- 012 -
"Harry? W-Wach auf... Bitte... Bitte wach auf", hörte ich Louis' bettelnde Stimme. Als ich dann auch noch das Weinen von Amélie hörte schreckte ich hoch und sah mich verschlafen um. Draußen war es noch dunkel und nur der Mond spendete Licht.
Hatte ich so lange geschlafen? Ich wollte doch für die beiden da sein... Langsam erinnerte ich mich daran, dass ich meine Augen nicht mehr aufhalten konnte und wie Louis mir etwas zugeflüstert hatte. Plötzlich spürte ich auch dieses leichte Kribbeln, welches ich vor dem Einschlafen auf meiner Wange gefühlt hatte.
Blinzelnd sah ich zu Louis und der weinenden Amélie. Schläfrig rieb ich mir die Augen und gähnte ausgiebig. "S-Sie hört einfach nicht auf", schniefte Louis verzweifelt und klang dabei vollkommen überfordert.
"I-Ich... Ich habe schon alles versucht. Ich... Ich kann sie auch nicht Stillen. Irgendwas mache ich falsch und-"
"Louis...", unterbracht ich ihn und legte meine Hand auf seinen Oberarm. "Atme tief durch, ja? Es wird alles wieder gut. Es ist was nervenaufreibend, aber sie hört auch wieder auf zu weinen. Allerdings musst du dich ebenfalls beruhigen. Sonst steigert ihr euch beide gegenseitig noch mehr hinein und dann hört ihr beide nicht mehr auf. Das ist auch nicht gut."
Louis sah mich unsicher an und biss sich auf die Lippe. "I-Ich schaffe das alles nicht. Hilfst du mir? Uns? B-Bitte?", wimmerte er leidend und gerade hatte ich mich richtig aufgesetzt, da vergrub er schon sein Gesicht weinend in meiner Halsbeuge. Dabei hielt er sein unruhiges Mädchen eng bei sich und schluchzte herzzerreißend.
Mein Herz schlug immer kräftiger in meiner Brust und Glücksgefühle strömten durch meinen Körper. Er krallte sich hilfesuchend an mich. Er wollte nur mich.
Vollkommen überrascht von seinem Gefühlsausbruch schlang ich meine Arme um seinen zitternden Körper. Das er anschließend auch so direkt meine Nähe suchte... Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass die letzten Wochen gar nicht passiert waren...
Als hätte er mich nicht von sich gestoßen und als hätte ich mich nicht von ihm distanziert.
Es war... merkwürdig.
So wie Louis gerade war- So verzweifelt und am Weinen. Er hatte jetzt so viel mehr Ähnlichkeit mit dem Louis, welchen ich blutüberströmt am Fluss gefunden hatte. Genau dieser Louis hatte mich mit seinen blauen Augen unglaublich verzaubert. Aber was war das jetzt? Warum war es wieder so?
"H-Harry bitte", schniefte Louis und löste sich von mir. "W-Was muss ich dafür machen? Willst du das ich dir-"
Entsetzt sah ich ihn an und schüttelte schnell meinen Kopf. Was sollte das denn? "Du musst nichts machen. Natürlich helfe ich dir", erwiderte ich und strich ihm die Tränen von der Wange.
Was wollte er mir denn anbieten? Auf was für Ideen kam er denn plötzlich? Das hatte er doch noch nie angeboten und sowas sollte er auch nie tun.
"Du hilfst m-mir einfach so? Immer noch? Und du... Und du willst dafür wirklich nichts?"
"Wie kommst du auf die Idee, dass ich irgendeine Gegenleistung dafür erwarte?", fragte ich ihn traurig. "Aber du bist ein Alpha..." Ich konnte es nicht verhindern und knurrte ihn leise an. "Louis, ich habe es dir schon mehrmals gesagt, dass es egal ist was ich bin. Ich bin ein Wolf, genauso wie du einer bist. Wir sind auf einer Ebene und ich helfe dir. Biete niemals etwas an, was du insgeheim nicht tun willst. Es sind nicht alle so wie ich."
"I-Ich..." Louis verstummte und sagte dann nichts mehr. Da Amélie immer noch weinte nahm ich sie an mich und legte sie vorsichtig auf eines der Kissen. Sanft fuhr ich mit meiner Fingerspitze über ihre Stirn und über ihr kleines Näschen. Aufgeregt sah sich mich an und hörte tatsächlich auf zu weinen.
Ich sah wieder zu Louis und schenkte ihm ein kleines Lächeln, bevor ich sein Kleid noch etwas mehr öffnete und ihm wieder Amélie gab. Während ich ihm alles erneut erklärte und zeigte, wie er sein kleines Mädchen am besten halten sollte, hörte Louis mir aufmerksam zu und schaffte es anschließend sie zu Stillen.
Dankbar sah Louis mich an und biss sich auf die Lippe. "I-Ich... Mir... Mir hat das noch nie jemand so erklärt", wisperte er und sah mich traurig an. "Deswegen bin ich ja jetzt da", erwiderte ich aufmunternd und strich über seine Wange.
"D-Danke", erwiderte er mir roten Wangen und sah zu seiner Tochter, welche glücklich schmatzte und sich dann aber quengelnd von seiner Brust wegdrückte.
"Gib sie mir mal", bat ich ihn und löste mich von Louis. Er übergab mir seine Tochter, welche sich in meinen Armen direkt beruhigte. Dennoch stand ich mit ihr auf, wobei einige meiner Knochen knackten und ich einen stechenden Schmerz, welcher durch meinen Rücken zuckte, spürte.
Leise seufzte ich und ging dann ums Bett, um davor mit Amélie etwas auf und abzulaufen. Leider wurde ich von ihr angespuckt als ich sie an meine Schulter legte. "Tschuldigung", nuschelte Louis und sah zur Seite. "Du brauchst dich doch nicht entschuldigen", sprach ich verwirrt und schüttelte meinen Kopf.
"Ich wollte ja eigentlich aufpassen, damit du schlafen kannst... Und ich hab's nicht hinbekommen."
Ah, darum ging es.
Ich legte Amélie kurz hin, zog mir das Oberteil aus und nahm sie wieder in meine Arme. Vorsichtig drückte ich sie an meine Brust, hielt ihren Kopf und wippte leicht hin und her. "Es ist doch alles gut Louis. Mach dir bitte keine Gedanken."
Er nickte leicht und ich spürte seinen Blick auf mir liegen, weswegen mein Herz einen kleinen Sprung machte. Es fand jeden kleinen Funken von Louis' Aufmerksamkeit schön...
Ich sah zu Amélie herunter, welche sich endgültig beruhigt hatte und lächelte leicht. Es tat weh, dass ich niemals mein eigenes Fleisch und Blut so in den Armen halten würde. Dabei fiel mir auch wieder Eleanors Kommentar ein... Das Amélie mich als ihren Papa sehen würde, wenn ich mich in Zukunft mit Louis vereinigte...
Warum dachten alle, dass es so einfach ist?
Nach einem Moment gab Louis seine Tochter wieder. "Wie... Wie machst du das? Wie kann sie sich bei dir so schnell beruhigen und bei mir nicht?", fragte er unbeholfen und hielt seine Tochter vorsichtig in den Armen.
"Es ist meine Wirkung als Alpha, da werden die meisten ruhig, auch wenn sie demselben Rang angehören", erklärte ich und setzte mich auf die Bettkante. Louis' Blick haftete immer noch an meinem Oberkörper, weswegen ich in den Korb griff, mir ein frisches Shirt herausholte und es anzog.
Direkt wandte Louis seinen Blick ab und sah zu Amélie, welche sich still umsah und ihre kleinen Fingerchen in sein Kleid krallte. Mir war die ganze Zeit nicht aufgefallen, wie gut es an ihm aussah... Es schmiege sich wundervoll an seine Kurven und auch an den geschwollenen Bauch, welcher erst in den nächsten Wochen verschwinden würde.
"Meine... Meine B-Box", flüsterte Louis plötzlich und sah mich auf einmal sehr aufgeregt an. Was war denn los? "Wo hast du sie denn?", fragte ich und sah mich im Zimmer um.
"Bei d-dir?"
"Bei mir?", fragte ich erstaunt und konnte das nicht ganz nachvollziehen. Hatte er sie nicht mitgenommen als er gegangen war? "I-Ich wusste das die Schatulle bei dir am sichersten ist", sprach er leise und strich seiner Tochter über die Wange.
"Wo hast du sie versteckt? Dann hole ich sie dir", sprach ich und stand auf. "In deinem... In deinem Schlafzimmer im Schrank", gestand er leise und schluckte hörbar.
"In meinem... In meinem Schlafzimmer? Wann warst du da?", fragte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust. "Ist schon was her, du warst mit irgendwas sehr lange beschäftigt", murmelte er und sah kurz zu mir auf.
"Dann hole ich sie dir. Bin gleich wieder da", versprach ich und strich ihm durch die Haare bevor ich das Zimmer verließ. Schnell lief ich zu meinem Haus rüber. In meinem Schlafzimmer angekommen ging ich direkt zu meinem Schrank und öffnete die linke Tür. Ganz unten lag die Box, welche ich aus den Trümmern gerettet hatte.
Was sie wohl schützte?
Hatte er so großes Vertrauen in mich, dass er die Metallbox hier versteckt hatte oder lag es einfach nur daran das ich ein Alpha war? Konnte es überhaupt an mir als Wolf liegen?
Mit der Metallbox lief ich zu Louis zurück, welcher anscheinend sehnsüchtig auf mich gewartet hatte, denn er stand langsam auf und lief auf mich zu.
"Hey, schön liegen bleiben", warnte ich ihn und kam Louis entgegen. "Aber-"
"Nein, so wichtig kann es nicht sein. Du musst dich schonen Louis. Auch wenn es von außen verheilt ist... Bitte bleib liegen", sprach ich besorgt und legte meine Hand an seine Wange. Louis nickte benommen, schmiegte sich zu meiner Überraschung kurz an meine Hand und ließ sich dann wieder zum Bett führen.
Als ich ihm die Box gab bedankte Louis sich und nach ein paar Versuchen schaffte er es sie zu öffnen. Auch wenn es sein Eigentum war und es mich nichts anging, war ich dennoch neugierig und als ich die Kette sah, welche er hervorholte, ging ich ein paar Schritte zurück.
"Du-"
Sprachlos sah ich ihn an und konnte kaum glauben was er für eine Kette in seiner Hand hielt. "Du kennst sowas?", fragte er erstaunt und öffnete den Verschluss des Schmuckstückes. "Ich habe bisher nur davon gehört... Ich wusste nicht das es noch solche Schutzamulette gibt. Es müsste über hunderte von Jahren alt sein."
Louis nickte leicht und legte es Amélie um. "Ich habe es geklaut", flüsterte er und nahm Amélie wieder in die Arme. "W-Wir haben... Tommy und ich- Deswegen haben wir gestritten." Er wurde immer leiser und sah mich gar nicht mehr an.
Ich nickte leicht und wollte mich wieder auf den Stuhl setzen um ihn dem Freiraum zu lassen, doch Louis schnappte nach meiner Hand und zog leicht dran. "Setzt... Setzt du dich wieder zu mir? Du bist so warm und-"
"Ich setzte mich wieder zu dir", lächelte ich und ließ mich auf dem Bett nieder. Direkt schmiegte er sich mit Amélie an meine Seite und schloss seine Augen. "Du solltest auch schlafen Louis", riet ich ihm und legte meinen Arm um seine Schultern. Louis brummte leise und nickte kaum merklich.
Tatsächlich schlief Louis direkt an meiner Seite gelehnt ein, weswegen ich lächeln musste und vorsichtig seinen Kopf küsste. Auch jetzt reagierte er mit einem leichten Lächeln auf meine Berührung, weswegen ich meine Lippen noch etwas länger auf sein Haar drückte.
Ich war froh, dass mein Körper nicht durchdrehte und ich alles unter Kontrolle hatte. Am Anfang hätte ich nicht so ruhig neben ihm sitzen und ihm Arm halten können.
Ich schloss meine Augen für einen Moment, öffnete sie aber als Amélie leise muckte und sah zu ihr hinab. Sie blinzelte mich an und bevor sie anfing zu weinen, nahm ich sie sanft in meine Arme. "Shhh, deine Mama schläft gerade", sprach ich leise und strich ihr über die Wange.
Amélie beruhige sich schnell wieder, weswegen ich sie anlächelte. "Du bist ein braves Mädchen", flüsterte ich ihr zu, strich über ihren Bauch und nahm das Amulett in die Hand. Der Stein schimmerte in den gleichen Farben wie die Schutzwand, wenn man sie im Sonnenlicht betrachtete.
Woher hatte er ihn nur gestohlen?
Louis erschien mir nicht wie jemand der so etwas tat, höchstens aus... Selbstschutz... Was war noch alles passiert bevor ich ihn gefunden hatte? Zu gerne würde ich es wissen, allerdings musste das noch warten.
So schnell würde ich wohl nicht an meine Antworten kommen.
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[1882 Wörter 01/05/2021]
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