Kapitel 5: Rot (Taehyung)
Kapitel 5: Rot, wie ein Schmetterlingsflügel (Taehyung)
Gedankenlos griff ich nach meiner grauen Lederjacke, riss sie mit einem kräftigen Ruck von ihrem Bügel. Klirrend schlug dieser gegen einen Anderen und löste ein Klangspiel aus verschiedenen metallischen Tönen aus. Wo mein Weg hin gehen würde, konnte ich selbst nicht einmal genau sagen. Irgendwohin. An einen O rt, der mich alldiese schrecklichen Ereignisse und Bilder vergessen lassen würde. Der Verlust der Erinnerungen an das Geschehene schien wie die einzige rettende Insel im riesigen Chaos des tiefblauen, aufgewühlten Ozeans. Vergessen war das leuchtende Wort vor meinen Augen. In einer einzigen fließenden Bewegung zog ich mir die Jacke über die Schultern, öffnete die Tür und verschwand im Treppenhaus. Einen Schlüssel mitzunehmen sah ich nicht als Notwendigkeit, wann ich zurückkehrte war ebenfalls nur ein riesiges Fragezeichen in dem Gewirr eines Spiels.
Warme Luft schlug mir entgegen, als sich die Tore zur Welt außerhalb unseres nach Tod stinkenden Käfigs öffneten. Vögel zwitscherten dem nahenden Frühling entgegen, einige Tauben zupften auf einer Wiese, neben dem Betonhaus, Würmer und anderes Getier aus dem Boden. Ein paar kleine Wölkchen hingen am Himmel und schoben sich über die blaue Unendlichkeit. Es war ein wunderschöner Tag und doch zog ich mir die Kapuze meiner Sweatshirt-Jacke tief ins Gesicht. Diese fröhlichen Floskeln und erheiternden Eindrücke konnte ich nicht verarbeiten – noch nicht, denn die Zeit des Vergessens schien so nahe. Meine Füße schlugen einfach eine Richtung ein und ich ließ mich dahin tragen, verfolgt von einer zaghaften Brise, die schüchtern an meiner Kleidung zog.
Das Rauschen von Meer, Wasser und Wellen riss mich aus der schweigsamen Trance. Meine Beine hatten mich bis zum Hafenbecken getragen, was eine beachtliche Strecke darstellte. Ich schien überhaupt nicht bemerkt zu haben, wie Zeit und Raum an mir vorbei gezischt waren. In der Ferne bemerkte ich eine Autobrücke, die sich über den Kanal spannte und die beiden Hälften der Stadt miteinander verband. Kaum zu glauben, das Massen aus kleinsten Wassermolekülen riesige Länder in zwei Teile zerschneiden konnten und nur durch eine wackelige Stahlkonstruktion überwindbar waren. Meine Aufmerksamkeit zog allerdings etwas anderes auf sich. Eine Art Baugerüst stand vergessen am linken Ufer und neigte sich in seiner Langeweile weit über das Wasser hinüber, um gespannt zu verfolgen, welche Schiffe ihren Weg in den Hafen fanden. Ein Lächeln bildete sich auf meinem Gesicht. Gefunden.
Hoffnung erfreute mein Innerstes. Als Belohnung für diesen Einfall, fischte ich mein Handy aus der Hosentasche und verband es mit den Kopfhörern, die ich ständig bei mir trug. Vielleicht lag es an meinem Beruf als Idol, dass ich die Musik so sehr liebte und deshalb nicht von ihr los kam. Aber vielleicht lag es auch einfach an der Ablenkung, die sie bot, wenn unbekannte Künstler über ihre Probleme sangen und mir einige Momente des Aufatmens gewährten. Die kleinen Stöpsel fanden ihren Weg in meine Ohren und sofort schlugen mir die sanften Töne eines englischen Liedes entgegen. Kurz schloss ich die Augen um mich besser auf sie konzentrieren zu können, ließ mich hinweg tragen, bevor ich mich erneut zum Aufwachen zwingen musste. Träume bedeuteten Bilder aus vergangenen Zeiten. Bilder, die ich unbedingt vermeiden wollte. Meine Füße suchten sich einen Pfad über Steine hinweg, bis zu dem Ort, an dem das Wasser meine weißen Turnschuhe begrüßte. Eine verspielte Welle spülte mir die kalte Flüssigkeit über die Füße und erinnerte mich daran, warum ich eigentlich hier war. Das Lied endete und ich drückte auf die Zurück-Taste, um den Tönen noch einmal lauschen zu können. Warum gab es im Leben eigentlich nicht so eine Taste? Die Realität war viel zu scharfkantig, als das man sie schleifen könnte.
Nach drei weiteren Liedern, deren Künstler über verlorene Liebe, wunderschöne Sonnenuntergänge und dunkle Nächte sangen, erreichte ich mein vorläufiges Ziel. Das Größere würde wohl noch etwas Zeit brauchen. Ehrfürchtig schaute ich an dem metallischen Turm hoch, welcher sich blitzförmig der Sonne entgegen streckte. Eine Leiter zog sich durch seine Mitte, bis zu einer kleinen Plattform im Inneren. Von dort gingen einige Metallstreben ab und führten schließlich an den höchsten Punkt des Gebildes, eine weitere Plattform, die über den Kanal hinaus ragte. Dort war mein Platz.
Die Steine, die ich zuvor noch hinuntergestiegen war um den Wasser nahe zu sein, kletterte ich erneut hoch, um mich an den Aufstieg auf das wackelige Gerüst zu begeben. Die Musik schaltete ich für den Moment aus, damit meine Aufmerksamkeit jedem einzelnen Schritt galt. Die Leiter knarzte und ächzte unter meinem Gewicht, als ich Stufe um Stufe erklomm. Die kleine Zwischenstation rückte schnell näher. Ich zog mich an ihr hinauf, verweilte kurz mit dem Blick auf die Sonne. Fast schien ich ihr näher gekommen zu sein. Entschlossen griff ich nach einem der Stäbe, welche das obere Stockwerk trugen und hangelte mich elegant daran nach oben. Für einen Moment schwebten meine Beine in der Ungewissheit, doch das interessierte mich wenig. Es gab mir das Gefühl etwas ausblenden zu können, während ich versuchte mein Leben wieder in Sicherheit zu bringen. Beinah konnte ich das Vergessen flüstern hören.
Ein letzter Schwung und ich zog meinen Oberkörper auf die oberste Plattform. Sie war dreckig, mit Staub und Flecken überzogen, was sie noch heimischer wirken ließ. Gegenüber von mir befand sich ein Gerüst, welches allerdings abrupt endete. Der letzte Teil, der aus Holz bestehenden Basis, war ungeschützt. Kein Geländer, keine Erhöhungen, keine Mauern. Nur die Freiheit und der Wind, welcher hier deutlich stärker blies, als noch am Boden. Er trug feinste Salzkörner mit sich, welche sich auf meine Kleidung, Haare und Lippen niederlegten. Was für ein wunderbarer Ort.
Auf allen Vieren krabbelte ich vorwärts, überschritt die Grenzen des Geländers und begab mich auf die hinausragende Platte. Je näher ich der Kante kam, desto zögerlicher wurden meine Bewegungen. Tatsächlich machte sich Angst in mir breit. Wie herzlich sich diese in meinen Adern anfühlte, mein Herz in ein schnelleres Tempo brachte. Genau das hatte ich gewollt. Nicht diese Erinnerungen an den letzten Tag, nicht die schmerzlichen Worte und meine Eltern, die anriefen, um mich zu fragen ob alles in Ordnung war, um mir Trost zu spenden. Niemand konnte das. Nur er hatte es gekonnt.
Ich brachte mich in eine aufrechte, sitzende Position und rutschte noch ein kleines Stück näher an die herabfallende Kante. Meine Beine baumelten in der Luft, wussten nicht recht wohin mit der Freiheit, die ihnen gegeben worden war. Meine Hand glitt zurück in die Tasche und schaltete erneut die Musik ein. Das Rauschen des Windes wurde sofort überwunden und ohne es wirklich zu wollen, wurde ich von den Tönen mitgerissen. Sanft ließ ich mich nach hinten fallen, bis mein Rücken auf dem erwärmten Holz lag. Sogar durch meine dicke Jacke hindurch spürte ich die Wärme und wollte meine Augen schließen um in den vollen Genuss meiner Situation zu kommen, als ich eine zaghafte Bewegung wahrnahm.
Ein Schmetterling, kaum größer als eine Briefmarke, flatterte in unregelmäßigen Linien über mir durch die Luft. Seine dünnen Flügel schlugen bei jedem Zug immer wieder aufeinander. Eine enorme Kraft musste der Kleine besitzen, wenn er gegen diesen starken Wind ankam. Er nahm all diese Schwierigkeiten, den anstrengenden Weg auf sich, um die Wärme hier oben nutzen zu können. Lächelnd streckte ich eine Hand nach dem Wesen aus, allerdings ohne die Intention es berühren zu wollen. Ich wollte nur die Lebenskraft dieses Tieres spüren, das entgegen seiner Natur zu diesem hohen Punkt gekommen war, um sich die Sonne auf die rot schillernden Flügel scheinen zu lassen. Wie gern würde ich seine Ausdauer, seinen Willen, seine Kraft besitzen. Nichts könnte mir etwas anhaben. Ein Kribbeln auf meinem Mittelfinger ließ mich kurz Lachen. Der Kleine war meinem Wunsch nachgekommen und saß nun mit ausgebreiteten Schwingen dort oben. Wie hübsch er war. So winzig und zerbrechlich und doch wunderschön und so stark. Bevor ich ihn näher betrachten konnte, erhob er sich wieder in die Lüfte und wurde von einer weiteren Böe hinweg getragen. Scheinbar teilte er seinen Lieblingsplatz nicht gern. Ich konnte ihm nur nachschauen, bis er irgendwann in der Ferne verschwand und ein kaltes Gefühl auf meinem Handrücken hinterließ.
„Rechter Fuß! Nein Tae, das ist der Linke. Das andere Rechts!" Seufzend gab ich auf und stemmte unzufrieden die Arme in meine Hüfte. „Ich kann das einfach nicht! Wie soll das denn bloß funktionieren?" Mein Gegenüber grinste mich schief an und beendete mit einem Knopfdruck die Musik, welche mich mit jedem Ton auszulachen schien. „Das ist die falsche Einstellung. Wenn du sagst, du kannst das nicht, dann willst du es auch nicht können." Ich verdrehte die Augen. Seine Weisheiten sollte er sich momentan sparen. Wenn ich bis morgen die Choreographie nicht drauf hatte, würde es wirklich Ärger geben. Dennoch, es war wirklich nett von ihm, dass er sich nach dem Training noch opferte, um mir ein wenig zu helfen. „Du versteifst dich zu sehr darauf, dass du es nicht kannst. Glaub einfach mal daran, dass du es schaffst." Jin erhob sich vom Boden um mir direkt ins Gesicht sehen zu können. „Mach die Augen zu." „Was?" Ein wenig überrascht schaute ich den Älteren an. Was hatte er jetzt schon wieder vor? „Na los. Oder vertraust du mir nicht?" Natürlich vertraute ich ihm, nur konnte ich mir unter der ganzen Situation nichts vorstellen. Ich hatte einen Tanz zu lernen und dieser würde sich mit geschlossenen Augen definitiv nicht ausüben lassen. Widerwillig schloss ich sie dennoch. „Gut." Ich konnte die Belustigung in seiner Stimme hören. Ich hoffte für ihn, dass es etwas bringen würde. Plötzlich begann die Musik von Neuem. „Und jetzt stell dir vor, du würdest tanzen und den Schritt schaffen. Stell es dir einfach nur vor." Allein die Musik erfüllte den Raum, als sich langsam Bilder in meinem Kopf zusammensetzten. Wie ein Puzzle, wurde aus allen einzelnen Schritten ein gesamter Tanz. „Siehst du es?" Ich nickte, für den Moment unfähig etwas zu sagen. Ich bemerkte überhaupt nicht wie die Zeit voranschritt. Erst als das Lied beendet war öffnete ich die Augen. „Jetzt versuch es nochmal."
Und der Schritt klappte zum ersten Mal seit Wochen.
Nach Luft ringend riss ich die Augen auf. Sofort saß ich wieder aufrecht. Beinah wäre meinen Lippen ein Schrei entflohen, doch der Zauber des Moments war auch so geflüchtet. Was war das gewesen? Eine simple Erinnerung an einen Abend, an welchem ich mit Jin für ein Konzert trainierte. Sie hatte sich so echt angefühlt, als würde sie für mich wirklich noch einmal ablaufen. Keuchend presste ich mir eine Hand gegen die Brust. Ich wollte mich nicht erinnern! Sofort musste das aufhören. Naiv wie ich war, hatte ich geglaubt es würde genügen einen Ort wie diesen zu finden. Allerdings war nichts verändert. Alles war zunichte gegangen. Eine Mauer, die einfach in sich zusammen fiel. Beinah entkam mir ein Schluchzen, doch ein letzter Funken Stolz mich hinderte mich daran saure Tränen zu vergießen. Nervosität ergriff meinen Körper, der bis eben noch erfüllt von Ruhe gewesen war. Ruckartig riss ich mir die Kopfhörer aus den Ohren und legte sie mitsamt des Handys auf das Holz. Meine Lederjacke folgte. Dann stand ich auf. Eigentlich hatte ich nicht zu derartigen Methoden greifen wollen, doch es ging wohl nicht anders. Wie sollte ich vergessen, wenn er sich dauernd in meine Gedanken stahl? Ich begann rückwärts zu gehen, bis das Geländer sich an meinen Rücken schmiegte. Ich wollte frei sein von all diesen Gedanken. Hinweg fliegen wie der Schmetterling. Alles ausblenden und einfach schweben. Ein kurzes, letztes Lächeln huschte über mein Gesicht, bevor ich zu Rennen begann. Die Schritte klangen hohl auf dem Holz. Ich näherte mich der Klippe, dachte an nichts weniger als die Freiheit, als ich sprang und für einen winzigen Moment vom Wind erfasst wurde. Dann zog die Schwerkraft mich nach unten.
Der Aufschlag auf dem Wasser schickte schmerzhafte Wellen durch meinen Körper, der nötige Sauerstoff verließ in einem Stoß meine Lungen. Die Flüssigkeit umhüllte mich gänzlich und hielt mich an Ort und Stelle fest. Kleine Hände griffen nach mir und zogen mich gierig hinab in die Tiefe. Eine wehrende Bewegung war sinnlos, denn die Dunkelheit hier unten interessierte sich nicht für meinen Widerstand.
„Jetzt stell dich nicht so an, Tae. Wir gehen bloß Schwimmen, davon wird die Welt nicht untergehen." Jimin drückte mir die gepackte Sporttasche in die Hand und grinste dabei so breit, dass ich sie aus Prostest beinah hätte fallen gelassen. „Bist du etwa wasserscheu?",fragte der Jüngste der Gruppe ebenfalls lachend, als ich versteinert stehen blieb und hilfesuchend die Tasche umklammerte. Ich wollte nicht Schwimmen gehen und das aus einem ganz bestimmten Grund. Trotz meines Alters hatte ich nie gelernt wie es funktionierte und ich schämte mich dafür. Warum musste Namjoon auch auf die Idee kommen, dass wir unbedingt mal wieder was zusammen unternehmen musste und dann auch noch an einem See. Nervös starrte ich zu Boden und versuchte den fragenden Blicken der anderen zu entgehen, bis ich Jins Stimme vernahm. „Jetzt lasst ihn doch mal in Ruhe. Ihr verstört ihn ja regelrecht." Namjoon lachte kurz auf. „Lasst uns jetzt gehen, sonst werden wir ja nie ankommen." Jungkook stürmte aus der geöffneten Tür, Jimin dicht hinter ihm. „Ich sitz' vorn!" „Du sitzt aber immer vorne!" Normalerweise hätte ich mich genauso an dem Kampf um den besten Platz im Auto beteiligt, doch so konnte ich das nicht. Es würde schon Überwindung kosten, überhaupt in das Auto zu steigen. Yoongi und Hoseok folgten den beiden Jüngeren und unser Leader schloss sich ihnen an, bevor er Jin den Schlüssel zuwarf, den dieser elegant aus der Luft fing. „Was ist denn wirklich los mit dir?",fragte der Ältere mütterlich und schob mich ein kleines Stückchen in Richtung Tür. Ich konnte es ihm nicht erzählen. Was würde er nur von mir denken? Schnell suchte ich nach einer Ausrede. „Hyung... Ich...ähm..." Jins Gesicht zierte ein sanftes, beruhigendes Lächeln. „Erzähl es mir ruhig. Du brauchst dich nicht zu schämen, egal was es ist." Unruhig biss ich auf meine Unterlippe. Irgendjemandem musste ich es erzählen. Spätestens am Ankunftsort würde mein Geheimnis sowieso auffliegen. Ich kratze meinen ganzen Mut zusammen und flüsterte mit leiser Stimme: „Ich kann nicht Schwimmen, Hyung. Ich habe es nie gelernt." Das Lächeln auf seinem Gesicht weitete sich ein bisschen. „Ach Tae, das ist doch überhaupt nicht schlimm." Er kam einen Schritt auf mich zu und legte seine Arme um mich, zog mich in eine feste Umarmung. „Ich dachte wirklich schon es wäre etwas schreckliches passiert." Die Erleichterung in meinem Körper war unbeschreiblich, auch wenn meine Wangen das Rot von Tomaten angenommen hatten. Um dies zu verbergen vergrub ich mein Gesicht an Jins Schlüsselbein und drückte mich noch ein Stück näher an ihn heran. „Glaub mir, das kriegen wir schon hin. Dann haben wir heute sogar eine Mission." Er drückte mich ein kleines Stück zurück, um in mein Gesicht blicken zu können. Seine braunen Augen waren voller Mitgefühl, sodass ich mich fast erneut in seine Arme geworfen hätte. „Was für eine Mission?" „Na, dir das Schwimmen beizubringen." Ich schluckte einmal kurz. „Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?" „Klar, warum denn nicht? Du brauchst keine Angst davor zu haben, es ist wie Fahrrad fahren. Am Anfang denkst du, dass du es niemals können wirst und mit einem Mal geht alles ganz leicht. Glaub mir." Er strich mir noch einmal beruhigend über den Rücken und schob mich dann endgültig aus der Tür, um sie hinter uns zu schließen. „Und die Anderen?",hauchte ich und meine Worte hallten ängstlich im Treppenhaus wieder. „Die werden noch komisch gucken, wenn du an ihnen vorbei ziehst."
In einem stummen Schrei riss ich die Augen auf. Warum nur? Warum kamen mir jetzt diese Erinnerungen? Vor Schmerz krümmte ich mich, wusste nicht woher ich die Kraft nahm um mich gegen das Wasser zu wehren. Meine Lunge war leer, ächzte nach dem ersehnten Sauerstoff. Ich musste an die Oberfläche kommen oder es würde zu spät sein. Das Ziel schien so weit entfernt, doch mit jedem Zug meiner Beine kam ich ihm etwas näher, bis mein Kopf die oberste Schicht durchbrach. Hustend und keuchend paddelte ich an das Ufer, welches mir einladend zuwinkte. Erschöpft und vor Wasser triefend zog ich mich an den Steinen hoch und setzte mich einfach hin, den Blick Richtung Sonne gerichtet. Der Wind ließ mich zittern vor Kälte und die Haut auf meinen Händen nahm eine bläuliche Färbung an. Wieso konnte ich es nicht vergessen? Wieso musste ich sogar jetzt an ihn denken, wenn es soviel anderes gab? Kannte ich die Antwort und wollte sie bloß nicht wahr haben? Er würde diese Welt bald verlassen und ich musste irgendwie damit fertig werden. Aber wie? Wie zur Hölle? Wie hatten es Jungkook, Namjoon und all die anderen geschafft? Schluchzend schlug ich mir die vor Kälte schmerzenden Hände vor die Augen um die Tränen zu ersticken. Ich wollte nicht weinen. Das würde auch nichts bringen. Das würde ihn mir auch nicht zurück bringen.
Irgendwann erhob ich mich. Die Arme in dem Versuch mich zu wärmen um den Oberkörper geschlungen. Erneut kletterte ich auf das Gerüst um meine Sachen zu holen, denn meine Hoffnung war die noch trockene Lederjacke. Sie war nicht sonderlich dick, aber helfen würde sie mir trotzdem. Ich entledigte mich meiner durchnässten Sweatshirt-Jacke und warf sie unachtsam hinab auf den Boden, wo sie benommen liegen blieb. Schnell schlüpfte ich in das trockene, rettende Kleidungsstück und steckte das Handy in meine Tasche. Was nun? Wie sollte es weitergehen? Jin hätte es gewusst.
Bei jedem Schritt zitterten meine Beine vor Kälte und Erschöpfung. Dieses Abenteuer hatte mir wirklich zugesetzt und die Ziellinie lag noch immer in unerreichbarer Ferne. Es war als würde ich auf einer Rennbahn laufen. Alle Muskeln in mir schrien nach einer Pause, doch unerbittlich rannte ich weiter. Das Ziel jedoch kam und kam nicht näher, als würde es jemand immer weiter verschieben, während ich meine Runden drehte. Während alles erlebte wiederkehrte und mich an den Rand der Verzweiflung brachte. Erneut bemerkte ich nicht, wohin ich eigentlich ging. Wie auch, wenn sich alles immer wiederholte? Ich wusste nur eines: Neben mir lag noch immer das Rauschen des Wassers und verfolgte jede meiner steifen Bewegungen. Menschen gingen an mir vorüber. Die Blicke undefinierbar, meist gesenkt um mein Elend nicht sehen zu müssen. Ich verstand sie in dieser Hinsicht. Wieso sollten sie sich für einen durchnässten jungen Mann interessieren, der mit verheulten Augen einfach geradeaus lief? Umso überraschter reagierte ich, als sich eine warme Hand auf meine erfrorene Schulter legte. „Entschuldigung? Geht es dir gut?" Ich wirbelte herum, nur um in das faltige Gesicht einer älteren Frau zu blicken, deren Haare in der Sonne wie Silber glitzerten. „Kann ich dir helfen?" Ein Mann, etwa im gleichen Alter, stand neben ihr und schaute seine Frau fragend an, nickte mir dann aber höflich zu. Niemand könnte mir helfen, nur Jin. Und dieser war weg, für immer. „Vielen Dank, aber machen Sie sich bitte keine Sorgen um mich." Meine Stimme bebte ein wenig und ließ ihre Augen nur noch mitfühlender aussehen. Ich fühlte mich, als würde ich in dem warmen braun ertrinken müssen und krallte mich Halt suchend in den Saum meiner Jacke. „Aber mein Junge, es gibt immer jemanden der helfen kann." Lächelnd nahm sie die Hand von meiner Schulter und begann ihre Strickjacke auszuziehen, die sie über einem weißen Hemd trug. „Hier. Du siehst ja halb erfroren aus." „Nein, Entschuldigung. Das kann ich nicht annehmen. Mir geht es gut, wirklich." Jetzt mischte sich der Mann ein. Mit tiefer Stimme richtete er sich direkt an mich. „Jetzt nimm schon. Wir wissen alle drei, dass es dir nicht gut geht und was es auch sein mag: Lass dir ruhig helfen. Es gibt für alles eine Lösung in dieser Welt." Den Mund vor Erstaunen geöffnet, ließ ich zu, dass die ältere Dame mir ihre Jacke über die Schultern legte. Sie roch nach Parfüm, das mich an einen blühenden Garten erinnerte. Der Geruch von frischen Blume und angefeuchteter Erde umhüllte mich. „Mein Junge, es gibt immer Hoffnung, glaub daran." Sanft tätschelte sie meine Wange, über die Tränen der Rührung liefen. Wie konnte ein Mensch so nett sein? „Weine bitte nicht, das habe ich gern getan. Und jetzt geh nach Hause und ruh' dich etwas aus. Ruf einen Freund an, damit er dir zur Seite steht." Auf meine Lippen setzte sich ein wirkliches, ehrliches Lachen. „Dankeschön." „Das ist kein Problem. Es war nett dich kennengelernt zu haben." Damit verbeugte sie sich kurz, hackte sich bei ihrem Mann unter und die beiden verschwanden die Straße hinunter. Lange schaute ich ihnen nach, auch wenn sie schon längst an der Grenze des Horizonts verschwunden waren.
Ich hatte die Brücke erreicht. Die Brücke, die ich von dem Platz des Schmetterlings in der Ferne beobachten konnte. Das Geländer hatte mich magisch angezogen und so saß ich, die Beine hoch über dem Wasser baumelnd hier und klammerte mich mit matten Fingern an die Kunststoffverkleidung. Die Jacke der alten Dame lag wärmend auf meinen Schulter. Vielleicht war sie zu dünn um meinen Körper zurück auf seine Normaltemperatur zu bringen, allerdings wärmte sie mein Herz auf und das war viel wichtiger als alles andere. Das Wasser unter mir funkelte im Sonnenlicht wie geschliffene Diamanten. Während ich die Wellen beobachtete, wie sie spielend übereinander herfielen und miteinander darum kämpften das Ufer zu erreichen, kamen mir die letzten Worte der Frau in den Sinn. 'Ruf einen Freund an', hatte sie gesagt. Vielleicht sollte ich das tun, allein wollte ich hier nicht sein. Ich umfasste mein Handy und suchte in den Kontakten nach der Nummer, die mir hoffentlich zur Seite stehen würde. Ein Tuten begrüßte mich, bis eine Stimme sich freundlich meldete. „Kim Namjoon hier." „Hey, ich bin es. Taehyung." Meine Zähne schlugen heftig aufeinander, während ich sprach. „Tae? Alles gut bei dir? Du klingst komisch." Seine Stimme war erfüllt von Sorge und ich konnte fast spüren, wie er das Telefon fester umpackte. „Würde es dir was ausmachen vorbei zu kommen? Ich sitze hier an der großen Autobrücke beim Kanal, kurz vor dem Hafen." Erschrocken hörte ich ihn einatmen. „Ich bin in einer Viertelstunde da. Mach bloß nichts Dummes Tae." Ein Lächeln bildete sich. „Okay, bis gleich." Damit legte ich auf. Dass das Dumme eigentlich schon passiert war, verschwieg ich.
Die Minuten strichen dahin und ich konnte meinen Blick nicht von der gekräuselten Oberfläche des Wassers lösen. Kein Wunder, dass Jimin sich ertränken wollte. Wenn Wasser immer so schön aussah, war es eine Ehre so zu sterben. Mit einem Mal spürte mein ausgekühlter Körper etwas Warmes neben sich und eine Stimme riss mich aus den trübseligen Gedanken. „Hat das Schwimmen lernen also tatsächlich was gebracht." Meine Hände am Geländer verkrampften sich noch stärker. Meine Fingernägel hinterließen feine Spuren in dem Plastik. „Verschwinde. Ich habe versucht dich zu vergessen." Mehr antworte ich nicht. „Hat es denn funktioniert?" „Nein. Egal was ich gemacht habe, irgendwann warst da du. Kannst du mich nicht einfach in Ruhe lassen?" Ich wagte es nicht ihn anzusehen, weil ich wusste mir würden die Tränen kommen. Ehrlich gesagt, hatte ich ihn nie im Krankenhaus besucht. Warum auch? Es war besser sein Bild verblassen zu lassen, als es ständig neu mit Blut auszumalen, um es lebendig zu halten. „Möchtest du denn, dass ich ganz verschwinde? Ich würde dir den Gefallen tun, wenn du es wirklich verlangst." Ohne Zögern schrie ich ihm entgegen. „Natürlich will ich das nicht! Ich will nur das diese Schmerzen aufhören! Immer, immer wieder bist es du und mit dir kommt dieses Gefühl der Hilflosigkeit. Du bist einfach gegangen und nie wieder aufgetaucht. Ich habe mich so alleingelassen gefühlt, Jin. Ich wollte dich nicht sterben sehen." Ein Arm legte sich um meine Schultern und ich wehrte mich nicht dagegen, auch nicht, als mein Kopf auf seiner Schulter platz fand. „Ich habe mitbekommen wie Hoseok und Jimin sich wegen dir umbringen wollten. Weißt du wie schlimm das war? Du warst für mich ein verdammter Held, Jin. Und dann lässt du sie so tief sinken! Das war alles deine Schuld. Wie konnte ich nicht den Wunsch äußern dich zu vergessen?!" Ich bemerkte selbst wie tief in meinen Gedanken ich mich verrannte. Doch endlich schienen die Mauern zu fallen, endlich verloren die Zäune an Halt. „Ich will nicht das du gehst! Du sollst bei mir bleiben, bei uns! Ich will dich nicht verlieren, okay?!" Schluchzend vergrub ich mein Gesicht in seiner Halsbeuge. „Dieser Zwiespalt zerreißt mich Jin, ich kann so nicht weiter machen." „Dann tu es nicht. Ich werde dich niemals allein lassen, Tae, das darfst du nicht glauben." Ich richtete mich auf, um in sein Gesicht sehen zu können. Irgendwie fand ich den Mut dazu. „Wirklich?" „Ja, natürlich. Ich habe auch Jimin und Hoseok nie allein gelassen. Ich war immer dann bei ihnen, wenn sie es am meisten gebraucht haben." „Danke",hauchte ich nur, bevor ich mich abrupt aufsetzte und erneut auf das Wasser starrte. Ich wollte mich nicht zu sehr an seine Anwesenheit gewöhnen, denn tief in meinen Gedanken wusste ich, dass er wieder gehen würde. „Denkst du, ich kann dich jetzt an Namjoon übergeben? Er macht sich wirklich Sorgen um dich." Ich nickte nur. „Bis bald, Tae." Er stupste mir ein letztes Mal freundschaftlich gegen die Schulter. Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich nun eine andere Stimme, links von mir, vernahm. „Oh Gott sei dank, du hast dir nichts angetan." Mein Blick fuhr allerdings nach rechts, wo bis eben noch Jin gesessen hatte. Statt auf seinen Körper zu sehen, schaute ich auf die dunklen Haare von Nari, deren Augen genauso glitzerten wie das Meer unter meinen Füßen. Hatte sie Jin auch gesehen?
„Ich möchte euch ungern stören. Wir sehen uns heute Abend." Nari nahm eine Hand aus ihrer Jackentasche und winkte uns zum Abschied zu. Sie hatte vor wenigen Augenblicken verkündet, dass sie noch ins Krankenhaus wollte und dass jetzt ein guter Zeitpunkt war. Ihr Bruder wollte sie umstimmen zu bleiben, da sie auf keinen Fall stören würde, doch sie war fest entschlossen zu gehen. Eine ungemütliche Stille brach aus, bis sie sich umdrehte und mit raumgreifenden Schritten ihren Weg zu Jin antrat. Irgendwann verschwand sie aus meinem Blickfeld. Namjoon, der über den gesamten Zeitraum geschwiegen hatte, richtete seinen Blick auf mich. „Sag mal, diese Strickjacke, die gehört nicht dir, oder?" Ein leises Lachen kam aus meinem Mund. „Das ist eine lange Geschichte." „Sie wird vermutlich auch erklären, warum du so nass bist." Ich nickte und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. In diesem Moment wollte ich nicht sprechen, nicht reden und nichts sagen. Ich wollte einfach nur mit einem meiner besten Freunde hier sitzen und meinen Gedanken nachgehen. Gedanken, ich ich nicht mehr im Zaum halten musste. Wirr und Chaos stiftend, flitzten sie durch meinen Kopf, doch es interessierte mich nicht. Ich genoss die Freiheit, die Jin mir mit seinem Besuch geschenkt hatte. „Ich vermisse ihn.",hauchte ich, ohne dass ich es selbst bemerkte. Namjoon atmete hörbar ein, hielt die Luft kurz in den Lungen fest, nur um sie dann zischend zu entlassen. Ich war froh, dass er nicht zu einer Antwort ansetzte, denn diese war deutlich genug. Wir alle wollten ihn zurück und wünschten uns nichts wäre damals, an diesem Tag, passiert. Aber es gab nun einmal keine Rückspultaste wie in meinem Musikmenü. Wir mussten mit dem Leben, was uns gegeben war, auch wenn es schmerzte und gegen Regeln spielte. Wir mussten es hinnehmen, denn im Leben gab es Zufälle die niemand einplanen konnte, Ereignisse die alles in Sekundenbruchteilen veränderten.
Was wäre passiert wenn Jin an diesem Tag nicht allein das Haus verlassen hätte? Wäre sein Infarkt nicht eingetreten? Hätte ihn jemand im Leben halten können? Wo säße ich dann jetzt?
Alles hätte anders laufen können und doch war es nicht anders passiert.
Wie nannten es Wissenschaftler? Winzige Ursachen, die riesige Wellen aus Reaktionen zur Folge hatten...
Schmetterlingseffekt.
---- Nari ----
Ich mochte Krankenhäuser nicht. Das war milde ausgedrückt, denn tief in meinem Inneren begann sich der Hass geradezu aufzustauen und überzulaufen, wenn ich durch die mechanischen Türen im Eingangsbereich trat. Dieses Weiß überall brachte mich zum Würgen und dieser Geruch nach Desinfektionsmitteln zerstückelte meine Nase in viele kleine Teile. Wahrscheinlich war es nicht einmal das, was mich hier so störte. Das Zauberwort lautete: Ungewissheit.
Egal ob man sich Patient schimpfen durfte oder nicht, es lagen immer Fragen in der Luft. Was würde die Diagnose sein? Wie verlief eine Operation? Wie standen die Chancen auf eine Heilung? Die ganze Atmosphäre war ein einziger Zwiespalt. Einige Menschen sprachen in Telefone um Verwandten Sinnlosigkeiten mitzuteilen, hin und wieder weinte jemand, manchmal hallte ein freudiges Lachen durch die Gänge.
Am Schlimmsten war dies auf der Intensivstation. Hier waren die Ängste und Sorgen am gravierendsten und es verging kein Tag ohne eine Träne. Menschen die um Angehörige weinten. Personen die Hoffnung suchten. Leute, die nicht fassen konnten was passiert war. Und ich befand mich unter ihnen. Tag für Tag.
Der Gang durch den Flur war das Grauenhafteste am ganzen Besuch bei Jin. Nicht einmal ihn dort liegen zu sehen, nein, es waren die Schluchze und Schreie die sich in mein Gedächtnis brannten und mich in den Nächten quälten. „Frau Kim? Sind Sie es?" Wenige Türen noch trennten mich von Jin und jetzt riss mich eine Stimme aus meiner Gedankenflut. „Ja?",fragte ich erstaunt und schaute den Mann im weißen Kittel fragend an, ehe ich aus Höflichkeit und zur Begrüßung den Kopf senkte. „Sie sind eine, der zu Benachrichtigenden für Kim Seokjin, nicht wahr?" Ich war ein wenig verwirrt. Auf dem Gang wurde ich noch nie von einem Arzt abgefangen. „Ja, seine Eltern haben mich und meinen Bruder eingetragen." Mein Gegenüber nickte und zog dann einen kleinen Zettel aus der Hemdtasche am Kittel. Die Situation wurde angespannt. Die bereits sehr schmalen Augen des Mannes zogen sich zu winzigen Schlitzen zusammen und seine Augenbrauen bildeten eine einzige, gerade Linie. „Ich möchte Sie nicht lange aufhalten, aber ich denke, Sie sollten es wissen." Er atmete tief ein, die zusammengekniffenen Augen starr auf den Zettel vor sich. In meinen Gedanken fand nur ein Wort seinen Platz: Nein. Nein, lass es noch nicht geendet haben. Wenn es es einen Gott gibt, bitte, lass ihn mir zur Seite stehen. „Ich möchte sie nicht belasten Frau Kim, aber, es steht nicht gut um Ihren Freund. Letzte Nacht hatten wir einen kompletten Kreislaufzusammenbruch. Wir konnten Herz und Lunge geradeso reanimieren." Meine Hände begannen zu zittern. Meine Atmung beschleunigte sich. Mein Herz blieb für einige Sekunden stehen. „Wir möchten Ihnen auch nichts vormachen. Sie sollten sich lieber verabschieden, es könnte sein, dass er die nächste Nacht nicht übersteht."
Für einen kurzen Moment überlegte ich Namjoon zu kontaktieren, doch dieser Gedanke wurde schnell verworfen, als ich in Jins Zimmer trat. Es hatte sich nicht viel geändert. Das Piepen war lauter geworden, allerdings könnte das auch reine Einbildung sein. Einige zusätzliche Kabel hingen unter der Bettdecke hervor, sie liefen zu Maschinen, von deren Existenz ich nie etwas gehört hatte. „Jin, ich..." Würde er mich überhaupt hören? Ich wünschte mir so sehr dass er verstand, was ich ihm noch zu sagen hatte. Es waren so viele Dinge, die ich vor allen geheim hielt, um ihn zu schützen. Wie ein erstickender Fisch rang ich um Luft, um wenigstens ein einzelnes Wort über meine Lippen kommen zu lassen.
Ich konnte ihn dabei nicht ansehen. So viel hatte ich letztendlich falsch gemacht.
Um mich wenigstens dem zu entziehen, stellte ich mich direkt vor das Fenster und warf meinen Blick auf den Vorplatz des Krankenhauses. Es hatte alles keinen Sinn mehr, auch nicht, sich zu entschuldigen. Was wäre wohl anders gewesen, wenn ich mich für die Gegenseite entschieden hätte? Wenn ich mich für ihn entschieden hätte? Tränen traten aus meinen Augen, wie so oft in den letzten Tagen. Wahrscheinlich war es gut, dass er jetzt ging. Die mögliche Hoffnung konnte keiner von uns mehr ertragen. „Jin, ich weiß nicht, was du mit den Anderen getan hast." Meine Stimme zitterte so sehr wie meine Hände, die ich an das kühle Glas gelegt hatte. „Aber du hast sie alle gerettet." Kurz musste ich inne halten, um meine Lungen mit Sauerstoff zu füllen. „Dankeschön." Ein zaghaft gehauchtes Wort, dass sich sanft auf die Scheibe legte und dort verweilte. „Und egal was du mit ihnen getan hast." Gleich hatte ich es geschafft. Nur noch ein paar wenige Sätze. „Hör nicht auf damit." Ein leises Schluchzen entkam mir und ich senkte den Kopf um meinem Spiegelbild der Scheibe nicht in die tränennassen Augen blicken zu müssen.
Mit einem Mal wollte ich nur noch weg laufen. Aus diesem scheußlichen Krankenhaus sprinten, bis ich zu Hause war und mich hinlegen konnte. Ich wollte nur noch in einem tiefen Schlaf versinken, der mich alles vergessen lassen würde.
„Ich liebe dich, Jin."
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