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TW: explizite Darstellung und Erwähnung körperlicher Gewalt, Blut und Tod.
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"Harry", hörte ich Liam erneut rufen. Mit benommenem Blick sah ich zu meinem Beta, welcher sich an meine Seite stellte und mich auffing, nach dem Toby sich von mir gelöst hatte und versuchte die Stäbe zu entfernen. Erfolglos. "Das wird schon wieder", hörte ich Liam noch zu mir sagen, bevor ich abdriftete und keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte.

"Er verliert viel zu viel Blut", hörte ich jemanden sprechen, doch ich ließ meine Augen geschlossen und versuchte mich irgendwie noch auf die Regeneration zu konzentrieren, aber das gelang mir einfach nicht. Ich konnte spüren, wie sich etwas spitzes durch meine Organe bahnte, ein unheimliches Brennen auslöste und mir immer mehr Kraft raubte.

"L-Liam...", murmelte ich leise, schaffte es nicht mal mehr meinen Griff um seinen Unterarm zu verstärken und sackte in mir zusammen. "Du gibst jetzt nicht auf", knurrte mein Beta, tätschelte meine Hand und schien plötzlich mit jemanden zu diskutieren, doch ich konnte kaum folgen.

Ich konnte dich gar nichts tun... Wie sollte ich dagegen ankämpfen, wenn mir mein Knochen die Lunge zerrissen hat?

Plötzlich ertönte ganz in meiner Nähe ein lautes Knurren. Ich konnte nicht ganz ausmachen wem es gehörte, doch das Fiepen danach war eindeutig Toby. Ich schaffte es meine Augen für wenige Sekunden zu öffnen und sah, wie Mason gemeinsam mit Lori an Toby zerrte und beide es gemeinsam schafften ihm vereinzelt Stücke herauszureißen.

Allein die Genugtuung, welche ich bei seinem leidenden Anblick empfand, spendete mir für wenige Sekunden Kraft, die mir dabei half Luft zu holen und kurz durchatmen zu können. Doch direkt breitete sich ein krampfähnlicher Schmerz in meinem Brustkorb aus und presste ungewollt all die Luft aus meinem Körper, das ich das Gefühl hatte zu ersticken.

"Bleib wach Harry, bitte... Du musst wach bleiben. Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll... Bitte bleib bei mir", flehte Liam und legte seine Hand an meine Wange. "Du darfst nicht... Tu uns das bitte nicht an... Bitte", wimmerte er leise und begann zu fiepen. "Stirb nicht... Das darf einfach nicht passieren."

Aus halboffenen Augen sah ich zu meinem Beta, sackte weiter in mir zusammen, bis ich auf den Boden aufkam und vor Schmerz nur noch winselte. "L-Louis", murmelte ich leise und hatte den Drang ihn ein letztes Mal sehen zu dürfen. Als ich es nicht mehr aushielt, schloss ich meine Augen erneut und blendete meine Umgebung vollkommen aus.

Ein qualvoll brennender Schmerz breitete sich in meinem Inneren aus, weshalb ich meine Augen aufriss und geradewegs zu meiner Mutter blickte, welche sich an meinem Oberkörper zu schaffen machte. Ich sah danach zu Rose, welche mich mit so viel Angst in den Augen ansah, dass ich wegschauen musste. Sie sollte das doch gar nicht sehen...

Ich spürte eine Hand in meiner Wunde und hörte unverständliche Anweisungen meiner Mutter, welche sie an meine Nichte weitergab. Was war... Was war denn mit Toby? Nach einem flachen Atemzug, welcher mich weiterhin nicht mit ausreichend Sauerstoff versorgte, hob ich meinen Blick und sah zu dem Alpha, welcher am Boden lag.

Kopfschmerzen breiteten sich aus als ich versuchte etwas zu erkennen. Erneut holte ich Luft, hatte das Gefühl es würde mir nicht viel bringen und stieß prustend das letzte bisschen aus.

Robin stand über Toby gebeugt, sein Fell war von Blut getränkt und an seinem Blick konnte ich ausmachen, dass seine Kraft schwand. Länger würde er ihn nicht am Boden halten können und auch Joseph schien am Ende seiner Kräfte zu sein. Konnte ihnen niemand helfen? Sollten sie mich doch in Ruhe lassen... Toby war momentan die Gefahr.

"Ich... Ich hab's", murmelte Rose auf einmal und entzog mir ihre Hand. Anschließend betrachtete sie etwas Kleines, was sie zwischen ihren Fingerspitzen hielt und gab es meiner Mutter. "Harry? Hörst du mich?", wollte meine Mutter wissen und rüttelte an meiner Schulter. "Der Knochensplitter ist raus... Wir müssen... Wir müssen weitermachen, schaffst du es allein?"

Anstatt zu antworten, holte ich nach wenigen Sekunden tief Luft. Meine Lunge schien es aushalten zu können und ohne weiter nachzudenken tat ich etwas, was ich schon vor Stunden hätte machen sollen. Ich spürte noch Liams Verbindung mit meinem Körper, kappte diese und verwandelte mich unter höllischen Schmerzen.

"H-Harry... Was- Was tust du?", hörte ich meinen Beta aufgebracht schreien, doch ich ignorierte es.

Für einen kurzen Augenblick sammelte ich mich, schloss meine Augen und verdrängte all den Schmerz, die Gefühle und all meine positiven Gedanken aus meinem Körper. Mit einem Mal kehrte die Kälte in jede meiner Zellen ein. Meine Muskeln spannten sich an, der Speichel sammelte sich in meiner Schnauze und tropfte zähflüssig auf den von Blut besudelten Boden.

"Harry...", hörte ich noch Liam rufen, doch es hätte mir nicht weniger egal sein können. "Mach das nicht!", schrie er wie ein Irrer und versuchte mich aufzuhalten, doch ich schubste ihn nur beiseite, fletschte meine Zähne und knurrte ihn laut an.

In seinem Blick konnte ich Sorge und Angst erkennen. Sogar Tränen schimmerten in seinen braunen Augen. "Mach das nicht Harry... Bitte... Das letzte Mal war es schon gefährlich, aber jetzt? Du- Du wirst nicht zurückfinden... Bitte komm jetzt zurück, jetzt wo es noch geht."

Dann ist es so. Geh mir aus dem Weg.

Liam zog resigniert seinen Kopf zwischen die Schultern und machte mir den Weg frei. Mit dem fehlenden Schmerz konnte ich mich besser bewegen, setzte eine Pfote vor die andere und schritt zu meinem Vater, welcher bei meiner Ankunft direkt auf Abstand ging und mir Toby überließ. Er und Jospeh gingen ganz bei Seite und stellen sich zu Liam.

Da Toby es nicht schaffte sich aufzuraffen, vergrub ich meine langen Fänge in seinem Hinterbein, zog den jaulenden Alpha vor die schützende Barriere und begann die Stäbe aus seinem Körper zu entfernen. Nach dem der letzte mit einem dumpfen Schlag auf den Boden gefallen war, stellte sich der Schänder meines Omegas hin und baute sich vor mir auf.

Gefühle abschalten? Das soll helfen?

Seine Stimme löste keinerlei Schmerzen in mir aus, weshalb ich es ohne Probleme schaffte ihm zu antworten. Deine Familie konnte ich auch vernichten. Bei dir werde ich garantiert nicht scheitern.

Mit meinen Worten entlockte ich ihm ein lautes Fauchen, was mich jedoch kaum interessierte. Dadurch, dass ich nicht einmal mein falsch zusammengewachenes Vorderbein spürte, griff ich Toby frontal an und brachte ihn mit meinen schnellen Bewegungen zu Fall.

Wir duellierten uns für wenige Sekunden, versuchten den anderen zu dominieren, bis es mir gelang mehr Kraft zu sammeln und mit einem Mal meine Zähne in seine Kehle schlugen konnte. Fest biss ich zu, riss ihm die Kehle mit Kraft heraus und ließ es mir nicht nehmen erneut zuzubeißen.

Immer wieder schlug ich meine Fänge in seinen bebenden Körper, zerfetze ihn und schluckte jeden einzelnen Fleischbrocken genussvoll hinunter.

Doch auch das besondere Fleisch half meinem Körper nicht und so blieb die Regeneration aus. Allerdings war es mir egal, Toby sollte schweigen und das tat er nun für immer. Es fehlten einige Stücke aus seinem Hals, dennoch beugte ich mich weiter über ihn drüber, grub meine Zähne in sein noch warmes Fleisch und brach ihm zu guter Letzt das Genick.

Wie gern ich das machen wollte.

Nur ganz langsam löste ich mich von dem Kadaver, ging einige Schritte nach hinten und betrachtete stolz mein Werk. Wenige Kilometer neben mir vernahm ich das Schnaufen und Knurren von Wilden. Anstatt zu gehen ließ ich sie herkommen, vertrieb sie auch nicht als sie mir gegenüberstanden, sondern tolerierte ihre Nähe und schob ihnen die leblosen Reste von Toby zu.

Die zwei Wilden musterten mich mit ihren kalten trostlosen Augen, wagten es nicht mich anzugreifen und beugten sich über den toten Alpha, rissen ihn in Stücke und trugen die blutigen Überreste hinfort.

Für einen Augenblick sah ich ihnen noch nach bis ich mich herumdrehte und mit langsamen Schritten durch die Schutzwand des Dorfes ging. Die aufgerissenen Augen und die geschockten menschlichen Gesichter meiner Familie ignorierte ich und blieb vor meinem Beta, welcher sich die Seite hielt, stehen.

In Sekundenschnelle hatte ich mich verwandelt und stand meinem Beta als Mensch gegenüber. "Harry... Du musst... Du musst wieder zu dir kommen", bat er mich erneut, doch ich schüttelte meinen Kopf. "Die Arbeit ist noch nicht getan", erwiderte ich stattdessen und lächelte bei der Kälte, welche es immer mehr in die Richtung meines Herzens schaffte. Wie angenehm es war, wenn der Schmerz einfach ausblieb.

"Harry-" Doch ich hob meine Hand und brachte ihn somit zum Schweigen. "Lass mich in Ruhe Liam. Es interessiert mich nicht was du denkst. Deine Meinung ist vollkommen unwichtig."

Ich ging zu meiner Mutter, welche sich wieder mit den Frauen aus meiner Familie hingesetzt hatte. Ich unterbrach ihr Ritual, setzte mich im Schneidersitz dazu und bat meine Betas mit wenigen Worten zu mir. Wenige Augenblicke später hielt ich die zittrige Hand meiner Mutter und die von Liam. Gemeinsam konzentrierten wir uns auf unsere Barriere und ließen all die Kraft, welche noch in unseren Zellen steckte, in die schützende Wand einfließen.

Ich spürte das wilde Pochen in meiner Brust als ich die Wärme aller Wölfe fühlte, die bereits vor mir und meiner Familie an diesem Schild gearbeitet hatten. Es fühlte sich wie ein echtes Leben an. Die Wärme war ungewohnt und dennoch interessant zu spüren. Obwohl ich diese Erfahrung erst einige Male machen durfte, prallte die Liebe, welches das Schild ebenfalls beinhaltete, einfach an mir ab.

Mein kaltes Herz interessierte es nicht.

Auf einmal vernahm ich Louis' leises Weinen, ließ meine Augen jedoch geschlossen und konzentrierte mich weiter auf die Stärkung unserer Barriere. Fest hielten wir uns an den Händen und ließen die Kraft durch uns hindurchfließen. Ich keuchte leise als Louis sich auf meinen Schoß fallen ließ und sich schniefend an meinen Hals klammerte.

Ich hatte ihn hergeschickt. Liam hat sich gemeldet, ließ Zayn mich wissen und verschwand wieder aus meinem Kopf.

Der Omega weinte stärker, krallte sich mehr an mir fest und presste sich eng an meine verletzte Brust. Ich konnte seine Angst riechen, seine Erleichterung spüren und dennoch... Es war mir egal.

Ich hörte meine Schwester etwas sagen und wie sie versuchte mit ihren Worten Louis wegzulocken, doch ich schüttelte ganz leicht mit meinem Kopf und verbat ihr mit einem tiefen und lauten Knurren mir Louis wegzunehmen. Auch wenn es mir gleichgültig war, dass er auf meinem Schoß saß und flennte, anscheinend wollte er ja bei mir bleiben. Sollte sie doch aufhören ihn unnötig zu quälen.

Als das Ritual beendet war, öffnete ich meine Augen und betrachtete die Schutzwand, welche in glänzenden Farben pulsierte und selbst im Mondlicht ihre ganzen Farben preisgab. Ich wandte mich an den Omega auf meinem Schoß und erwiderte seinen Blick. Er begann zu fiepen, legte seine Hände an meine Wangen und musterte mich ängstlichen Blick.

"H-Harry?", fragte er mit tränenerstickter Stimme und umfasste mein Gesicht mit etwas mehr Druck. "Du... Du riechst nicht nach Harry", weinte er lauter und schüttelte seinen Kopf. Schluchzend ließ er seine Hände sinken und krallte sich an meinen Armen fest. Ohne weitere Worte zu verlieren lehnte er sich an meine blutigen Oberkörper und weinte an meiner Brust.

"Du riechst nach Tod."

Schluchzer durchfuhren seinen kleinen, schmächtigen Körper und brachten ihn dazu zu zittern. "Wo ist mein Harry?", fragte er panisch und verschluckte sich beinahe an seinen Wörtern. Ich ließ ihn weinen, duldete ihn auf meinem Schoß, erwiderte jedoch nichts und fand es faszinierend, wie sehr jemand weinen konnte. Er verlor sich ja beinahe selbst in seinen Gefühlen.

Ich legte meine Hand nach einigen Minuten an seine Schulter und drückte den Jüngeren von mir. Louis lehnte sich nach hinten, betrachtete mich mit seinen roten und aufgequollenen Augen und schien zu überlegen. Sein unruhiger Blick wanderte über meinen Oberkörper und blieb an der großen klaffenden Wunde hängen.

"D-Du heilst nicht... Harry... Du... Das ganze Blut. D-Das ist noch alles offen..."

Ich nickte und war erstaunt, wie wenig ihm mein jetziger Zustand auf einmal auszumachen schien. Louis suchte meinen Blick, verband unsere Augen wieder miteinander und legte seine kleine Hand an meine Wange. "Zayn hat gesagt ich soll... ich soll keine A-Angst vor dir haben und ich muss... i-ich muss..." Louis sprach nicht zu Ende, schluckte schwer und kniff seine Augen zusammen. Plötzlich zog er mich näher an sich heran, legte seine Hand in meinen Nacken und drückte meinen Kopf auf seine Schulter.

Von der innigen Umarmung verwirrt, ließ ich ihn machen und schnupperte an seiner -von kaltem Angstschweiß benetzen- Haut. Mit meiner Nasenspitze fuhr ich seine Halsschlagader lang, zog seinen zimtigen Duft so ein, dass ich das Gefühl hatte ich würde den Zimt auf meiner Zunge schmecken.

Schleichend übertrug sich seine geringe Körperwärme auf meinen Körper und ließ mich wieder lebendig fühlen. Langsam breitete sich der Schmerz in meinem Körper aus, ließ mich verkrampfen und nach Luft ringen. Schweratmend versuchte ich all den Empfindungen, welche zeitgleich auf mich einprasselten standzuhalten, doch es wurde beinahe unmöglich.

Nur Louis, welcher weiterhin auf meinem Schoß saß, mich fest umklammerte und mit unruhigen Fingerspitzen über meine Haut fuhr, ließ mich nicht vollkommen durchdrehen.

"K-Komm zu mir zurück Harry", wimmerte er leise, presste sich näher an mich heran und begann erneut zu weinen. "I-Ich brauche dich doch", schluchzte der Omega hilflos und verschluckte sich an seiner eigenen Spucke. Hustend ließ er für wenige Sekunden von mir ab, ich löste mich von ihm und schob den jüngeren Wolf von meinen Beinen.

Louis musterte mich mit verschrecktem Blick, beugte sich jedoch vor und schnupperte an meinem Hals. Als ich ihn wieder ansah, nickte er leicht. "D-Du riechst beinahe wieder nach meinem Harry", flüsterte er und wollte nach meiner Hand greifen, da viel sein Blick wieder auf meine offene Wunde, welche weiterhin blutete und mir langsam den Verstand raubte.

"D-Du... Du heilst immer noch nicht", flüsterte er ängstlich und sah sich um. Doch keiner der hier Anwesenden traute sich näher heran und als er meinen Blick erwiderte, schnappte er panisch nach Luft und sah mich mit Schrecken in seinen Augen an.

"S-Sie sind immer noch s-schwarz."

Benommen nickte ich und atmete erleichtert aus als der Schmerz endlich wieder nachließ und die Kälte meinen Körper übernahm. Die ganze Anspannung fiel von mir ab und obwohl ich mich gar nicht mehr aufrecht halten konnte, schaffte ich es dennoch, da ich eh nichts fühlte.

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[2389 Wörter  05/09/2021]

Danke für all eure Kommentare beim vorherigen Kapitel. Ich weiß das es schwierig war und ich bin froh, dass ihr eure Gedanken dennoch mit mir teilen wolltet ♥️

Ich weiß nicht ganz, ob ihr euch erinnern könnt, aber Harry war schon einmal in diesem Zustand... Diesmal scheint es nur nicht ganz so einfach zu sein zurückzukehren. So entwickeln sich übrigens auch Wilde. Schließlich waren sie auch einmal Wölfe.

anna xx

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