauisch. „Du hast gleich das Vertriebsmeeting. Ich wollte schonmal alles vorbereiten", antwortete ich und schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln.

„Also stehst du nur mir zuliebe so früh auf", bemerkte er, als ich mich an ihm vorbei in den Flur drückte. „Ich bin Frühaufsteherin", versuchte ich, mich geschickt um eine konkrete Antwort herum zu drücken, und kehrte gefolgt von ihm in die Küche zurück. Dort füllte ich den inzwischen durchgelaufenen Kaffee in eine Kaffeekanne.

„Endlich mal eine Assistentin mit einer vernünftigen Arbeitseinstellung, die ich nicht nach drei Wochen wieder rauswerfen muss", kommentierte Jamaal trocken. Auch, wenn er nur lustig sein wollte und einfach einen speziellen Humor hatte, konnte ich darüber nicht wirklich lachen. Da er meine Arbeit sonst nie großartig kommentierte, konnte ich nicht einschätzen, ob er mit mir wirklich zufrieden war. Aber bei meinem vorherigen Vorgesetzten hatte ich gelernt, dass es mit einem Lob vergleichbar war, wenn der Chef nichts zu kritisieren hatte. Ich wusste nicht, was ich zu Jamaals letzten Worten sagen sollte.

„Was sagst du eigentlich zu den Songs, die Raf dir mitgegeben hat?"

Ich musterte ihn irritiert.

„Sollte ich mir das anhören?"

Ich war wirklich überrascht. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass ich ihm den USB Stick einfach nur ins Büro bringen sollte. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich mir die Songs überhaupt hatte anhören dürfen.

„Wenn du willst", antwortete er und lächelte mild. Als er nicht aufhörte, mich so komisch anzusehen, wechselte ich schnell das Thema.

„Ich habe die Präsentation gestern noch fertig gemacht. Ich schicke dir gleich den Link in der Cloud rüber, dann kannst du sie dir anschauen und mir sagen, ob du noch was geändert haben möchtest", sagte ich und umklammerte die Kaffeekanne mit meinen Händen. Er schmunzelte, während ich an ihm vorbei in den Flur huschte und mich an die Arbeit machte.

„Möchtest du auch was essen? Wir bestellen gleich beim Italiener."

Die Stimme meiner Arbeitskollegin Sabrina ließ mich ein paar Stunden später von meinem Bildschirm aufsehen, auf dem ich das Gesprächsprotokoll von Jamaals Meeting zusammenfasste. Ich schenkte der Dunkelhaarigen sympathischen Frau ein Lächeln.

„Gern, ich nehme einen gemischten Salat, Hähnchenfilet und Balsamico-Dressing", sagte ich. „Schön. Ich rufe dich an, sobald sie geliefert haben. Wir essen dann alle zusammen in der Küche."

Ich lächelte. Ich freute mich sehr, dass sie mich in die Bestellung mit einbezog. Ich hatte endlich das Gefühl, dass sich auch die anderen Leute hier für mich interessierten und ich nicht mehr nur die Neue im kleinen Einzelbüro war; ich gehörte jetzt dazu.

In der Mittagspause unterhielt ich mich schließlich ein wenig mit meinen Kolleginnen und Kollegen in der Küche und stellte verärgert fest, dass mir in der Anfangszeit, in der ich mich noch etwas unsicher zurückgezogen und mich bedeckt gehalten hatte, vielleicht etwas entgangen war. Vor allem Sabrina, Dilara und Fabienne waren mir gegenüber sehr aufgeschlossen und ich nahm mir vor, mich etwas mehr um Integration zu bemühen und mein Schneckenhaus zu verlassen.

Der restliche Arbeitstag verlief turbulent, sodass ich gar nicht merkte, wie schnell die Zeit eigentlich vergangen war und überrascht von meinem Computerbildschirm aufschaute, als Sabrina irgendwann mit der Handtasche über der Schulter in Türrahmen stand.

„Machst du auch gleich Feierabend?"

Sie schaute aus ihren blauen Augen aufmerksam in mein Gesicht. Mit ihr hatte ich mich bisher am häufigsten unterhalten und wir schienen einige Gemeinsamkeiten zu haben; wir kochten selbst gern, hatten beide sehr viel abgenommen und mochten Sport.

„Ja, ich bin fast fertig. Ich muss nur noch die Tabelle abspeichern und dann gehe ich auch nach Hause", antwortete ich, bevor ich mein Vorhaben in die Tat umsetzte und den Computer ausschaltete.

„Hast du morgen nach der Arbeit schon was vor?", fragte sie, während ich mein Handy in meine Handtasche schmiss und mir die große, gelbe Kiste schnappte, die ich täglich nach der Arbeit bei der Post ablieferte.

„Bisher nicht", antwortete ich.

Sabrina lächelte.

„Wenn du Lust hast, könnten wir nach der Arbeit was Essen gehen", schlug sie vor, als wir mein Büro verließen. Ich versuchte, mir meine unbändige Freude über den Vorschlag nicht allzu offensichtlich anmerken zu lassen.

„Klar, gerne", sagte ich, als wir an Jamaals Büro vorbeigingen.

„Super, ich kenne da ein ganz tolles Bistro, das ich dir unbedingt zeigen muss", sagte Sabrina fröhlich. Ich steckte kurz meinen Kopf in Jamaals Büro, um mich zu verabschieden.

„Ich bin jetzt weg für heute. Schönen Feierabend", sagte ich und entlockte ihm ein Lächeln.

„Euch auch", sagte er.

„Danke", antwortete ich und wollte mich wieder umdrehen, als er mich aufhielt.

„Ich habe hier noch einen Umschlag. Das sind wichtige Unterlagen. Ich will nicht, dass sie auf dem Postweg verloren gehen. Kannst du den Umschlag persönlich dort abgeben?"

Ich lächelte.

„Okay", sagte ich, dann machte ich ein paar Schritte in sein Büro und nahm den Umschlag entgegen. Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt als ich sah, wer der Empfänger war. Sofort begannen meine Finger zu brennen und ich hätte den Umschlag am liebsten direkt fallen gelassen.

„Alles klar, ich stecke den Umschlag gleich in seinen Briefkasten", sagte ich bemüht lässig und legte ihn in zu den anderen Umschlägen. „Nein, nicht in den Briefkasten. Gib ihn bitte persönlich ab. Er müsste jetzt da sein."

Ich seufzte schwer, als ich kurz darauf in den weichen Fahrersitz fiel und den Schlüssel ins Zündschloss schob. Ich wollte das nicht. Aber was hatte ich für eine Wahl?

Eine gute Dreiviertelstunde später parkte ich meinen kleinen Wagen hinter dem von Raphael. Ich versuchte, meinen flauen Magen zu ignorieren, und stieg aus dem Auto. Noch immer spielte ich in meinem Kopf mögliche Szenarien unseres Wiedersehens durch, um mich auf die bevorstehende Begegnung mit Raphael vorzubereiten. Vermutlich hatte ihn mein übereilter Abgang in seiner lächerlichen Ehre gekränkt; er würde mich wahrscheinlich also nicht besonders überschwänglich begrüßen.

Aber ich konnte Raphael natürlich sowieso nicht dauerhaft aus dem Weg gehen, also war es umso besser, dass ich jetzt gezwungen war, eine möglichst professionelle Haltung ihm gegenüber zu entwickeln.

Als ich den Eingang des Hauses erreichte, in dem sich das Studio befand, atmete ich tief durch. Ich bemühte mich, das schnelle Klopfen meines Herzens und das in meinen Ohren rauschende Blut zu ignorieren, setzte einen kühlen Gesichtsausdruck auf und drückte auf die Klingel.

Ich weiss. Ihr hasst mich jetzt. Aber wie gesagt, als kleine Entschädigung für diesen Cliffhanger gibt's später vielleicht noch eine Preview. Heute Abend wahrscheinlich.

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