3. Kapitel
Superheroes
War ja mal wieder klar, dass ich solche Sachen immer erst dann mitbekam, wenn es eigentlich schon zu spät war. Für wen hatte ich denn dann gestern eingekauft? Ich würde die meiste Zeit eh bei den Jones verbringen. Aber trotzdem fühlte ich mich hintergangen. Warum sagten sie mir so etwas nicht früher? Ich schaltete die Kaffeemaschine ein, lehnte mich gegen die Arbeitstheke und zog mein Handy heraus. Eine neue Nachricht blinkte auf. Lee hatte geschrieben.
Lust auf das Eishockey Halbfinale heute Vormittag? Wir spielen gegen Deutschland, mein Dad hat Freunde eingeladen und es gibt Snacks
Ich musste nicht lange nachdenken. Was sollte ich schon alleine hier machen? Das wäre ja noch einsamer als sein Urgroßvater. Also antwortete ich mit Klar, gerne. Wenn du mir noch sagst wann... Prompt kam eine Antwort.
Schon wieder stand ich in dem Flur der Jones. Lee kam mir entgegen und drückte mir ein Glas Pepsi in die Hand. Durch die Türe zum Wohnzimmer, hörte ich mehrere Männerstimmen, die durcheinander sprachen. Außerdem dröhnte der Ton eines Fernsehers zu uns. „Das Spiel wird schwer", lenkte Lee meine Aufmerksamkeit wieder auf ihn, „Der Trainer hat gesagt, dass die Deutschen schwer zu knacken sind." Er kaute auf seiner Unterlippe herum und nippte an dem Glas. Dann lief er ins Wohnzimmer und ich folgte ihm.
In dem Zimmer saß eine Handvoll mittelalter Männer, die sich in Richtung Fernseher beugten, Bier tranken, Eishockey-Trikots trugen und aussahen, wie eine Horde eiskalter Eishockey Fans. „Los, kommt! Jetzt ist Bully!", rief Michael und wir quetschten uns auf den Sessel. Das heißt, Lee setzte sich auf das Polster und ich mich auf seinen Schoss, weil sonst kein Platz mehr war. Was nicht so unbequem war, weil... weil Lee Lee ist.
„Toooooor!!!!", riefen wir. Es stand 2:0 für uns und es brach erneut Lärm aus. Es waren gerade mal 6 Minuten um und schon führten wir. Was hatte Lee mir denn da vorhin erzählt? Von wegen schwere Gegner. Dachte ich. Innerhalb des ersten Drittels schossen die Deutschen noch zwei Gegentore und als der Schlusspfiff zur Pause ertönte, stand ich auf und ging in die Küche. Sobald ich den Raum verlassen hatte, hörte ich, wie einer der Männer fragte: „Sag mal Lee, ist das deine Freundin?" Ich musste schmunzeln. Das durfte er dann mal erklären.
Als ich die Küche betrat, hatte ich nicht damit gerechnet, eine Gruppe Frauen anzutreffen, die Wein tranken und auf ein iPad schauten. „Na?", Zanele sah mich lächelnd an. Alle anderen Frauen ebenfalls. „Ich... ich wollte mir eigentlich nur noch was zu trinken holen", murmelte ich überrascht, „Was... warum seit ihr nicht mit drüben beim Spiel?" „Wir gucken den Livestream über das iPad", sagte eine der Frauen. Sie hatte blondierte Haare. Eine Rothaarige sagte: „Wir haben keine Lust auf die Diskussionen über das Spiel." Alle lachten. Einschließlich mir.
Ich setzte mich wieder zu Lee. Das Spiel war schon wieder in vollem Gange und die Spannung war kaum auszuhalten. Ich beobachtete Lee, wie er aufschrie, als ein Spieler einen Fehler machte. „Das hätte ja selbst ich besser gekonnt!", rief er entrüstet und dann brüllten alle erneut, aber vor Freude, wegen dem 3:2.
Es war mucksmäuschen Still im Raum, als die deutsche Mannschaft in der Overtime das vierte Tor schoss und damit gewannen. Eiskalt wirkte die Stimmung, doch dann sagte einer der Männer, den ich schon von den Baseballspielen kannte: „Naja, ist eh nicht so wichtig. Wir sollten uns auf die NHL konzentrieren..." Lee ließ verzweifelt seinen Kopf auf meine Schulter fallen. Er hatte selbst eine Zeit lang Eishockey in der Schulmannschaft gespielt, aber vor einigen Monaten hatte er aufgehört. Das hielt ihn aber nicht davon ab, die Spiele mit Elan im Fernsehen zu verfolgen und dabei Kommentare von sich abzugeben, die mehr oder weniger zufrieden waren.
Ich rutschte von Lee's Schoss runter und nahm noch einen Schluck aus meinem Getränk. Zanele kam zu uns ins Wohnzimmer und im selben Moment begannen Michael und seine Freunde lautstark über das Spiel zu schimpfen. Kopfschüttelnd betrachtete sie die Gruppe und winkte Lee und mich zu sich. „Was wollt ihr essen?", fragte sie uns, während sie immer wieder schmunzelnd zur Couch sah. „Ich weiß nicht, eigentlich hab ich keinen Hunger...", sagte ich und kratzte mich am Kopf. Streng sah sie mich an. „Keine Diskussion!", fauchte sie und ich zuckte leicht zusammen. Lee lachte, legte seine Hand auf meinen Rücken und schob mich zur Küche. „Können wir Pizza haben, Mum?", fragte er mit einem Augenaufschlag, „Weil...", das Ende des Satzes blieb aus, trotzdem stöhnte Zanele genervt auf und antwortete: „Na gut, aber das ist das erste und letzte Mal!" Lee voll führte einen kleinen Freudentanz und jubelte leise. Ich grinste und stellte mein Glas in die Spülmaschine.
Es klingelte an der Tür und Lee sprintete los, um sie zu öffnen, wobei an dem Jackenständer im Flur hängen blieb und alle Jacken, Mäntel und Westen zu Boden segelten. Michael rief etwas unverständliches aus dem Wohnzimmer, das er gerade fertig aufräumte. Vor ungefähr einer halben Stunde, waren die letzten Gäste, mich ausgeschlossen, gegangen und hatten ein riesiges Chaos hinterlassen. Natürlich hatten wir alle aufräumen geholfen, naja, alle außer Lee, der hatte etwas wichtiges am Handy zu erledigen. Dass es sich bei dieser wichtigen Sache um Instagram und TikTok handelte, ignorierte ich. „Danke!", flötete Lee an der Tür und kam dann mit einem großen Stapel Pizzakanons in die Küche. „Dürfen wir oben essen?", fragte er seine Mum hoffnungsvoll, doch diese verneinte herzlichst. „Wir können ja dafür alle zusammen StarWars gucken", schlug sie stattdessen vor. Lee nickte. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. „Wir sprechen aber fast den gesamten Film mit. Mit verteilten Rollen, verstellten Stimmen und Ton gemutet." Sie schürzte die Lippen. „Dirty Dancing?", fragte sie. „Kennen wir schon in und auswendig."
„Zurück in die Zukunft?"
„Kennen wir"
„Avatar?"
„Können wir auswendig mitsprechen."
„Fight Club?"
„Nicht schon wieder!"
„Tatsächlich Liebe?!", verzweifelt raufte Zanele sich die Haare. „Och nö! Den gucken wir schon ständig mit Hope's Mum!", beschwerte sich Lee. Irgendwie verstand ich langsam, wieso unsere Familien so selten mit uns Filme schauten. „Wisst ihr was? Ich gucke mit deinem Dad einfach etwas alleine und ihr geht nach oben! Das ist ja schrecklich mit euch!", sie schüttelte verständnislos den Kopf und ging dann ins Wohnzimmer, um Michael von der Planänderung zu erzählen. „Wir könnten auch mal Verständnis zeigen", versuchte ich Lee zu überreden, etwas mit seinen Eltern zuschauen. Er sah mich nur mit weit geöffneten Augen an und sagte schwach: „Nein." Dann drückte er mir zwei von den Pizzakartons in die Hand und holte eine Cola aus dem Kühlschrank. Wer lagert denn Cola im Kühlschrank? Das hatte ich noch nie verstanden.
Oben in seinem Zimmer, stellte ich einen Karton auf den Schreibtisch und mit dem Anderen ließ ich mich auf Lee's Bett fallen. Er stellte zwei Gläser auf einen kleinen Tisch vor dem Bett und stellte sie Cola dazu. „Also, was gucken wir?", fragte er und ich zuckte mit den Schultern. „StarWars?", schlug ich wenig einfallsreich vor. Er nickte nur und sagte: „Aber auf einer anderen Sprache!" Oh Gott, nicht dass schon wieder! Er hatte mal eine Phase, in der hatte er jeden Film, den er schon auf Englisch gesehen hatte, auf allen möglichen anderen Sprachen gesehen. Und das meine ich wörtlich. Er hatte jede Sprache, die zur Auswahl stand, gehört und so waren wir zu dem Schluss gekommen, dass Voldemort's Lache im russischen wirklich... anders klang als im Englischen. „Welche denn?", fragte ich zweifelnd und schaute zu, wie er sich zu einem der Filme und dann zu den verschiedenen Sprachen klickte. Meine Motivation ließ noch mehr nach, als er auf Portugiesisch klickte und mich fragend ansah. Ich zuckte hilflos mit den Schultern und nahm ein Pizzastück. Lee startete den Film. Zweifelnd sah ich zu, wie der Vorspann lief. Ehrlich gesagt konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, dass ich die StarWars Filme auf portugiesisch jetzt verstehen würde, weil ich sie schon vor einem Jahr nicht verstanden hatte. Aber was soll's. Solange es Lee gefällt. Ich meine, er musste ja noch die Niederlage unserer Nationalmannschaft verdauen. Mich traf das nicht so hart wie ihn. Keine Ahnung warum.
Der Film zog sich wie Kaugummi, während ich meine und Lee's halbe Pizza verputze. Meine, weil ich Hunger hatte und Lee's, weil Lee keinen Hunger hatte. Bei der Hälfte des Filmes holte Lee Schokolade aus der Schublade in seinem Schrank, in der er Süßigkeiten vor seinen Eltern versteckt und hielt mir eine Tafel hin. Gierig wie ein wildes Tier, stürzte ich mich darauf und stopfte sie in mich rein. Irgendwann zog mein Möchte-gern-Bester-Freund die Schokolade aus der Hand und legte sie neben sich ab. Normalerweise hätte ich versucht, sie mir wieder zu holen, aber heute hatte ich keine Kraft dafür. Stattdessen ließ ich mich in die Kissen fallen und schloss die Augen. Es war noch garnicht mal so spät. Vielleicht halb acht, aber ich war trotzdem todmüde. Und voll gegessen. Ich versuchte, mich auf den Film zu konzentrieren, aber bei aller Anstrengung, von dem portugiesisch blieb nichts hängen und immer mehr zog an mir vorbei, bis ich komplett den Faden verlor und schlussendlich einschlief.
Ich erwachte. Es war still, aber ob Lee da war, konnte ich nicht sagen, weil ich meine Augen geschlossen hatte. Minuten blieb ich liegen, aber irgendwann öffnet ich meine Augen doch, um auf meinem Handy nach der Uhrzeit zuschauen. 03:10 Uhr. Morgens. Mit einem Blick aus dem Fenster bestätigte ich mir, dass es dunkel war und ließ mich zurück in das Bett sinken. Am anderen Bett Ende hörte ich Lee atmen. Was erstaunlich beruhigend war. Kurz darauf war ich wohl wieder eingeschlafen, denn ich erinnerte mich an nichts mehr.
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Hey! Ich hoffe euch gefällt die Geschichte bis hier hin!
Ich muss mich an dieser Stelle, glaube ich, mal kurz entschuldigen, dass in letzter Zeit nichts mehr kam. Ich hatte einfach keine Zeit zum schreiben und hochladen. Aber jetzt ist es ja da!
Wenn ihr Anregungen, Verbesserungsvorschläge, etc. habt, könnt ihr mir das gerne schreiben! Ich bin immer offen für konstruktive Kritik! :)
Na dann noch einen Schönen Tag euch! ByeBye! :)
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