Der Preis der Freiheit

»Kirisch: Ta kobula!

Vahisisch: Ko rat!

Suuvar: Hela imah!

Lirisch: Ak bukta!

Gathy: Ruc bacca!

Freya: Mey tahlah!

Jouze: Seid gegrüßt!

Ich kann alle Sprachen.«

BESHA,

QUATTO IM DIENSTE KÖNIG ZEFALOS,

991 DGW

Der Perlenvorhang klimperte vielsagend. Mittlerweile konnte Aktur schon allein an an den Schritten erkennen, wer die Heilerhütte betrat, denn es kamen nicht viele. Entweder es war Theresa, der Mann, der ihn anscheinend in dieses Lager gebracht hatte, oder eine Frau, die zusammen mit ihm auftauchte, meistens jedoch nicht lange blieb. Diesmal war es die Anführerin der Wolfsleute, die ihn besuchte. Erst vor Kurzem war sie bei ihm gewesen, um seine Verbände zu wechseln und ihm seine tägliche Medizin einzuflößen. Sie wusste nicht, dass die ganzen Kräuter ihn nur körperlich heilen würden. Er hatte sein Schwert verloren. Es war nicht in der Hütte, nicht im Lager der Wolfsleute und vielleicht nicht einmal mehr im Perlenwald. Er hoffte, dass es in die Raimy, die Schwebewasser, gefallen war, denn von dort konnte sein zukünftiger Mörder es bestimmt nicht wieder ans Tageslicht holen. Vielleicht war das auch besser so. Sicher war es verflucht. Was hatte König Zefalo gesagt? »Es hat seinen vorherigen Besitzer getötet.«

Er hatte es nicht glauben wollen und es trotzdem ausgewählt. Besser er wusste, wo das Schwert war und konnte sich auf seine Zukunft vorbereiten, als plötzlich überrascht zu werden. Und jetzt hatte er es verloren und stand wieder am Anfang, in Ungewissheit. Hoffentlich werde ich wenigstens gesund werden, aber meine Augen... Aktur fürchtete sich vor der Antwort, wenn er Theresa nach seinem Augenlicht fragen würde. Er war praktisch blind, sah alles nur wie durch einen grauen Nebelschleier und lag deswegen meistens nur mit geschlossenen Augen da und eine Binde bedeckte sein gesamtes Gesicht. Auch nach Himmelstürmer wollte er sich nicht erkundigen. Wenn der Rußadler nicht im Lager war, dann war er... Bloß nicht daran denken! Stattdessen konzentrierte der Elf sich auf die Anführerin der Wolfsleute.

Theresas Schritt waren trippelnd und unsicher. Er hörte, wie sie zu dem Fenster eilte, das zum Nachbarhaus zeigte und die schweren Vorhänge zu zog. Das Gleiche tat sie auch beim anderen Fenster. Erst danach setzte sie sich auf den Stuhl neben seinem Krankenbett. Die hölzernen Beine kratzten unangenehm über den Boden, auf dem sicher noch seine Blutflecken zu sehen waren.

»Besuch da draußen«, sagte Theresa. Ihre Stimme zitterte leicht und sie klang besorgt. »Elf und Adler. Gelb Flügel. Suchen du.«

Aktur klammerte sich mit seinen Händen am Rand des Bettes fest und verkrampfte sich. Ist Prinz Mirap wirklich gekommen, um nach mir zu suchen? Denken sie wirklich, ich sei es gewesen, der den Mord am König versucht hat? Und warum kommt er jetzt erst? Nach vier Tagen. Was hat ihn aufgehalten?

»Du hören?« Die Anführerin schüttelte ihn leicht an der Schulter. »Suchen du. Du verstecken hier. Alles gut.«

Mit diesen Worten erhob sie sich und verließ die Heilerhütte wieder. Der Perlenvorhang klimperte und die schwere Tür wurde zugestoßen. Der Elf lauschte. Das war das Einzige, was er zurzeit tun konnte. Theresa war keine richtige Heilerin, wenn er ihr langes Herumkramen im Schrank und ihre zitternden Hände beim Wechseln seines Verbands richtig deutete. Wegen ihr würde er bestimmt nie wieder richtig sehen können. Der Elf hatte sie darum gebeten, fast gebettelt, dass sie einen ausgebildeten Heiler holen solle, aber sie hatte ihm erklärt, dass es im Perlenwald keine mehr gab. Der Letzte war von wilden Tieren aus eben dieser Hütte gezerrt und getötet worden. Aber wenn es wirklich stimmte, dass Aktur ein Held war, derjenige, der die dunkle Königin besiegen und damit Alarchia retten würde, musste er seine Augen benutzen können. Seit gestern erst hatte er diese Binde um, die mit allerlei Heiltränken, Kräutersäften und Tinkturen vollgesogen war. Es roch sogar angenehm, überlagerte jedoch jeden anderen Geruch. Er war aber auch teilweise froh darüber. Sicher müsste er schon fürchterlich stinken, obwohl einige Wolfsleute ihn regelmäßig wuschen. Seine Kleidung aber war immer noch die alte. Theresa meinte, es wäre zu riskant, ihn umzuziehen, da dann die Wunden wieder aufbrechen könnten.

Direkt vor dem Fenster zum Nachbarhaus ertönten Stimmen. Aktur brauchte einige Zeit, bevor er begriff, dass es wirklich Prinz Mirap war, der mit Theresa sprach. Jedoch benutzte er eine andere Sprache, die der Verletzte nicht verstand. Wahrscheinlich war es Jouze, die Sprache der Feen, was kein Wunder wäre. Schließlich dienten die Bewohner des Goldenen Palastes Jeovi, der Erschafferin allen Lebens, die auch ausschließlich in Jouze sprach. Sie gab ihre Sprache nur an die Wolkenleser und Feen weiter, wobei die Wolkenleser die Gabe bekamen, jede Sprache sprechen und verstehen zu können ohne einen Zauber zu gebrauchen. Ein Quatto übersetzte die Worte des Prinzen in die Sprache der Menschen und umgekehrt.

»Wirklich nicht? Ein Elf mit goldenen Haaren. Er heißt Aktur und muss Wunden von gesplitterten Ästen davongetragen haben. Vielleicht auch einige Knochenbrüche. Wir haben bereits bei der Absturzstelle gesucht, aber keine Leiche gefunden. Also muss er überlebt haben und hat Hilfe gebraucht, um von dort wegzukommen. Die Nächstbesten, die das getan haben könnten, seid ihr«, erklärte der Thronerbe und der Quatto übersetzte, woraufhin die Anführerin etwas entgegnete.

»Wir haben keinen Elfen mit diesem Aussehen oder Namen gesehen. Ja, wir haben die Absturzstelle besucht, dachten aber, dass es nur der Adler war, der vom Himmel gefallen ist. In der Nähe gab es auch keine weiteren Spuren eines Überlebenden.«

»Und wo ist der Adler?«, wollte der Prinz wissen. Aktur konnte sich genau vorstellen, wie sein Gesicht sich verfinsterte und seine Stirn sich in Falten legte. Genauso war es gewesen, als Rako ihn in den Thronsaal gebracht hatte, wo Prinz Mirap mit der weißhäutigen Frau zugegen gewesen war.

Rako! Er ist der Quatto des Prinzen! Wahrscheinlich übersetzt er das Gespräch zwischen den beiden. Hoffentlich entdeckt und verrät er mich nicht. In meinem Zustand könnte ich weder fliehen noch mich verteidigen. Prinz Mirap wird mich zu seinem Vater bringen und ich werde garantiert zu Tode verurteilt für etwas, das ich nicht mal getan habe. Immer noch fragte er sich, wer dann der eigentliche Attentäter gewesen war.

»Der Adler war noch nicht tot, als wir ihn fanden, aber einige Äste hatten sich in seinen Körper gebohrt. Er wäre eines qualvollen Todes gestorben, wenn wir ihm keine letzte Gnade erwiesen hätten. Das Fleisch liegen zu lassen, wäre aber eine Schande gewesen. Es gab an jenem Tag ein Festmahl in unserem Lager. Jedes Kind, jede Frau und jeder Greis hat genug gegessen. Adlerfleisch ist nicht sehr nahrhaft, hat dafür aber wenig Fett. Ihr könnt Eurem Vater berichten, dass die Wolfsleute ihm von ganzem Herzen für dieses Geschenk des Himmels danken.«

Himmelsstürmer ist tot? Und... Sie haben ihn gegessen? Der Gedanke machte Aktur Angst. Zuvor hatte er Theresa einfach nur respektiert, aber jetzt erstarrte er in Ehrfurcht. Zum Glück hatte er in den ersten Tagen nichts Festes, also auch kein Fleisch, essen können. Das hätte er sich nie verziehen. Was werde ich dem Magier bloß sagen, wenn er mich nach seinem Adler fragt?

Auch Prinz Mirap schien nicht sehr begeistert zu sein. »Ihr habt einen Rußadler getötet und ihn gegessen? Er gehörte dem König! Ihr hattet kein Recht dazu! Wenn ihr keine Drachenjäger in eurer Ahnenreihe hättet, müsste ich euren ganzen Stamm wegen Verrat und Mord gefangen nehmen!

Wir hielten es für das einzig Richtige«, übersetzte Rako. »Er wäre nicht mehr gesund geworden. Seine Flügel waren gebrochen. Und was hat ein Vogel, der nicht mehr fliegen kann, für einen Nutzen? Wenigstens hat er sein Leben für das unserer Kinder gegeben.«

Der Königssohn murmelte etwas, das Aktur nicht verstand. Dann erhob er wieder die Stimme und der Quatto sagte: »Wir durchsuchen euer Lager nach dem Elfen. Solltest du lügen und ihn irgendwo versteckt haben, dann...« Das letzte Wort übersetzte Rako nicht, doch es hörte sich aus Prinz Miraps Mund wie eine Drohung an, was auch verständlich wäre angesichts seiner jetzigen Lage. Sicherlich hatte er seinen Vater noch nie enttäuscht was das Finden von Kriminellen anging. Dann werde ich jetzt also als Verbrecher angesehen.

Er versank in seinen Gedanken über den Goldenen Palast auf der größten Railess und die anderen Schwebenden Inseln, die aus den Ufern der Raimy entstanden, dem Meer, über dem sie schwebten. Immer wieder fragte er sich, was so besonders an der Erde war, dass sie einfach so eines Tages in die Luft stieg oder ob es nur ein Zauber Jeovis war, der das ermöglichte. Aktur erinnerte sich an das Gedicht über das Ende der Goldenen Welt, das König Zefalo ihm vorgetragen hatte. Darin war die Rede von der Erschafferin allen Lebens gewesen und dass sie auf die Erde kommen würde, um den Lebenskreis zu schließen. Hieß das, sie würde sterben, um ihre Welt zu retten? Doch wer würde dann über sie wachen? Es gab keine anderen Götter, die so mächtig wie sie waren. Es gab nicht mal Beweise, dass sie wirklich existierten. In der Bibliothek von Ihany hatte er sogar Hinweise darauf gefunden, dass die Götter der Menschen und Elfen eigentlich dieselben waren, nur andere Namen hatten und dazu gedient hatten, den Glauben an das Gute aufrecht zu erhalten, nachdem die Wolkenleser verschwunden waren.

Die Tür schwang kaum hörbar auf und der Perlenvorhang klimperte, doch Aktur konnte keine Schritte vernehmen. Erst dachte er, er hätte es sich nur eingebildet, doch als sich eine kleine Hand auf seine Stirn legte, verschwanden alle Zweifel.

»Du? Hier?«, ertönte Rakos ungläubige Stimme direkt vor seinem Gesicht. »Aber du bist nicht hier!«

»Doch, ich bin es. Sei aber leise!« Der Elf sprach mit gesenkter Stimme. Wenn er das Gespräch draußen belauschen konnte, würde auch ihn jeder hören können, der zufällig an dem Fenster vorbeiging. »Hör zu, du darfst mich nicht verraten.«

»Aber mein Hausherr wird mir die Freiheit geben, wenn ich dich finde. Und ich habe dich gefunden. Also werde ich frei sein.« Der Quatto klang nachdenklich. In dem Moment tat ihm der kleine Kerl Leid. Er kämpfte dagegen an, darauf zu bestehen, Stillschweigen zu bewahren. Es war falsch. Und es war ungerecht. Rako hatte es verdient, frei zu sein, nicht mehr im Goldenen Palast als Diener zu arbeiten. Er sollte wissen, was es hieß, sein Leben zu leben. Doch was würde dann aus ihm selber werden?

»Bitte«, flüsterte er dem kleinen Kerl zu. »Wenn Prinz Mirap mich findet, wird er mich zu seinem Vater bringen und mich hinrichten lassen.«

»Mein Hausherr sagt, dass du König Zefalo, den Herrn über die Schwebenden Wasser, Fürsten über das östliche Land und Herzog der Lüfte, töten wolltest«, beharrte Rako. »Er hat mich schon dafür bestraft, dass ich dich in den Thronsaal gebracht habe, während er Gesellschaft hatte. Zehn Peitschenhiebe habe ich bekommen. Ich musste laut mitzählen. Eins, zwei, drei, bis zehn. Aber dann durfte ich mit ihm kommen, um den Attentäter Aktur zu suchen. Das bist du. Du wirst mir meine Freiheit wiedergeben.«

Aktur presste die Lippen fest aufeinander und ballte die Fäuste. Wie konnte der Prinz seinen Diener nur so hart bestrafen? Hat er kein Herz? Er wünschte, er wäre stark genug, um sich Mirap entgegenzustellen. Rako hatte ihn nicht verdient. Wie kann ich von ihm verlangen, die Hoffnung auf Freiheit aufzugeben? Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln.

»Mein Hausherr wird bald hier sein«, sagte der Quatto. »Ich werde aufpassen, dass du nicht fliehst.«

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