03 | Die Nacht ist jung
Immer wieder sonntags, meine Lieben. Es geht endlich weiter. Danke für eure ganzen lieben Kommentare und Nachrichten zu dieser Geschichte. Ich freue mich übertrieben, dass ihr sie bisher so mögt. Ich hoffe, das bleibt auch so mit diesem Kapitel. Schreibt es in die Kommentare. Ich widme dieses Kapitel @666crushes.
„So richtig die komplette Häuserfassade mit unserem Foto? Also ich wäre sofort dabei. Was sagst du, Raf?"
John musterte mich erwartungsvoll. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Mir ging das alles zu schnell. Ich war sowieso überfordert mit der Situation.
Wir hatten uns mit Jamaal getroffen, um Details für den Vertrieb unseres nächsten Albums zu besprechen, doch es gelang ihm nicht, mich mit seinen Ideen zu begeistern. Anders als John. Aber er war sowieso der kreativere Kopf von uns beiden; ich war eher so der Typ für organisatorische Dinge, weshalb ich mich nebenher auch um Management-Angelegenheiten kümmerte und lieber ihm solche Sachen wie Marketing- und Vertriebsstrategien überließ.
„Ja, klingt ganz nice", gab ich zurück, doch ich klang weitaus weniger angetan als John.
Für mich war es nach wie vor ungewohnt, dass wir die Entscheidungen nicht mehr unter uns trafen, sondern durch einen großen Deal ein komplettes Label involviert war, das sich zukünftig um die Promo unserer Platten kümmerte. Ich hatte bisher alles selbst gemacht und es war noch neu für mich, nur zu beschließen und mir die Umsetzung von einem Label abnehmen zu lassen.
Immer noch grinste John mich an und musterte mich dabei aus seinen blaugrünen Augen, bevor er mir aufmunternd auf die Schulter klopfte. Doch das trieb meine Stimmung nur noch ein kleines Stück weiter dem Nullpunkt entgegen. Ich knurrte irgendetwas, dass ich nicht einmal selbst verstand, und er zog sicherheitshalber seine Hand weg.
„Vielleicht hebt ja später die Neue deine Laune. Die fängt heute an und ist echt heiß", sagte Jamaal schief grinsend und legte dabei seine perlweißen Zähne frei, die einen starken Kontrast zu seinem Cappuccino-Teint bildeten. Er hatte dunkelbraune Augen und schwarze, kurze Haare. Ich schätzte ihn auf Anfang vierzig. Er war ein ziemlich sympathischer Typ, wenn man sich erst einmal an seinen schwarzen Humor gewöhnt hatte.
John grinste ebenfalls und schob die helle Snapback auf seinem blonden Lockenkopf zurecht. Die beiden nervten mich. Ich hatte momentan gar keinen Bock, mir irgendwelche geilen Weiber anzuschauen.
Seit der Begegnung mit der Unbekannten vor der Haustür meiner Mutter ließen mich ihre Augen nicht mehr zur Ruhe kommen. Ich hatte nicht herausfinden können, wer sie war oder wo sie wohnte. Ich hatte aber auch nicht damit gerechnet, dass dieser Reiz um sie so lang anhalten würde, obwohl unsere Begegnung inzwischen bereits ein paar Wochen her war.
Sie war genau mein Typ! Ihre wirklich einmaligen Augen, der helle Strickpullover, der ihre heiße Figur nur annähernd zu verborgen vermocht hatte ... Ich hatte sie so sehr begehrt, dass es wehtat. Ich wollte sie berühren, erkunden, riechen, fühlen und schmecken. Ich wollte es ihr so lang besorgen, bis sie ihren Verstand verlor. Ich wollte sie winseln und betteln hören, stöhnen und schreien. Dass ich für sie nur ein Arschloch war, machte es für mich umso interessanter; so interessant, dass es mich schon beinah langweilte, dass sich andere Frauen danach verzehrten, endlich mit mir auszugehen.
Das Klingeln von Jamaals Telefon riss mich aus meinen Gedanken. Er hob kurz entschuldigend die Hände, dann nahm er den Anruf entgegen. Währenddessen vertiefte ich mich in Johns letzter Instagram Story.
„Tut mir leid, Jungs. Die Neue ist da. Muss mich ein bisschen um sie kümmern. Nichts für ungut, wir setzen uns ja morgen schon wieder zusammen. Bis dahin kannst du über die Idee mit der Häuserfassade nachdenken", sagte Jamaal schließlich, als er das Gespräch beendete.
„Okay", sagte ich, dann glitt mein Blick zu John, der über Eck in einer gemütlichen Couchlandschaft in Jamaals Büro saß.
„Cool?"
John grinste bedächtig. „Cool. Schreibst du die Ideen dann noch mal zusammen, die wir gerade besprochen haben?", wollte er von Jamaal wissen. Der nickte.
„Mache ich. Und ich lasse den Vertrag neu aufsetzen. Ihr solltet den Entwurf mit den Änderungen in den nächsten Tagen erhalten", versicherte Jamaal.
Der veränderte Künstlervertrag enthielt vermutlich die krassesten Vertragskonditionen unseres Lebens. Nie im Leben hatte ich erwartet, dass es John gelingen würde, Jamaal so frech eine derart hohe Summe aus dem Kreuz zu leiern.
Wir standen auf und verabschiedeten uns. Bevor wir das Büro verlassen konnten, öffnete ein blonder, hagerer Milchbubi mit Brille in Hoodie, Jeans und Chucks die Tür von außen.
„Bist du fertig?", fragte er seinen Vorgesetzten fast ehrfürchtig.
„War die Tür geschlossen?", stellte Jamaal ihm eine Gegenfrage.
„Tut mir leid, ich dachte -", setzte der Junge zu einer Erklärung an, doch Jamaal unterbrach ihn sofort.
„Du solltest lernen, anzuklopfen, bevor dich das mal in eine verfängliche Situation bringt. Hast du meine Lieferung dabei?", fragte er ernst. Hinter dem Jungen tauchte ein junges Mädchen auf. Augenblicklich stockte mir der Atem, als ich sie erkannte: das Mädchen aus Fünfhaus. Ihre Haare fielen offen in leichten Locken über ihre Schultern. Sie trug eine enge Röhrenjeans, eine weiße Bluse, mörderische Pumps und starrte mir völlig überrascht mitten ins Gesicht. Ich starrte mindestens genauso schockiert zurück. Was zum Teufel machte sie hier?
Ihre Augen funkelten wuterfüllt. Verdammt, war sie heiß. Kurzzeitig dachte ich, ich würde gleich aus einem komischen Traum erwachen, doch nichts dergleichen geschah. Sie stand einfach im Türrahmen des kleinen Raums und sah mich aus ihren großen, funkelnden Edelsteinaugen verblüfft an.
„Hey, Edita."
Es war Jamaal, der die kurze Stille brach und ein paar Schritte auf sie zumachte. Dann deutete er mit einer ausladenden, abwertenden Handbewegung auf seinen Personal-Lieferanten. „Merk dir das Gesicht gut. Philipp macht einen recht passablen Kaffee."
Edita.
In meinem Kopf wiederholte ich den Namen wieder und wieder und versuchte irgendeine Verbindung herzustellen, doch es wollte mir nicht gelingen. Ich erinnerte mich nicht an ein Mädchen namens Edita, das mutig genug gewesen wäre, mich öffentlich anzuschreien und als Arschloch zu beschimpfen.
Edita.
War sie etwa Jugoslawin?
Vom Temperament her passte das jedenfalls.
Noch während ich versuchte, sie zuzuordnen, löste die schöne Edita ihren durchbohrenden Blick von mir und begrüßte Jamaal mit einem formellen Händedruck. Der ließ dabei ganz ungeniert seinen Blick an ihr hinabgleiten, bevor sich seine Mundwinkel zu einem Grinsen verzogen und er sich wieder John und mir zuwandte und uns kurz vorstellte.
Sie blieb wie angewurzelt stehen, während John sich auf sie zubewegte und ihre Augen ihn seltsam glitzernd fixierten. Als John ihr die Hand reichte, lächelte sie verhalten. Es machte mich rasend, ohne, dass ich es überhaupt wollte. Ich trat ebenfalls an sie heran, blieb jedoch bloß vor ihr stehen und schaute ernst in ihr Gesicht. Mit diesen beschissenen Absätzen war sie beinah so groß wie ich. Eigentlich schade, denn so konnte ich nicht überlegen auf sie herabschauen, wie sonst. Mein düsterer Blick verfehlte seine Wirkung anscheinend nicht, denn sie schluckte, hielt meinem Blick jedoch stand und ich verlor mich einen Moment lang in ihren schönen Augen, die mich sofort wieder für sich einnahmen.
„Raf", presste ich schließlich zwischen den Zähnen hervor, als sie ihre Eiseskälte mir gegenüber überspielte und mir ihre Hand reichte, die klein, warm und unfassbar weich war. Wie es sich wohl anfühlte, wenn sie mich anfasste? Bei der Vorstellung, ihre Hand jetzt entschieden an meinen Schwanz zu legen, wurde er sofort härter.
„Komm mit. Ich bringe die Jungs runter. Auf dem Weg zeige ich dir dein Büro", sagte Jamaal zu ihr und brach diesen eigenartigen Moment zwischen uns auf.
„Ich habe ein eigenes Büro?"
Edita wandte ihren Blick von mir ab und blieb kurz unschlüssig vor Jamaal stehen, der nun die Tür weiter öffnete und ihr den Vortritt in den geräumigen Flur ließ. Ich sah genau, dass er ihr ungeniert auf den Arsch schaute.
Ein unangenehmes Brennen breitete sich in meinem gesamten Körper aus und auch mein eigener Blick blieb an ihrem Arsch kleben, der in dieser engen Jeans unfassbar gut in Szene gesetzt war. Ich wollte ihn berühren, ihn aus dieser unnatürlichen Enge befreien und ihn erkunden, ihn massieren, ihn schlagen und in ihn hineinbeißen wie in einen süßen Apfel. Jamaal, dieser Bastard, sollte gefälligst aufhören, sie mit seinen Blicken auszuziehen. Sie gehörte mir! Sie wusste es nur noch nicht.
Jamaal blieb an der nächsten Tür erneut stehen und stieß sie auf. Erst jetzt erkannte ich, dass sie durch eine Zwischentür mit seinem eigenen Büro verbunden war. Edita guckte kurz hinein. Der Raum war wirklich nicht besonders groß. Es passten gerade mal ein Schreibtisch, ein Schreibtischstuhl und ein kleines Regal hinein. Noch wirkte das Büro ziemlich kahl, denn es lagen keinerlei Utensilien auf dem Schreibtisch. Lediglich ein kleiner Flachbildschirm war schon vorhanden.
„Ein größeres Büro gibt es erst, wenn du es Wert bist", kommentierte Jamaal trocken und Edita warf ihm einen flüchtigen Blick zu, in dem sich Empörung und Entsetzen spiegelten. Ich wusste bereits, dass das seine nicht ernst zu nehmende Art, gepaart mit seinem unterirdisch schwarzen Humor war. Edita konnte mit diesem Spruch offensichtlich nicht wirklich etwas anfangen.
„Fühl dich wie zuhause. Ich komme gleich", sprach er weiter, bevor er sie einfach stehenließ und uns ins Foyer zurückführte.
Auch, als ich wenig später mit John im Auto saß und meinen Audi durch Berlins Straßen lenkte, ging Edita mir nicht aus dem Kopf.
Sie war ein verdammt eingebildetes Miststück! Ich schüttelte über meine verachtenden Gedanken den Kopf und verbot mir, weiterhin so ein oberflächliches Arschloch ihr gegenüber zu sein. Trotzdem fragte ich mich, warum ich mich heute so herablassend von ihr hatte behandeln lassen. Meine Schuldgefühle lösten sich langsam in Luft auf. „Schlampe", knurrte ich leise. John beäugte mich schmunzelnd von der Seite.
„Was ist mit dir?", lächelte er, die eine Augenbraue skeptisch hochgezogen. Ich schüttelte den Kopf.
„Nichts, Bruder", log ich. Vermutlich würde mir Edita schon bald wieder gegenübersitzen, vielleicht sogar schon bei unserem nächsten Termin mit Universal. Ich musste mich auf den Ernstfall einstellen, um für alles gewappnet zu sein.
Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie offenbar keinen großen Bock auf meine Anwesenheit hatte; ich hingegen wollte herausfinden, woran das überhaupt lag und ob wir uns nicht doch irgendwie einig werden konnten. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Das nächste Mal wäre ich jedenfalls besser auf unser Aufeinandertreffen vorbereitet.
„Halt mal am Späti, Bruder. Ich brauch noch Papers", riss Johns Stimme mich aus den Gedanken. Ich nickte. Gute Idee. Vielleicht halfen mir Alkohol und Gras dabei, eine Strategie zu entwickeln, wie ich sie bekommen konnte. Es war etwas Gutes, dass sie mir heute so überraschend begegnet war – so musste ich nicht meine Jungs aus dem fünfzehnten Bezirk bemühen, herauszufinden, wo sie wohnte.
Nur wenig später erreichten John und ich bewaffnet mit ein paar Flaschen Bier, Gras und Blättchen das Studio. Ich ließ mich in den weichen Sessel vor dem Bildschirm fallen und schaltete meinen Mac ein. John zündete den Joint an, den er noch auf der Fahrt hierher auf meinem Beifahrersitz gebaut hatte. Das war fast besser als Sex. Die Nacht konnte beginnen.
Tja, so schnell sieht man sich wieder. Manchmal ist die Welt wirklich klein. Wie hat euch das Aufeinandertreffen gefallen?
Wie findet ihr Jamaal als Vorgesetzten?
Und was glaubt ihr, wird als Nächstes passieren?
Ich schaue übrigens gerade die 4. Staffel von Reign. Guckt das noch irgendjemand? Ich bin verliebt in James.
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