FIVE.

MARLENE || Eine Locke verirrt sich in mein Sichtfeld und ich puste sie genervt aus meinen Augen. Nicht dass dies wirklich viel bringt, weil sie sich einen Augenblick später bereits wieder dort befindet. Doch ich habe keine Zeit, das Problem richtig anzugehen, bin ich doch schon längst viel zu spät dran.

Professor Gibbs Wissen über Kräuterkunde ist beinahe unerschöpflich, gleichzeitig erwartet er jedoch von seinen Schülern, dass sie stets Pünktlichkeit und Lernwillen vorzeigen.

Ich schaffe es gerade noch vor dem Klingeln ins Gewächshaus und sehe mich gehetzt nach einem freien Platz um.

Gideon, mein Laborpartner in den letzten Jahren, würdigt mich nicht einmal eines Blickes und legt Penelope demonstrierend einen Arm über die Schulter, damit ich gar nicht auf die Idee komme, mich auch nur in seine Nähe zu begegnen.

„Mister Black hat noch keinen Partner, McKinnon", meint Professor Gibbs, die Stirn leicht in Falten gelegt und sieht mich auffordernd an. „Wenn Sie dann bitte Platz nehmen würden, dann können wir endlich beginnen."

Ich zwinge ein Lächeln auf meine Lippen, während ich am liebsten schreien würde. „Natürlich, Professor."

Langsamen Schrittes mache ich mich auf in Richtung des Jungens, auf dessen Anwesenheit ich getrost verzichten könnte. Dabei ignoriere ich all die neidischen Blicke mancher Hexen, die anscheinend nicht nur wegen Professor Gibbs Kräuterkundewissen in diesem Kurs sind. Als Indy auch noch neidisch seufzt, kann ich mir ein Augendrehen nicht mehr verkneifen.

„Stress im Paradies?", fragt Black amüsiert, als ich mich neben stelle. „Oder warum arbeitest du dieses Jahr nicht mit Prewett zusammen?"

Am liebsten würde ich ihm das Grinsen aus dem Gesicht hexen, aber dann würde Professor Gibbs mich wahrscheinlich endgültig aus dem Kurs werfen und ich muss bestehen, wenn ich auch nur die geringste Chance haben will, mich wirklich als Heilerin zu versuchen.

Also knalle ich bloß meine Tasche auf den Boden neben Black, wobei ich ganz aus Versehen seinen Fuß erwische.

„Nicht, dass es dich etwas angeht, aber ich habe die Sache mit Prewett beendet."

„War er wirklich so schlecht im Bett?"

„Dass ist alles, woran du denken kannst, oder? Dass es noch andere Faktoren gibt, zählt für dich gar nicht? Wahrscheinlich, weil deine Bettgeschichten sich immer genau deshalb von dir trennen."

Ich schenke Black ein falsches Lächeln, das er ebenso verkniffen erwidert.

„McKinnon, wenn du –"

„Black, McKinnon, für Privatgespräche bleibt außerhalb des Unterrichts noch genügend Zeit." Professor Gibbs mustert uns mit seinem bohrenden Blick, der mir in den ersten beiden Schuljahren stets Alpträume bereit hat. „Zehn Punkte Abzug für Gryffindor."

Er wartet einen Augenblick, um zu sehen, ob wir widersprechen, doch wir haben mittlerweile alle gelernt, dass dies einen weiteren Punktabzug nach sich ziehen wird. Also schweigen Black und ich bloß, den Blick starr auf unseren Professor gerichtet, nicht bereit, uns auch nur anzusehen.

„Nachdem Mister Black und Miss McKinnon nun so freundlich waren, uns mit Stille zu segnen, werden wir beginnen." Professor Gibbs wirft uns noch einen letzten mahnenden Blick zu, dann marschiert er zwischen den Gängen des Gewächshauses auf und ab. Er ist stets in Bewegung, steht nie still, sodass James ihn ständig mit einer aufziehbaren Spielzeugfigur vergleicht. „Wir werden uns heute den Gibblehicks zuwenden. Bitte pflanzen sie das vor ihnen stehende Gewächs in einen der größeren Töpfe um und seien sie vorsichtig. Die Pflanze beißt nicht nur, vielmehr verströmt ihr Biss auch ein Gift, was bei Nichtbehandlung unter Umständen zum Tode führen kann."

„Was für glorreiche Aussichten. Genauso habe ich mir meinen Abgang vorgestellt", murmelt Black neben mir.

Gegen meinen Willen muss ich lachen, presse jedoch sofort die Lippen aufeinander, als Professor Gibbs Blick sich in unsere Richtung begibt.

Ich nehme mir einen Spaten und eine Harke, sowie eines der gelben Tücher, die die Pflanze laut Lehrbuch einen Augenblick ablenken sollen, wenn man sie von einem Topf in den anderen überführt. Erst einmal ist jedoch vorsichtiges Graben angesagt. Dorcas hat es immer schon gehasst, Erde unter ihren Fingerspitzen zu haben, für mich jedoch gibt es kein schöneres Hobby. Es erinnert mich stets daran, wie viel toller es in Hogwarts doch ist als zuhause, wo meine Mutter schon einen Herzinfarkt bekommt, wenn sich ein Stück Staub auf meine Kleidung verirrt.

Die Erde unter den Fingern spüren zu dürfen, die Hand über Pflanzenblätter streifen zu können, all das macht den Reiz des Lebens aus.

„Was machst du eigentlich in Kräuterkunde, Black?", frage ich, während ich eine der Gibblehicks pflege.

Alle, die nicht unbedingt in die medizinische Richtung wollen, machen stets einen großen Bogen um Professor Gibbs. Selbst Lily hat sich dieses Jahr dazu entschieden, den Kurs fallen zu lassen und ich hatte mich auf ein Jahr ohne bekannte Gesichter eingestellt. Natürlich musste Black mir das versauen.

„Es kann ganz hilfreich sein, wenn man ein wenig über Gifte lernen will."

„Und du hast vor, mir morgen beim Frühstück Gift unterzujubeln?"

Sirius lacht leise. „Keine Sorge, soweit wird es nicht kommen."

„Was ist dann der Grund?"

Seine Harke landet ein wenig zu fest in der Erde, die Schultern verkrampft und die Augen noch farbloser als sonst. „Mein Vater hat darauf bestanden. Du kannst dir sicherlich denken, warum. Und jetzt ist es zu spät, um das Fach noch abzuwählen."

Ich schweige, weil Worte manchmal nicht ausreichend sind. Weil Worte manchmal alles nur noch mehr verzerren.

„Und du, McKinnon? Warum schlägst du dich mit Professor Gibbs um? Willst du immer noch Heilerin werden?"

„Das ist der Plan ja." Jetzt ist es meine Harke, die zu fest in der Erde landet und braune Klumpen durch die Luft fliegen lässt. „Aber dir muss ich wohl nicht erklären, wie unwahrscheinlich das Ganze für mich ist."

Zwangsehen, keine weitere Ausbildung, die gehorsame Ehefrau geben. Das sind alles keine Fremdworte für einen Black. Doch als ich ihn ansehe, bin ich kurz überrascht, Feuer in seinen Augen brennen zu sehen.

„Lass dir von ihnen bloß nicht reinreden, McKinnon." Sirius Worte, eigentlich so leise, fliegen dröhnend durch das Gewächshaus, als würde er ihnen einen Zauber einfließen. „Du lebst dein Leben für dich und für niemanden sonst."

Den Rest der Stunde schweigen wird, aber zum ersten Mal seit den siebzehn Jahren unserer Bekanntschaft ist es kein unangenehmes Schweigen. Vielmehr die Stille, die zwei Menschen umgibt, die sich auch ohne Worte verstehen können.

„Bis zur nächsten Stunde schreiben Sie bitte einen achtseitigen Aufsatz über den Einsatz von Furunkeln in der Krankenpflege."

Es folgt ein Aufstöhnen von allen Seiten, was der Professor gnadenlos ignoriert. Sirius neben mir verzieht so theatralisch das Gesicht, das ich mir ein Lachen verkneifen muss. Ich bin wahrscheinlich die Einzige, die sich nicht beschwert, was einfach daran liegt, dass ich jede Stunde Unterricht genieße. Mein Abschluss könnte das letzte sein, was ich im Leben lernen darf, bevor es nur noch um Haushaltsführung und Kinderkriegen geht. Deswegen inhaliere ich alles an Wissen, was ich bekommen kann.

„Wir sehen uns dann am Freitag. Mit dem Aufsatz und pünktlich."

Professor Gibbs ignoriert die Protestschreie, nickt uns einmal kurz zu und verschwindet dann durch die gläserne Tür des Gewächshauses.

„Fertig?", fragt Black, nachdem ich meine Tasche geschlossen habe.

Mit einem Stirnrunzeln sehe ich ihn an. „Fertig wofür?"

„Wir müssen beide zur Quidditch Auswahl oder? Da ist es sinnlos, wenn wir nicht gemeinsam gehen." Er zieht eine Augenbraue hoch, eine Fähigkeit, für die ich ihn immer schon ein wenig gehasst und gleichzeitig beneidet habe. „Oder hasst du mich so sehr, dass du selbst das nicht kannst?"

Ein kleines Lachen entwischt mir. „Manchmal. Heute jedoch nicht."
Black streckt mir den Arm entgegen, damit ich mich unterhaken kann. „Dann lass uns gehen."

Geschickt ignoriere ich sein Angebot, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass er es nur tut, um mich damit zur Weißglut zu treiben. Als er jedoch zu laufen beginnt, schließe ich zu ihm auf.

Das Gras unter den Füßen und die Weite der Natur des Schlossgeländes ist ein Anblick, den ich auch noch Jahrzehnte später in meinen Erinnerungen haben will. Also versuche ich, ihn mir einzuprägen. Jede Baumspitze, das leicht im Wind wehende Grün, die Steinformation kurz vor dem Schlosshof.

Eine leichte Sommerbrise verweht meine Haare, bringt sie zum Fliegen und ich genieße die letzten Sommerabende, bevor der Herbst einziehen wird.

„Immer wenn ich weg bin, vermisse ich Hogwarts", durchbreche ich irgendwann das Schweigen.

Kurz erwarte ich, dass Black mich auslacht. Doch statt Gelächter legt sich ein nachdenklicher Blick auf sein Gesicht. „Ich auch. Kaum zu glauben, dass wir dieses Jahr bereits unseren Abschluss haben werden, oder?"

„Nein. Die guten Zeiten vergehen immer zu schnell."

Ich sehe ihn von der Seite an, den Kopf nur ein wenig geneigt, damit er meine Neugierde nicht erkennen kann. Mustere seine rabenschwarzen Haare, die scharfen Wangenknochen und die nicht mehr ganz gerade Nase, seitdem er vor zwei Jahren aus den Winterferien wieder nach Hogwarts gekommen ist. Er ist erwachsen geworden, wir beide sind erwachsen geworden, die Jahre verflogen als wären sie nur einige Sekunden lang.

„Hast du schon eine Ahnung, was du nach deinem Abschluss machen wirst?"

Sirius Schritte werden ein wenig schwerer. „Ein bisschen Regeln brechen, ein bisschen Leben", meint er mit hochgezogenem Mundwinkel, der jedoch sogleich wieder verrutscht. „Und mich vielleicht dem Widerstand anschließen. Wenn es den überhaupt noch braucht, so mächtig wie der Dunkle Lord wird."

Seine Worte lassen mich verstummen, die Gefahr der Zukunft allpräsent, alles überlagernd. Heute Morgen wurde von zwei neuen Angriffen berichtet, eine ganze muggelstämmige Familie wurde ausgelöscht und das Ministerium redet immer noch von Einzeltätern.

Als wir den Trainingsplatz erreichen, ist dieser bereits gut gefüllt. Ein Dutzend Gryffindors haben sich versammelt, um für einen Platz in der Qudditch-Mannschaft zu konkurrieren und auch auf den Tribünen ist bereits einiges los. Ich brauche nicht lange, bis ich Dorcas und Lily unter den Schaulustigen entdecke, die mir zuwinken.

Black, Alice und ich haben unsere Plätze in der Mannschaft ohnehin bereits sicher, ebenso wie mein bester Freund, der dieses Jahr sogar Kapitän ist. Der Form halber müssen wir aber dennoch an der Auswahl teilnehmen und die potenziellen Mitspieler einspielen, während diese um die Rolle des Hüters, des verbleibenden Jägers und eines Treibers konkurrieren.

James Augen werden größer, als er Black und mich gemeinsam auf sich zugehen sieht.

„Kein Wort, wenn du nicht deine Zunge verlieren willst", meine ich.

Mein bester Freund lässt den Quaffel auf einem Finger balancieren, als wäre es die leichteste Übung. Wahrscheinlich ist es das für ihn auch, denn er ist ein verdammtes Naturtalent als Jäger. Verglichen mit ihm ist Sirius meilenweit schlechter, was mich manchmal mit Schadenfreue erfüllt.

„Das ist aber jemand gut gelaunt."

„Ich musste Black eine Stunde lang ertragen, was erwartest du?"

Black schlingt mir einen Arm um die Schulter und als ich mich losreißen will, hält er mich nur noch fester, was die Dunkelheit in meinem Magen ansteigen lässt. „McKinnon und ich sind Partner in Kräuterkunde. Ein Arrangement, das ihr wunderbar gefällt."

Ich trete ihm auf den Fuß, was ihn zusammenzucken lässt und schenke ihm ein falsches Lächeln. „Partner in Kräuterkunde und nirgendwo sonst."

Graue Augen bohren sich in meine. „Was anderes ist auch nicht mein Stil."

„Also immer noch kein Interesse an Beziehungen dieses Jahr, Padfoot?", mischt James sich ein.

Black sieht ihn an, als hätte er vorgeschlagen, einen Becher Alraunendünker zum Frühstück zu trinken. „Was sollte an einer Beziehung bitte reizvoll sein, wenn ich jeden Tag eine andere haben kann?"

„Es gibt so etwas, das nennt man Liebe", entgegne ich. „Ist für dich aber anscheinend ein Fremdwort. Kein Wunder, denn wo solltest du das auch gelernt haben."

Schon in dem Moment, als ich die Worte in die Freiheit fliegen lasse, bereue ich sie bereits. Bei aller Rivalität zwischen uns, damit bin ich eindeutig zu weit gegangen.

Blacks Züge werden verschlossen, während er sich wortlos umdreht und in Richtung der Kabine stapft.

Seufzend sieht James mich an. „Das war nicht fair, Mar."

„Ich weiß", murmele ich leise und eile Black hinterher, bis ich ihn gerade noch an einem Hemdsärmel erwischen kann.

„Was ist, McKinnon?"

Ich warte, bis er mich ansieht, die grauen Augen merkwürdig leer und schlucke. „Es tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint."

„Kein Problem." Er fährt sich durch die schwarzen Haare, die in der Sonne funkeln, als würden sie jeden Augenblick in Flammen aufgehen. „Es ist ja nicht so, als wäre es nicht die Wahrheit."

„Sirius..."

Er entfernt meine Finger von seinem Umhang, einen nach dem anderen und ich zucke zusammen, als ich seine federleichte Berührung spüre. Er ist mir nah, viel zu nah, und es sollte mich viel mehr stören als es das in Wirklichkeit tut.

„Marlene..." Black schüttelt den Kopf, die Umrisse eins Lächelns auf seinem Gesicht und verschwindet ohne weitere Worte in der Umkleide.

Erst als er im Inneren verschwunden ist, habe ich das Gefühl, endlich wieder atmen zu können.


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Hey ihr Lieben,

Entschuldigt die längere Wartezeit, ich habe irgendwie total viel Stress momentan und deswegen verpennt, das neue Kapitel hochzuladen. Ich werde aber versuchen, das jetzt mehr auf dem Schirm zu haben.

Bis zum nächsten Mal!

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