THREE.

MARLENE || Gideons Füße befinden sich nur Zentimeter von meinen entfernt, sein Atem schmeckt warm auf meinen Lippen und sein Ellbogen bohrt sich in meinem Bauch.

„Entschuldigung, Mar", flucht er mit aufgerissenen Augen und unterbricht unseren Kuss für eine Sekunde. „Hier drinnen ist es so verdammt eng."

„Nichts passiert."

Lachend ziehe ich ihn wieder zu mir herunter, vergrabe meine Finger in seinen roten Locken, die stets dem Feuer Konkurrenz machen können, über das man sich bei der Liebe erzählt.

Ich weiß nicht, ob das bloß eine Lüge ist, das Kribbeln im Bauch und flatternde Herzschläge, das Gefühl von Verbundenheit und atemlose Stille. Doch ich gebe nicht auf, nach ihr zu suchen und bis ich der Liebe begegne, gebe ich mich mit Leidenschaft zufrieden.

Gideon beginnt, warme Küsse auf meinem Hals zu verteilen und einen Momente lang schließe ich die Augen, lasse mich fallen, bis ich beinahe das Gefühl habe, fliegen zu können.

„Hattest du schöne Sommerferien?", fragt er mich atemlos, während ich meine Finger unter sein Sweatshirt wandeln lasse.

Ich grinse. „Weniger reden, mehr küssen, Prewett."

„Bloß keine Nähe, nicht wahr?", zieht er mich lachend auf.

„Oh, ich würde sagen, wir sind uns hier nahe genug." Ich zwinkere ihm zu. „Sogar so nah, dass wir uns kaum bewegen können."

Wie aufs Stichwort stolpert er über einen Putzlappen und kann mich gerade noch abfangen, bevor wir beide mit voller Wucht gegen das Fenster knallen.

„Autsch", stöhnt Gideon und tritt frustriert gegen den Besen zu unserer Rechten, der ein ungebetener Zuschauer unseres kleinen Treffens geworden ist. „Wie genau sind wir noch gleich auf die Idee gekommen, dass sich diese Besenkammer eignet?"

„Deine Idee", erwidere ich und bringe dann seufzend ein wenig Abstand zwischen uns. „Aber zugegeben keine gute. Sollen wir das Ganze lieber wann anders fortsetzen?"

Er nickt seufzend und öffnet dann die Tür. „Nach dir, Mar."

„Danke, Gid", lächele ich und drehe mich dann noch einmal zu ihm um. „Sehen wir uns morgen nach dem Unterricht?"

„Ich lasse es dich wissen, okay?"

Ein Nicken von mir als Antwort und dann gehen wir getrennte Wege. Eine Abmachung, wie ich sie liebe. Keine Verpflichtungen, keine Gefühlsduselei, einfach nur reine Körperlichkeit. Seit unserem ersten Treffen vor zwei Jahren ist Gideon zu einem Freund von mir geworden, aber mehr wird nie zwischen uns sein und das wissen wir beide. Es macht diese Abmachung so simpel und unkompliziert.

Während ich durch die Gänge schreite, werfe ich einen Blick in das Glas der Zugfenster und bemühe mich, meine Haare wieder zu ordnen. Nachdem ich auch meinen Umhang gerichtet habe, bin ich wieder vorzeigbar.

Als ich aus der Besenkammer heraustrete, ist es keine Überraschung, dass der Gang voller Schüler ist, die meisten davon bereits in ihren Umhängen. Es dauert nicht mehr lange, bis wir Hogwarts erreichen und selbst nach all den Jahren herrscht in meinem Bauch noch kindliche Freude auf das Wiedersehen mit dem Ort, der schon vor langem zu meinem eigentlichen Zuhause geworden ist.

Ich nicke ein paar Hufflepuffs zu, mit denen ich einmal einen Kräuterkundekurs hatte, dann mache ich mich auf dem Weg zurück zu meinem Abteil.

Ich komme nicht weit, bis ich plötzlich Fäden in meinem Mund habe und einen kurzen Augenblick lang nichts mehr sehe.Ich benötige einige Sekunden, um mich zu orientieren und zu verstehen, was gerade passiert ist.

Ein rotgoldener Schal wird mir mit voller Wucht ins Gesicht gewedelt und wütend schaue ich dem Sechstklässler hinterher. Persens würde es eines Tages noch schaffen, sich vor lauter Tollpatschigkeit selbst mit dem Confundus-Zauber zu treffen. Natürlich ohne irgendwelche Absichten, denn im Herzen ist Oliver Persens einer der edelsten Gryffindor und Menschen, die ich kenne.

Manchmal tut mir der Junge leid, allerdings nur, solange ich selbst nicht Opfer seiner misslungenen Taten werde, was sich im Unterricht nicht immer vermeiden ließ. Während meines ersten Jahres hatte er es geschafft, unseren ganzen Tisch in der großen Halle aus Versehen zum Brennen zu bringen. Bis heute hat keiner herausgefunden, wie genau er dies angestellt hatte. Denn eigentlich hätte kein Erstklässler dazu in der Lage sein sollen. Aber Wunder passieren in Hogwarts öfter als man denkt.

Kopfschüttelnd sehe ich Persens hinterher, der mich entschuldigend ansieht und schenke ihm ein kleines Lächeln, bevor ich die letzten Meter zu dem Abteil gehe, welches meine Freunde besetzt haben. Schon von weitem kann man Gelächter und Gespräche hören, was mir ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Ich habe dies alles hier vermisst und kann es kaum erwarten, zurück nach Hogwarts zu kommen.

Ich will gerade die Abteiltür zu unserem Abschnitt öffnen, als ich Lilys Stimme höre.

„Wo sind Sirius und Mar?" Die Stimme des Mädchens, mit dem ich mir seit meinem ersten Schuljahr den Schlafsaal teile, klingt durch die gedämpft durch die Glastür, doch ich verstehe genug.

„Du kennst sie doch. Sie küssen in irgendwelchen dunklen Ecken. Die beiden haben ein Talent dafür, die passendsten Orte für die unpassendsten Gelegenheiten aufzuspüren", kommentiert James trocken.

Ich verdrehe die Augen.

Das ist mein Stichwort. Selbstbewusst schiebe ich die Abteiltür ganz auf und lasse mich neben meinen besten Freund fallen.

„Jamie, so wie du das formuliert hast, klingt es so, als würde ich mit Sirius rumknutschen", stelle ich fest. „Und das wird nicht passieren. Jedenfalls nicht solange ich noch bei vollem Bewusstsein bin."

Ich wuschele ihm durch die schwarzen Haare, die immer aussehen, als wären sie noch nie in ihrem Leben überhaupt in die Nähe einer Bürste gekommen. James grinst mich an und rückt seine Brille zurecht, die ihm von der Nase gerutscht ist.

Ich verkneife mir ebenfalls ein Grinsen, als ich sehe, dass Lily ihn etwas länger als nötig wäre, mustert.

„Ach nein?" Die Tür unseres Zugabteils öffnet sich erneut schwungvoll und enthüllt Black, der mit einem anzüglichen Blick hineinstolziert, ganz so, als würde ihm der ganze Zug gehören. An manchen Tagen, geht mir seine Arroganz so sehr auf den Nerv, dass ich ihn am liebsten verhexen würde. Heute ist definitiv einer dieser Tage.

„Schon zurück? Nicht, dass es mich überrascht, dass du nicht länger als 15 Minuten durchhältst", merke ich an.

Sirius Black zwinkert mir zu und setzt sich dann auf James andere Seite. „Wollen wir wetten, McKinnon? Ich könnte dir das Gegenteil beweisen."

Der Hogwartsexpress fährt pfeifend durch die Gegend, fast so, als wollte er mich warnen.

„Nein, danke. Ich verzichte. Ich habe absolut keine Lust mir irgendeine Geschlechtskrankheit von dir einzufangen", kommentiere ich trocken.

Sirius verschränkt die Arme miteinander und beugt sich dann vor, um mich ansehen zu können.

„Sagt diejenige, die noch vor einer Stunde mit Prewett in einer Besenkammer verschwunden ist. Mich würde es nicht wundern, wenn du dich bei ihm mit irgendetwas angesteckt hast", kontert er und sieht mich provozierend an.

Anscheinend sind wir nicht ganz so unauffällig verschwunden, wie ich gedacht hatte.

„Immerhin weiß Prewett was er tut", verteidige ich meine Gelegenheitsnummer.

Außerdem benutze ich Kondome. Immer und ohne Ausnahme. Aber das ist nichts, was Black auch nur im Geringsten etwas angeht.

Sirius öffnet den Mund zu einer Entgegnung, wird allerdings von meiner rothaarigen Freundin unterbrochen, die uns mahnend ansieht.

„Könntet ihr beiden bitte aufhören, euch ständig wie zwei wildgewordene Köter aufzuführen, die sich um einen Knochen streiten, sobald ihr euch in demselben Raum aufhaltet?", meint Lily und sieht genervt von ihrem Buch auf, in dem sie bis eben gelesen hat.

Aus Gründen, die ich nicht verstehe, brechen James und Sirius daraufhin in Gelächter aus.

Kopfschüttelnd lasse ich die beiden alleine und setze mich stattdessen zwischen Lily und Peter, der bereitwillig zur Seite rutscht, um mir Platz zu machen. Ich schenke ihm ein kleines Lächeln.

„Was liest du da?", frage ich Lily dann neugierig.

Sie reicht mir das Buch, in das sie bis eben noch so vertieft gewesen ist.

‚Zaubertränke und ihre Eigenschaften' steht auf dem Einband geschrieben und ich wundere mich nicht zum ersten Mal, wie Lily es mit mir und den Jungen überhaupt aushält, ohne sich zu langweilen. Sie ist das klügste Mädchen, das ich kenne und keiner von uns anderen wäre auch nur auf die Idee gekommen, vor offiziellem Unterrichtsbeginn eines der Lehrbücher aufzuschlagen.

„Weiß irgendwer, wo Remus und Dorcas sind?" Fragend sieht Sirius in die Runde.

„Die sind auf der Jagd nach ein paar Süßigkeiten", entgegnet der kleine, rundliche Junge neben mir stotternd. „Meine Eltern haben mich auf Diät gesetzt und Remus meinte, dass man mir dringend mal wieder etwas Ordentliches zu Essen geben sollte."

„Du hast in deinem Leben schon genug gegessen", verkündet James und bringt Sirius damit zum Lachen.

Peter sinkt neben mir kaum merklich in sich hinein. Aufmunternd stupse ich ihn an und reiche ihm einen meiner Schokofrösche, die ich vorsorglich als Proviant mitgenommen habe. Der kleinste der Rumtreiber schenkt mir ein Lächeln, das ich erwidere.

„Wie auch immer. Die beiden sind selbst schuld, denn dadurch verpassen sie das Beste", verkündet Sirius großspurig. „Also, wer von euch ist dabei?"

Lily klappt seufzend ihr Buch zu und gibt es anscheinend auf, in unserer Gesellschaft zu lesen. Ich bewundere sie dafür, dass sie in den letzten Stunden so lange durchgehalten hat.

„Wobei?", frage ich ihn, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, worum es überhaupt geht. Anscheinend habe ich mehr verpasst als ich gedacht hätte, nachdem Prewett mich vorhin aus dem Abteil entführt hat.

„Sirius und ich haben uns in den Ferien einen kleinen Willkommensgruß für die Erstklässler ausgedacht", erklärt mir James mit einem Grinsen im Gesicht. „Wer von euch möchte mitmachen?"

Sofort schießt Peters Hand in die Höhe und er erklärt eifrig: „Ich bin dabei."

„Sehr schön", meint James zufrieden. „Was ist mit dir, Lily?"

Kopfschüttelnd sieht die Rothaarige ihn an. „Mit dir werde ich überhaupt gar nichts machen. Abgesehen davon, dass eure Aktion garantiert illegal ist."

James zuckt mit den Schultern, als wäre es ihm egal, was sie von ihm denkt. Doch ich kenne meinen besten Freund mittlerweile so lange, dass ich alleine an seinem stillen Verhalten sehen kann, dass ihn ihre Worte getroffen haben.

„Sei nicht immer so gemein zu ihm, Lils", bitte ich meine Freundin leise. „Das verletzt ihn."

„Und mich verletzt es, dass er es immer noch für nötig hält, so einen Unsinn auf die Beine zu stellen", entgegnet sie murmelnd. Eine Diskussion, die wir nicht zum ersten Mal führen.

„Wie sieht es mit dir aus, Marlie?", fragt James und beugt sich leicht vor, um meine Antwort besser hören zu können.

Sirius mustert mich von oben bis unten und schüttelt dann leicht den Kopf. „Ich will nicht, dass McKinnon dabei ist."

Ich funkele ihn an, denn wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind dies Verbote. „Ich mache mit, Jamie."

„Dann wäre das ja geklärt", entgegnet mein bester Freund grinsend und schlägt die Hände zusammen.

Die nächsten Minuten sind davon erfüllt, wie James und Sirius schrittweise den Plan erklären.

„Wenn ihr die Zeit, die ihr zum Ausarbeiten dieses Schwachsinns gebraucht habt, stattdessen ins Lernen gesteckt hätte, hättet ihr es sehr viel leichter", murmelt Lily, als sie schließlich mit ihrer Erklärung fertig sind.

Sirius zwinkert ihr zu. „Aber es wäre auch sehr viel langsamer gewesen."

Die Rothaarige lacht leicht. „Ihr werdet es nicht mehr lernen, oder?"

„Absolut nicht", grinst James vollkommen überzeugt und sieht sie dann zögernd an. „Du wirst uns doch nicht verraten, oder?"

Lily schweigt einen Moment, der sich anfühlt wie Stunden und Sekunden zugleich. Dann schüttelt sie den Kopf, kaum merklich, aber dennoch zustimmend.

„Nein, ich werde einfach so tun, als hätte ich die letzte halbe Stunde nur gelesen und nichts von eurer Unterhaltung gehört", murmelt sie.

James wirft mir einen stolzen Blick zu. „Mein Plan scheint zu funktionieren", formt er stumm in meine Richtung.

Ich lache und zucke mit den Achseln, denn noch habe ich absolut keine Ahnung, wie genau Lily Mission Freundschaft von James aufnehmen wird. Meine beste Freundin ist eine Wundertüte und genau deswegen liebe ich sie.

Als der Hogwarts Express schließlich zum Stehen bleibt, versuche ich, den Moment besonders zu genießen. Es ist das letzte Mal, dass ich mit ihm nach Hogwarts fahren werde. Das letzte Mal, dass ich mit den Kutschen zum Schloss hinauffahre. Das letzte Mal, dass ich durch die prunkvolle Eingangstür schreite.

Dieses Jahr ist das Jahr so vieler letzten Male und ich beginne jetzt schon, all die Kleinigkeiten zu vermissen.

„Unser letztes Schuljahr", murmelt James und schlingt einen Arm um mich. „Fühlt sich merkwürdig an, oder?"

„Es ist ein wenig, als müssten wir jede Sekunde bereits Abschied nehmen von Hogwarts", flüstere ich.

„Aber danach wartet das Leben auf uns. So viele Möglichkeiten", meint er aufmunternd. „Sirius und ich werden Auroren werden, Remus wird ein Auslandsjahr einlegen, Lily irgendeinen Streberjob ergreifen und du wirst als Heiler alle Leute zusammenflicken. Darauf können wir uns freuen."

Ich nicke stumm, während ich meinen Kopf an seine Schulter lege. In seinen Augen ist unsere Zukunft so strahlend, während ich nur all die Kämpfe vor mir sehe, die ich mit meinen Eltern ausfechten muss. Bisher habe ich erfolgreich verheimlichen können, dass ich nicht plane, wie ein Zuchtpferd verheiratet zu werden, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis meine Erzeuger es herausfinden werden.

Als wir endlich die große Halle betreten, bin ich wie jedes Jahr beeindruckt von ihrem Anblick. Der Saal hat etwas Festliches und Magisches an sich, dass durch die frei in der Luft schwebenden Kerzen nur noch verstärkt wird. Die verzauberte Decke bildet den Nachthimmel ab und es fühlt sich an, als würden wir uns im Freien befinden.

Die vier Haustische sind mit so vielen Speisen beladen, dass ich kurz befürchte, sie könnten brechen.

Ehrfürchtig hatte ich den Saal vor sechs Jahren an James Seite das erste Mal zwischen all den anderen damaligen Erstklässlern betreten. Ich erinnere mich noch daran, wie überwältigend dieser Anblick auf mich gewirkt hat.

Mit einem leichten Lächeln denke ich daran, dass Alec heute ebenfalls in den Genuss kommen wird und folge meinen Freunden zu dem Tisch der Gryffindors.

Lily und Dorcas neben mir sind in eine angeregte Unterhaltung verwickelt, in die Remus ab und an ein paar Kommentare einwirft. Ich höre mit einem Ohr zu, während ich den restlichen Rumtreibern dabei zusehe, wie sie die letzten Handgriffe für ihr neues Projekt erledigen.

Grinsend setze ich mich neben Lily und versuche, genauso unschuldig auszusehen wie James, der diese Rolle schon als Kleinkind perfektioniert hat.

Dorcas und ich essen unauffällig ein paar Cupcakes, was uns einen strafenden Blick von Lily einholt, da wir offiziell erst nach der Begrüßung zulangen dürfen. Der pinke Zuckerguss beruhigt mein schlechtes Gewissen.

Ein kurzes Pfeifen unterbricht unsere Gespräche und alle Augen richten sich nach vorne auf unseren Schulleiter, der sich erhaben erhebt. Professor Dumbledore trägt einen vornehmen, schwarzen Umhang, aber auch ohne diese Kleidung würde er Professionalität und Macht ausstrahlen.

„Wilkommen zurück", begrüßt uns der Zauberer mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. „Wie ich sehe, haben die meisten von euch die Ferien gut überstanden. Mehr oder weniger zumindest."

Dumbledores Blick gleitet zu Shawn Harries aus Ravenclaw, der achselzuckend sein paar Krücken in die Höhe reckt.

„Ich freue mich, dass ihr alle so zahlreich wieder in Hogwarts erschienen seid und bin überzeugt, dass jeder einzelne von euch alles tun wird, um mich stolz zu machen. Der ein oder andere mag sich vielleicht in einer ungewohnten Position wiederfinden" – Dieses Mal gleiten Dumbledores Augen zu James, dessen Brust das Abzeichen des Schulsprechers ziert, ein Anblick, über den ich mich immer noch lustig machen kann – „doch ungewöhnliche Aufgaben bieten einem die Chance, über sich hinauszuwachsen."

Black kaschiert sein Prusten mit einem Hustenanfall, während ich grinsend die Augen verdrehe.

Als James das Päckchen mit dem Abzeichen geöffnet hat, hat er den Inhalt angesehen, als würde er gleich anfangen zu brennen. Zweifelnd hatten sowohl Sirius als auch ich das Paket nach einem Hinweis abgesucht, dass die Eule sich vielleicht verflogen hätte. Aber auf dem Umschlag hatte eindeutig „James Potter" gestanden.

„Ich könnte euch nun mit Warnungen langweilen und eine stundenlange Rede schwingen, doch ich denke, dass ihr genauso hungrig seid wie ich selbst. Nur eines noch: Bitte bedenkt, dass der verbotene Wald unter keinen Umständen aufgesucht werden sollte. Wir leben in dunklen Zeiten, das will ich euch nicht verschweigen, auch wenn das Ministerium dort anderer Meinung ist. Doch Unwissenheit hat noch nie geholfen. Es braut sich etwas zusammen. Deswegen bitte ich euch, vorsichtig zu sein und aufeinander Acht zu geben."

„Genug geplaudert, meine Herrschaften." Dumbledore lässt seinen Blick durch die große Halle wandern. „Lasst uns gemeinsam die Neuen begrüßen, bevor wir uns die Bäuche vollschlagen."

Er erhebt sein Glas und prostet uns zu, während wir Schüler klatschend die neuen Erstklässler empfangen, die nun durch die große Flügeltür schreiten.

Unruhig wandert mein Blick über die Jungen und Mädchen, die von McGonnagal nach vorne geführt werden, wo schon der sprechende Hut auf sie wartet.

Die meisten Elfjährigen wirken überwältigt, manche schüchtern. Andere wiederum scheinen gewusst zu haben, was sie erwartet, denn sie schreiten selbstbewusst durch den Raum und winken einigen Schülern, die sich an den Haustischen befinden.

Ich beruhige mich, als ich Alecs blonde Mähne endlich zwischen den anderen erblicke und atme erleichtert aus. Mein kleiner Bruder ist einen Kopf größer als die meisten Erstklässler, aber aufgrund seiner Haltung und dem fehlenden Selbstbewusstsein scheint er beinahe kleiner zu wirken. Er wirkt leicht beunruhigt und fährt sich andauernd durch die Haare. Ich fange seinen Blick ein und schenke ihm ein aufmunterndes Lächeln, welches er erleichtert erwidert.

Der Junge neben ihm sagt etwas, was Alex ebenfalls ein Lächeln entlockt und ich bin froh darüber, dass er bereits eine Freundschaft geschlossen hat. Er ist ein lieber Junge, dem es immer schon schwer gefallen ist, Kontakt zu anderen zu schließen. Bei fünf älteren Geschwistern ist er immer untergegangen, auch wenn ich stets mein Bestes gegeben habe, ihn mit einzuschließen.

„Pansy Abrahams", schallt McGonagalls magisch verstärkte Stimme durch die Halle.

Ein rothaariges Mädchen tritt unsicher nach vorne und nimmt auf dem Stuhl Platz. Ihr wird der sprechende Hut aufgesetzt, der kaum ihren Kopf berührt, bevor er seine Entscheidung verkündet.

„Hufflepuff!"

Lautes Klatschen dringt durch die Halle.

Zufrieden ruft die Lehrerin der Verwandlung die nächste Person auf. Chelsea Bottom, ein etwas dickliches Mädchen mit einem sympathischen Lächeln wird sich den Ravenclaws anschließen.

Ungeduldig warte ich darauf, dass endlich der Name aufgerufen wird, auf den ich am meisten gespannt bin.

James wirft mir einen kurzen Blick zu, als Alecs Name durch die Halle schallt. „Du bist aufgeregter als bei deiner eigenen Einteilung", flüstert er mir grinsend zu.

Ich ignoriere ihn, vollkommen darauf konzentriert, dass mein kleiner Bruder gerade den sprechenden Hut aufgesetzt bekommt. Alecs Augen blicken nach oben an den projizierten, um sich von der ganzen Aufmerksamkeit  abzulenken, die auf ihn gerichtet ist. Er ist noch nie ein Fan davon gewesen, im Mittelpunkt zu stehen.

Unruhig tippt mein Finger auf die Holzplatte des Gryffindortisches, während der Hut Ewigkeiten braucht, um eine Entscheidung zu treffen.

„Ravenclaw!", schallt es schließlich durch die Halle.

Ich schnappe nach Luft, denn damit bin ich offiziell nicht mehr die einzige Person aus meiner Familie, die kein Slytherin geworden ist.

Mein Blick trifft eine Sekunde auf den von Sirius, der die gleiche Sorge und Freude widerspiegelt, die ich ebenfalls empfinde. Er ist der einzige, der wirklich versteht, was in mir vorgeht und einen Augenblick lang fühle ich mich sicher.

Dann ist der Moment vorbei und Lily gratuliert mir grinsend zu Alecs Haus.

Stolz, Freude und Sorge durchströmen mich gleichzeitig, denn ich weiß, dass meine Eltern alles andere als begeistert sein werden.

Doch Alec scheint zufrieden zu sein, denn er hüpft beinahe zu dem Tisch der Ravenclaws, die ihn lauthals empfangen. Mit einem kleinen Lächeln sehe ich, dass der brauhaarige Junge von vorhin ebenfalls nach Ravenclaw gekommen ist.

Die Einteilung geht weiter, bis McGonagall schließlich den letzten Jungen aufruft. „Patrik Zabini!"

Mein Blick gleitet zu James, der seinen Zauberstab unter dem Tisch schon in Position gebracht hat und ich folge seinem Beispiel.

„Slytherin!", ruft der sprechende Hut.

Das ist unser Stichwort. Ein paar Handbewegungen, eine Rauchbombe und Dunkelheit bricht über uns herein. Es wird stumm, ein lauter Knall ertönt.

Sekunden später erstrahlt ein Feuerwerk in der großen Halle und lässt den Raum in einer Farbenpracht erstrahlen, von der man sonst nur träumen kann. Fliegende Feuerdrachen schwirren durch die Luft, drehen ihre Kreise und genießen es ganz besonders, die Bratäpfel auf den Tischen explodieren zu lassen.

Allzu lange kann ich das Schauspiel jedoch nicht genießen, denn Professor McGonagall kommt mit feurigem Blick in unsere Richtung stolziert.

„Black, Potter, Lupin, Pettigrew", zählt sie auf und rattert die Namen dabei so herunter, als wären sie ihr bereits ins Gedächtnis gebrannt. „Mitkommen."
James sieht scheinheilig zu ich hoch. „Was ist denn los, Professor?"
„Sparen sie sich die Schmeicheleien, Potter." McGonagall spreizt die Lippen, aber wenn mich nicht alles irrt, hat sich eine Sekunde ein verschmitztes Lächeln in ihr Gesicht verirrt. „Wie wissen alle, dass sie es gewesen sind, die unseren Abend ein wenig bunter gemacht haben. Vielleicht ein bisschen zu bunt."

Die Rumtreiber erheben sich ohne weitere Proteste und seufzend stehe ich ebenfalls auf.

„McKinnon, Sie können sitzen bleiben", meint McGonagall.

Ich schüttele den Kopf. „Ich habe auch mitgemacht, Professor."

Sie sieht mich einen Augenblick lang stumm an, dann bedeutet sie uns fünf, ihr zu folgen. Während wir die große Halle hinter uns lassen und die Gänge des Schlosses das laute Gelächter verschwinden lassen, merke ich irgendwann Sirius bohrenden Blick in meinem Rücken.

„Was ist, Black?", zische ich.

„Du hast dich gerade freiwillig in die Höhle des Drachens begeben."

Mit verschränkten Armen laufe ich neben ihm her. „Ich bin auch dabei gewesen, also werde ich auch die Konsequenzen tragen. Egal für wie dumm du das hältst."

„Ich halte es nicht für dumm", meint er mit einem Ausdruck in den Augen, den ich nicht ganz deuten kann und schüttelt dann leicht den Kopf. „Weißt du, manchmal überraschst du mich, McKinnon."

„Freu dich nicht zu früh, Black", entgegne ich trocken. „Wir werden wahrscheinlich stundenlang zusammen einen Raum entrümpeln müssen. Das ist für uns beide die Höchststrafe."

Sirius dunkles Lachen ertönt, was ihm einen warnenden Blick von McGonagall einfängt.

„Wir werden sehen", flüstert er mir zu. „Vielleicht wird es auch ganz spaßig, dich mit einem Besen zu sehen."

„Du siehst mich jede Woche beim Training mit einem Besen", kontere ich. „Und weißt du, wofür sich Besen auch super eignen? Man kann sie hervorragend über deinem Kopf zertrümmern."

„Ich habe dich vermisst, McKinnon", lächelt Sirius.

Bevor ich über seine Worte nachdenken kann, hat er mich bereits überholt und wieder zu James aufgeschlossen.

Vielleicht hasse ich ihn dieses Jahr ein ganz klein wenig weniger als die letzten Jahre.

Vielleicht bilde ich mir das aber auch nur ein.


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Hey ihr Lieben!

Da ist nun Kapitel 3 und endlich sind wir ganz offiziell in Hogwarts gelandet. Ich liebe es ja immer wieder, das Schloss erkunden zu können.

Eine Warnung für dieses und die nächsten Kapitel: Sie sind 4 Jahre alt und das merkt man beim Lesen wahrscheinlich auch :D Falls mich irgendwann die Muse packt, werde ich sie eventuell noch ein klein wenig verfeinern. Übrigens finde ich es total interessant, ob ihr merken werdet, wann wir bei den Kapiteln ankommen, die nicht vor Jahren, sondern 2020 geschrieben wurden. Lasst mich dann mal wissen, wann ihr das vermutet ;)

Bis zum nächsten Mal!

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