Hadamar, der Mann mit der blauen Tunika
»Der beste Tod eines Mannes
ist mit einer Frau an seiner Seite,
den Taschen voller Silber und Gold,
einem Sohn als Erben
und einer Hand am Schwert.«
WEISHEIT DER MENSCHEN
Ein Schwall kalten Wassers wurde der Dryade ins Gesicht geschüttet und sie schnappte erschrocken nach Luft. Sie versuchte sofort, ihre Hände zu heben um sich die nassen Haare nach hinten zu streichen, doch sie konnte nicht. Ein grobes Seil war straff um ihre Handgelenke gebunden und schnitt in ihre Haut. Yudra blinzelte sich das Wasser aus den Augen und sah sich um.
Ihr gegenüber saß der Mann in der blauen Tunika auf einem wirklich eindrucksvollen Stuhl, ähnlich einem Thron. Nur dass er aus normalem Eisen bestand, in das jemand verschlungene Muster geritzt hatte. Bei näherem Hinsehen erkannte Yudra Szenen von Kämpfen und Jagden, die überall verteilt waren. An einer Stelle schaukelte ein Schiff mit aufgespannten Segeln auf hohen Wellen. Anscheinend war der Stuhl eine Karte von der ganzen Goldenen Welt.
»Schöne Arbeit, oder?«, begann Hadamar das Gespräch, als er ihrem Blick folgte und erhob sich. »Der Mann, der dieses Kunstwerk vollbracht hat, war wahrlich ein Meister in seiner Sache. Schade nur, dass er das Geheimnis seines Handwerks mit in sein Grab nehmen musste.«
Die Erdfee sah Hadamar wütend an und zerrte an ihren Fesseln, was jedoch nicht half. Das Seil schnitt nur noch mehr in ihre Haut. Sie selbst saß auf einem normalen Holzstuhl an dessen Beine man ihre Fußknöchel gebunden hatte. Das einzige, was sie wirklich frei bewegen konnte, war ihr Kopf.
»Fick dich!«, zischte Yudra den Mann vor ihr an. Sogleich fing sie sich eine schallende Ohrfeige ein, die so sehr schmerzte, dass sie einen lauten Aufschrei nicht unterdrücken konnte.
»Sag das nochmal und eines deiner Reittiere wird sterben. Meine beiden Wachmänner warten nur auf meinen Befehl.«
»Man wird mich suchen!« Die Dryade blickte dem Mann direkt in die bernsteinfarbenen Augen und versuchte, darin so etwas wie ein Gefühl zu entdecken. Ob Reue oder Verlangen nach ihr, das war ihr egal. Jeder Mensch hatte Gefühle, die ihn schwächten. Sie musste nur seine Schwachstelle finden und sie ausnutzen.
»Das ist alles schon geregelt«, antwortete Hadamar ruhig und hielt ihrem Blick stand. »Seumas und Samues werden deinem Vater deinen hübschen Ring als Beweis dafür zeigen, dass wir dich haben. Ein paar Drohungen, etwas Geld und er wird vergessen haben, dass er eine zweite Tochter hat. Niemand wird dich suchen, weil niemand dich kennt. Selbst dein Bruder und deine Schwester nicht, verstehst du? Und selbst wenn sie anfangen, dich zu suchen, ist es eine Leichtigkeit, ihnen mit deinem Tod zu drohen.« Er hob hilflos die Hände, doch seine Geste wirkte unglaubwürdig, da er gleichzeitig belustigt schmunzelte. »Perfekt. Das Herz eines Vaters ist so leicht zu lesen.«
»Er ist nicht mein Vater«, schleuderte Yudra ihm entgegen. Hadamar weitete überrascht die Augen und beugte sich dann zu ihr hinunter.
»So so, interessant«, meinte er. »Was ist er dann? Und das Wichtigste: Wer ist dein wirklicher Vater? Schließlich muss ich ihn um Erlaubnis bitten, dich entführen zu dürfen und ihm deinen Ring zeigen.« Seine Stimme triefte nur so vor Sarkasmus und die Erdfee verzog angeekelt das Gesicht. Sie sammelte Spucke in ihrem Mund und spuckte ihm dann vor die Füße.
»Du möchtest also nicht reden.« Haarscharf erkannt!, dachte Yudra wütend und sah ihren Entführer trotzig und mit stur nach vorne geschobenem Kinn an. »Du gefällst mir immer mehr. Meine Kunden werden viel Spaß mit dir haben. Einige mögen aufmüpfige Huren. Besonders der Fürst dieser Stadt.«
»Ich bin keine Hure!«, schrie sie Hadamar an und zerrte wie verrückt an ihren Fesseln. Kleine Blutstropfen fielen zu Boden. Sie senkte den Blick und wurde sich erst jetzt bewusst, dass sie nur ihre halb durchsichtige Hose aus der Ohawa-Wüste und den provisorischen Überwurf aus dem Wolfsfell trug, den Cor ihr gegeben hatte. Doch jemand, wahrscheinlich der Soldat, der sie mit dem Schwertknauf betäubt hatte, hatte das Fell mit einem Messer halb zerschnitten, sodass jeder die Ansätze ihrer Brüste sehen konnte. Wütend biss sie die Zähne aufeinander. Alles Arschlöcher!
Unglücklicherweise bemerkte sie erst jetzt, dass bei dem Senken ihres Kopfes ihre Ohren zwischen den Haaren hervorragten, die sie eigentlich um jeden Preis vor neugierigen Blicken verbergen wollte. Gerade wollte sie mit einem Schlenker ihre blonden Strähnen wieder davor platzieren, doch Hadamar hatte es schon gesehen. Seine bernsteinfarbenen Augen fixierten ihre spitzen Ohren. Mit seiner rechten Hand packte er sie am Kinn und drehte ihren Kopf grob zur Seite.
»Das erklärt so einiges«, hauchte er und ließ sie dann los. Yudra sah ihn hasserfüllt an. »Dann stimmen die Legenden über die besondere Ausstrahlung der Feen also. Du bist doch eine Fee, oder? Was für eine? Eine Hüterin der Erde?«
Die Dryade presste trotzig die Lippen aufeinander.
»Also wirklich eine Erdfee.« Hadamar nahm ihr Schweigen als Zustimmung. »Sonderbar. Man sagt, ihr seid verschwunden. Schon seit mehreren Jahren hat keiner meiner Männer eine von euch gesehen. Alle denken, ihr habt uns verlassen. Dabei solltet ihr uns vor dem Bösen beschützen.« Er seufzte. »Auch ich sehe, dass etwas nicht stimmt. Die Leute erzählen sich Geschichten über Schatten, die durch Alarchia wandern. Der Perlenwald wurde von dem Drachen Ximou verwüstet und jetzt gibt es nur noch einen überlebenden Stamm. Und in den Bergen sollen Geschöpfe hausen, die wie Löwen mit Vogelköpfen und Adlerflügeln aussehen.«
»Doronen«, flüsterte Yudra mehr zu sich selbst.
»Was hast du gesagt?«
»Die Geschöpfe im Gion-Gebirge. Sie heißen Doronen. Es gibt sie schon sehr lange. Eigentlich wurden sie vor mehr als fünfhundert Jahren weit in den Norden vertrieben, doch sie sind zurückgekehrt und terrorisieren nun die Völker des Gion-Gebirges.«
Hadamar sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. Sein ohnehin schon schmaler Mund zog sich noch mehr zusammen. »Woher weißt du das? Ich weiß, du sprichst mit dem Akzent der Bergvölker, aber du bist eine Erdfee. So wie du gekleidet bist, befand sich dein Gebiet wahrscheinlich in der Ohawa-Wüste. Wie kommt es, dass du in das Gebiet einer anderen Fee, in das Gion-Gebirge, eingedrungen bist?«
Yudra schwieg. Soll dieser Hurenbock doch rätseln. Ich bin keine wandernde Bibliothek und werde ihm nicht mehr sagen, als er zu wissen braucht.
»Du möchtest also wieder nicht reden.« Hadamar seufzte enttäuscht und klatschte in die Hände. »Wie du willst. Dein erster Kunde werde ich sein. Ich werde dir so einiges beibringen müssen. Wobei...« Er grinste dreckig. »Du hast doch sicher schon mal bei einem Mann gelegen, oder? Wie alt bist du? Hundert? Zweihundert?«
»Dreihunderteinunddreißig«, zischte die Erdfee zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch.
Der Mann in der blauen Tunika lachte, als hätte sie einen Witz erzählt. Trotzdem schien er sie ernst zu nehmen. »Ich glaube, ich hatte es noch nicht mit einer so alten Hure.« Er zog sich sein Gewand aus und entblößte stählerne Muskeln, die er kurz spielen ließ. »Mit was wollen wir anfangen? So störrisch wie du bist, wirst du wohl nicht damit einverstanden sein, wenn wir gleich zur Sache kommen, oder?«
Yudra warf ihm einen Blick zu, der, hätte sie ihr Quay-Tattoo vorher erneuert, jeden Sterblichen getötet hätte. Hadamar grinste und näherte sich ihr vorsichtig. »Ich werde dir jetzt die Fesseln an deinen Händen abnehmen und du wirst mich küssen, als wäre ich dein Geliebter. Denk nicht mal daran, dich zu weigern oder zu versuchen, die Fesseln an deinen Füßen zu lösen. Ein Befehl von mir und mein Assistent Rawc vor der Tür wird Samues und Seumas das Zeichen geben, deine Pferde zu töten. Möglichst qualvoll natürlich. Dir als Hüterin der Erde müssen sie dir sicher sehr am Herzen liegen. Was wird Jeovi wohl dazu sagen, wenn sie sieht, dass deinetwegen zwei ihrer Geschöpfe gestorben sind?« Seine Hand näherte sich ihrem Gesicht und er strich ihr eine Strähne ihres blonden Haares nach hinten. »Einverstanden? Ich löse deine Fesseln und du küsst mich.«
Die Erdfee kräuselte verärgert die Lippen. Nie im Leben! Wobei... Er verlangt nach mir. Das ist seine Schwachstelle! Sie erinnerte sich an das, was Xian ihr gesagt hatte. »Und Ihr, werte Dame, Ihr habt eine besondere Ausstrahlung, die einen Mann alles vergessen lässt. Sie macht das scheinbar Unmögliche möglich. Sie ist wie eine eigene Waffe.« Eine Waffe!
»Nun denn, mein Liebster.« Sie setzte ihr bestes Lächeln auf, das sie im Moment heraufbeschwören konnte. »Löse meine Fesseln und ich werde alles tun, was du möchtest. Aber bitte, töte meine beiden Pferde nicht.«
»Das gefällt mir schon besser.« Hadamar beugte sich vor und blickte ihr direkt in die Augen. Dann trafen sich ihre Lippen. Seine Hände wanderten über ihren Rücken bis zu ihren Fesseln. Geschickt löste er den straffen Knoten. Sofort schlang Yudra ihre Arme um den Mann und zog ihn zu sich ran. Sie hielt sich davon ab, zurückzuzucken, als seine schleimige Zunge über ihre Lippen strich. Widerwillig öffnete sie ihren Mund etwas weiter. Hadamar entwich ein leises Seufzen, als wäre er über etwas erleichtert.
Die Dryade bemerkte, dass er die Augen geschlossen hatte. Er schien sich irgendwen vorzustellen, den er küsste. Der Kuss wurde inniger. Seine Hände glitten in ihren Nacken und unter ihren Überwurf. Yudra wollte sich zurückziehen, doch noch durfte sie nicht. Sie vergrub ihre Hände ebenfalls in seinem Nacken. Ihre Finger tasteten über seine hervor ragenden Halswirbel. Er schien das ganze für eine ihrer Besonderheiten zu halten, denn er lächelte in den Kuss hinein. Dann hatte sie die Stelle gefunden, die sie suchte, und drückte zu.
Hadamar sah sie erschrocken an, bevor er in sich zusammensank. Hastig hielt sie ihn an seinen Armen fest, damit er nicht auf den Boden fiel. Sicher würde die Wache vor der Tür das hören und aufhorchen. Stattdessen legte sie den Mann vorsichtig vor sich auf den Teppich. Dann beugte sie sich nach vorne und löste die Seile an ihren Füßen. Erleichtert atmete sie auf und ging als erstes zu dem Waschbecken, auf dessen Rand ein Wasserkrug stand. Ich muss sofort meinen Mund ausspülen! Einfach nur eklig!
Nachdem sie das getan und ihre aufgeschrammten Handgelenke gereinigt hatte, sah sie sich genauer im Zimmer um. Als die Dryade noch an den Stuhl gefesselt gewesen war, konnte sie den hinteren Teil des Raumes gar nicht sehen. Nun bemerkte sie ein großes Bett für mindestens zwei Personen, das so weich und gemütlich aussah, dass sie sich am liebsten gleich darauf werfen und einschlafen würde. Links davon war ein großer Schrank und auf einer der Türen war ein Spiegel angebracht.
Yudra trat davor und betrachtete ihr Abbild. Sie sah schrecklich aus. Nicht nur, dass ihr Überwurf halb zerschnitten war, nein, auch ihre Haare standen ihr wirr vom Kopf ab. Die schwarze Strähne, die sie sich in Erinnerung an Rassou gefärbt hatte, war kaum noch zu erkennen und auf ihrer linken Wange prangte immer noch der roter Handabdruck von Hadamars Ohrfeige. Voller Hass sah sie auf den Mann hinab, der nun friedlich da lag. Er schlief. Und er würde noch sehr lange schlafen. Acht oder neun Tage vielleicht. Und dann wollte sie ihm eine böse Überraschung bereiten.
Ihr Blick fiel auf den Schreibtisch, der auf der anderen Seite des Bettes stand. Darauf stapelten sich unzählige Pergamentrollen, Papiere mit Tintenklecksen, Schreibfedern und weiteren Gegenständen. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie umrundete das Bett und versuchte, eine Ordnung in den verschiedenen Schreibutensilien zu erkennen. Nach einiger Zeit begriff sie, dass links auf dem Tisch die noch unbenutzten Blätter lagen und rechts die fertigen, die nur noch abgegeben werden mussten. In der Mitte befanden sich einige Formulare. Zum Glück hatte Rassou ihr das Lesen beigebracht und so überflog sie sie kurz.
Eines davon bezog sich auf die Hurenhäuser und bestätigte, dass Hadamar ihr Besitzer war. Dort war auch ein weiterer Name angegeben: Gimeiu d'Ebas. Vermutlich teilten die beiden sich dieses Geschäft. Was würde Gimeiu wohl davon halten, wenn sein Partner dieses Formular verloren hat? Oder noch besser... Hadamar klagt ihn des Betrugs an. Wegen... Steuerhinterziehung. Am besten passiert beides zusammen.
Kurzerhand griff Yudra nach dem Formular und zerriss es in kleine Schnipsel, die sie in die Schlitze zwischen den Bodenbrettern stopfte. Dort würde sie sicher keiner finden. Dann griff sie nach einem neuen Pergament und schrieb eine Anklage auf Gimeiu, wobei sie sorgfältig darauf achtete, Hadamars Schrift so gut es ging zu imitieren. Den Brief richtete sie an einen gewissen Zenit Schwarzbart, der so etwas wie der oberste General in Zowuza zu sein schien. Nach einigem Wühlen in den anderen Unterlagen fand sie heraus, dass das Verhältnis zwischen Gimeiu und diesem Zenit sehr angespannt war, da Hadamars Geschäftspartner sich öfters in seinen Briefen über den General aufregte.
Zum Schluss trat sie zu dem tief schlafenden Mann und nahm den goldenen Siegelring von dem Ringfinger seiner rechten Hand. Sie tropfte etwas flüssigen Wachs auf die Unterseite des nun beschriebenen Pergaments und drückte den Siegelring darauf. Perfekt, dachte sie und legte den fertigen Brief auf die rechte Seite. Ihr Plan würde sicher aufgehen. Nachdem Gimeiu verhaftet wird, wird Hadamar seine ganzen Hurenhäuser verlieren, da er sein Formular nicht vorzeigen kann und das seines Geschäftspartners nach seiner Verhaftung automatisch ungültig wird.
Dennoch nagte noch etwas an ihr. Die Dryade nahm sich ein weiteres Blatt von der linken Seite des Schreibtisches, legte es dann aber wieder weg. Sie musste eine andere Möglichkeit finden, Cors Versprechen an Gitte und Gec doch noch zu erfüllen.
Auf einmal fiel ihr ihre äußere Erscheinung wieder ein. Die Erdfee begab sich wieder auf die andere Seite des Bettes und öffnete den Schrank. Wie erwartet, befanden sich darin verschiedene Kleidungsstücke. Mit Erstaunen musste sie feststellen, dass auch Frauenkleider dabei waren. Sie blickte zu Hadamar und zurück. Welche Frau er sich wohl vorgestellt hat, als er mich geküsst hat? Eine Ehefrau kann er nicht haben. Sie würde so ein Geschäft nie zulassen. Außerdem hat er selber gesagt, dass er einige Kinder von Huren hat.
Erneut keimte Wut in ihr auf und schnell griff sie sich das erstbeste Kleid. Es war ganz aus heller, sandfarbener Seide gemacht und sicher sehr teuer. Normalerweise müsste man es mit einem Korsett tragen, doch Yudra beschloss, dass ihr Lederstreifen ihre Brust schon genug fixierte. Sie streifte sich das Wolfsfell und die Hose ab und zog sich ihr neues Kleid über.
Es schmiegte sich weich an ihre Haut und fiel, leichte Falten schlagend, geschmeidig zu Boden. Die Ärmel wurden zum Ende hin weiter, doch das störte sie vorerst nicht. Sollte es zu einem Kampf kommen, könnte sie sie immer noch abschneiden. Sie erinnerte sich daran, dass sie immer noch keine Waffe hatte. Suchend sah Yudra sich in dem Zimmer um. Sicher hatte ein Mann wie Hadamar wenigstens ein Messer immer in seiner Nähe.
Ihr fiel auf, dass eine Kante des Teppichs nach hinten geschlagen war. Natürlich könnte es auch Zufall sein, aber nachsehen war besser. Wie sie es sich gedacht hatte, war unter dem Teppich ein lockeres Brett, das sie leicht anheben konnte. Darunter kam ein kleines Waffenlager bestehend aus drei Dolchen, einem Schwert mit breiter Klinge und einer Peitsche zum Vorschein. Die Erdfee lächelte, nahm einen der Dolche und steckte ihn sich in das Lederband an ihrem rechten Oberschenkel, wo vorher der andere Dolch war, den sie an Maia verloren hatte. Vermutlich lag er nun irgendwo zwischen den abgebrannten Trümmern der Arena.
Für einen kurzen Augenblick überlegte sie, ob sie die Peitsche ebenfalls mitnehmen sollte, doch sie hatte noch nie mit einer gekämpft und ließ es deshalb bleiben. Sie hätte sowieso keinen Platz mehr gehabt, um sie zu verbergen.
Seufzend erhob Yudra sich, legte das Brett wieder über das Versteck und deckte es mit dem Teppich zu. Danach ging sie wieder zu dem Schreibtisch, tauchte ihre Finger in die schwarze Tinte eines kleinen Tintenfasses und trat dann zum Spiegel, um sich ihre Strähne erneut zu färben. Zwar würde die Tinte beim ersten Regen wieder fortgeschwemmt werden, doch es war wenigstens etwas. Die Dryade war gerade fertig und versuchte, ihre Haare zu entknoten, als eine laute Stimme von hinter der Tür ertönte.
»Hadamar? Alles in Ordnung? Du bist ungewöhnlich leise heute. Bist du etwa schon fertig?« Die Stimme erkannte sie als die eines der beiden Soldaten wieder, die sie in die Stadt gelassen hatten. Sie erinnerte sich, dass ihr Entführer erwähnt hatte, Rawc würde vor der Tür Wache stehen. Diesem stämmigen Kerl wollte sie nicht wieder begegnen.
Yudra gab ein lautes Stöhnen von sich und hörte zufrieden, wie der Wachmann nach Luft schnappte. Offenbar wünschte Hadamar immer, dass er nicht gestört wurde und war sehr verärgert, wenn das dennoch passierte.
Schnell trat die Erdfee zu dem schlafenden Mann heran, hievte ihn aufs Bett und deckte ihn mit der Decke zu. Die blaue Tunika ließ sie auf dem Boden liegen. Auch ihre eigenen Sachen warf sie auf den Boden und legte sich dann neben ihn ins Bett. Dabei achtete sie genau darauf, so weit entfernt von ihm wie möglich zu sein.
Ihr Blick wanderte sehnsüchtig zu dem rettenden Fenster hinter dem Schreibtisch. Es war immer noch Tag und zu viele Menschen waren unterwegs, die sie bei einem Fluchtversuch sehen könnten. Sie würde bis zur Nacht warten müssen. Solange steckte sie hier fest. Angeekelt wandte sie sich von Hadamar ab. Doch sollte Rawc durch die Tür hereinkommen, würde es so aussehen, als hätten sie miteinander geschlafen.
Sie schloss ergeben die Augen. Das erste, was ich tun werde, wenn ich hier weg bin, ist essen. Aber erst, nachdem ich mich an diesen zwei Soldaten Seumas und Samues gerächt und Kanesso und Cabricho befreit habe. Und dann muss ich zurück zur Bibliothek.
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