Der General

»Menschen sind stärker als man denkt.

Die besten Bogenschützen: Anoraner.

Die besten Schwertkämpfer: Dheser.

Die besten Messerwerfer: Utopier.

Die besten Magier: Hellhofer.

Die besten Reiter: Jaminer.

Die besten Axtkämpfer: Komtschaker.

Die besten Krieger: Gol-Gaburer.«

AUS DEM WERK

»STÄDTE DER GOLDENEN WELT«

»Zenit Schwarzbart, General von Zowuza empfängt keine herumstreunenden Bettler!«, brüllte der ungewöhnlich große Sklave sie an und schlug die Tür vor ihrer Nase zu. Noch einige Augenblicke später vibrierte das Eichenholz von dem harten Aufprall auf den Türrahmen. Ratlos sah Yudra zu Nurov, der, ebenfalls resigniert, den Kopf schüttelte. Sie erwartete von ihm, dass er sich auf irgendeine menschliche Art und Weise doch noch Zugang zu dem Haus verschaffte, doch das war nicht der Fall. Stattdessen klopfte er wieder.

»Ihr sollt abhauen!«, ließ sich die Stimme des Sklaven von neuem vernehmen.

»Wir haben eine wichtige Sache zu klären«, sagte Nurov ruhig und ignorierte die Unfreundlichkeit, mit der sie empfangen wurden. Aus einer der unzähligen Taschen an seiner Hose holte er einen Geldbeutel. Er schüttelte ihn und die Münzen darin klimperten verführerisch. Es dauerte eine Weile, bis die Tür sich knarrend einen Spalt breit öffnete.

»Arm scheint ihr doch nicht zu sein«, murrte der kahlköpfige Mann. »Dennoch müsst ihr euch zuerst ein offizielles Terminschreiben bei dem Verwalter des Generals holen.«

»Natürlich.« Nurov öffnete den Lederbeutel, nahm zwei Arc heraus und hielt sie dem Sklaven hin. »Reicht das?«

Seine Augen weiteten sich überrascht und er langte nach dem Geld, das sofort zwischen den Falten seines abgerissenen Lumpens verschwand. Erst dann schwang die Tür ganz auf, sodass Yudra und ihr Begleiter eintreten konnten.

Von innen sah das Haus ebenso prächtig aus wie von außen. In der Mitte der Eingangshalle stand auf einem marmornen Podest die Statue einer Frau mit sechs Armen, in denen jeweils ein kleines Menschenkind lag. Sie hatte den Kopf einer Wölfin und in der Mitte ihrer Stirn war ein violett leuchtender Edelstein eingelassen, der unstete Schatten auf ihr Wolfsgesicht warf. Um die Statue herum war der Boden mit Mosaiken geschmückt, die verschiedene Szenen einer Jagd und eines Kampfes zeigten. Yudra fühlte sich unwillkürlich an den Eisenthron in Hadamars Gemach erinnert. Ob es wohl der gleiche Künstler war, der dieses Werk erschaffen hatte?

Die Erdfee blickte verwundert zu Nurov, der eiligen Schrittes zu der sechsarmigen Statue ging, sich vor ihrem Sockel niederließ und ihr die Füße küsste. Yudra verzog angeekelt das Gesicht, wischte diesen Ausdruck aber fort, als er wieder zu ihr zurückkehrte. In seinen Augen standen Tränen.

»So ein schönes Bildnis meiner Patronin habe ich noch nie gesehen«, flüsterte er leise.

»Patronin?«

»Femi ist die Göttin, die über mich wacht. Von Geburt an wird jedem Bären- und Wolfsmenschen ein Gott als Patron mit auf den Lebensweg gegeben, der uns auch unseren Nachnamen gibt.«

Die Dryade verkniff sich ein abfälliges Schnauben. Es gibt nur eine Göttin und das ist die Erschafferin allen Lebens, Jeovi. Wie können die Menschen nur so dumm sein und glauben, dass es noch andere Götter gibt, die über sie wachen? Sie dachte zurück an ihre Begegnung mit dem Schneevolk in den Bergen. Eleasar hatte vorgehabt, sie einem anderen Gott zu opfern, damit er ihnen mehr Wärme schenkt. An seinen Namen konnte sie sich bei bestem Willen nicht mehr erinnern.

»Genug geschwatzt!« Der kahlköpfige Sklave schubste sie beide in Richtung einer Treppe, die zum zweiten Stockwerk führte. Das Geländer machte den Eindruck, als bestünde es aus den Schuppen einer Schlange, doch als Yudra darüber strich, fühlte sie nur die Kälte des Eisens. Das ganze Haus war ein einziges Kunstwerk.

»Die Treppe hoch, nach links und die dritte Tür«, erklärte der Mann und machte gleich auf der Stelle kehrt. Er war barfuß und die nackte Haut erzeugte ein unangenehmes Geräusch auf den Marmorfliesen um das Mosaik herum. Wie gerne hätte Yudra ihm einen Blitz hinterher geschickt, damit er ihren Zorn über seine Unfreundlichkeit spürte. Sanft fuhr sie mit ihrer Hand über den rechten Arm und zuckte gleich wieder zurück. Das neue Quay unter ihrer Haut brannte immer noch etwas von den spitzen Nadeln, die ihre Tätowierung erneuert hatten. Der Mann, der das getan hatte, war wahrlich ein Meister in seinem Gebiet gewesen. Die Erdfee war sogar der Meinung, dass die spitzen Zähne am Kopf der tätowierten Schlange noch bedrohlicher wirkten als zuvor. Auch die geschlitzten Pupillen sahen wie echt aus.

Yudra fühlte sich nun viel wohler in ihrer Haut. Der Kräutertrank, der ihre Ausstrahlung abschwächen sollte, hatte mittlerweile auch angefangen, zu wirken. Sie wusste das, weil Nurov viel lockerer neben ihr her ging und nicht mehr beschämt den Blick abwandte, wenn sie ihn ansprach. Die Fee erinnerte sich noch ganz genau an die Kräuterfrau, die erstaunlicherweise keine Hexe, sondern eine junge Elfe gewesen war. Sie hatte ihr anvertraut, dass häufiger Feen zu ihr kamen, um das ›Gebräu gegen göttliche Ausstrahlung‹ zu trinken, wie sie es genannt hatte. Die meisten von ihnen wollten sich zurückziehen, normal leben und eine Familie gründen. Sie wollten für Elfen gehalten werden. Diese Vorstellung war der Erdfee völlig fremd. Wie konnte man seine heilige Pflicht so sehr vernachlässigen und sich sogar über die Gesetze der Göttin selbst hinwegsetzen!

Nurov blieb so plötzlich stehen, dass Yudra beinahe in ihn hineingerannt wäre. Er bedachte sie eines belustigten Blickes und hob die Hand, um an die Tür zu klopfen. Es war die letzte in einem breiten Flur. Helles Licht fiel durch ein Fenster am Ende des Ganges auf den kostbaren Teppich, der den Boden bedeckte. Yatepas Bruder klopfte und sofort wurde die Tür aufgerissen. Vor Schreck wich Yudra zurück. Im Türrahmen erschien ein massiger Hüne von Mann mit stählernen Muskeln, die er mit seinem nackten Oberkörper zur Schau trug. Sein wilder Blick streifte Yudra und blieb schließlich an Nurov hängen.

»Wer seid ihr?«, fragte er barsch. »Ich habe jetzt keine Zeit für Menschen wie euch, die meinen, Aktur in der Stadt gesehen zu haben. Ich habe den Wachen schon lange gesagt, dass sie diesen Elfen sofort gefangen nehmen sollen.«

»Darum geht es nicht«, erklärte Nurov freundlich. »Es wäre sehr nett, wenn wir uns erstmal hinsetzen und alles in Ruhe besprechen könnten.«

»Wie schon gesagt, ich habe keine Zeit«, knurrte Zenit und schlug die Tür zu. Nur, weil Yudras Begleiter hastig seinen Fuß vorschob, woraufhin das Holz dagegen krachte und er sein Gesicht vor Schmerz verzog, blieb ein kleiner Spalt offen. Yatepas Bruder wechselte einen Blick mit der Dryade. Sie hatten befürchtet, dass der General sie sofort abweisen würde und daher beschlossen, alles auf eine Karte zu setzen, wenn es so weit war.

»Es geht um einen Kampf.« Sobald Nurov das von sich gegeben hatte, schwang die Tür wieder auf. Der schwarze Bart des Generals zitterte, als er einen Schritt beiseite trat, sodass sie beide das Zimmer betreten konnten.

Yudra fiel sofort auf, dass pures Chaos in dem Raum herrschte. Der Schreibtisch war kaum noch zu erkennen unter den vielen Pergamentrollen, Papierfetzen und Briefen. Sie fragte sich, ob sich darunter auch die Klage auf Gimeiu befand, die sie geschrieben hatte. Zwischen den unzähligen Formularen war offenbar ein Tintenfass umgekippt, denn die schwarze Farbe tropfte gemächlich auf das Leopardenfell, das dem General als Teppich diente.

Im Zimmer befanden sich insgesamt zwei Fenster. Eines von ihnen war direkt über dem Schreibtisch und durch das andere fielen Sonnenstrahlen auf eine Liege, die ungewöhnlich leergeräumt war. Sie war auch das einzige Möbelstück, das vollkommen unberührt aussah und so gar nicht zu dem restlichen Inventar passen wollte. Daneben stand eine kleine Kommode, auf der allerlei Phiolen mit Ölen und Duftwassern aufgereiht waren. Auch ein Glas und eine Flasche mit der Aufschrift ›Das Beste vom saufenden Berserker‹ waren zu sehen. Im Glas befand sich noch der Rest eines sehr nach Bier riechenden Getränks, das die Alkoholfahne von Zenit Schwarzbart erklären könnte.

»Wer seid ihr?«, fragte der General erneut und ließ sich ächzend auf der Liege nieder. Mit einer Hand langte er nach dem Bierglas und leerte dessen Inhalt mit einem Schluck, bevor er es wieder auf die kleine Kommode hämmerte. Er musterte die Neuankömmlinge misstrauisch.

»Mein Name ist Nurov«, erklärte Yatepas Bruder. »Ich arbeite in der Bibliothek von Zowuza...«

»Ein Bücherscheißer also«, unterbrach Zenit Schwarzbart ihn, füllte sich sein Glas wieder neu auf und deutete einladend auf einen Haufen Schriften, unter dem sich wahrscheinlich eine Sitzgelegenheit verbarg. Während Yudra sich daran machte, die ganzen Pergamente auf den Schreibtisch zu verlagern, hielt der General Nurov ein Glas mit demselben Bier hin, wie er es in der Hand hatte. Er lehnte dankend ab, woraufhin der Veteran ratlos mit den Schultern zuckte. »Wer nicht will, der will nicht.«

Endlich hatte die Dryade zwei niedrige Holzhocker freigeräumt, die sie nun nach vorne schob, damit Nurov und sie sich hinsetzen konnten. Der General gab einen lauten Rülpser von sich und trank einen weiteren Schluck, bevor er fortfuhr: »Und deine Begleiterin?«

»Ich bin Yudra«, stellte die Erdfee sich vor und benutzte den Namen, den Cor angegeben hatte, als sie Zowuza betreten hatten. »Ich bin eine Elfe aus Yaari, bin aber von dort geflohen, als die Hexen und Werwölfe kamen.«

Zenit nickte ernst. »Ja, ja, die kenne ich. Musste ab und zu schonmal hart bei denen durchgreifen. Lassen sich nur schwer töten.« Er trank erneut einen Schluck und stellte das Glas dann zwischen den ganzen Ölfläschchen auf die Kommode. »Ihr meintet irgendwas von einem Kampf.«

»Wir brauchen Eure Hilfe«, erklärte Nurov, wurde aber wieder von dem General unterbrochen, bevor er weitersprechen konnte.

»Meine Hilfe wird nur gebraucht, wenn irgendwer irgendwen vergewaltigt hat, irgendwer irgendwo eingebrochen ist, irgendwer irgendwas gestohlen hat oder wenn irgendwer seine Steuern nicht bezahlt hat. Aber ich würde mich sowieso einen Dreck darum scheren, also...« Seine hellbraunen Augen verengten sich und er beugte sich leicht vor, sodass Yudra seinem stinkenden Atem kaum ausweichen konnte. »Es geht um einen Kampf außerhalb der Stadt, richtig?«

»Ja«, gab Nurov zu. »Aber...«

Weiter kam er nicht, denn Zenit Schwarzbart gab einen kehligen Laut von sich. Wüsste die Dryade nicht, dass ein Menschenmann vor ihr saß, hätte sie gedacht, ein Wolf würde versuchen, sich mit ihr zu unterhalten. »Besonders du, Bücherscheißer, müsstest eigentlich wissen, dass ich unmöglich hier rauskann. Alle Wachen haben den Befehl erhalten, mich sofort abzumurksen, wenn ich auch nur einen Schritt aus Zowuzas Stadttor mache.« Er deutete mit seiner linken Hand, an der der kleine Finger fehlte, auf eine schmale, weiße Narbe an seinem rechten Oberarm. »Das hier war ein Pfeil, der mich fast erwischt hätte. Nur weil ich betrunken war und am Stadttor gestürzt bin.«

Yudra sah den Mann vor ihr teils beeindruckt und teils angeekelt an. Wie kann ein ehemaliger Himmelskrieger, ein Mensch, wo normalerweise nur Elfen sind, so tief sinken? Er trinkt, um seine Sorgen zu vergessen. Das geht nie gut aus. Sie erinnerte sich noch gut an den letzten Fürsten von Jami, der Karawanenstadt. Als Rassou und sie einst am Rande der Ohawa-Wüste waren, hatten sie ihn tot und mit einer Flasche hochprozentigem rotem Kimoji neben sich in einer Düne gefunden, halb bedeckt mit buntem Sand.

»Es geht um einen Kampf, der Alarchia retten wird.« Nurov hatte seine Stimme verschwörerisch gesenkt und versuchte damit die Neugier des Generals zu erwecken. Es funktionierte. Zenit hob fragend eine Augenbraue und Yatepas Bruder fing an zu erzählen. Mit Yudras Hilfe erklärte er ihm die Situation mit Gasoka. Die Bedrohung war schon nah, das wussten sie, und sie drängten den General dazu, ihnen zu helfen. Als Beweis führten sie den Schatten an, wegen dem die Bibliothek geschlossen worden war. Allerdings verschwiegen sie ihm, dass einige von ihnen magiebegabt waren. Das brauchte er nicht zu wissen. Zenit Schwarzbart unterbrach sie kein einziges Mal und folgte ihren Ausführungen sehr interessiert. Als sie geendet hatten, schwieg er eine Weile, nippte an seinem Getränk und starrte in die Leere. Schließlich stellte er das Glas wieder weg und blickte ihnen nacheinander direkt in die Augen.

»Ihr habt keine Chance«, sagte der General mit dunkler Stimme und schüttelte den Kopf. »Ihr braucht Krieger und die habt ihr nicht. Ihr braucht Waffen und die habt ihr auch nicht. Was seid ihr eigentlich für eine Gruppe? Zwei Bücherscheißer, zwei Menschen von den Stämmen im Perlenwald, eine Elfe und ein schlafender Schwachkopf?« Er lachte. »Ihr wäret tot, noch bevor ihr Gasoka überhaupt erreichen würdet. So wie ich verstanden habe, ist sie eine Magierin. Eine sehr mächtige, wenn sie solche Wesen wie die Schatten erschaffen hat. Selbst die sechste Pixie konnte während des Schwesterkrieges kaum aufgehalten werden, die Geschichte kennt jeder.« Seine Hand wanderte zu seiner Stirn, wo er mit den Fingerknöcheln gegen klopfte. »Ich hoffe, eure Gehirne wissen, was sie tun.«

Nurov öffnete schon den Mund, um etwas zu erwidern, doch Yudra war schneller. »Wir wissen sehr wohl, was wir tun!«, zischte sie ihn an. »Verstehst du denn nicht?« Sie benutzte absichtlich nicht mehr die formelle Anrede, sondern die freundschaftliche. »Gasoka wird Alarchia in eine Zeit voller Dunkelheit stürzen. Vielleicht sogar in eine noch schlimmere, als es bei der sechsten Pixie der Fall war. Und wir brauchen verdammt nochmal deine Hilfe! Wir brauchen Krieger! Leute, die uns bei der Suche nach Gasoka begleiten. Wenn sie sehen, dass du dich uns angeschlossen hast, werden sie erkennen, dass es um eine wirklich wichtige Sache geht und vielleicht auch auf unserer Seite kämpfen. Du bist doch der General von Zowuza! Du kannst nicht einfach tatenlos rum hocken, dich betrinken und ruhig deinem Tod entgegenblicken, nur, weil dich ein König vor zehn Jahren hierher verbannt hat. Du wolltest deinen Bruder umbringen!«

»Ich wollte ihn doch nicht umbringen!«, brüllte Zenit Schwarzbart los, erhob sich von der Liege und ballte wutentbrannt die Fäuste. Nurov stand hastig auf und trat einige Schritte zur Tür, um dem zornigen General auszuweichen. Die Dryade hingegen blieb ungerührt sitzen und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. Selbst als er ihr so nah kam, dass sie seinen stinkenden Atem selbst einatmen musste, rührte sie sich nicht, sondern starrte ihn mit funkelnden Augen an.

»Ich wollte ihn nicht umbringen«, knurrte der General erneut und betonte dabei jedes einzelne Wort.

Die Luft im Raum wurde merklich kühler und die Erdfee bereute es, nichts über das Kleid angezogen zu haben. Ihre rechte Hand tastete nach dem Dolch in dem Lederband, das an ihrem Oberschenkel befestigt war. Sollte die Situation eskalieren, würde sie ihm die Waffe ins Bein rammen und wenn das nichts nützte, ihn mit einem Griff in den Nacken lähmen. Er sollte nicht sterben, auch wenn so ein Abschaum wie er den Tod mehr als verdient hatte. Seine hellbraunen Augen funkelten sie herausfordernd an. Still maßen sie sich mit Blicken. Abschätzend. Bereit, bei der kleinsten Bewegung, beim geringsten Zucken des anderen aufzuspringen. Eine Ewigkeit schien zu vergehen, zwei Ewigkeiten. Yudra wusste, dass irgendwo in ihrer Nähe Nurov sie schweigend beobachtete. Warum tat er nichts?

»Innerlich sind wir beide tot.« Die Stimme des Generals war nicht mehr als ein Flüstern, doch trotzdem verstand Yudra jedes einzelne Wort so klar als hätte er es ihr ins Ohr geschrien. Ein eiskalter Schauer jagte ihren Rücken hinab. Langsam entfernte sich ihre Hand vom Dolch, bis sie bewegungslos auf ihrem Schoß lag.

Was meint er damit? Sie wagte es nicht, zu fragen. Der Bann war gebrochen. Erleichtert und gleichzeitig beunruhigt von der rätselhaften Behauptung blinzelte die Erdfee.

»Ihr seid mutig«, erklärte Zenit Schwarzbart mit fester Stimme und richtete sich auf. Zu Yudras Verwunderung legte er seine rechte Hand aufs Herz. Eine Geste, die sie schon häufiger unter Menschen gesehen hatte und die wohl so etwas wie Vertrauen zueinander zeigen sollte. Die Dryade stand auf, deutete eine Verbeugung an und tat das gleiche. Endlich kam auch Nurov dazu.

»Mut muss belohnt werden«, fuhr der General fort. »Ich werde mich euch anschließen, sobald wir die Stadt verlassen haben. Und wir werden sie verlassen! Zusammen.«

»Dann haben wir uns geeinigt«, sagte Nurov und nickte Zenit Schwarzbart anerkennend zu. Yudra bemerkte, dass er auch ihr einen kurzen Seitenblick zuwarf. Das mit der Flucht hatten sie so nicht geplant, aber sie wollte nicht riskieren, den General jetzt mit einem Rückzieher zu verärgern. Also neigte auch sie kurz den Kopf als Zeichen der Zustimmung.

»Sieht wohl so aus«, meinte Zenit Schwarzbart, ein leichtes Grinsen auf den Lippen.

»Gehen wir also zur Bibliothek?«, fragte Nurov. Der Menschenmann blickte zu dem General. Das Licht, das durch das Fenster hinter ihm schien, machte ihn nur zu einem Schattenriss, sodass es unmöglich war, seinen Gesichtsausdruck zu deuten.

»Zur Bibliothek? Nein...« Zenit Schwarzbart fuhr sich mit der Hand durch den Bart. »Ich kann jetzt nicht. Ich muss noch was anderes erledigen.«

»Und was dann?« Nurov war sichtlich verwirrt.

»Sobald ich die Sache abgehakt habe, werde ich einige meiner Leute in Kenntnis setzen, die auch Interesse an dieser Sache haben könnten. Sie werden einer nach dem anderen bei euch eintrudeln. Ihr werdet sie vielleicht nicht sofort erkennen, aber jeder von ihnen wird«, er nahm ein herumliegendes Arc von seinem Tisch und hielt es in die Luft, »diese Münze dabei haben.«

»Du verarscht uns«, knurrte Yudra unzufrieden. »Jeder in Zowuza hat so eine Arc-Münze!« Insgeheim fragte sie sich jedoch, was diese eine ›Sache‹ war, die er noch erledigen musste.

Der Hüne lachte kurz auf, packte die Fee beim Unterarm und drückte ihr das Arc in die Handfläche. »Von diesen Münzen gibt es nur eine begrenzte Anzahl in der gesamten Goldenen Welt! Überzeug dich selbst.«

Immer noch misstrauisch betrachtete die Dryade das runde Kupferstück. Es sah genauso aus wie jedes andere Arc. Auf der Vorderseite war das Profil einer hübschen Elfe eingestanzt und auf der Rückseite... Sie stutzte. Wo normalerweise der Umriss des Goldenen Palastes abgebildet war, starrte ihr ein geschlitztes Schlangenauge entgegen. Sie verkniff sich eine spitze Bemerkung und gab dem General wortlos die Münze zurück.

»Gut.« Nurov war seine Hilflosigkeit deutlich anzusehen. »Dann...«

»Schwöre, dass du uns auch wirklich beistehen wirst«, unterbrach Yudra Yatepas Bruder und funkelte Zenit Schwarzbart herausfordernd an. »Schwöre, dass du zusammen mit uns gegen Gasoka in den Kampf ziehen wirst.«

Der General schmunzelte. »Das Biest ist schlau«, sagte er mehr zu sich selbst, legte aber trotzdem die rechte Hand auf die Brust und beugte sich leicht vor. »Ich schwöre, dass ich euch im Kampf gegen die kleine Missgeburt unterstützen werde oder dabei draufgehe.«

Die Erdfee nickte zufrieden. Das war das Mindeste, was sie von ihm erwarten konnte. Aber es würde reichen. Sie wechselte einen Blick mit Nurov. Hoffentlich haben wir keinen Fehler gemacht, ihn hinzuzuziehen.

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