11 | Männerstolz

Zeit für das neue Kapitel. Ich hoffe, es gefällt euch. Freue mich ehrlich über jeden Vote und jeden Kommentar 🖤

„Du bist und bleibst ein Arschloch", fauchte Edita und rutschte von der Mauer. Erst jetzt begriff ich den Ernst der Situation. Eigentlich hatte ich nur lustig sein wollen, aber das war vermutlich das nächste Fettnäpfchen, in das ich getreten war. Schließlich hatte ich sie früher oft genug wegen ihrer Figur gehänselt. So sehr ich mich auch bemühte, mich ihr gegenüber nicht wie ein Idiot zu benehmen – ich bekam es einfach nicht hin; nicht mehr seit ihr. Meine letzte richtige Beziehung mit einer Frau, bei der ich mich um sie bemüht und mich nicht wie ein Arschloch verhalten hatte, war eine gefühlte Ewigkeit her. Doch dass ich einer Frau nicht von Anfang an offen gegenübertrat, war nicht Editas Schuld. Genau genommen war das mein eigenes Problem; es lag einzig und allein an mir. Sie war eine wirklich interessante Frau und ich war gerade dabei, sie wieder einmal zu vertreiben. Als ich das realisierte, sprang ich ebenfalls von der Mauer und folgte Edita, die bereits über die Straße zu ihrem Wagen lief.

Ihre kratzbürstige Art hatte etwas unglaublich Anziehendes. Einerseits nervte sie mich damit so sehr, dass es mich in den Wahnsinn trieb, andererseits weckte sie damit so viel Interesse in mir, dass es schmerzte. Ich sollte sie nicht länger auf ihre sexuellen Reize reduzieren; sie hatte Recht mit ihrer Kritik an meiner Oberflächlichkeit, denn eigentlich wollte ich mehr als nur ihren Körper. Ich hatte mittlerweile verstanden, dass ich die guten Gefühle, die sie in mir weckte, hütete wie einen Schatz, doch vielleicht war es an der Zeit, sie ihr endlich mal zu zeigen.

„Hey, warte, es tut mir leid", rief ich, doch sie ignorierte mich. „Edita, warte bitte."

Als ich sie einholte, wirbelte ich sie herum.

„Fass mich nicht an!", keifte sie und machte sich von mir los. Ihre Augen funkelten wie die einer angriffslustigen Raubkatze.

„Hör endlich auf damit", forderte ich und machte einen Schritt auf sie zu. Ich wollte, dass dieses bescheuerte Katz-und-Maus-Spiel zwischen uns endlich endete, doch ich brachte es einfach nicht über die Lippen. Ich wollte ihr sagen, dass es mir leidtat, wie ich mich verhielt, und sie das nicht verdiente. Schließlich war sie trotzdem hergekommen und hatte mir eine neue Chance gegeben, doch ich hatte sie nicht genutzt. Aber ich konnte nicht. Umso mehr ich es versuchte, desto weniger fand ich die Worte. Es war, als hätte sie jemand aus meinem Vokabular gelöscht. Edita reckte mir trotzig ihr Kinn entgegen. „Womit?!"

Ich verlor mich im Grün ihrer schönen Katzenaugen, die sie gerade leicht zusammenkniff. Ob sie diese Anziehung zwischen uns, die sich gerade aufbaute, genauso spürte? Ich konnte nicht mehr wegschauen. Ich konnte auch nichts mehr sagen; nur sie war jetzt wichtig.

Auch Edita schaute nicht weg. Ihre Lippen öffneten sich, während sie sich ein Stückchen zu mir vorbeugte. Sie war also nicht so abgeneigt, wie sie tat.

„Das weißt du ganz genau", sagte ich, schaute auf sie herab und legte meine Hand an ihre Taille. Edita wich meinem intensiven Blick nicht aus, während ich einen letzten Schritt an sie heranmachte. Als ich jetzt meine Hand an ihre Wange legte und sie zu mir zog, wehrte sie sich nicht, sondern lehnte sich in die Berührung hinein. Ich hatte mit mehr Gegenwehr gerechnet, doch sie reizte mich dadurch nicht weniger. Ganz im Gegenteil.

Auch, wenn das Risiko einer Abfuhr groß war, beschloss ich, alles auf eine Karte zu setzen, und gab die Selbstkontrolle auf. Ich fuhr mit meinem Daumen über ihren Mund. Er fühlte sich weich und geschmeidig an. Da sie sich nicht wehrte, beugte ich mich ihr entgegen und presste meine Lippen auf ihre. Sofort begannen sie zu brennen, doch statt mich von ihr zu lösen, küsste ich sie noch einmal und vergrub dabei meine Hand in ihrem Haar.

Edita zögerte, dann erwiderte sie den Kuss schließlich. Sie schlang ihre Arme um meinen Hals und drängte sich dichter an mich, also küsste ich sie intensiver und hielt sie dabei fest in meinen Armen. Es war komisch, aber als sie sich mir hingab, fühlte es sich plötzlich nicht mehr reizvoll und richtig an. Wieder einmal: Ganz im Gegenteil.

„Verdammt Raphael!"

Edita stieß mich von sich. Doch bevor ich etwas sagten konnte, stieg sie fluchtartig in ihr Auto, startete den Motor und gab Gas; so viel, als ginge es im ihr Leben.

„Scheiße, Edita!", fluchte ich, als sie mich beinah beim Ausparken überfuhr, und sprang zur Seite. Ich stand noch einen Moment wie in Trance am Straßenrand, bis ihr Auto in der Dunkelheit verschwunden war.

Anschließend kehrte ich auf die Party zurück. Es gefiel mir überhaupt nicht, mit welchem Blick mich Cassie musterte, als ich zu ihr und den anderen auf den Balkon zurückkehrte. Dummerweise war der Ausblick auf meinen Wagen, neben dem sich die dramatische Szene gerade abgespielt hatte, besser, als ich angenommen hatte. Zwar war der Teil der Straße nicht besonders gut ausgeleuchtet, aber es war nicht dunkel genug, um die Hand vor Augen nicht zu erkennen, geschweige denn zwei Streitende Menschen, die beide seit ihrem jeweiligen Auftauchen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit auf dieser Party gestanden hatten.

Ich ignorierte die Blicke der anderen Party-Gäste und zündete mir lässig eine Zigarette an. Dabei überspielte ich, wie sehr es eigentlich in mir brodelte. Kaum zu glauben, aber Edita hatte einen großen emotionalen Einfluss auf mich. Ihre Abweisung sollte in mir nicht so eine große Wut auslösen. Ich hatte tatsächlich die Kontrolle verloren. Wie konnte das passieren?

„Was ist passiert?"

Ich warf John einen kurzen Blick zu.

„Nichts, Bruder", antwortete ich kurz angebunden und zog ein weiteres Mal an der Kippe.

„Sah auch nach nichts aus", gab er zurück.

„Dann hast du ja gesehen, dass mich die Schlampe fast überfahren hat."

„Whoa!", mischte sich jetzt Cassie ein und warf mir einen strafenden Blick zu. Ich warf ihr lediglich einen düsteren Blick zu.

„Was denn? Das war das schnellste Beziehungsstatus-Downgrade aller Zeiten", sagte sie, bevor sie sich von ihrem Freund löste und aufstand.

„Die hatten vorher nicht mal einen Beziehungsstatus", kommentierte John trocken.

„Danke, Bruder!", sagte ich triumphierend.

„Trotzdem uncool, sie als Schlampe zu bezeichnen, nur, weil sie ihm nen Korb gegeben hat", teilte Cassie uns ungefragt ihre Meinung mit, die augenblicklich noch ein wenig mehr an meinem Männer-Ego kratzte. Immerhin gab sie gerade öffentlich bekannt, dass ich tatsächlich von Edita abgewiesen worden war. Ich mochte Johns Freundin wirklich gern, aber in diesem Moment ging sie mir fürchterlich auf die Nerven. Nur, weil sie mit John zusammen war, verkniff ich mir irgendeinen gemeinen Kommentar.

„Willst du auch noch was trinken?", fragte Cassie, bevor ich irgendetwas auf ihre Aussage erwidern konnte, und musterte mich fragend, so, als hätte sie mich gerade nicht bloßgestellt.

„Cola oder so, ich muss noch fahren", knurrte ich, dann verschwand sie im Wohnzimmer. Ich rauchte schweigend meine Zigarette, während John einen Joint drehte. Als Mudi ebenfalls im Inneren der Wohnung verschwand, warf ich John einen ernsten Blick zu.

„Ich kenne sie schon ziemlich lang."

Er schaute überrascht auf.

„Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ich habe ihr das Leben damals zur Hölle gemacht", erklärte ich vage. Dass Edita damals weitaus mehr Angriffsfläche bot als heute, verschwieg ich erst einmal.

„Das erklärt, warum sie dir gegenüber so kratzbürstig ist", grinste er und zündete den Joint an.

„Heute tut es mir leid."

„Warum hast du mir das nicht direkt gesagt?", fragte er und musterte mich aufmerksam.

„Weil ich sie anfangs nicht erkannt habe. Sie sieht einfach so anders aus", versuchte ich es irgendwie zu erklären. Er verstand.

„Also war sie damals noch nicht so eine geile Sau", schussfolgerte John.

„Verdammt, sie reizt mich einfach unglaublich", gab ich offen zu, bevor ich ein letztes Mal an der Kippe zog und sie vom Balkon schnipste.

„Wär mir nicht aufgefallen", erwiderte mein Freund spöttisch. „Und was hast du jetzt vor?"

Ich sah ihn aus großen Augen an.

„Was soll ich schon vorhaben?"

„Akzeptierst du, dass sie dir nen Korb gegeben hat?"

„Sie hat mir keinen Korb gegeben!", gab ich gereizt zurück. John lachte nur amüsiert.

„Du hast sie geküsst – und sie hat die Flucht ergriffen. Wie nennst du das sonst?"

Ich warf ihm einen genervten Blick zu.

„Sie hat mich fast überfahren! Daran sieht man doch, dass sie eigentlich völlig gestört ist!"

John lachte. Ich fand das gar nicht lustig.

„Also wirst du sie nicht anrufen?", fragte er und musterte mich aufmerksam.

„Ganz sicher nicht!", sagte ich entschieden.

Ich war ihr schließlich schon genug entgegengekommen; ich hatte mich bei ihr entschuldigt und war sogar ein weiteres Mal, nachdem sie mich am Telefon abgewiesen hatte, über meinen Schatten gesprungen und hatte sie hierher eingeladen. Ich hatte wirklich genug Entgegenkommen gezeigt!

„Schade", schmunzelte er und zog noch einmal an seinem Joint.

Ich seufzte theatralisch. „Warum? Hast du bei E-Bay schon vergünstigte Hochzeitsgeschenke ersteigert, die du nicht mehr zurückgeben kannst?"

„Weil sie die erste Frau ist, die dich aus der Reserve lockt", erwiderte John plötzlich ernst.

Er hatte Recht. Es war tatsächlich so.

„So ein Quatsch", winkte ich lässig ab.

John grinste amüsiert.

„Wenn du das sagst..."

Wie hat euch das Kapitel gefallen? Was haltet ihr von Raf? Glaubt ihr, dass John Recht hat?

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